Aktenzeichen Au 5 K 17.35251
Leitsatz
1 Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemeiner Rechtsauffassung die Abweisung des Antrags geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG BeckRS 2007, 20179). (Rn. 21) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Beruft sich ein Asylbewerber auf individuelle Verfolgung, kann der Asylantrag u.a. dann offensichtlich unbegründet sein, wenn die im Einzelfall behauptete Gefährdung offensichtlich nicht asylrelevant ist, den erforderlichen Grad der Verfolgungsintensität nicht erreicht oder sich das Vorbringen des Asylbewerbers insgesamt als eindeutig unglaubhaft erweist. (Rn. 22) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Der Süden Malis bietet gegenüber möglichen Bedrohungen in Nordmali internen Schutz iSv § 3e AsylG; er ist bürgerkriegsfrei. (Rn. 25) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Auch wenn in der malischen Hauptstadt Bamako eine Gefährdung durch terroristische Gruppen nicht ausgeschlossen werden kann, bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass vereinzelte Anschläge bereits die Qualität eines Bürgerkriegs erreicht haben. Vom Auswärtigen Amt ausgesprochene Reisewarnungen besitzen hierfür keine Indizwirkung (vgl. BVerwG BeckRS 2013, 52985). (Rn. 25) (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Ein junger alleinstehender Mann ohne Kinder kann seinen Lebensunterhalt im Süden Malis sicherstellen, selbst wenn dies mehr beinhaltet als die bloße Sicherung des Existenzminimums. Dies gilt erst recht dann, wenn es dem Betroffenen vor seiner Einreise in die Bundesrepublik möglich war, seinen Lebensunterhalt beispielsweise als Bauarbeiter in Libyen zu erwirtschaften. (Rn. 26 – 27) (red. LS Clemens Kurzidem)
Tenor
I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 21. Dezember 2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die zulässige Klage ist offensichtlich unbegründet.
Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Flüchtling rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag des Klägers nicht im Ansatz (§ 30 Abs. 1 AsylG) erkennbar.
Die Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet beruht auf § 30 Abs. 1 AsylG. Nach § 30 Abs. 1 AsylG ist ein Asylantrag offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen. Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag nach ständiger Rechtsprechung dann, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemeiner Rechtsauffassung sich die Abweisung des Antrags geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAuslR 1993, 196; B.v. 20.12.2006 – 2 BvR 2063/06 – NVWZ 2007, 1046).
Bei der Berufung auf eine Individualverfolgung kann das Offensichtlichkeitsurteil u.a. dann gerechtfertigt sein, wenn die im Einzelfall behauptete Gefährdung offensichtlich nicht asylrelevant ist, den erforderlichen Grad der Verfolgungsintensität nicht erreicht oder sich das Vorbringen des Asylbewerbers insgesamt als eindeutig unglaubhaft erweist.
Der Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft war als offensichtlich unbegründet abzulehnen, da der Vortrag des Klägers, selbst wenn man diesen für glaubwürdig erachten würde, nicht an ein asylrechtlich relevantes Merkmal im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG anknüpft. Der Vortrag des Klägers erschöpft sich in wesentlichen Punkten im bloßen Hinweis auf allgemeine Phänomene im Norden Malis. Insoweit ist jedoch auffällig, dass der Kläger aus … stammt, einer Stadt im äußersten Süden Malis an der Grenze zu Burkina Faso. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers hat dieser dort auch vor seiner Ausreise gelebt. Insoweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, er lebe bereits seit 2000 in … erscheint dies unglaubwürdig und widersprüchlich zum Vorbringen gegenüber der Beklagten. Soweit der Kläger bei seinem Vorbringen gegenüber dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung auf Vorfälle in Gao verweist, weisen diese keinerlei Individualbetroffenheit auf. Es handelt sich vielmehr beim Vortrag des Klägers um allgemeine im Norden Malis zu einem bestimmten Zeitpunkt stattgefundene Ereignisse. Der Kläger hat selbst ausgeführt, dass er zu keinem Zeitpunkt mit Rebellen zusammengetroffen sei. Vielmehr hat er vorgetragen, dass man die von ihm geschilderten Vorfälle im Internet recherchieren könne. Insoweit ist nicht im Ansatz ersichtlich, dass der Kläger sein Heimatland wegen einer ihm drohenden Verfolgung im Sinne der §§ 3, 3b AsylG verlassen hat. Der Kläger hat sich vor seiner Ausreise auch nicht im Norden Malis aufgehalten. Überdies fällt auf, dass die Stadt Gao bereit im Januar 2013 aus Rebellenhand zurückerobert werden konnte. Das Gericht ist daher nach Durchführung der mündlichen Verhandlung zu der Auffassung gelangt, dass es sich beim Kläger ausschließlich um einen Wirtschaftsflüchtling handelt, der im Jahr 2014 bzw. 2015 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist.
Zutreffend hat die Beklagte darüber hinaus darauf hingewiesen, dass für den Kläger eine inländische Fluchtalternative im Süden Malis zur Verfügung steht, die für diesen auch zumutbar erreichbar ist. Hieran scheitert auch die vom Kläger hilfsweise beantragte Gewährung subsidiären Schutzes (§ 4 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3e AsylG entsprechend). Dies umso mehr, als der Kläger nach seinem Vorbringen selbst aus dem äußersten Süden Malis stammt.
Der Süden Malis ist bürgerkriegsfrei. Von den Kampfhandlungen islamistischer Gruppen, die im Januar 2012 ihren Anfang nahmen, war der Norden Malis betroffen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Mali: Aktuelle Lage, Auskunft der SFH-Länderanalyse vom 30. Oktober 2012). Bereits im Juni 2013 war zwischen der malischen Regierung und mehreren bewaffneten Gruppen ein Friedensabkommen zur Stabilisierung der Lage im Norden Malis geschlossen worden (Amnesty International, Mali-Report 2015). Am 15. Mai und 20. Juni 2015 wurde erneut ein innerstaatliches Friedensabkommen zur nachhaltigen Befriedung von Nord-Mali geschlossen. Von den bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Norden Malis blieb der Süden Malis jedoch verschont, auch wenn selbst in der Hauptstadt Bamako eine Gefährdung durch terroristische Gruppen nicht ausgeschlossen werden kann (Auswärtiges Amt, Mali: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand: 2.11.2016). Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass vereinzelte Anschläge bereits die Qualität eines Bürgerkriegs erreicht haben, bestehen nicht (s. hierzu auch VG Magdeburg, U.v. 27.5.2016 – 1 A 125/15 MD). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt der vom Auswärtigen Amt ausgesprochenen Reisewarnung dabei keine Indizwirkung zu (vgl. BVerwG, B.v. 27.6.2013 – 10 B 11.13 – juris; BayVGH, B.v. 22.12.2016 – 13a ZB 16.30684 – juris Rn. 7).
Das Gericht geht auch davon aus, dass der Kläger als junger, alleinstehender Mann ohne Kinder seinen Lebensunterhalt im Süden Malis sicherstellen kann, selbst wenn hierfür mehr zu fordern ist als die bloße Sicherung des Existenzminimums.
Dem Kläger muss es auch gelungen sein, vor seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Nach seinem eigenen Vorbringen hat der Kläger vor seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zwei Jahre in Libyen gelebt und dort auf Baustellen bzw. als Mechaniker gearbeitet. Auch hat der Kläger fünf Jahre eine arabisch-französische Privatschule in … (Elfenbeinküste) bzw. Bamako besucht. Auch insoweit ist das Vorbringen des Klägers widersprüchlich. Nach seinem eigenen Vorbringen hat er auch seinem zwischenzeitlich getöteten Bruder in dessen Autowerkstatt geholfen. Sein Bruder habe Autoteile bzw. Motoren besorgt. Der Kläger habe diese dann repariert und sein Bruder habe im Anschluss die Fahrzeuge wieder veräußert. Diese Tätigkeit habe der Kläger bereits im Kindesalter ausgeübt. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger mithin über eine entsprechende Berufserfahrung auch in ihm fremder Umgebung verfügt, und auch in einem ihm fremden Land (Libyen) sein Existenzminimum durch eine Erwerbstätigkeit sichern konnte, spricht dafür, dass dem Kläger eine Rückkehr nach Mali zumutbar ist. Im Übrigen lebt nach dem Vorbringen des Klägers auch noch dessen Mutter in Bamako, im Süden Malis. Unterhaltspflichten hat der Kläger nicht zu erfüllen. Es ist deshalb vernünftigerweise zu erwarten, dass der Kläger in seinem Heimatland, mit dessen Gepflogenheiten und Sprache er durchaus vertraut ist, seinen Lebensunterhalt erneut sicherstellen kann. Eine Rückkehr in den Süden Malis, in dem der Kläger gelebt hat, ist daher nach Auffassung des Gerichts gefahrlos möglich und zumutbar.
Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG scheiden ebenfalls aus. Gesundheitliche Einschränkungen sind für den Kläger nicht vorgetragen.
Die Abschiebungsandrohung, die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sowie die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots in Nrn. 5 und 6 des Bescheids vom 3. November 2017 begegnen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken und sind offensichtlich rechtmäßig. Die Beklagte hat das ihr in § 11 Abs. 1 AufenthG eröffnete Ermessen erkannt; die angestellten Ermessenserwägungen erweisen sich als sachgerecht und bleiben gerichtlich unbeanstandet. Im Übrigen hat der Bevollmächtigte des Klägers die Nr. 6 (Einreise- und Aufenthaltsverbot) mit der Klage gar nicht angegriffen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.
Dieses Urteil ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG).