Aktenzeichen M 18 E 18.32455
Leitsatz
Das Bundesamt darf sich bei der Prüfung eines im Folgeantrag geltend gemachten Abschiebungsverbots nicht darauf beschränken zu prüfen, ob zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG die Voraussetzungen des § 51 VwVfG für ein Wiederaufgreifen – auch im weiteren Sinne – vorliegen, sondern hat eine erneute umfassende Würdigung des Vorbringens vorzunehmen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom … mit dem sowohl der Folgeantrag als unzulässig als auch der Antrag auf Änderung der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG abgelehnt wurden.
Der Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste nach seinen Angaben am … in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am … bei dem Bundesamt einen Asylantrag, welchen das Bundesamt mit Bescheid vom … ablehnte. Mit rechtskräftigem Urteil vom 17. Januar 2018 (Verfahren M 18 K 17. 30399) wurde die Klage hiergegen abgewiesen.
Am … stellte der Antragsteller bei dem Bundesamt einen Folgeantrag, zu dem er am … angehört wurde. Zur Begründung führte er insbesondere aus, dass er Automechaniker in Kunduz gewesen und dort von den Taliban bedroht worden sei. Man habe von ihm verlangt, in den Autos Bomben zu verstecken. Da er dies nicht tun habe wollen, sei er geflohen. Sein Bruder, der weiterhin in Afghanistan lebe, habe ihm gesagt, dass das Leben des Antragstellers weiterhin in Gefahr sei.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom … lehnte das Bundesamt den Folgeantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziff. 1 des Bescheids) und lehnte zudem den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom … bezüglich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG ab (Ziff. 2 des Bescheids). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller lediglich Asylgrunde vorgetragen habe, die er bereits in seinem ersten Verfahren geltend gemacht habe; eine Änderung der Sach- oder Rechtslage sei somit nicht gegeben. Auch die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG seien nicht gegeben. Seitens des Antragstellers sein keine Umstände vorgetragen, die zu einem vom Erstverfahrensbescheid differierenden Ergebnis würden.
Die im Klageverfahren des Antragstellers Bevollmächtigten erhoben am 4. Juni 2018 Klage und beantragten den Bescheid vom … … … aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen, hilfsweise dem Antragsteller den subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen, weiter hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen der § 60 Abs. 2-5 und 7 AufenthG bezüglich des Antragsgegners vorliegen (M 18 K 18.32227).
Eine Klagebegründung erfolgte bisher nicht.
Ergänzend beantragte der Kläger persönlich zur Niederschrift am 21. Juni 2018,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, von einer Mitteilung an die Ausländerbehörde gemäß § 71 Abs. 5 AsylG abzusehen.
Zur Begründung wurde auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt verwiesen.
Die Antragsgegnerin legte die Behördenakten elektronisch vor; eine Antragstellung unterblieb.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Hauptsacheverfahren (M 18 K 32227), die Behördenakte sowie auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten im Verfahren M 18 K 17.303999 Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Vorläufiger Rechtsschutz gegen einen ablehnenden Folgeantragsbescheid ohne erneute Abschiebungsandrohung erfolgt durch einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Ablehnung des Folgeantrags (§ 71 AsylG) als unzulässig sowie durch einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 123 VwGO zur Sicherung von Ansprüchen des Antragstellers auf Feststellung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (vgl. hierzu ausführlich VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375; B.v. 22.6.2017 – M 17 S 17.43925; VG Dresden, B.v. 11.9.2017 – 13 L 1004/17.A.; VG Würzburg, B.v. 10.10.2017 – W 8 E 17.33482; VG Münster, B.v. 24.11.2017 – 3 L 1944/17.A – jeweils juris; BeckOK, AuslR/Dickten, Stand 1.5.2018, § 71 Rn. 32ff m.w.N.). In diesem Sinne war das Antragsbegehren des Antragstellers auszulegen, auf die Fassung des Antrags kommt es nicht an (§ 88 VwGO).
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen Ziffer 1 des Bescheids vom … ist unbegründet. Soweit die Bevollmächtigten im Klageverfahren darüber hinaus Verpflichtungsanträge gestellt haben, sind diese in der vorliegenden Verfahrenssituation unzulässig (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Leitsatz 1 und Rn. 16).
Für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage gegen eine Ablehnung eines Folgeantrags (§ 71 AsylG) als unzulässig gilt der Prüfungsmaßstab der „ernstlichen Zweifel“: Denn für Fälle, in denen mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG kein weiteres Asylverfahren durchgeführt wird, hat der Gesetzgeber durch die Regelungen in § 71 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG kraft einfachen Rechts für das gerichtliche Eilverfahren den Maßstab des Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG bestimmt. Das Verwaltungsgericht darf einstweiligen Rechtsschutz daher nur gewähren, wenn es ernstliche Zweifel daran hat, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen (BVerfG, B. v. 16.3.1999 – 2 BvR 2131/95 – juris Rn. 22; VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375 – juris Rn. 21).
Vorliegend bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der Ziffer 1 des Bescheids vom … Das Bundesamt hat den Folgeantrag zu Recht als unzulässig abgelehnt, weil die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorliegen (§§ 29 Abs. 1 Nr. 5, 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG):
Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG müssen sich die Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Antragstellers geändert haben (Nr. 1) oder neue Beweismittel vorliegen, die eine für ihn günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2) oder Wiederaufnahmegründe nach § 580 ZPO bestehen (Nr. 3). § 51 Abs. 1 VwVfG fordert einen schlüssigen Sachvortrag, der nicht von vornherein nach jeder vertretbaren Betrachtung ungeeignet sein darf, zur Asylberechtigung (Art. 16a GG) oder zur Zuerkennung des internationalen Schutzes (§§ 3 ff., 4 AsylG) zu verhelfen. Es genügt schon die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung aufgrund der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe (dazu BVerfG, B. v. 3.3.2000 – 2 BvR 39/98 – juris Rn. 32 m.w.N.). Außerdem ist der Antrag gemäß § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen und er den Antrag binnen drei Monaten nach Kenntnis des Grundes für das Wiederaufgreifen gestellt hat.
Der Antragsteller hat zur Begründung seines Folgeantrags keine asylrechtsrelevanten neuen Gründe vorgetragen. Insoweit wird vollumfänglich auf die im Bescheid der Antragsgegnerin getätigten Ausführungen verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Gründe, die ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen begründen könnten, wurden im gerichtlichen Verfahren bislang nicht vorgetragen.
Auch der Antrag nach § 123 VwGO zur Sicherung von Ansprüchen des Antragstellers auf Feststellung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ist unbegründet. Wobei das Bundesamt den Prüfungsumfang insoweit verkannt hat. Denn es darf sich nicht lediglich mit der Prüfung begnügen, ob zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG die Voraussetzungen des § 51 VwVfG für ein Wiederaufgreifen bzw. ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinn vorliegen, sondern hat – so ausdrücklich § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG – „festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen“, folglich eine erneute umfassende Würdigung vorzunehmen. Vorliegend führt jedoch auch dies nicht zu einer Stattgaben des Antrages, da schon kein Anordnungsanspruch vorliegt. Denn der Antragsteller hat keine Tatsachen glaubhaft gemacht, wonach bei ihm die Voraussetzungen der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen könnten (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 ZPO). Als alleinstehender, gesunder und arbeitsfähiger junger Mann mit beruflichen Vorkenntnissen und Familienverband vor Ort ist ihm eine Rückkehr nach Afghanistan zuzumuten (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2018 – 13a ZB 18.30135 – juris).
Der gerichtskostenfreie Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).