Verwaltungsrecht

Prüfung von Abschiebungshindernissen durch die Ausländerbehörde

Aktenzeichen  10 CE 16.1516

Datum:
24.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7, § 60a Abs. 2 S. 3
AsylG AsylG § 42 S. 1

 

Leitsatz

Der Wunsch, das Ladengeschäft des erkrankten Vaters weiterzuführen, begründet kein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis. (redaktioneller Leitsatz)
Ob die politische Situation in der Türkei nach dem Putschversuch für kurdische Volkszugehörige eine konkrete Gefahr iSv § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG begründet, hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu entscheiden. Die Ausländerbehörde ist an diese Entscheidung gebunden. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 12 E 16.2789 2016-07-07 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

I. Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag weiter, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, seine Abschiebung für zunächst drei Monate auszusetzen.
Der Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger. Er reiste im Mai 2014 im Alter von fast 21 Jahren zu seinen hier lebenden Eltern ein und stellte am 17. März 2015 einen Asylantrag. In der Zeit zwischen Einreise und Asylantragstellung lebte er nach seinen Angaben illegal bei seinen Eltern.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 1. März 2016 wurden sein Antrag auf Asylanerkennung sowie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet und der Antrag auf subsidiären Schutz abgelehnt. Es wurde zudem festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen.
Über die gegen den Bescheid des Bundesamtes gerichtete Klage ist noch nicht entschieden. Die Anträge nach § 80 Abs. 5 und § 80 Abs. 7 VwGO lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Beschlüssen vom 19. April und 27. Juni 2016 ab.
Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin, ihm eine Duldung zu erteilen. Er müsse den Dönerladen seines Vaters weiterführen. Dieser sei an Rheuma und Muskelschwund erkrankt und könne nicht mehr arbeiten. Er sei seit 1. Juni 2015 im Laden seines Vaters beschäftigt.
Zugleich beantragte er beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, seine Abschiebung für zunächst drei Monate auszusetzen.
Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 7. Juli 2016 ab. Der Antrag sei unzulässig, soweit er sich auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse stütze. Rechtsschutz gegen die Entscheidung des Bundesamtes könne der Antragsteller durch einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO erreichen. Soweit der Antragsteller seinen Antrag auf einstweilige Anordnung auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse stütze, sei er unbegründet. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG lägen nach der die Antragsgegnerin bindenden Entscheidung des Bundesamtes nicht vor. Ein rechtliches Abschiebungshindernis ergebe sich nicht aus Art. 8 EMRK. Ein Recht aus Art. 6 ARB 1/80 habe der Antragsteller nicht erworben. Eine Aufenthaltsgestattung vermittle keine gesicherte Position auf dem Arbeitsmarkt. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG lägen nicht vor, die Erkrankungen des Vaters seien nicht glaubhaft gemacht. Zudem könnten die erforderlichen Tätigkeiten im Laden von den anderen Familienmitgliedern übernommen werden.
Im Beschwerdeverfahren bringt der Antragsteller vor, dass es ihm schon aufgrund der Entwicklung in der Türkei nicht zumutbar sei, dorthin zurückzukehren. Wesentliche demokratische Grundrechte seien dort außer Kraft gesetzt. Die gesamte Familie des Antragstellers lebe im Bundesgebiet. Eine Abschiebung in das syrische Grenzgebiet sei für ihn als alleinstehenden Kurden nicht verantwortbar.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Beschwerde. Inlandsbezogene Abschiebungshindernisse lägen nicht vor. Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse stelle das Bundesamt fest. Diese seien in einem Asylfolgeverfahren geltend zu machen.
Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.
II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof alleine zu prüfen hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung oder Aufhebung des Beschlusses, mit dem das Verwaltungsgericht das Eilrechtsschutzbegehren abgelehnt hat.
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat, weil ihm ein Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG wegen eines inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses nicht zusteht. Insoweit hat der Antragsteller die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Beschwerdeverfahren auch nicht substantiiert angegriffen.
Soweit er sich zur Begründung eines Abschiebungsverbots nunmehr auf die politische Situation in der Türkei nach dem Putschversuch beruft, macht er sinngemäß zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse geltend, wobei allerdings nicht deutlich wird, worin die erhebliche, konkrete Gefahr i. S. d. § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG für ihn als kurdischen Volkszugehörigen bestehen soll. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat aber mit Bescheid vom 1. März 2016 festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in der Person des Antragstellers nicht vorliegen. Die Antragsgegnerin ist als Ausländerbehörde gemäß § 42 Satz 1 AsylG an die Entscheidung des Bundesamtes über das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Abschiebungsverbote gebunden (vgl. BayVGH, B.v. 11.8.2015 – 10 C 15.1446 – juris Rn. 3 m. w. N.). Sollte der Antragsteller der Auffassung sein, dass die Feststellungen des Bundesamtes im Bescheid vom 1. März 2016 nach dem Putschversuch nicht mehr zutreffen, steht ihm die Möglichkeit offen, einen Asylfolgeantrag zu stellen (§ 71 Abs. 1 AsylG).
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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