Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründetes Asylbegehren wegen Herkunft aus einem sicheren Staat (Senegal)

Aktenzeichen  M 4 S 17.34586

Datum:
31.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 29a
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1 Der Senegal ist ein sicherer Herkunftsstaat. Es sind keine Tatsachen oder Beweismittel vorgetragen worden, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal begründen kein Abschiebungsverbot. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde.
Der Antragsteller gibt an, senegalesischer Staatsangehöriger zu sein und sein Heimatland im Jahr 2013 verlassen zu haben. Über die Türkei (Aufenthalt zwei Jahre), Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien und Österreich sei er am … Oktober 2015 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Hier stellte er am 14. Juni 2016 einen Asylantrag.
Bei seiner persönlichen Anhörung am … Oktober 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, dass er in … im Rahmen einer Hilfstätigkeit auf einem Lastwagen Probleme gehabt hätte. Der Führer des Lastwagens, für den er gearbeitet hätte, hätte ihn gebeten, den mit Beton gefüllten Lastwagen zu parken. Er habe nicht gut fahren können und habe daher zwei Fahrzeuge gerammt. Es habe einen schweren Unfall gegeben, da Menschen in den Fahrzeugen gesessen hätten. Als er aus dem Wagen gestiegen sei, hätten ihm die am Unfallort anwesenden anderen Menschen gesagt, dass er eingesperrt würde, wenn er nicht fliehen würde. Irgendein Senegalese habe ihm gesagt, dass er eingesperrt würde, wenn er in den Senegal reisen würde. Er habe Angst gehabt, im Senegal zu sterben. Er sei krank und müsse behandelt werden, er habe Probleme mit dem Magen. Im Übrigen wird auf die Anhörung verwiesen.
Mit Bescheid vom 2. Februar 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (1. und 2.). Auch der Antrag auf subsidiären Schutz wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt (3.). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz -AufenthG- lägen nicht vor (4.). Der Antragsteller werde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er in den Senegal abgeschoben. Er könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe und der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (5.). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG werde angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (6.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (7.).
Das Bundesamt begründete den Bescheid im Wesentlichen damit, dass der Antragsteller keine irgendwie geartete Bedrohung in seinem Heimatland angegeben habe. Beim Senegal handle es sich um einen sicheren Herkunftsstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.
Ausweislich der Postzustellungsurkunde wurde der Bescheid an die vom Antragsteller auch im Gerichtsverfahren angegebene Adresse adressiert und dem Antragsteller am 3. Februar 2017 zugestellt.
Mit Telefax vom 10. März 2017 erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid (Az. M 4 K 17.34584) und beantragte nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
In seinem Schriftsatz beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand. Er übermittelte eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers, in der dieser versicherte, dass der Bescheid nicht an ihn, sondern an das Landratsamt Dachau zugestellt worden sei. Erst bei seiner Vorsprache vor dem Landratsamt in der letzten Woche habe er Kenntnis vom Bescheid erhalten.
Mit Schreiben vom 19. März 2017 begründete der Bevollmächtigte des Antragstellers den Antrag. Aufgrund der Homosexualität des Antragstellers drohe ihm bei einer Rückkehr in den Senegal Verfolgung und Bedrohung. Es war ein nicht unterschriebenes „Schreiben der Kläger“ angehängt, das mit „Fluchtgründe Papa Diouf“ betitelt war. Dem war zu entnehmen, dass der Antragsteller angegeben habe, dass er sich bei seiner Anhörung beim Bundesamt nicht getraut habe, über seine Homosexualität zu sprechen, da er davon ausgegangen sei, dass ihn die deutschen Behörden dann gleich wieder in den Senegal abschieben würden. Im Herbst 2012 sei sein damaliger Lebenspartner im Senegal ermordet worden. Er habe sich in Sicherheit bringen können und sei dann nach Mali geflüchtet, wo er den Unfall mit dem Lastwagen verursacht habe.
Die Antragsgegnerin legte die Akten vor, äußerte sich sonst jedoch nicht im Verfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung hat keinen Erfolg.
I.
Der Antrag ist bereits unzulässig, da er nicht fristgerecht gestellt wurde. Nach § 36 Abs. 3 Satz 1 Asylgesetz -AsylG- sind Anträge nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsandrohung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Vorliegend wurde der Bescheid dem Antragsteller ausweislich der Postzustellungsurkunde bereits am 3. Februar 2017 zugestellt. Die Antragseinlegung am 10. März 2017 war damit deutlich verspätet.
Eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand war nicht zu gewähren. Gründe hierfür sind nicht ersichtlich. Die eidesstattliche Erklärung des Antragstellers vermag hieran nichts zu ändern, da der Bescheid nachweislich direkt an die von ihm angegebene Adresse und nicht an das Landratsamt zugestellt wurde.
II.
Ohne dass es hierauf noch entscheidungserheblich ankäme, ist der Antrag auch unbegründet.
Die Ablehnung des Asylbegehrens sowie der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als jeweils offensichtlich unbegründet und die Ablehnung des subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet unterliegen keinen durchgreifenden Bedenken. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten ist nicht erkennbar, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Ergebnis nicht geboten ist.
1. Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG i.V.m. § 30 Abs. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag und der Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. – juris Rn. 86 ff.). Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Ein-schätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufenthG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, mit einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung. Das Gericht folgt zunächst den Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung von Entscheidungsgründen ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
a) Im Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens des Antragstellers nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte. Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Vom Antragsteller sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag war somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen.
Die gleiche Beurteilung gilt für die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet. Der Vortrag des Antragstellers vor dem Bundesamt enthält keinerlei Anknüpfungspunkt für das Vorliegen eines im Sinne der §§ 3 ff. AsylG relevanten Verfolgungsschicksals. Auch dem Gericht drängt sich der Eindruck auf, dass sich der Antragsteller der drohenden strafrechtlichen Verfolgung im Senegal mit seiner Ausreise entziehen wollte. Hinsichtlich der erstmals mit Schriftsatz vom 19. März 2017 vorgetragenen Homosexualität des Antragstellers ist der Vortrag für das Gericht nicht glaubhaft. Seine angebliche Homosexualität erwähnte der Antragsteller vor dem Bundesamt mit keinem Wort. Die hierfür vorgetragene Begründung, dass der Antragsteller sich nicht getraut habe, darüber zu sprechen, weil er davon ausging, sofort zurückgeschickt zu werden, ist ebenfalls nicht glaubhaft. Es erscheint als widersprüchlich, dass der Antragsteller einerseits in die Bundesrepublik Deutschland geflohen sein will, weil er wegen seiner Homosexualität in seinem Heimatland verfolgt werde, andererseits hier jedoch auch davon ausgeht, dass er aufgrund seiner Homosexualität Nachteile haben und sofort wieder nach Hause geschickt werden würde. Damit ist kein im Rahmen der §§ 3 ff. AsylG relevantes Verfolgungsschicksal vorgetragen.
Das gleiche gilt für die Anerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG.
b) Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch zum Vorliegen von Abschiebungsverboten hat der Antragsteller bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nichts vorgetragen, was ein Abweichen von der Bewertung im angegriffenen Bescheid rechtfertigt.
Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar ist nach der Auskunftslage (Bericht des Auswärtigen Amtes vom 14.10.2016, dort zu Ziffer IV.1 – S. 15) davon auszugehen, dass die Versorgungslage im Senegal schlecht ist. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen kann der zurückkehrende Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aber nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei seiner Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, d.h. gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 5/01 – BVerwGE 115, 1 m.w.N.; BVerwG, U. v. 29.9.2011 – 10 C 24/10 – NVwZ 2012, 451 Rn. 20). Für das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage in Bezug auf den Antragsteller sind keine Anhaltspunkte vorhanden.
Auch hinsichtlich einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Antragstellers im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufgrund einer Erkrankung sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Für die vom Antragsteller vorgetragene Erkrankung wurden auch aktuell keinerlei Atteste vorgelegt.
c) Damit ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung insgesamt nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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