Verwaltungsrecht

Öffentlichkeit der Stimmenauszählung

Aktenzeichen  7 ZB 15.2774

Datum:
20.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHSchWO BayHSchWO § 18 Abs. 2
VwGO VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO VwGO § 124a Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger hat die Wahlen zum Studentischen Konvent, zum Fakultätsrat der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät und zur erweiterten Universitätsleitung, jeweils Gruppe der Studierenden, im Rahmen der Hochschulwahlen im Jahr 2015 an der Universität A. wegen Verstößen gegen das Wahlrecht, insbesondere die in § 2 Abs. 1 der Bayerischen Hochschulwahlordnung genannten Grundsätze der gleichen, freien und geheimen Wahl angefochten. Einer konkurrierenden Bewerberliste sei ihr Listenplatz bereits vier Tage vor der offiziellen Bekanntgabe der Listenplatzierungen mitgeteilt worden. Eine andere Liste habe bereits in der April-Ausgabe des mit öffentlichen Mitteln finanzierten AStA-Magazins ein Interview veröffentlichen dürfen. In der im Juni 2015 zur Wahl erschienenen Sonderausgabe des Magazins sei ein mit der Gruppierung des Klägers geführtes Interview in der Weise erschienen, dass zwar die Fragen lesbar, die Antworten jedoch geschwärzt gewesen seien. Außerdem sei der Kläger nicht zur Stimmenauszählung zugelassen worden. Eine unzutreffende Stimmenauszählung oder eine Manipulation der Stimmzettel bei der Wahl zur erweiterten Universitätsleitung könne nicht ausgeschlossen werden.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag, die Hochschulwahlen 2015 an der Universität A. hinsichtlich der Studierendenvertreter im Fakultätsrat der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, im Studentischen Konvent und in der erweiterten Universitätsleitung für ungültig zu erklären und insoweit eine Wiederholungswahl anzuordnen, abgewiesen. Der Kläger verfolgt sein Rechtsschutzbegehren mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung weiter.
Die Berufung sei zuzulassen, weil die Frage, ob und in welchem Ausmaß der ungeschriebene Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl auch auf Hochschulwahlen Anwendung findet, grundsätzliche Bedeutung habe. Aus dem Fehlen einschlägiger Vorschriften könne nicht auf eine Einschränkung dieses Grundsatzes geschlossen werden, was auch insoweit gelte, als es keine Vorschrift gäbe, die die öffentliche Bekanntmachung von Ort und Zeit der Stimmenauszählung sowie einen Hinweis auf deren grundsätzliche Öffentlichkeit vorsehe.
Darüber hinaus werden sinngemäß ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung geltend gemacht. Durch das vorzeitige Bekanntwerden der Listenplatzierung einer konkurrierenden Bewerberliste habe diese längere Zeit für ihre Wahlwerbung als die Mitbewerber nutzen können. Der Grundsatz der Chancengleichheit bei der Wahl sei ferner dadurch verletzt worden, dass eine andere Bewerberliste bereits in einer früheren Ausgabe des AStA-Magazins ein Interview habe veröffentlichen können. Dieser Grundsatz sei außerdem durch die Veröffentlichung des Interviews mit den geschwärzten Antworten ebenso verletzt wie durch die Platzierung eines Interviews mit einer anderen Liste, die sich einzig zum Ziel gesetzt habe, die Liste des Klägers lächerlich zu machen, unmittelbar hinter dem Interview mit den geschwärzten Antworten.
Schließlich sei der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl dadurch verletzt, dass es keine Bekanntmachung oder Vorabinformationen gegeben habe, wo die Auszählung der Stimmen stattfinden sollte. Damit sei die Öffentlichkeit bei der Auszählung der Stimmen ausgeschlossen gewesen. Sein abschlägig beschiedener Antrag auf Zulassung von „Wahlbeobachtern“ sei im untechnischen Sinn gemeint gewesen.
Die Antragsgegnerin widersetzt sich dem Antrag auf Zulassung der Berufung. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Verfahrensakte dieses Zulassungsverfahrens und die erstinstanzlichen Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Antrag hat keinen Erfolg.
Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wurde schon nicht in einer den gesetzlichen Erfordernissen (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) genügenden Weise dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinn kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Berufungsentscheidung erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, die im Interesse der Fortbildung des Rechts einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Berufungsentscheidung erheblichen Rechts- oder Tatsachenfrage voraus, außerdem die Angabe, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll, sowie die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72).
Der Antrag auf Zulassung der Berufung erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Mit der Frage, ob und in welchem Ausmaß der Wahlgrundsatz der Öffentlichkeit der Wahl auf Hochschulwahlen Anwendung findet, wird keine konkrete entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert. Das geschieht auch nicht, indem ausgeführt wird, dass aus dem Fehlen von Vorschriften über eine öffentliche Bekanntmachung von Ort und Zeit der Stimmenauszählung sowie einen Hinweis auf deren grundsätzliche Öffentlichkeit keine Einschränkung dieses Grundsatzes abgeleitet werden könne. Solches kann der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht entnommen werden. Es ist vielmehr der Auffassung, dass die bei den Hochschulwahlen 2015 an der Universität A. geübte Praxis, wonach Interessierte sich gegebenenfalls nach Ort und Zeit der Stimmenauszählung erkundigen, dem – den gegenüber Parlamentswahlen bei Wahlen im Rahmen der Selbstverwaltung grundsätzlich nur eingeschränkt geltenden – Öffentlichkeitsgrundsatz genügt. Die Frage nach einer Einschränkung des ungeschriebenen Grundsatzes der Öffentlichkeit der Wahl durch ein Unterlassen des Vorschriftengebers stellt sich daher nicht.
Den Darlegungserfordernissen wird auch nicht dadurch genügt, dass allein eine Abweichung von einer Entscheidung eines Oberverwaltungsgerichts behauptet wird oder gar der Frage der Anwendbarkeit des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Wahl auf Hochschulwahlen an sich grundsätzliche Bedeutung beigemessen wird.
Ebenso wenig lassen sich der Antragsbegründung ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils des Verwaltungsgerichts entnehmen.
Die behauptete Verletzung des Grundsatzes der Chancengleichheit durch die Veröffentlichung eines Interviews mit einer konkurrierenden Bewerberliste in der April-Ausgabe des AStA-Magazins wie auch durch die Veröffentlichung des Interviews mit den geschwärzten Antworten in der Juni-Ausgabe und der unmittelbar anschließenden Platzierung eines weiteren Interviews, in dem Bestreben, die Darstellung der Gruppierung des Klägers lächerlich zu machen, können nicht zur Begründetheit einer Wahlanfechtung führen. Nach § 18 Abs. 2 der Wahlordnung für die staatlichen Hochschulen (BayHSchWO) vom 16. Juni 2006 (GVBl S. 338, BayRS 2210-1-1-2-K), zuletzt geändert mit Verordnung vom 25. November 2008 (GVBl S. 951), ist die Anfechtung begründet, wenn wesentliche Vorschriften (nicht Grundsätze, wie die Beteiligten immer wieder vortragen) über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verletzt worden sind und die Verletzung zu einer fehlerhaften Sitzverteilung geführt hat oder hätte führen können. Die Aufzählung: „das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren“ zeigt, dass mit „Wahlrecht“ nicht die Gesamtheit aller Vorschriften gemeint ist, die sich mit Wahlen oder einer bestimmten Wahl befassen. Dazu bedürfte es der Aufzählung nicht, denn dann wären die mit „Wählbarkeit“ und „Wahlverfahren“ bezeichneten Vorschriften im Oberbegriff „Wahlrecht“ enthalten. Unter „Wahlrecht“ ist daher die Wahlberechtigung, das sogenannte aktive Wahlrecht zu verstehen. Eine Wahlanfechtung kann deshalb nicht auf Rechtsverstöße im Wahlkampf gestützt werden, auch wenn diese in einem öffentlich-rechtlichen oder öffentlich finanzierten Medium vorkommen. Verstöße gegen den Grundsatz der Chancengleichheit beispielsweise durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (Wahlwerbung im Fernsehen oder Hörfunk) führen auch nicht zur Ungültigkeit der Bundestags- oder Landtagswahl. Der Rechtsschutz gegen Rechtsverletzungen im Wahlkampf wird damit nicht unangemessen verkürzt. Betroffene Wahlbewerber müssen gegebenenfalls im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Gleichbehandlung im Einzelfall durchsetzen.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ergeben sich auch nicht daraus, dass eine konkurrierende Gruppierung die Platzierung ihrer Liste bereits vier Tage vor den Übrigen erfahren hat. Weder das angefochtene Urteil noch die Antragsbegründung lassen erkennen, ob dadurch wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens verletzt worden sind. Darüber hinaus ist es nicht richtig, dass diese Gruppierung eine längere Zeit für den Wahlkampf zur Verfügung gehabt hätte. Allein dadurch, dass die übrigen Gruppierungen ihre Listenplatzierung noch nicht gekannt haben, waren sie nicht an effektiven Wahlkampfmaßnahmen gehindert. Gerade bei Hochschulwahlen, bei denen die Wahlberechtigten ein höheres Bildungsniveau haben und im Übrigen Gruppierungen und Einzelbewerber den Wählern besser bekannt sind als bei Bundes- und Landtagswahlen, kann nicht nachvollzogen werden, dass allein die Nennung der Listenplatzierung gegenüber der Nennung von Namen der Gruppierungen und der Kandidaten einen sich im Ergebnis niederschlagenden Vorteil vermitteln soll. Im Übrigen hat die betreffende Gruppierung den „Vorteil“ jedenfalls insoweit nicht genutzt, als sie die Druckaufträge für ihre Wahlkampfmaterialien auch nicht früher erteilt hat.
Schließlich sind wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens nicht durch einen Verstoß gegen den ungeschriebenen Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl verletzt, indem Ort, Zeit und ein Hinweis auf die Öffentlichkeit der Stimmenauszählung nicht öffentlich bekannt gegeben worden sind. Die Öffentlichkeit ist von der Stimmenauszählung nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil das geltende Hochschulwahlrecht keine Vorschriften hierüber enthält. Der ungeschriebene Grundsatz gilt unabhängig von seiner normativen Ausformung im Detail (BVerfG, Urteil vom 3.3. 2009 – 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07 – BVerfGE 123, 39-88, Rn. 142). Nähere Vorschriften erscheinen nur dann erforderlich, wenn andernfalls die Teilnahme interessierter Kreise nicht mehr gewährleistet wäre. Dies ist bei Hochschulwahlen mit überschaubarem Wähler- und Bewerberkreis nicht der Fall. Die Beteiligten sind ortskundig und kennen die herrschenden Gepflogenheiten wie auch die in den Wahlorganen tätigen Personen jedenfalls soweit, dass sie sich durch schlichtes Nachfragen Zugang zu den Räumen verschaffen können, in denen die Auszählung stattfindet. In der Antragsbegründung hält der Kläger den Vortrag, dass ihm der Zugang zur Auszählung verweigert worden sei, nicht mehr aufrecht. Er hat gar nicht versucht, der Auszählung beizuwohnen. Soweit er sich mit seinem Begehren nach der Zulassung von „Wahlbeobachtern“ missverstanden fühlt und die Wahlleitung die Teilnahme besonderer Wahlbeobachter abgelehnt hat, ist der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl ebenfalls nicht verletzt. Sie musste sein Begehren nicht anders verstehen. Die Zuziehung zusätzlicher Wahlbeobachter über die Personen hinaus, die der Auszählung im Rahmen der Öffentlichkeit der Wahl beiwohnen, wird von dem Grundsatz nicht erfordert.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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