Aktenzeichen 20 ZB 15.50187
Leitsatz
Die Rüge eines Verfahrensfehlers erfordert die substantiierte Darlegung dessen, was der Beteiligte bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen (BVerwG BeckRS 1999, 31354982). (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RN 7 K 14.50261 2015-08-18 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 18. August 2015 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 AsylG nicht dargelegt wurden oder nicht vorliegen.
Die vom Bundesamt in seinem Antrag auf Zulassung der Berufung aufgeworfenen Fragen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) sind keiner grundsätzlichen Klärung zugänglich, weil es sich hier um einen Einzelfall handelt, der keine Bedeutung für eine Vielzahl anderer Verwaltungsstreitverfahren besitzt. Dies folgt zunächst daraus, dass der Kläger bereits im Jahre 2010 in der Bundesrepublik Deutschland ein Asylverfahren durchgeführt hat, welches mit Bescheid vom 13. Oktober 2010 bestandskräftig abgeschlossen worden ist. Dort erging nach einer Betreibensaufforderung eine Verfahrenseinstellung (Ziffer 1), die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2) und eine Abschiebungsandrohung in den Herkunftsstaat (Ziffer 3). Zu dieser eigenen Entscheidung verhält sich der neuerliche streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes, außer mit einem nachrichtlichen Hinweis, nicht. Damit handelt es sich aus der Perspektive des im Jahr 2010 verbeschiedenen Erstantrags jetzt um einen Folgeantrag, welcher das Entscheidungsprogramm des § 71 Abs. 4 – 6 AsylG eröffnet. Zugleich beruft sich das Bundesamt aber auch darauf, dass dem Kläger bereits im Jahre 2009 in Italien ein subsidiärer Schutzstatus gewährt wurde, was grundsätzlich dazu führen würde, dass der neuerliche Antrag des Klägers auf Gewährung von unionsrechtlichen subsidiären Schutzes unzulässig wäre (vgl. BVerwG, U.v. 17.6.2014 – 10 C 7.13 – BVerwGE 150, 29). Sollte der Kläger allerdings in Italien hinsichtlich eines Flüchtlingsanerkennungsbegehrens negativ verbeschieden worden sein, gilt dies nicht, denn dann wäre nach dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2015 (BVerwG 1 B 41.15 – NVwZ 2015, 1779) der Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zulässig, weil dieser vor dem Stichtag des 20. Juli 2015 gestellt worden ist. Sollte dies der Fall sein, wäre der Antrag des Klägers nach § 71a AsylG zu beurteilen. Sollte der Kläger dagegen in Italien sein Schutzbegehren auf die Gewährung subsidiären Schutzes beschränkt haben, so wäre wohl im streitgegenständlichen Verfahren eine materielle Prüfung des Flüchtlingsschutzes eröffnet. Nach keiner dieser möglichen Konstellationen wäre aber eine Entscheidung nach § 31 Abs. 4 AsylG erforderlich und rechtens gewesen, so dass es nicht darauf ankommen kann, ob gegen eine solche Entscheidung die Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage statthaft ist. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass nach der bisherigen Sachlage nicht mit ausreichender Sicherheit feststeht, dass dem Kläger in Italien tatsächlich ein subsidiärer Schutzstatus gewährt wurde. Bei der Überprüfung dieses Umstandes kann es nicht angehen, dass das Bundesamt ein Gericht auf den Vermerk eines Mitarbeiters über eine E-Mail einer anderen eigenen Mitarbeiterin verweist. Hier wird das Bundesamt und gegebenenfalls das Verwaltungsgericht weitere Aufklärungsmaßnahmen durchführen müssen. Diese Unwägbarkeiten zeigen anschaulich, dass weder das Bundesamt noch das Verwaltungsgericht den streitgegenständlichen Sachverhalt im ausreichenden Maße ermittelt und aufgeklärt haben. Deswegen ist es dem Senat nicht möglich im Verfahren auf Zulassung der Berufung, in dem grundsätzlich keine Sachaufklärung erfolgt, eine grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Fragen festzustellen.
Der vom Bundesamt gerügte Verfahrensfehler (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO) wurde nicht in der erforderlichen Weise dargelegt. Diese Rüge erfordert die substantiierte Darlegung dessen, was der Beteiligte bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (vgl. BVerwG, B.v. 22.4.1999 – BVerwG 9 B 188.99 – Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 44; B.v. 18.7.2002 – BVerwG 4 BN 17.02 – juris). Daran fehlt es hier. Zudem wendet sich die Beklagte mit ihrer Verfahrensrüge eigentlich gegen die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts und macht somit dem Grunde nach ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts geltend. Dies stellt jedoch keinen Zulassungsgrund im Sinne des § 78 Abs. 2 AsylG dar. Auf die vom Bundesamt erhobene Divergenzrüge kommt es nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr an. Dies räumt selbst das Bundesamt ein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).