Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründete Asylklage

Aktenzeichen  M 25 K 16.31188

Datum:
28.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4, § 11, § 78 Abs. 1 S. 2
GG GG Art. 16a Abs. 1
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Weder bei der Gruppe der “Straftäter” noch der der unverbeserlichen bzw. unbelehrbaren Straftäter” handelt es sich um eine bestimmte soziale Gruppe im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen, gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unbegründet.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist. Hinsichtlich der Entscheidung über den Asylantrag ist sie offensichtlich unbegründet.
1. Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Juli 2016 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht erschienen ist.
Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Beklagte hat mit allgemeiner Prozesserklärung vom 25. Februar 2016 auf förmliche Zustellung der Ladung gegen Empfangsbekenntnis und auf Einhaltung der Ladungsfrist verzichtet.
2. Die Klage ist abzuweisen, hinsichtlich der Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unbegründet. Hierbei ist für das Gericht die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG).
Der Kläger hat gegen die Beklagte offensichtlich weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a Abs. 1 GG), noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylG), noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) (2.1.). Der Kläger hat darüber hinaus auch keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG (2.2); auch die Abschiebungsandrohung (2.3.) sowie die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (2.4) begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
2.1. Hinsichtlich der einfachen Ablehnung des Asylantrags des Klägers in Nrn. 1, 2 und 3 des Bescheids folgt das Gericht der zutreffenden Begründung im Bescheid und auf die Ausführungen im angegriffenen Bescheid des Bundesamts (§ 77 Abs. 2 AsylG). Die entsprechenden Anträge sind darüber hinaus auch als offensichtlich unbegründet abzulehnen.
Die Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet mit der Folge der Unanfechtbarkeit der Entscheidung setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass nach vollständiger Erforschung des Sachverhalts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts keine Zweifel bestehen und sich bei diesem Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage für das Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt.
Diese Voraussetzungen liegen hier in Bezug auf die Anerkennung als Asylberechtigter, auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus unzweifelhaft vor.
2.1.1. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter liegen schon im Ansatz ganz offensichtlich nicht vor, so dass sich eine Abweisung der diesbezüglichen Klage geradezu aufdrängt.
Im Hinblick auf die Anerkennung als Asylberechtigter i.S.v. Art. 16a Abs. 1 GG hat der Kläger keine Verfolgung geltend gemacht. Seinem Vortrag lässt sich hierzu nichts entnehmen, und es ist auch nichts ersichtlich, woraus sich eine Verfolgung i.S.v. Art. 16a GG des in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Asylbewerbers ergeben könnte.
2.1.2. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 3 AsylG) liegen trotz der erstmals in der mündlichen Verhandlung geäußerten Befürchtung, bei den togoischen Behörden als unverbesserlicher bzw. unbelehrbarer Straftäter bekannt zu sein und deshalb bei einer Rückkehr Repressionen bis hin zur Inhaftierung ausgesetzt zu werden, offensichtlich nicht vor. Denn der Kläger ist bereits nach seinem Vortrag nicht Zugehöriger einer bestimmten sozialen Gruppe, die begründete Furcht vor Verfolgung haben muss.
Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953, II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftslands) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt (§ 3 Abs. 1 Nr. 2a AsylG).
Die Befürchtung des Klägers, bei einer Rückkehr nach Togo dort als „unverbesserlicher Straftäter“ verfolgt zu werden, weil die togoischen Behörden aufgrund des Laissez-Passer-Verfahrens Kenntnis von seiner Vita erlangt haben, führt – den Vortrag zu Gunsten des Klägers als wahr unterstellt – offensichtlich nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, weil es sich weder bei der Gruppe der „Straftäter“ noch bei der Gruppe der „unverbesserlichen bzw. unbelehrbaren Straftäter“, um eine „bestimmte soziale Gruppe“ i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG handelt. Denn gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG gilt eine „Gruppe“ als eine „bestimmte soziale Gruppe“, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird.
Dass diese Voraussetzungen für die Gruppe der „Straftäter“ und mithin auch für ihre Untergruppe der „unverbesserlichen bzw. unbelehrbaren Straftäter“ nicht vorliegen, liegt auf der Hand.
Somit hat der Kläger offensichtlich auch keine begründete Furcht vor Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG geltend gemacht noch ist eine solche anderweitig ersichtlich. Im Übrigen handelt es sich bei der vorgetragenen Befürchtung, erneuter Strafverfolgung ausgesetzt bzw. inhaftiert zu werden, um unsubstantiierte Spekulationen (vgl. dazu nachfolgend 2.1.3.).
2.1.3. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes wegen eines drohenden ernsthaften Schadens i.S.v. § 4 Abs. 1 AsylG liegen offensichtlich nicht vor.
Denn der Kläger hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, ihm drohe in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden, beispielsweise in Form der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, durch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder durch eine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
Vielmehr handelt es sich bei den vom Kläger geäußerten Befürchtungen um reine, unsubstantiierte Spekulationen.
Dem jüngsten Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Togo vom 16. August 2011 lässt sich kein Anhaltspunkt entnehmen, der die Befürchtung des Klägers auch nur ansatzweise stützt, er hat weder als abgeschobener Straftäter noch als Rückkehrer einen ernsthaften Schaden in seinem Herkunftsland zu befürchten.
Auf den nur hilfsweise gestellten Beweisantrag kommt es bereits deshalb nicht an. Denn selbst wenn man den unter Beweis gestellten Sachverhalt, dass die Ausländerbehörde München nach der Vorsprache des Klägers gegenüber Herrn …, dem ersten Sekretär der togoischen Botschaft in B., G. Allee 43, mitgeteilt hat, dass die Abschiebung des Klägers nur aufgrund von Straftaten, die nach seiner Vorsprache bei der Botschaft begangen haben soll, die Abschiebung unumstößlich gemacht habe und erst deshalb ein Laissez-Passer erteilt habe werden müssen, und dass die Unterlagen der Ausländerbehörde der Landeshauptstadt München, die zur Ausstellung des Laissez-Passer für den Kläger bei der Botschaft geführt haben, nach Togo zur Regierung weitergeleitet werden, zu Gunsten des Klägers als wahr unterstellt, lässt sich aus ihm nicht die vom Kläger gezogene Schlussfolgerung herleiten.
Der hilfsweise gestellte Beweisantrag ist somit abzulehnen, weil der unter Beweis gestellte Sachverhalt als wahr unterstellt werden kann.
Eventuelle Fehler, die nach Angaben des Klägers im Rahmen des Verfahrens zur Ausstellung von Passersatzpapieren bzw. Heimreisedokumenten unterlaufen sein sollen, haben auf die Entscheidung über den Asylantrag vorliegend also keinen Einfluss und ändern auch nichts an der Offensichtlichkeitsentscheidung hinsichtlich eines drohenden ernsthaften Schadens.
Das Gericht hat nach vollständiger Erforschung des Sachverhalts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen keine Zweifel. Bei diesem Sachverhalt drängt sich die Abweisung der Klage nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung für das Verwaltungsgericht geradezu auf.
2.2. Der Abschiebung des Klägers steht auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegen. Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen der Beklagten, auf die gemäß § 77 Abs. 2 AsylG verwiesen wird, ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts keinen Nachweis über die von ihm behauptete Depression bzw. Sportverletzungen vorgelegt hat.
Es handelt sich bei dem Vortrag zur Überzeugung des Gerichts um reine Schutzbehauptungen, die ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht begründen können. Gleiches gilt für die angeblich beabsichtigte Eheschließung: Bislang wurde eine etwaige Verlobte noch nicht konkretisiert.
2.3. Die Abschiebungsandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Das Gericht verweist auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamts (§ 77 Abs. 2 AsylG).
2.4. Ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken begegnet das auf § 11 AufenthG gestützte, sich an der siebenjährigen Einreise- und Aufenthaltssperre in dem bestandskräftigen Ausweisungsbescheid orientierende Einreise- und Aufenthaltsverbot.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Dieses Urteil ist unanfechtbar, § 78 Abs. 1 Satz 2 AsylG.

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