Aktenzeichen W 1 S 16.30061
DVAsyl DVAsyl § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 5
AufnG Art. 4 Abs. 1 S. 2
Leitsatz
Die ohne Übergangsregelung seit Inkrafttreten des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015 am 24. Oktober 2015 verbindliche Regelung des § 47 Abs. 1a AsylG erfasst unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Vorschrift auch eine gebotene spätere landesinterne Umverteilung, wenn eine Pflicht zum Wohnen in der Aufnahmeeinrichtung erstmals oder wieder entsteht. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
1.
Die Antragsteller sind mazedonische Staatsangehörige, die sich gegen eine Zuweisungsentscheidung der Regierung von Oberfranken im Rahmen der sog. innerbayerischen Umverteilung von Asylbewerbern wenden. Ihre Asylanträge wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 30. Oktober 2014 als offensichtlich unbegründet abgelehnt, hiergegen ist die auf die Feststellung von Abschiebungsverboten beschränkte Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg anhängig (Az. W 1 K 14.30620), deren aufschiebende Wirkung angeordnet wurde.
2.
Mit Bescheid vom 28. Dezember 2015 wies die Regierung von Oberfranken den Antragstellern als künftigen Wohnsitz die Ankunfts- und Rückführungseinrichtung II Bayern (ARE II), … Bamberg, zu (Ziffer 1 des Bescheides), setzte als Frist zur Erfüllung der Verpflichtung zum Einzug in die vorgenannte Unterkunft eine Woche nach Aushändigung des Bescheids (Ziffer 2) und drohte für den Fall der nicht rechtzeitigen Erfüllung die Vollstreckung durch unmittelbaren Zwang an (Ziffer 3).
3.
Die Antragsteller ließen mit am 8. Januar 2016 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangenem Schriftsatz Klage erheben (Az.: B 3 K 16.30028).
Gleichzeitig ließen sie im vorliegenden Verfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
4.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
5.
Mit Beschlüssen vom 12. Januar 2016 hat sich das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth für unzuständig erklärt und die Streitsachen an das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen. Die Akten der Verfahren W 1 K 16.30062, W 1 K 14.30620 wurden zum Verfahren beigezogen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, über den gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG der Einzelrichter entscheidet, bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1.
Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid der Regierung von Oberfranken vom 28. Dezember 2015 kraft Gesetzes (§ 75 Abs. 1 AsylG, Art. 21a VwZVG) ausgeschlossen und die Klage wurde innerhalb der zweiwöchigen Klagefrist nach § 74 Abs. 1 AsylG erhoben.
2.
Der Antrag ist jedoch unbegründet, weil der streitgegenständliche Bescheid nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung rechtmäßig ist und die Antragsteller nicht in ihren Rechten verletzt, so dass das öffentliche Vollzugsinteresse das private Interesse der Antragsteller, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache in ihrer bisherigen Unterkunft verbleiben zu dürfen, überwiegt.
2.1
Die Zuweisungsverfügung unter Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides findet ihre Rechtsgrundlage in § 50 Abs. 4 Satz 1 AsylG i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 DVAsyl und Art. 4 Abs. 1 Satz 2 AufnG. Denn die Antragsteller unterfallen der Wohnverpflichtung in der Aufnahmeeinrichtung nach § 47 Abs. 1a Satz 1 AsylG, weil sie aus einem sicheren Herkunftsstaat in das Bundesgebiet eingereist sind. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der genannten Vorschriften decken diese auch eine gebotene spätere landesinterne Umverteilung, weil eine Pflicht zum Wohnen in der Aufnahmeeinrichtung erstmals oder wieder entsteht. Dies folgt aus der Gesetzesbegründung und dem Sinn und Zweck der Neuregelung des § 47 Abs. 1a AsylG, wonach die neuen Aufnahmeeinrichtungen eigens für den Zweck geschaffen wurden, bei Personen ohne flüchtlingsrelevantem Schutzbedarf wie den Antragstellern eine abschließende sowie im Ergebnis schnelle Bearbeitung des Asylverfahrens und eine raschere Beendigung des Aufenthalts zu gewährleisten (BayVGH, B. v. 9.12.2015 – 21 CS 15.30249 – juris Rn. 7). Gerade im Jahr 2015 sind aufgrund des starken Anstiegs der Flüchtlingszahlen Verteilungen aus den Aufnahmeeinrichtungen in eine Anschlussunterbringung offensichtlich auch aus Kapazitätsproblemen erfolgt. Die Vorschrift des § 47 Abs. 1a AsylG bezweckt gerade die Entlastung der anderweitigen Kapazitäten für die Unterbringung von Asylbewerbern außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen (vgl. VG Würzburg, B. v. 22.1.2016 – W 6 S 16.30016 m. w. N.). Eine unzulässige Rückwirkung ist in der Gesetzesänderung nicht zu sehen, weil der Antragsgegner schon vor der Gesetzesänderung befugt war, landesinterne Umverteilungen im öffentlichen Interesse vorzunehmen. Die Antragsteller konnten deshalb nicht darauf vertrauen, in der Unterkunft, in der sie sich bislang befanden, dauerhaft und nicht nur vorübergehend zu bleiben (VG Würzburg, B. v. 22.1.2016 – W 6 S 16.30016).
2.2
Der Antragsgegner hat zu Recht die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 DVAsyl i. V. m. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 AufnG bejaht. Das Gericht folgt insoweit den Feststellungen und der Begründung im angefochtenen Bescheid und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung derselben ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Im vorliegenden Antragsverfahren sind keine neuen Tatsachen und Rechtsargumente geltend gemacht worden, die zu einer abweichenden Entscheidung führen.
2.3
Die Ermessensausübung im streitgegenständlichen Bescheid (§ 114 VwGO i. V. m. Art. 40 BayVwVfG) ist nicht zu beanstanden. Insbesondere steht die geltend gemachte schwere psychische Erkrankung des Antragstellers zu 1) der Umverteilung auch unter Berücksichtigung der vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen nicht entgegen. Maßgeblich für die Betrachtung ist insoweit, da es sich bei der Wohnverpflichtung nach Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides um einen Dauerverwaltungsakt handelt, der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Nach dem im Asylklageverfahren der Antragsteller (Az. W 1 K 14.30620) eingeholten, der Antragstellerbevollmächtigten bekannten Sachverständigengutachten des Herrn Dr. M… vom 21. Januar 2016, dem sich das Gericht für das vorliegende Verfahren anschließt, liegt beim Antragsteller zu 1) keine Posttraumatische Belastungsstörung vor. Die Gefahr einer Retraumatisierung im Falle der Rückkehr in das Herkunftsland besteht für den Antragsteller zu 1) nach gutachterlicher Einschätzung nicht, weshalb sich die von der Antragstellerbevollmächtigten aufgeworfene Frage, ob eine solche Verschlechterung seiner Krankheitssymptome bereits durch die mit der Umzugsverpflichtung möglicher Weise verbundene Konfrontation mit der Möglichkeit, in das Herkunftsland zurückkehren zu müssen, eintritt, erübrigt. Der Sachverständige hat auf der Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Antragstellers zu 1) eine rezidivierende depressive Symptomatik festgestellt, die einer spezifischen Behandlung bedürfe. Es ist jedoch weder belegt noch ersichtlich, dass deren Behandlung nicht in der ARE II möglich ist. Die gegebene Behandlungsmöglichkeit hat die Regierung von Oberfranken in ihrem Schriftsatz vom 18. Januar 2016 auch nochmals ausdrücklich betont, dem sind die Antragsteller nicht entgegen getreten.
Der Antragsgegner hat des Weiteren mit Email-Nachricht vom 8. Januar 2016 zugesagt, die Zuweisungsverfügung für die Dauer des (erneuten) stationären Aufenthaltes des Antragstellers zu 1) im Klinikum … nicht zu vollziehen.
3.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.