Verwaltungsrecht

Örtliche Zuständigkeit bei nicht ortsgebundenem Recht

Aktenzeichen  Au 6 K 17.1693

Datum:
8.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 279
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 52 Nr. 1, Nr. 3 S. 3, Nr. 5
BayKG Art. 21 Abs. 1
BayDVAsyl § 22

 

Leitsatz

Bei der Festsetzung von Benutzungsgebühren für eine staatliche Unterkunft zur Unterbringung von Asylbewerbern handelt es sich nicht um ein ortgebundenes Recht iSd § 52 Nr. 1 VwGO, da die das Rechtsverhältnis prägenden Fragen standortunabhängig sind. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg erklärt sich für das Verfahren Au 6 K 17.1693 für örtlich unzuständig.
II. Der Rechtsstreit wird an das Bayerische Verwaltungsgericht … verwiesen.
III. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Festsetzung von Benutzungsgebühren für die Inanspruchnahme einer Gemeinschaftsunterkunft.
Vom 4. August 2017 bis zum 11. September 2017 wohnte der Kläger in einer staatlichen Unterkunft in … (Regierungsbezirk …). Am 11. September 2017 zog der Kläger nach … (…) um. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 12. Oktober 2017 setzte die Regierung von … für die Nutzung der staatlichen Unterkunft in … Benutzungsgebühren in Höhe von 114,03 EUR fest. Hiergegen erhob der Kläger am 13. November 2017 vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg örtlich unzuständig und das Verfahren an das Bayerische Verwaltungsgericht … zu verweisen ist. Der Kläger hat sich in der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme nicht geäußert.
II.
Das Verfahren ist nach § 52 Nr. 3 Satz 3, § 52 Nr. 5 VwGO an das Bayerische Verwaltungsgericht … zu verweisen.
1. Bei der Festsetzung von Benutzungsgebühren handelt es sich nicht um ein ortsgebundenes Recht i.S.d. § 52 Nr. 1 VwGO.
Ortsgebundene Rechte sind nur solche, die zu einem bestimmten Territorium in der Weise in einer besonderen Beziehung stehen, dass zwischen dem strittigen Recht und der betreffenden Örtlichkeit eine weitgehende Verbindung gegeben ist. Dafür genügt nicht jedwede Beziehung des streitigen Rechts oder Rechtsverhältnisses mit einem Territorium. Voraussetzung ist vielmehr, dass der Rechtsstreit derart durch die örtlichen Verhältnisse geprägt ist, dass eine Entscheidung nicht ohne Rücksicht auf die dort gegebenen Besonderheiten getroffen werden kann (VGH Hessen, B.v. 30.8.2007 – 6 A 883/07 – juris Rn. 47 m.w.N.). Die das Rechtsverhältnis prägenden wesentlichen Fragen müssen standortabhängig sein (VG Frankfurt, B.v. 4.1.2017 – 3 K 1245/15 – juris Rn. 3).
Die vom Beklagten festgesetzten Benutzungsgebühren stehen mit dem Territorium der einzelnen Unterkunft nicht in einem derart engen Verhältnis (vgl. VG Mainz, B.v. 19.11.2004 – 2 K 902/04.MZ – juris Rn. 3; Scheidler in: Gärditz, VwGO, 1. Aufl. 2013, § 52 Rn. 13, a.A. Berstermann in: BeckOK VwGO, 43. Edition, § 52 Rn. 7). Der Beklagte betreibt bayernweit staatliche Unterkünfte zur Unterbringung von Asylbewerbern und sonstigen Leistungsberechtigten und setzt hierfür für bestimmte Personengruppen – insbesondere erwerbstätige Asylbewerber und sog. Fehlbeleger – Benutzungsgebühren fest. Dabei ist die Festsetzung der Benutzungsgebühren unabhängig davon, in welcher Unterkunft der Gebührenschuldner untergebracht wird. Die Verordnung zur Durchführung des Asylgesetzes, des Asylbewerberleistungsgesetzes, des Aufnahmegesetzes und des § 12a des Aufenthaltsgesetzes (Asyldurchführungsverordnung – DVAsyl) vom 16. August 2016 (GVBl. S. 258; BayRS 26-5-1-A/I; im Folgenden: DVAsyl 2016) unterscheidet in Hinblick auf die Höhe der Gebühren für Unterkünfte nicht nach der örtlichen Siedlungsstruktur (Landeshauptstadt, Ballungsgebiet, ländliches Gebiet), dem Qualitäts- und Ausstattungsstandard, der Größe der Unterkunft und der jeweiligen Zimmer, den Kosten des Beklagten für die einzelne Unterkunft, der Anzahl der in der Unterkunft beschäftigten Personen (z.B. Sicherheitsdienst nur in bestimmten Unterkünften) oder nach sonstigen Kriterien. Eine Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten ist damit im Rechtsstreit nicht erforderlich. Die Gebühren werden vielmehr im gesamten Freistaat gleichmäßig erhoben. Damit prägt der jeweilige Standort der Unterkunft das Rechtsverhältnis nicht. Für die Gebührenpflicht sind vielmehr andere, vom Ort der Unterkunft unabhängige Kriterien wie beispielsweise die Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Gebührenschuldners maßgeblich.
2. Da die Gebührenschuld auf §§ 22 ff. DVAsyl 2016 beruht, diese Norm ihre Ermächtigungsgrundlage wiederum in Art. 21 Abs. 1 Satz 1 KG findet und nicht nur Asylbewerber gebührenpflichtig sind, liegt auch keine Streitigkeit nach dem Asylgesetz nach § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO vor.
3. Demnach richtet sich die Zuständigkeit grundsätzlich nach § 52 Nr. 2 Satz 2 VwGO, da die den Verwaltungsakt erlassende Behörde – die Regierung von …– nach § 28 Satz 1 DVAsyl für sämtliche bayerische Verwaltungsgerichtsbezirke zuständig ist. Da jedoch der Kläger zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Klageerhebung am 13. November 2017 (§ 81 Abs. 1 Satz 1, § 83 Satz 1 VwGO, § 17 Abs. 1 S. 1 GVG) seinen Wohnsitz nicht mehr in Bayern und damit nicht im Zuständigkeitsbereich der Regierung von … hatte, richtet sich die Zuständigkeit nach § 52 Nr. 5 VwGO und damit nach dem Sitz des Beklagten. Ist – wie hier – der Staat Beklagter, so kommt es auf den Sitz der Behörde an, die befugt ist, über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch zu entscheiden; unerheblich ist dabei, ob ihr auch die Vertretung im Rechtsstreit obliegt (W.-R. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 52 Rn. 19). Die Regierung von … hat ihren Sitz in, weshalb das Bayerische Verwaltungsgericht … örtlich zuständig ist.
4. Das Verfahren war deshalb – nach entsprechender vorheriger Anhörung der Beteiligten – durch die Kammer nach § 83 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das Bayerische Verwaltungsgericht … zu verweisen. Eine mündliche Verhandlung war nach § 83 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 4 Satz 1 GVG nicht erforderlich. Über die im Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg angefallenen Kosten wird das Bayerische Verwaltungsgericht … zu entscheiden haben (§ 83 Satz 1 VwGO, § 17b Abs. 2 GVG).
Dieser Beschluss ist gemäß § 83 Satz 2 VwGO unanfechtbar.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen