Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründete Klage eines senegalesischen Asylbewerbers

Aktenzeichen  M 21 K 16.30114

Datum:
6.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 3c Nr. 3, § 4, § 29a, § 30, § 36 Abs. 1, § 77 Abs. 1, § 78 Abs. 1
AufenthG AufenthG § 59, § 60 Abs. 5, Abs. 7
GG GG Art. 16a

 

Leitsatz

1 Mobbing, Beschimpfungen und Diskriminierungen durch die Dorfgemeinschaft erreichen nicht die Schwelle einer flüchtlingserheblichen Verfolgungshandlung. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der einwöchigen Ausreisefrist des § 36 Abs. 1 AsylG steht nicht entgegen, dass die Tenorierung als offensichtlich unbegründet sich nur auf das Asylbegehren bezog, wenn sich aus dem restlichen Tenor und der Begründung der Wille zur Ablehnung des gesamten Asylantrags einschließlich des internationalen Schutzes als offensichtlich unbegründet ergibt. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Über die Klage wird ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt – soweit entscheidungserheblich – geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO).
Im Hinblick auf die durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 28. August 2013 (BGBl. 2013 I S. 3474 ff.) sowie durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015 (BGBl. 2015 I S. 1722 ff.) geänderten bzw. neuen Vorschriften des Asylgesetzes (AsylG) und des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) sowie unter Berücksichtigung des erkennbar gewollten Rechtsschutzziels ist die Klage gemäß § 88 VwGO dahin auszulegen, dass – neben der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids – die Verpflichtung der Beklagten begehrt wird, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen (Art. 16a GG), hilfsweise die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG oder hilfsweise subsidiären Schutz nach § 4 AsylG zuzuerkennen sowie (weiter hilfsweise) nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Ferner ist bei gebotener Auslegung davon auszugehen, dass sich der Klageantrag nicht auf die Aufhebung der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots in Nummer 7 des Bescheids bezieht. Anhaltspunkte dafür, dass eine – mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässige – isolierte Aufhebung der Befristungsentscheidung nach § 11 Abs. 2 AufenthG (ausführlich m.w.N. VG München, B.v. 19.1.2016 – M 21 S. 16.30019) mitumfasst sein soll, bestehen nicht.
Die Klage ist mit diesem Rechtsschutzziel zulässig, aber offensichtlich unbegründet.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt eine Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet – mit der Folge des Ausschlusses weiterer gerichtlicher Nachprüfung (§ 78 Abs. 1 AsylVfG) – voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage sich dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt (BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3; B.v. 27.9.2007 – 2 BvR 1613/07 – juris Rn. 18). Da dem Asylgesetz ein einheitlicher Begriff der offensichtlichen Unbegründetheit zu Grunde liegt, ist die Bestimmung des § 30 AsylG grundsätzlich auch für das gerichtliche Verfahren maßgeblich.
Entsprechend diesem Maßstab ist offensichtlich, dass die Entscheidung des Bundesamtes rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
Das Gericht folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Bescheids, nimmt auf diesen sowie auf die Gründe des Beschlusses vom 1. März 2016 Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG) und weist ergänzend auf Folgendes hin:
Die für Senegal als sicheren Herkunftsstaat geltende Vermutungsregel des § 29a AsylG wurde nicht durch den Vortrag über ein individuelles Verfolgungsschicksal erschüttert. Soweit sich der Kläger auf Konflikte in seinem Heimatdorf im Zusammenhang mit einer Geisteskrankheit seiner Mutter beruft, ist schon die Schwelle zu einer flüchtlingserheblichen Verfolgungshandlung durch nichtstaatliche Akteure (§ 3c Nr. 3 AsylG) nicht erreicht. Handlungen müssen von einer bestimmten Schwere sein, um eine Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a AsylG darzustellen. Mobbing, Beschimpfungen und Diskriminierungen durch die dörfliche Gemeinschaft erreichen die Schwelle zu einer Verfolgungshandlung nicht. Entsprechenden Anfeindungen konnte sich der Kläger durch einen Wegzug aus dem Heimatdorf entziehen.
Auch nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Absatz. 5 und 7 Satz 1 AufenthG liegen unter Berücksichtigung der allgemeinen Lage im Senegal und der individuellen Umstände des Klägers offensichtlich nicht vor.
Die Abschiebungsandrohung sowie die auf der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet beruhende einwöchige Ausreisefrist nach §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG ist nach alledem nicht zu beanstanden. Der Ausreisefrist nach § 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG steht auch nicht entgegen, dass das Bundesamt bei der Tenorierung subsidiären Schutzes nicht ausdrücklich als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat, obwohl die Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet jedenfalls nach Maßgabe von § 30 Abs. 1 AsylG in der seit 6. August 2016 geltenden und mit Blick auf § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Fassung voraussetzt, dass auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes, einschließlich subsidiärem Schutz nach § 4 AsylG, offensichtlich nicht vorliegen. Die unterbliebene Tenorierung des Offensichtlichkeitsausspruchs hinsichtlich subsidiärem Schutz ist jedoch unschädlich, wenn sich der Wille zur Ablehnung des gesamten Asylantrags als offensichtlich unbegründet – wie vorliegend – bereits aus dem restlichen Tenor sowie ergänzend aus der Rechtsbehelfsbelehrung:sowie aus der Begründung ergibt (vgl. VG Köln, B.v. 24.8.2016 – 3 L 1612/16.A – juris).
Schließlich ist auch das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG ermessensfehlerfrei angeordnet worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

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