Aktenzeichen W 6 K 16.30046
VwGO VwGO § 52 Nr. 2 S. 3, § 83 S. 1
BayAGVwGO BayAGVwGO Art. 1 Abs. 2 Nr. 3
AsylG AsylG § 75 Abs. 1
Leitsatz
Für die Bestimmung des örtlich zuständigen Verwaltungsgerichts in einem Asylstreitverfahren kommt es weder auf die Rechtskraft noch die Rechtmäßigkeit des Zuweisungsbescheids, sondern allein auf die Wirksamkeit der Aufenthaltsbestimmung und den mit sofort vollziehbarer Wirkung verpflichtend zugewiesenen Aufenthaltsort an. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg ist örtlich unzuständig.
II.
Der Rechtsstreit wird an das örtlich zuständige Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth verwiesen.
Gründe
Das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg ist örtlich unzuständig. Der Rechtsstreit ist nach erfolgter Anhörung der Beteiligten von Amts wegen gemäß § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das örtlich zuständige Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth zu verweisen.
Denn die örtliche Zuständigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth resultiert aus § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO i. V. m. Art. 1 Abs. 2 Nr. 3 AGVwGO, wonach in Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz das Gericht örtlich zuständig ist, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylverfahrensgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat. Im Zeitpunkt der Klageerhebung am 18. Januar 2016 betreffend den Asylbescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. November 2015 hatten die Kläger ihren Aufenthalt nach dem kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Zuweisungsbescheid der Regierung von Oberfranken vom 8. Januar „2015“ (richtig: 2016), zugestellt am 12. Januar 2016, spätestens eine Woche nach Aushändigung im Zuständigkeitsbereich des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth, konkret Ankunfts- und Rückführungseinrichtung II Bayern (ARE II), …, zu nehmen.
Für die Bestimmung des örtlich zuständigen Verwaltungsgerichts spielt es keine Rolle, dass der Zuweisungsbescheid der Regierung von Oberfranken vom 8. Januar „2015“ mit der Aufenthaltsbestimmung für … noch nicht rechtskräftig ist. Auch die Rechtmäßigkeit des Zuweisungsbescheides ist unerheblich, solange er nicht nichtig ist. Genauso wenig ist der tatsächliche Aufenthaltsort bzw. Wohnsitz des Betreffenden sowie der Aufenthaltsort, den der Betreffende sich wünscht, maßgeblich. Es kommt allein auf die hier gegebene Wirksamkeit der Aufenthaltsbestimmung und den mit sofort vollziehbarer Wirkung verpflichtend zugewiesenen Aufenthaltsort an. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, B. v. 28.7.1997 – 9 AV 3/97 – juris) hat ausdrücklich entschieden, dass auf den betreffenden Zuweisungsbescheid abzustellen ist, solange dieser nicht widerrufen oder zurückgenommen ist. Eine materielle Prüfung der Aufenthaltsentscheidung bereits bei der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts widerspricht zudem dem Bedürfnis nach einer schnellen und sicheren Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts. § 52 Nr. 2 Satz 3 1. Halbsatz VwGO knüpft ausdrücklich daran an, wo der Ausländer auf der Basis der zuletzt durch die Ausländerbehörde getroffene Entscheidung nach dem Asylverfahrensgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat (VG Hamburg, B. v. 4.6.2010 – 19 E 1074/10 – juris). Denn bei der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts kann es – wie auch sonst in Asylverfahren, die sich auf das eigentliche Asylbegehren und nicht auf die Aufenthaltsbestimmung beziehen – nicht davon abhängen, ob die zugrunde liegende Zuweisungsentscheidung rechtskräftig ist oder nicht. Andernfalls könne der betreffende Ausländer allein durch eine Anfechtung der Zuweisungsentscheidung und die beliebige Wahl eines anderen Aufenthaltsortes bzw. Wohnsitzes vor Klageerhebung die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts beeinflussen.
Der Zuweisungsbescheid der Regierung von Oberfranken vom 8. Januar „2015“ ist wirksam und kraft Gesetzes sofort vollziehbar (vgl. § 75 Abs. 1 AsylG). Daran ändert auch nichts der Umstand, dass die Kläger im Verfahren W 6 S 16.30129 mit ihrem Sofortantrag die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (W 6 K 16.30128) gegen den Zuweisungsbescheid vom 8. Januar „2015“, der nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, begehren. Über diesen Antrag war bei Eingang des Antrags im streitgegenständlichen Verfahren noch nicht entschieden. Des Weiteren ist unschädlich, dass die Regierung von Oberfranken zugesichert hat, zunächst von Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen. Denn diese Zusicherung bezieht sich nicht auf die uneingeschränkt weiter geltende Zuweisung nach … (Oberfranken) in Nr. 1 des Bescheides der Regierung von Oberfranken vom 8. Januar „2015“, sondern auf dessen Nr. 3 betreffend die zwangsweise Vollstreckung durch die Behörde.
Auch bei der Wochenfrist unter Nr. 2 des Zuweisungsbescheides vom 8. Januar „2015“ handelt es sich – entgegen der Auffassung der Klägerseite – nicht um eine die innere Wirksamkeit des Zuweisungsbescheides betreffende Frist, sondern um die Erfüllungsfrist der Zwangsmittelandrohung, wie die Formulierung und Systematik der Nrn. 2 und 3 des Zuweisungsbescheides zeigen. Denn die Zuweisungsverfügung in Nr. 1 des Bescheides ist als Verwaltungsakt mit ihrer Bekanntgabe – hier durch Zustellung am 12. Januar 2016 – gemäß Art. 41 Abs. 1, Art. 43 BayVwVfG wirksam geworden. Sie ist des Weiteren kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 75 Abs. 1 AsylG). Die innere, d. h. materiell-rechtliche Wirksamkeit der Verfügung ist nicht durch eine Befristung oder Bedingung aufgeschoben bzw. aufgelöst. Bei der in Nr. 2 des Zuweisungsbescheides enthaltenen Fristbestimmung von einer Woche nach Aushändigung des Bescheides handelt es sich nicht um eine die innere Wirksamkeit betreffende Frist, sondern um die Erfüllungsfrist der Zwangsmittelandrohung nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG, wie die Formulierung „spätestens“ sowie der systematischen Zusammenhang mit der Androhung des unmittelbaren Zwangs in Nr. 3 des Bescheides belegen, die auf die Fristbestimmung in Nr. 2 Bezug nimmt (ebenso schon ausdrücklich VG Würzburg, B. v. 3.2.2016 – W 1 S 16.30053 – juris). Zudem bestimmt § 50 Abs. 6 AsylG ausdrücklich, dass sich der Ausländer unverzüglich zu der in der Zuweisungsverfügung angegebenen Stelle zu begeben hat.
Die teilweise vertretene Gegenmeinung, die an eine vorhergehende bestandskräftige Aufenthaltsbestimmung anknüpft, betrifft – soweit ersichtlich – nur Fallgestaltungen, in denen der Bescheid über die Aufenthaltsbestimmung anders als hier selbst Gegenstand des Streitverfahrens ist (vgl. etwa Berstermann in Beck´scher Online-Kommentar VwGO, Herausgeber Poser/Wolff, 36. Edition Stand 1.1.2016, § 52 Rn. 9; VG Berlin, U. v. 4.7.2014 – 10 K 289.13 – juris. Ebenso: z. B. VG Bayreuth, B. v. 3.2.2016 – B 3 S 16.30101 und B 3 K 16.30102). Jedoch sprechen auch in dieser Konstellation die oben genannte gewichtigen Gründe dafür, allein auf die Wirksamkeit und Vollziehbarkeit der letzten Aufenthaltsbestimmung abzustellen (so VG Würzburg, B. v. 3.2.2016 – W 1 S 16.30053 – juris; VG München, B. v. 27.8.2014 – M 24 K 14.1252 – juris; VG Berlin, B. v. 20.3.2014 – 19 N 72.14 – juris; VG Hamburg, B. v 4.6.2010 – 19 E 1074/10 – juris; BVerwG, B. v. 28.7.1997 – 9 AV 3/97 – juris). Diese Frage kann vorliegend mangels Entscheidungsrelevanz indes offen bleiben.
Nach dem in § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG statuierten Grundsatz der perpetuatio fori haben Änderungen ab Rechtshängigkeit keine Auswirkungen auf die Zuständigkeit des Gerichts.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt gemäß § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17b Abs. 2 GVG der Endentscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vorbehalten.