Verwaltungsrecht

Rechtmäßige Abschiebung wegen fehlender asylrelevanter Bedrohung

Aktenzeichen  M 28 S 17.46474

Datum:
9.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 156802
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EMRK Art. 3
AsylG § 3, § 3a, § 4, § 30 Abs. 2, § 36
AufenthG § 11 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Klage gegen eine Abschiebungsandrohung nach Nigeria ist erfolglos, da weder die Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft noch die des subsidiären Schutzes erkennbar sind. (Rn. 19 – 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt … für dieses sowie für das Verfahren Az. M 28 K 17.46472 wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am 12. März 2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 14. März 2017 einen Asylantrag.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für … (Bundesamt) am 21. Juli 2017 gab er im Wesentlichen an, er habe seit dem Tod seiner Mutter im Jahr 1999 oder 2000 (er selber sei zu diesem Zeitpunkt 16 Jahre alt gewesen) bei einem Freund der Familie, genannt „Mister E …“, gewohnt. Der Onkel des Antragstellers hätte ihn zuvor aufgefordert, sein Elternhaus zu verlassen, welches nur gemietet gewesen sei. Er habe „Mister E …“ geholfen, den Haushalt zu führen. Dieser hätte ihn im Jahr 2016 in die Schweiz in ein „Flüchtlingslager“ gebracht, weil „es besser für ihn sei“. Dort hätte er die Möglichkeit „unter Leute zu kommen“. Er selber habe Mister E … zuvor mitgeteilt, dass er nicht in Nigeria leben wolle, sondern im Ausland.
Bei einer möglichen Rückkehr nach Nigeria könne er nicht zu seiner Familie zurückgehen, er wissen nicht wo er leben solle. Den Kontakt zu Mister E … habe er verloren, er habe seine Telefonnummer nicht mehr. Seine Familie in Nigeria wolle ihn nicht mehr sehen, ein Onkel habe ihn mit dem Tod bedroht. Er befürchte, dass sein Onkel etwas mit dem Tod seines Vaters zu tun habe. Die Beziehung zwischen seinen Eltern und dem Onkel sei nicht gut gewesen.
Mit Bescheid vom 27. Juli 2017, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.), auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) sowie auf subsidiären Schutz (Ziffer 3.) jeweils als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4.), forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, andernfalls werde er abgeschoben (Ziffer 5.) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6.).
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen offensichtlich nicht vor (§ 30 Abs. 1 AsylG).
Der Asylantrag sei nach § 30 Abs. 2 AsylG offensichtlich unbegründet.
Der Antragsteller sei im Herkunftsland nicht Opfer einer Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylG geworden. Der Flüchtlingsschutz gemäß § 3 AsylG sei daher abzulehnen.
Auch die Voraussetzungen des § 4 AsylG lägen nicht vor. Es gäbe keine Anhaltspunkte, dass dem Antragsteller bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland ein ernsthafter Schaden drohe. In Bezug auf die Drohungen des Onkels sei berücksichtigen, dass diese bereits mehrere Jahre zurücklägen und offenbar im Zusammenhang mit der geforderten Räumung der Wohnung gestanden hätten.
Der Antragsteller habe bei der Anhörung zum Ausdruck gebracht, dass es schon länger sein Wunsch gewesen sei, Nigeria zu verlassen und eine Zukunft in einem sicheren Land zu finden.
Der Asylantrag sei daher gemäß § 30 Abs. 2 AsylG offensichtlich unbegründet.
Abschiebeverbote lägen nicht vor. Hinsichtlich des § 60 Abs. 5 AufenthG komme in erster Linie eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Betracht. In Bezug auf Gefahren einer Verletzung des Art. 3 EMRK, die individuell durch einen konkret handelnden Täter drohten, sei keine andere Bewertung als bei der Prüfung des subsidiären Schutzes denkbar. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Nigeria führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände der Antragsteller sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich.
Der Antragsteller sei gesund und im erwerbsfähigen Alter, er habe in Nigeria acht Jahre lang die Schule besucht.
Dem Antragsteller drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde.
Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am 1. August 2017 Klage zur Niederschrift beim Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte, den Bescheid des Bundesamtes vom 27. Juli 2017 in den Ziffern 1.) sowie 3.) bis 6.) aufzuheben, sowie die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen, den subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen und festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bestünden. Über diese Klage wurde noch nicht entschieden.
Ferner beantragte er ebenfalls am 1. August 2017, hinsichtlich der Ausreiseaufforderung und der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Mit Schriftsatz vom 21. August 2017 teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers unter Vollmachtsvorlage die Vertretung des Antragstellers mit und beantragte, ihn im vorliegenden sowie im Klageverfahren (Az.: M 28 K 17.46472) beizuordnen sowie dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Eine Begründung der Klage oder des Eilantrags erfolgte trotz Ankündigung nicht.
II.
1. Der Antrag ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung zulässig (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylG; § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylG), jedoch unbegründet.
Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (Art. 16 a Abs. 4 Satz 1 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird (BVerfGE 94, 166, 194). Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG).
Vorliegend bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffen Bescheids vom 27. Juli 2017. Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und für die Zuerkennung internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen. Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Bundesamt keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festgestellt hat. Dem Antragsteller droht offensichtlich weder im Hinblick auf die allgemeine Situation in Nigeria noch aufgrund besonderer individueller Umstände eine asylerhebliche Bedrohung, Verfolgung oder Gefährdung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG sowie der §§ 3 ff. AsylG, § 4 AsylG und § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamts 27. April 2017 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist noch auszuführen:
Selbst wenn man in Bezug auf den Onkel unterstellt, dass dieser seine (wohl schon einige Jahre zurück liegende) Drohung noch aufrecht erhält, bestünde für den Antragsteller zumindest die Möglichkeit, innerhalb seines Herkunftslandes umzuziehen und sich somit den Bedrohungen zu entziehen (vgl. § 3 e, § 4 Abs. 3 AsylG).
Angesichts der in Nigeria bestehenden infrastrukturellen Mängel sowie des Fehlens eines flächendeckenden Meldewesens ist nicht einmal ansatzweise erkennbar, wie ein etwaiger Verfolger, soweit dieser aktuell überhaupt noch ein Interesse am Antragsteller haben sollten, ihn ohne weiteres auffinden können sollte (vgl. dazu AA Lagebericht vom 21. November 2016 S. 25; VG Minden Urteil vom 14.03.2017 – 10 K 2413/16.A).
2. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Bevollmächtigten des Antragstellers war ebenfalls abzulehnen. Es fehlt an den hinreichenden Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114 Abs. 1 Zivilprozessordnung). Insoweit wird auf die Ausführungen unter 1. verwiesen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.
Der Ausschluss der Beschwerde gemäß dieser Vorschrift gilt auch für Beschlüsse im Verfahren der Prozesskostenhilfe (vgl. VG München, B. v. 14. September 2017 – M 28 K 16.35341).

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