Aktenzeichen AN 2 K 16.31196
Leitsatz
In der teilautonomen Region Kurdistan-Irak besteht für Personen kurdisch-irakischer Volkszugehörigkeit keine asylrechtlich relevante Verfolgungssituation. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Klagen sind zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des BAMF vom 16. August 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO. Die Kläger haben weder Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 AsylG oder auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch die in Ziffern 5 und 6 getroffenen Nebenentscheidungen begegnen im Ergebnis keinen Bedenken. Vom Klageantrag nicht umfasst und damit nicht Gegenstand der Klagen sind Ansprüche auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16 a GG.
Das Gericht nimmt zur Begründung des Urteils gemäß § 77 Abs. 2 AsylG vorab Bezug auf die zutreffende Begründung der streitgegenständlichen Bescheide des BAMF vom 16. August 2016. Auch im für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) stellt sich die Situation für die Kläger nicht anders dar.
Das BAMF hat zu Recht die geltend gemachten Ansprüche auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG verneint. Die Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe als solche begründet aktuell nicht die Gefahr von Verfolgung bzw. Übergriffen im Sinne von § 3 a AsylG.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 21.4.2009, – 10 C 11/08 – juris) liegt eine asylrechtlich erhebliche Verfolgungsgefahr für Mitglieder einer Gruppe dann vor, wenn Verfolgungshandlungen im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern auch ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit besteht.
Gemessen an diesen Voraussetzungen liegt eine allgemeine Verfolgungssituation für kurdische Volkszugehörige aus oder mit Bezug zur teilautonomen Region Kurdistan-Irak nach den vom Gerichte beigezogenen Erkenntnisquellen, insbesondere den Lageberichten des Auswärtigen Amtes vom 18. Februar 2016 und 7. Februar 2017, nicht vor. Der Kläger gehört als kurdischer Volkszugehöriger in der teilautonomen Region Kurdistan-Irak der Bevölkerungsmehrheit an. Die kurdische Bevölkerung dort ist auch wie die Kläger ganz überwiegend sunnitisch-muslimischen Glaubens. Jedenfalls in dem Gebiet Kurdistan-Irak, das unter Kontrolle der kurdischen Regionalregierung steht, besteht nach den oben genannten Erkenntnisquellen ein weitreichender Schutz vor Gewalt und Verfolgung selbst für Minderheiten und Binnenvertriebene aus anderen Teilen des Iraks, die zu einem sehr großen Teil in der Region Kurdistan-Irak Zuflucht gefunden haben. Es kann damit davon ausgegangen werden, dass die Kläger in die Region KurdistanIrak, aus der sie stammen, zurückkehren können und dort einen sicheren Zufluchtsort finden.
Auch das persönliche Vorbringen des Klägers zu 1), insbesondere seine Flucht vor dem Militärdienst, rechtfertigt nicht die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus. Eine gegebenenfalls zu erwartende Strafe wegen der Entziehung von einer staatlichen Pflicht stellt keine Verfolgungsmaß nahme in Anknüpfung an ein Merkmal nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG dar, sondern allein eine Sanktionierung wegen rechtswidrigen Verhaltens. Die zum Verfahren beigezogenen Erkenntnisquellen, insbesondere der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2017, liefern auch keine Hinweise dazu, dass in Fällen der Desertation bzw. der Wehrpflichtentziehung im Irak unmenschliche bzw. besonders drastische Strafen oder gar die Todesstrafe droht, so dass eine unmenschliche Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG oder der Schutzgrund des § 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG nicht anzunehmen sind und auch keine konkrete Lebensgefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht.
Dass dem Kläger zu 1) von der Person, zu deren Festnahme er beigetragen hat, oder von dessen Familie eine Gefahr droht, ist vom Kläger zu 1) lediglich pauschal behauptet worden bzw. stellt eine nicht nachvollziehbare und aus Sicht des Gerichts unbegründete Furcht des Klägers zu 1) dar. Er hat in der mündlichen Verhandlung vom 8. Juni 2017 selbst angegeben, dass ihm die Polizei Schutz im Falle eines Übergriffes gewähre. Da es sich bei der Person nach Angabe des Klägers zu 1) um einen Anhänger der Terrorgruppe IS handelt, kann auch realistischerweise davon ausgegangen werden, dass dem Kläger in den nicht vom IS besetzten Gebieten, insbesondere in der Region Kurdistan-Irak, Schutz und Unterstützung zuteil wird. Zuflucht vor einer derartigen Gefahr wäre im Übrigen zunächst in einem anderen Gebiet des Heimatlandes zu suchen. Nach der Auskunftslage ist davon auszugehen, dass den Klägern als Kurden aus der Region Kurdistan eine Niederlassung in einem anderen Ort der Region möglich ist, ihnen dies weder behördlich verwehrt, noch wegen tatsächlicher Schwierigkeiten unmöglich bzw. unzumutbar ist.
Auch eine Situation im Sinne von § 4 AsylG, die zur Anerkennung subsidiären Schutzes führen würde, finden die Kläger in der Region Kurdistan-Irak nicht vor. Ein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG liegt dort nach Auswertung der zum Verfahren beigezogenen Erkenntnisquellen nicht vor. Einzelne terroristische Anschläge und Gewaltakte, zu denen es auch in der Herkunftsregion der Kläger kommen kann, genügen hierfür nicht.
Der Vortrag der Kläger und die Lage in ihrer Heimat bieten auch keine Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des Bescheids vom 16. August 2016 beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG. Es kann dahinstehen, ob die Abschiebungsandrohung in die Region Kurdistan-Irak dem § 59 Abs. 2 AsylG in jeder Hinsicht gerecht wird, nachdem dort festgelegt ist, dass die Androhung den „Staat“ der beabsichtigten Rückführung bezeichnen soll, vorliegend jedoch ein Teilstaat benannt wird. Zum einen kann durch Auslegung als vorrangiger Zielstaat der Abschiebung der Staat Irak ohne Weiteres entnommen werden (vergleiche insoweit auch BVerwG, U.v. 16.11.1999, 9 C 4/99), zum anderen ist keine Rechtsverletzung für die Kläger erkennbar, wenn ihre Abschiebung ausdrücklich auf den für sie sicheren Teil ihres Herkunftsstaates beschränkt wird, anstelle – wie dies rechtlich nicht zu beanstanden wäre – den Gesamtstaat zu benennen (BVerwG, a.a.O.).
Die im Rahmen von der § 11 Abs. 3 AufenthG zu treffenden Ermessensentscheidungen über die Dauer des Einreise-und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG sind nicht zu beanstanden, § 114 Abs. 1 VwGO.
Die Kostenentscheidung der damit abzuweisenden Klagen beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben.