Verwaltungsrecht

Prozesskostenhilfe für eine noch einzulegende Beschwerde – TierSchG

Aktenzeichen  9 CS 17.1137

Datum:
16.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 7, § 166
ZPO ZPO § 119 S. 1
TierSchG TierSchG § 2, § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Da die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 119 S. 1 ZPO für jeden Rechtszug gesondert erfolgt, lässt eine ggf. im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Erklärung diese Pflicht nicht entfallen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Wiedereinsetzung wegen eines Prozesskostenhilfeantrags für ein Rechtsmittel kommt nur dann in Betracht, wenn dieser Antrag innerhalb der für das Rechtsmittel geltenden Frist ordnungsgemäß angebracht wird. Das setzt nicht nur die Antragstellung als solche voraus, sondern auch die fristgerechte Darlegung der finanziellen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beifügung der zugehörigen Belege. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es gibt keine gesetzliche Regelung, dass von der Ermächtigungsgrundlage in § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TierSchG kein Gebrauch mehr gemacht werden darf, wenn die Fortnahme ohne vorherige wirksame Anordnung erfolgt und das Tier noch nicht von der Behörde veräußert worden ist. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 4 S 17.215 2017-05-09 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 9. Mai 2017 (RN 4 S 17.215) wird abgelehnt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde gegen Nr. I des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 9. Mai 2017, zugestellt am 11. Mai 2017, mit dem das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin, unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. September 2016 (Az. RN 4 S 16.1020) die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheids des Landratsamts L* … vom 19. Mai 2016 wiederherzustellen, abgelehnt hat.
Mit Bescheid vom 19. Mai 2016 hatte das Landratsamt L* … gegenüber der Antragstellerin ein Verbot zum Halten und Betreuen von Tieren jeder Art ausgesprochen und eine Veräußerungsanordnung hinsichtlich der mit Bescheid vom 17. Dezember 2015 fortgenommenen und anderweitig pfleglich untergebrachten Pferde sowie die Duldung der Veräußerung dieser Pferde angeordnet. Die Anträge der Antragstellerin auf vorläufigen Rechtsschutz hiergegen sowie auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe blieben erfolglos (VG Regensburg, B.v. 7.9.2016 – RN 4 S. 16.1020; BayVGH, B.v. 31.7.2017 – 9 CS 16.2021 und 9 C 16.2022); über die Klage (Az. RN 4 16.1021) ist noch nicht entschieden.
Den Änderungsantrag der Antragstellerin vom 11. Dezember 2016 hat das Verwaltungsgericht abgelehnt, weil keine veränderten oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachten Umstände i.S.d. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO vorliegen würden. Deshalb sei auch der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abzulehnen (Nr. IV des Beschlusses vom 9. Mai 2017).
Mit ihrer am 26. Mai 2017 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, dass die Feststellungen betreffend die Pferde unzutreffend seien und der Bescheid vom 19. Mai 2016 „ins Leere“ gehe, weil die Fortnahme der Pferde bereits am 11. Dezember 2015 vollzogen gewesen sei, bevor sie mit Bescheid vom 17. Dezember 2015 angeordnet worden sei.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.
II.
Der Senat legt das als „sofortige Beschwerde“ bezeichnete Schreiben der anwaltlich nicht vertretenen Antragstellerin vom 17. Mai 2017 „gegen den Beschluss vom 9. Mai 2017“, „Es wird PKH beantragt“ dahin aus, dass Prozesskostenhilfe für eine noch einzulegende Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg 9. Mai 2017 (Az. RN 4 S 17.215) beantragt wird. Im Übrigen wird das Schreiben auch als Beschwerde gegen die Ablehnung des Prozesskostenhilfegesuchs durch das Verwaltungsgericht ausgelegt, über die in einem weiteren Verfahren (Az. 9 C 17.1132) entschieden wird.
Der so verstandene Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat schon deshalb keinen Erfolg, weil die Antragstellerin mit ihrem Antrag entgegen § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht dargelegt hat. Da die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 119 Satz 1 ZPO für jeden Rechtszug gesondert erfolgt, lässt eine ggf. im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Erklärung diese Pflicht nicht entfallen. Zwar kann ausnahmsweise die Bezugnahme auf eine im früheren Rechtszug ordnungsgemäß abgegebene Erklärung genügen, wenn die Verhältnisse unverändert sind und dies bei der Bezugnahme deutlich gemacht wird. Eine dahingehende Bezugnahme enthält der Antrag der Antragstellerin jedoch nicht (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2017 – 9 CE 17.25 – juris Rn. 3 m.w.N.).
2. Hiervon ausgehend ist der Antrag zugleich auch deshalb abzulehnen, weil der Antragstellerin wegen der Versäumung der Beschwerdefrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann und daher die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat.
Da mangels anwaltlicher Vertretung innerhalb der Rechtsmittelfrist des § 147 Abs. 1 VwGO keine zulässige Beschwerde eingelegt wurde, bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung nur dann hinreichende Aussicht auf Erfolg nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wenn der Antragstellerin Wiedereinsetzung in die Rechtsmittelfrist gewährt werden kann. Eine Wiedereinsetzung wegen eines Prozesskostenhilfeantrags für ein Rechtsmittel kommt aber nur dann in Betracht, wenn dieser Antrag innerhalb der für das Rechtsmittel geltenden Frist ordnungsgemäß angebracht wird. Das setzt nicht nur die Antragstellung als solche voraus, sondern auch die fristgerechte Darlegung der finanziellen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beifügung der zugehörigen Belege (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2017 – 9 CE 17.25 – juris Rn. 4 f. m.w.N.). Dem ist die Antragstellerin innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht nachgekommen; hieran war sie auch nicht ohne Verschulden gehindert (vgl. § 60 Abs. 1 VwGO).
3. Von Vorstehendem abgesehen hat der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde keinen Erfolg, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung auch sonst keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann ein Beteiligter die Änderung oder Aufhebung eines Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Das Änderungsverfahren erlaubt eine Reaktion des Verwaltungsgerichts auf Änderungen der Sach- und Rechtslage, die nach seiner Entscheidung eingetreten sind und die ein Abweichen von der ursprünglichen Entscheidung rechtfertigen (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 80 Rn. 100, 103).
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7. September 2016 (Az. RN 4 S 16.1020) ist rechtskräftig geworden. Eine Abänderung des Beschlusses vom 7. September 2016 kommt nicht in Betracht, weil die Antragstellerin keine in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht veränderten Umstände benannt hat, die zu einer abweichenden Entscheidung führen könnten.
Mit Beschluss vom 7. September 2016 hat das Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 19. Mai 2016 betreffend ein Tierhaltungsverbot sowie die Anordnung der Veräußerung der mit Bescheid vom 17. Dezember 2015 fortgenommenen und anderweitig pfleglich untergebrachten Pferde abgelehnt, da erhebliche Mängel der Tierhaltung der Antragstellerin vorlägen und auch die Veräußerungsanordnung nicht zu beanstanden sei. Der Senat hat im Beschluss über die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Ablehnung ihres Prozesskostenhilfegesuchs vom 31. Januar 2017 (Az. 9 C 16.2022) ausgeführt, dass das Tierhaltungsverbot voraussichtlich rechtmäßig sei, weil seitens der Antragstellerin wiederholte Zuwiderhandlungen gegen § 2 TierSchG und erhebliche Mängel in der Tierhaltung vorlägen, die sich sowohl aus dem Bescheid vom 19. Mai 2016 als auch aus den vorgelegten Behördenakten und den Feststellungen der beamteten Tierärztin ergeben würden. Auch die Klage gegen die Veräußerungsanordnung bleibe voraussichtlich erfolglos, weil eine anderweitige Unterbringung der Pferde nicht möglich sei oder nach Fristsetzung eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung durch die Antragstellerin nicht sicherzustellen sei. Hiervon ausgehend zeige das neuerliche Vorbringen der Antragstellerin nicht auf, welche veränderten oder bislang unverschuldet nicht geltend gemachten Umstände die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass das Tierhaltungsverbot und die Veräußerungsanordnung rechtmäßig ist, in Frage stellen könnten.
Mit dem Vorbringen der Antragstellerin, einzelnen Tieren gehe es nach dem Wertschätzungsgutachten des Herrn K* … G* … von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft vom 19. Januar 2016 besser und verschiedene Diagnosen seien unzutreffend, werden die Feststellungen und fachlichen Beurteilungen der beamteten Tierärzte, die sich auf einen längeren Zeitraum beziehen, nicht ernstlich in Zweifel gezogen, zumal sich die Tiere bereits nach Fortnahme im Dezember 2015 nicht mehr unter der Obhut der Antragstellerin befanden. Soweit die Antragstellerin einwendet, der Bescheid vom 19. Mai 2016 gehe ins Leere, weil die Fortnahmeanordnung vom 17. Dezember 2015 unwirksam sei, da die Fortnahme bereits am 11. Dezember 2015 „vollzogen war“, kann dem nicht gefolgt werden. Denn die Wegnahme der Pferde gegenüber der Antragstellerin wäre selbst ohne wirksamen vorherigen Verwaltungsakt nicht dauerhaft rechtswidrig, sondern mit Erlass des schriftlichen Bescheids vom 17. Dezember 2015 mit Wirkung für die Zukunft wirksam geworden, weil es keine gesetzliche Regelung gibt, dass von der Ermächtigungsgrundlage in § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG kein Gebrauch mehr gemacht werden darf, wenn die Fortnahme ohne vorherige wirksame Anordnung erfolgt und das Tier noch nicht von der Behörde veräußert worden ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.4.2017 – 9 ZB 15.358 – juris Rn. 4). Im Übrigen handelt es sich bei dem von der Antragstellerin angeführten zeitlichen Ablauf auch nicht um neue veränderte Umstände, weil sich bereits aus dem Bescheid vom 17. Dezember 2015 ergibt, dass am 2. Dezember 2015 festgestellt wurde, dass die Versorgung der Pferde weder durch die Antragstellerin, die sich in Haft befindet, noch durch die von ihr angestellten ungarischen Pferdepfleger gewährleistet ist. Aus den weiteren Feststellungen des Landratsamts in den Behördenakten ergibt sich, dass die sachgerechte Betreuung der 29 Pferde der Antragstellerin nur bis 7. Dezember 2015 sichergestellt war, was zudem bereits Gegenstand der bisherigen Entscheidungen war (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2016 – 9 CS 16.525 – juris Rn. 19).
Einer Kostenentscheidung für den gegenständlichen Antrag bedarf es nicht, weil das Prozesskostenhilfeverfahren gerichtsgebührenfrei ist. Auslagen im Sinn des § 118 Abs. 1 Satz 5 ZPO sind nicht entstanden; die im Prozesskostenhilfeverfahren entstandenen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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