Verwaltungsrecht

Reaktivierung eines Beamten

Aktenzeichen  3 ZB 15.955

Datum:
12.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 46974
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4, § 124 Abs. 2 Nr. 1, 3
BeamtStG § 29 Abs. 1
BayBG Art. 128

 

Leitsatz

1 Dem Anspruch eines Beamen auf Reaktivierung stehen zwingende dienstliche Gründe entgegen, wenn in der bis zum Erreichen der regulären Altersgrenze verbleibenden Dienstzeit ein brauchbares Arbeitsergebnis nicht zu erwarten ist. (redaktioneller Leitsatz)
2 Insbesondere bei Dienststellen mit geringem Personalbestand kann die Schaffung eines geeigneten Dienstpostens durch organisatorische Änderungen zu nicht hinnehmbaren Schwierigkeiten führen. Unzumutbar ist insbesondere die Umsetzung eines Kollegen für einen nur kurzen Zeitraum bis zum Erreichen der Altersgrenze des die Reaktivierung begehrenden Beamten sowie dessen Einarbeitung und der damit für den Dienstherren verbundene Aufwand für nur kurze Zeit. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 1 K 13.715 2015-03-04 Endurteil VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III.
Der Streitwert wird unter Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 4. März 2015 für beide Rechtszüge auf jeweils 41.114,52 € festgesetzt.

Gründe

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) und des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) gestützte Antrag bleibt erfolglos. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergeben sich aus den Darlegungen des Klägers nicht. Ernstliche Zweifel sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (z. B. BVerfG, B. v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/547) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B. v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – DVBl. 2004, 838/839). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Feststellung, dass der Bescheid des Polizeipräsidiums O… vom 25. März 2013 rechtswidrig gewesen und der Beklagte verpflichtet gewesen sei, den Kläger entsprechend seinem Antrag vom 27. März 2012 erneut in das Beamtenverhältnis zu berufen, zu Recht abgewiesen.
a) Der Kläger wendet sich gegen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, es habe unrichtig aus dem Gesundheitszeugnis Dr. B… vom 7. Dezember 2012 auf eine Beschränkung der Dienstfähigkeit des Klägers auf Tagschichten geschlossen. Ernstliche Zweifel ergeben sich daraus bereits deshalb nicht, weil das Verwaltungsgericht trotz seiner Zweifel an der uneingeschränkten Polizeidienstfähigkeit des Klägers zugunsten des Klägers von der Wiederherstellung der vollen Polizeidienstfähigkeit im Sinne des Art. 128 BayBG ausgegangen ist. Insoweit liegt eine Feststellung zugunsten des Klägers vor, durch die er nicht beschwert ist.
b) Das Verwaltungsgericht ist, der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, U. v. 26.3.2009 – 2 C 46/08 – juris Rn. 16 und U. v. 25.6.2009 – 2 C 68/08 – juris Rn. 21) folgend, davon ausgegangen, dass der Beamte dann dienstfähig ist, wenn ein geeigneter Dienstposten entweder für ihn freigemacht oder durch organisatorischen Änderungen eingerichtet werden kann. Es hat ferner berücksichtigt, dass bei Dienststellen mit einem nur geringen Personalbestand die Schaffung eines geeigneten Dienstpostens durch organisatorische Änderungen zu nicht hinnehmbaren Schwierigkeiten führen kann. Es hat – dem folgend – ausgeführt, dass die Aufnahme der früheren Tätigkeit des Klägers bei der Autobahnpolizeistation Sch… nicht in Betracht gekommen wäre. Die Autobahnpolizeistation Sch… sei mit acht Beamten im 4-Schicht-Dienst für den zu leistenden Dienst voll ausgestattet gewesen. Die Tätigkeit eines weiteren Beamten hätte die gesamte Schichtdienstplanung unzumutbar erschwert. Die Umsetzung eines der dortigen Beamten an eine andere Stelle hätte in die Rechte dieses Beamten eingegriffen und wäre zumindest kurzfristig nicht möglich gewesen. Eine Tätigkeit des Klägers bei der Verkehrspolizeiinspektion A… im Innendienst wäre nur nach umfangreicher Einarbeitung möglich gewesen. Die Reaktivierung des Klägers wäre zeitlich frühestens zum 1. April 2013 möglich gewesen. Von der Dienstzeit von 83 Arbeitstagen bis zum regulären Eintritt in den Ruhestand wären 70 Urlaubstage des schwerbehinderten Klägers für die Jahre 2012 und 2013 abzuziehen gewesen, so dass tatsächlich nur 13 Arbeitstage zu leisten gewesen wären. In 13 möglichen Tagen wäre die Einarbeitung in eine Innendiensttätigkeit nicht möglich gewesen. Der Zweck der Maßnahme, die Wiedereingliederung in das Berufsleben, wäre damit nicht erreichbar gewesen.
Der Kläger wendet hiergegen ein, zwingende dienstliche Gründe, die seinem Anspruch entgegengestanden hätten, seien nicht dargetan. Das dienstliche Interesse an der sachgemäßen reibungslosen Aufgabenerfüllung der Verwaltung sei im vorliegenden Fall dermaßen überdehnt worden, dass es jeden Anspruch eines Beamten auf Reaktivierung aushebele. Es habe nichts damit zu tun, dass ein neuer Dienstposten zu schaffen gewesen wäre. Der Beklagte habe jegliche, von ihm zu fordernde Mitarbeit verweigert. Er habe lediglich behauptet, dass die Wiedereingliederung des Klägers wegen der nur verbleibenden kurzen Dienstzeit nicht möglich gewesen sei.
Mit diesen unsubstantiierten Einwendungen vermag der Kläger keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils darzulegen, zumal er sich mit den maßgeblichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht auseinandersetzt und sich darauf beschränkt zu behaupten, es habe nichts damit zu tun, dass ein neuer Dienstposten hätte geschaffen werden müssen. Dass einem Reaktivierungsanspruch zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen, wenn in der verbleibenden Dienstzeit ein brauchbares Arbeitsergebnis nicht mehr zu erwarten ist, so dass der Dienstherr in der Regel eine Mindestarbeitszeit von einem halben Jahr verlangen kann, ist auch in der Literatur anerkannt (vgl. v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, Stand: Juli 2015, § 29 Rn. 160).
c) Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass ein Anspruch des Klägers auf Reaktivierung auch nicht dadurch schuldhaft vereitelt worden sei, dass der Beklagte den Ablehnungsbescheid erst etwa ein Vierteljahr vor der für den Kläger geltenden Altersgrenze von 60 Jahren und 3 Monaten erlassen habe. Der Kläger rügt, allein der Beklagte sei für die Verzögerung verantwortlich und nimmt die hierfür vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung, dies beruhe auf den für die erforderliche Beurteilung des Gesundheitszustands des Klägers erforderlichen Untersuchungen, nicht in den Blick. Mit seinem lapidaren Hinweis, auch das Verwaltungsgericht habe festgestellt, dass das behördliche Verfahren von der Antragstellung am 27. März 2012 bis zum Erlass des Bescheids am 25. März 2013 sehr lange gedauert habe, vermag er ebenfalls keine ernstlichen Zweifel darzulegen, zumal das Verwaltungsgericht auch auf die starke Auslastung des medizinischen Dienstes verwiesen hatte, bei dem wie bei frei praktizierenden Ärzten mit Wartezeiten zu rechnen sei. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht in einer alternativen Betrachtung zugunsten des Klägers unterstellt, der Beklagte hätte kurzfristig eine Klärung mit dem Ärztlichen Dienst im Sinne einer uneingeschränkten Polizeidienstfähigkeit des Klägers erreichen können und den Kläger bereits zum 1. Februar 2013 reaktivieren können. In diesem Fall wären von 123 Arbeitstagen bis zur regulären Altersgrenze des Klägers am 31. Juli 2013 nach Abzug von 70 Urlaubstagen für die Jahre 2012 und 2013 noch 53 Arbeitstage verblieben. Auch für diesen Zeitraum hätte – so das Verwaltungsgericht – keine Stelle bei der Autobahnpolizeistation Sch… geschaffen werden können, da eine Umsetzung von Kollegen für diesen kurzen Zeitraum mit einem unverhältnismäßigen Eingriff in deren Rechte verbunden gewesen wäre. Die Einarbeitung eines bereits seit etwa drei Jahren nicht mehr im Arbeitsprozess befindlichen Vollzugsbeamten bei einer anderen Dienststelle hätte in 53 Tagen nur noch soeben abgeschlossen werden können. Dies stelle aber noch keine Wiedereingliederung in das Arbeitsleben dar und wäre wegen des damit verbundenen Aufwands dem Beklagten nicht zumutbar gewesen. Hiergegen wendet sich die Zulassungsbegründung nicht.
2. Der Rechtssache fehlt auch die grundsätzliche Bedeutung i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (vgl. BVerwG, B. v. 16.11.2010 – 6 B 58.10 – juris Rn. 3; vom 17.12.2010 – 8 B 38.10 – juris Rn. 7 f.). Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Die Zulassungsbegründung führt hierzu nichts aus, insbesondere werden dort entsprechende grundsätzliche Fragen im vorgenannten Sinne nicht aufgeworfen geschweige denn deren Bedürfnis für eine obergerichtliche Klärung näher dargelegt.
3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG. Eine Klage auf Reaktivierung ist hinsichtlich des Streitwerts wie eine umfassende Klage gegen die Versetzung in den Ruhestand zu bewerten (vgl. BayVGH, B. v. 3.3.2016 – 3 ZB 14.2211 – juris Rn. 7 m. w. N.). Mit der Umstellung des Klageantrags von einer Verpflichtungsklage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) zeigt der Kläger, dass die Frage der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Reaktivierung – auch nach deren Erledigung – für ihn nach wie vor von Bedeutung ist.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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