Verwaltungsrecht

Offensichtliche Unbegründetheit eines ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen gestellten Asylantrags

Aktenzeichen  Au 6 S 18.32036

Datum:
10.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 779
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 30 Abs. 2, § 36 Abs. 1

 

Leitsatz

Ein Asylantrags eines Asylbewerbers, der offensichtlich zur Verbesserung seines Lebensstandards in das Bundesgebiet eingereist ist, ist nach § 30 Abs. 2 AsylG offensichtlich unbegründet. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Kläger und Antragsteller (im Folgenden: Antragsteller) begehrt im Klageverfahren (Au 6 K 18.32035) nach Ablehnung seines Asylantrags als offensichtlich unbegründet die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote und im vorliegenden Antragsverfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsandrohung in die Türkei.
Der ausweislich seines am 11. September 2018 ausgestellten Reisepasses am … 1980 geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger türkischer Volkszugehörigkeit. Er reiste per Flugzeug mit einem von der Deutschen Botschaft Ankara ausgestellten Kurzaufenthaltsvisum am 16. Oktober 2018 in die Bundesrepublik ein und beantragte am 30. Oktober 2018 Asyl.
Bei seiner auf Türkisch geführten Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 9. November 2018 (BAMF-Akte Bl. 96 ff.) gab der Antragsteller im Wesentlichen an, er habe die Schule mit dem Abitur abgeschlossen, anschließend Tourismus studiert, nach einer Zeit geringfügiger Beschäftigungen Programmierung gelernt und seit 2006 als Programmierer gearbeitet. Er habe aber vor der Ausreise die Arbeit aufgeben müssen, da sein Gehalt nicht bezahlt worden sei; seine wirtschaftliche Situation sei unterdurchschnittlich gewesen. Bis zu seiner Ausreise habe er mit seiner Ehefrau in einer gemeinsamen Wohnung in … gelebt; seine Ehefrau sei Schmuckverkäuferin und lebe noch immer dort. Außerdem lebe in der Türkei Verwandtschaft väterlichersowie mütterlicherseits; zu seinen Eltern habe er jedoch keinen Kontakt. Auf Nachfrage gab der Antragsteller an, seinen Asylantrag deswegen nicht gleich am 16. Oktober 2018 am Flughafen, sondern erst am 30. Oktober 2018, gestellt zu haben, weil er sich erst Stadt und Umgebung habe ansehen wollen. Er habe sich einen Eindruck verschaffen wollen, ob alles so ordentlich und sauber sei, wie er es gehört habe. Ihm sei geraten worden, illegal einzureisen, dies habe er aber nicht gewollt. Er sei politisch nicht aktiv gewesen und habe keine Probleme mit der Polizei oder staatlichen Behörden gehabt; er sei weder gesucht noch verhaftet worden. Zu seinen Asylgründen gab der Antragsteller an, es gebe zwei Gründe für seine Ausreise. Zum einen gehe es um die aktuelle politisch-wirtschaftliche Situation und zum anderen um den religiösen Druck. In der Türkei gebe es wegen der aktuellen wirtschaftlichen Lage viel Armut. Es herrsche Vetternwirtschaft; inkompetente anstatt qualifizierte Personen würden gefördert. Deshalb habe er keine geeignete Stelle bekommen. Wegen seines Wissensstandes und seines gepflegten Auftretens hätten die Leute auch angenommen, dass er einer gewissen politischen Bewegung angehöre. Dies habe ihm Sorgen im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts bereitet. Um den Lebensunterhalt bestreiten zu können, habe seine Ehefrau arbeiten müssen; dies habe zu Streit geführt und die Beziehung belastet. Auch die Tatsache, dass es keinen geeigneten Arbeitsplatz gegeben habe, habe zu Stress geführt. Die Vetternwirtschaft habe zu Ungerechtigkeiten geführt, so dass beispielsweise Gehälter nicht oder zu spät ausgezahlt worden seien, aber die Arbeitgeber wegen ihrer Beziehungen zur Justiz straffrei geblieben seien. In der Türkei liefe alles im Hinblick auf Beschäftigungsmöglichkeiten über Beziehungen und Kontakte. Er habe unter psychischen Druck gestanden und während der Streitigkeiten mit seiner Ehefrau habe er an Selbstmord gedacht. Der zweite Grund seiner Ausreise sei die Sicherheit. Man könne in der Türkei seine Meinung nicht mehr frei äußern. Jeder könne einen denunzieren. Er habe befürchtet, dass sein Nachbar als fanatischer Erdogan-Anhänger ihn denunzieren werde. Deshalb habe er auch alle seine Einträge in sozialen Medien gelöscht. Er sei aber weder gesucht noch verhaftet worden; er habe aber gesehen, wie andere Menschen verhaftet worden seien. Außerdem sei er konfessionslos und es falle ihm schwer, in einem religiösen Staat zu leben. Als er seinem besten Freund anvertraut habe, dass er konfessionslos sei, hätten sich alle seine Freunde von ihm entfernt. Als Konfessionsloser sei man mit vielen Vorurteilen konfrontiert, beispielsweise, dass man nach den Frauen anderer Männer schaue, lügen dürfe und im Geschäftsleben nicht verlässlich sei. Er habe deswegen keine Freunde mehr gehabt und sei ausgegrenzt worden. Wegen seiner kritischen Nachfragen habe man ihm auch mit Gewalt gedroht und er habe Probleme in der Arbeit bekommen. Er habe immer Ausreden finden müssen, warum er freitags nicht mit seinen Arbeitskollegen in die Moschee gehen könne. Deshalb habe es auch Spannungen mit seiner Frau gegeben; diese sei der Meinung gewesen, er solle zum Beten gehen, um seinen Arbeitsplatz nicht zu gefährden. Von staatlichen Behörden sei er persönlich aber nicht bedroht oder verfolgt worden. Bei seiner Ausreise sei es um die politisch-wirtschaftliche und religiöse Ausgrenzung gegangen. Letztendlich habe dies dazu geführt, dass er seine Familie nicht mehr habe versorgen können. Einen speziellen Anlass habe es nicht gegeben. Bei einer Rückkehr befürchte er psychische Probleme, da er seine Familie nicht versorgen könne. Er müsse hierfür einen Erpresser-Job annehmen.
Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 19. Dezember 2018, dem Antragsteller zugestellt am 27. Dezember 2018, die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1), auf Anerkennung als Asylberechtigter (Ziffer 2) und auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Ziffer 3) jeweils als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4). Es forderte den Antragsteller zur Ausreise binnen einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung auf und drohte die Abschiebung in die Türkei oder einen anderen Staat an, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet sei (Ziffer 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6). Die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter und für die Zuerkennung internationalen Schutzes lägen offensichtlich nicht vor. Der Antragsteller habe vorgetragen, letztendlich aus wirtschaftlichen Gründen in die Bundesrepublik eingereist zu sein, weshalb der Asylantrag nach § 30 Abs. 2 AsylG offensichtlich unbegründet sei. Der Wunsch, sich in Deutschland eine Existenz aufzubauen und seine Familie zu unterstützen, sei asylrechtlich irrelevant. Eine Verfolgung des Antragstellers sei nicht ersichtlich. Diskriminierungen im Berufsleben wegen seiner Konfessionslosigkeit begründeten keine hinreichend schwere Verfolgungshandlung. Die individuelle Glaubensfreiheit werde in der Türkei in der Praxis weitgehend gewährleistet; dem Auswärtigen Amt lägen keine Berichte über staatliche Repressionsmaßnahmen gegen die Konfessionslosigkeit des Einzelnen vor. Der Antragsteller habe auch nicht dargelegt, dass sein Gehalt gerade wegen seiner Konfessionslosigkeit nicht bezahlt worden wäre. Zudem hätten in türkischen Großstädten wie beispielsweise Istanbul auch viele international operierende Unternehmen und Hotels ihren Sitz, wobei schwer vorstellbar sei, dass internationale Unternehmen ihre Mitarbeiter zur Teilnahme am Freitagsgebet zwängen. Dem Antragsteller als überdurchschnittlich gebildetem Mann wäre es daher auch zumutbar, in der Hotelbranche zu arbeiten. Ebenso sei asylrechtlich irrelevant, dass auch seine Ehefrau zur Sicherung des Lebensunterhalts habe arbeiten müssen und dies die Beziehung belastet habe. Die vom Antragsteller vorgetragene Furcht vor einer Denunziation durch Nachbarn stelle lediglich eine subjektiv empfundene Verfolgungsfurcht dar, die nicht objektiv belegt sei. Insbesondere habe der Antragsteller vorgetragen, nie Probleme mit staatlichen Behörden oder der Polizei gehabt zu haben. Vielmehr sei ihm noch im September 2018 ein Reisepass ausgestellt worden. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Der Antragsteller sei gesund, arbeitsfähig, gut ausgebildet und verfüge über einen aufnahmefähigen Familienverband. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate sei angemessen. Schutzwürdige Belange seien nicht vorgetragen.
Hiergegen ließ der Antragsteller am 28. Dezember 2018 Klage erheben (Au 6 K 18.32035) mit dem Antrag, die Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, den Antragsteller als Asylberechtigten anzuerkennen, hilfsweise ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass er die Voraussetzungen des subsidiären Schutzstatus erfüllt, hilfsweise festzustellen, dass für ihn Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, hilfsweise das Einreise- und Aufenthaltsverbot aufzuheben bzw. kürzer zu befristen und den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. Dezember 2018 aufzuheben, soweit er der o.g. Verpflichtung entgegensteht.
Er beantragt weiter,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Der Antragsteller nimmt Bezug auf seinen Vortrag bei seiner Anhörung.
Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die von der Antragsgegnerin am 8. Januar 2019 vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 VwGO, § 36 Abs. 3 AsylG auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat keinen Erfolg.
1. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens nach § 36 Abs. 3 AsylG ist die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Abschiebungsandrohung, beschränkt auf die sofortige Vollziehbarkeit.
Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies bedeutet, dass die Vollziehung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme nur dann ausgesetzt werden darf, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93, 2 BvR 1508/93 – DVBl 1996, 729). Dabei muss das Verwaltungsgericht bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes diese Prüfung auch auf das Merkmal der Offensichtlichkeit erstrecken (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.2003 – 2 BvR 153/02 – InfAuslR 2003, 244). Denn nachdem diese Regelung und die damit verbundene Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) die Folge aus der qualifizierten Asylablehnung sind, ist Anknüpfungspunkt der gerichtlichen Überlegungen zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs die Prüfung, ob die für eine Aussetzung der Abschiebung erforderlichen ernstlichen Zweifel auch bezogen auf das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes vorliegen.
2. Im vorliegenden Verfahren bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass der Asylantrag i.w.S. als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist.
Ein Asylantrag ist offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für internationalen Schutz offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt eine Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage sich dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 20.9.2001 – 2 BvR 1392/00 – InfAuslR 2002, 146). Aus den Gründen muss sich klar ergeben, weshalb dieser Ausspruch in Betracht kommt, insbesondere, warum der Asylantrag nicht nur als schlicht unbegründet, sondern als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden ist (vgl. grundlegend BVerfG, B.v. 3.9.1996 – 2 BvR 2353/95 – BayVBl 1997, 15; B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – juris Rn. 27). Dieser Maßstab muss entsprechend auch für die behördliche Offensichtlichkeitsentscheidung nach § 30 AsylG gelten. Es kommt also darauf an, ob die Offensichtlichkeitsentscheidung in Bezug auf die geltend gemachten Asylgründe bei der hier gebotenen Prüfung im Eilverfahren mit der erforderlichen Richtigkeitsgewähr bestätigt werden kann.
Dies ist hier der Fall. Aus dem Vortrag des Antragstellers ergeben sich keine beachtlichen Anhaltspunkte dafür, dass ihm bei einer Rückkehr in die Türkei Verfolgung oder ein ernsthafter Schaden drohten. Auch Abschiebungsverbote sind nicht ansatzweise erkennbar.
Ausreiseanlass war maßgeblich die Furcht des Antragstellers, seine Familie nicht mehr versorgen zu können. Deswegen befürchtet er bei seiner Rückkehr auch psychische Probleme und den Zwang zur Annahme eines „Erpresser-Jobs“. Zuletzt habe er seinen Arbeitsplatz aufgeben müssen, da sein Gehalt nicht mehr bezahlt worden sei und es wegen der Vetternwirtschaft und Korruption im Arbeitsleben und in der Justiz keine Möglichkeit gegeben habe, sein Gehalt einzufordern und/oder eine adäquate Stelle zu finden. Er habe zudem Beziehungsprobleme mit seiner Ehefrau gehabt, da diese habe arbeiten müssen und es darüber Streit gegeben habe. Er habe insoweit auch an Selbstmord gedacht. Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass der Antragsteller vornehmlich aus wirtschaftlichen und persönlichen Gründen in die Bundesrepublik eingereist ist. Wirtschaftliche Gründe führen indes nach § 30 Abs. 2 AsylG offensichtlich nicht zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung subsidiären Schutzes.
Soweit der Antragsteller darüber hinaus vorträgt, er habe die Denunziation durch einen Nachbarn befürchtet, folgt daraus offensichtlich nicht die beachtliche Gefahr einer Verfolgung. Zum einen bleibt völlig offen, weshalb der Antragsteller denunziert werden sollte und was ihm der türkische Staat vorwerfen könnte. Zum anderen gab der Antragsteller selbst an, nie Probleme mit staatlichen Stellen und insbesondere der Polizei gehabt zu haben. Dementsprechend konnte er noch im September 2018 einen Reisepass beantragen und im Oktober 2018 auf dem Luftweg ausreisen. Es ist angesichts der seit dem Putschversuch im Juli 2016 verschärften Ausreisekontrollen und den von Strafermittlungsbehörden bzw. dem Innenministerium verhängten Ausreisesperren gegen Personen, die ins Visier der türkischen Behörden geraten sind, nicht ansatzweise erkennbar, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt wäre.
Ebenso wenig begründet seine Konfessionslosigkeit die beachtliche Gefahr einer Verfolgung. Die türkische Verfassung garantiert die positive wie negative Religions- und Gewissensfreiheit. Die individuelle Religionsfreiheit ist weitgehend gewährt; individuelle nicht-staatliche Repressionsmaßnahmen und staatliche Diskriminierungen (z.B. bei Anstellungen im öffentlichen Dienst) kommen nur vereinzelt vor. Fälle von Muslimen, die zum Christentum konvertieren, sind besonders in großen Städten bekannt. Rechtliche Hindernisse zum Übertritt bestehen nicht, allerdings werden Konvertiten oft von ihren eigenen Familien ausgegrenzt (vgl. zum Ganzen Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 3.8.2018, S. 16). Nach einer Umfrage sind 2% der Bevölkerung Atheisten. Es wird berichtet, dass die Zahl an tätlichen oder gar tödlichen Übergriffen aus religiösen Motiven – wie sie beispielsweise vereinzelt auf Aleviten erfolgten – rückläufig ist; auch in der öffentlichen Meinung werden solche Vorkommnisse breit verurteilt. Die Regierung bemüht sich um die Förderung des Religionsdialogs, auch wenn dies noch nicht zu Gesetzesänderungen geführt hat (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl v. 18.10.2018 S. 59). Zusammenfassend ist nicht ansatzweise ersichtlich, dass der Antragsteller wegen seiner Konfessionslosigkeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit verfolgt oder bedroht ist. Ablehnung von Konfessionslosigkeit durch Einzelpersonen wie seine ehemaligen Freunde oder Arbeitskollegen – wie sie im Übrigen auch in der Bundesrepublik nicht ausgeschlossen ist – begründet offensichtlich keine hinreichend schwere und dem Staat zurechenbare Verfolgungshandlung.
Der Asylantrag des Antragstellers ist auch deswegen als offensichtlich unbegründet abzulehnen, da er bei seiner Anhörung angab, er habe deswegen nicht sofort einen Asylantrag gestellt, weil er sich erstmal selbst ein Bild von … und der Umgebung habe schaffen und überprüfen wollen, ob alles tatsächlich so ordentlich und sauber sei. Dass der Antragsteller die Asylantragstellung davon abhängig machte, ob es ihm in Deutschland im Hinblick auf Ordentlichkeit und Sauberkeit gefällt oder nicht, spricht entscheidend dafür, dass der Antragsteller offensichtlich nicht verfolgt ist, insbesondere nicht aus politischen oder religiösen Gründen, und dass ihm in der Türkei kein ernsthafter Schaden droht. Asylbewerber, die tatsächlich verfolgt werden oder denen ein ernsthafter Schaden droht, würden zum Schutz ihres Lebens und/oder ihrer Gesundheit ihr Schutzgesuch nicht von insoweit derart zweitrangigen Fragen abhängig machen. Die Tatsache, dass sich der Antragsteller die Bundesrepublik erst mal anschauen wollte, zeigt daher, dass der Antragsteller offensichtlich zur Verbesserung seines Lebensstandards eingereist ist und nicht aus asylrelevanten Gründen.
Auch Abschiebungsverbote liegen offensichtlich nicht vor. Der Antragsteller ist gesund, arbeitsfähig und verfügt über eine gute Schul- und Ausbildung sowie über Arbeitserfahrung. Zur Sicherung seines Lebensunterhalts sind ihm auch einfache Tätigkeiten, beispielsweise in der Hotelbranche, zumutbar. Ebenso zumutbar ist eine Erwerbstätigkeit seiner Ehefrau; mag dies auch zu Streit geführt haben. Das Gericht ist angesichts der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation in westtürkischen Großstädten davon überzeugt, dass der Antragsteller trotz Vetternwirtschaft und Korruption eine Arbeit wird finden können, die seinen Lebensunterhalt zumindest auf einfachem Niveau sichert und bei der die Konfessionslosigkeit des Antragstellers akzeptiert wird.
3. Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids.
Die Abschiebungsandrohung und die Ausreisefrist folgen aus § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und aus § 36 Abs. 1 AsylG.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

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