Verwaltungsrecht

Rechtmäßige Androhung der Abschiebung nach Griechenland

Aktenzeichen  Au 7 S 16.32663

Datum:
18.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, § 35, § 36 Abs. 1, Abs. 3 S. 1
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 In Griechenland liegen nicht allein deswegen zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote im Sinne von § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vor, weil für Schutzberechtigte keine Unterstützungsleistungen im Sinne klassischer Sozialhilfe oder Hilfen bei der Wohnungssuche und dem Zugang zum Arbeitsmarkt existieren. (redaktioneller Leitsatz)
2 Insoweit die Schutzberechtigten die prekäre Lage weiter Teile der griechischen Bevölkerung teilen, liegt darin keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung iSv § 60 Abs. 5 AufenthG iVm Art. 3 EMRK. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtschutz gegen die im Bescheid vom 24. November 2016 verfügte Abschiebungsandrohung nach Griechenland.
Der nach eigenen Angaben am … 1986 geborene Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 25. Januar 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 16. Juni 2015 stellte der Antragsteller beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag.
An diesem Tag (16.6.2015) fand das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens statt. Der Antragsteller gab u. a. an, Afghanistan ca. 1995 verlassen zu haben. Im Jahr 2003 sei er in Griechenland eingereist und habe sich dort ca. zwölf Jahre bis zum 27. Dezember 2014 aufgehalten (Adresse: „…, …“). Dann sei er über Italien und die Schweiz nach Deutschland gereist.
Der Antragsteller legte dem Bundesamt verschiedene Unterlagen vor, die er während seines Aufenthalts in Griechenland erhalten hatte (u. a. von den griechischen Behörden ausgestellte Aufenthaltsgestattung).
Schriftlich führte der Antragsteller zu seinem Aufenthalt in Griechenland im Wesentlichen aus (Übersetzung vom 29.6.2015), nach seiner Einreise nach Griechenland im Jahr 2003 sei er zunächst drei Monate inhaftiert worden. Danach habe er jeweils auf drei Monate befristete Arbeitserlaubnisse bekommen und habe in der Landwirtschaft gearbeitet. Im Jahr 2006 habe er ein rotes Aufenthaltspapier bekommen, welches jeweils nach sechs Monaten verlängert wurde. Im Jahr 2007 habe er eine Arbeitserlaubnis bekommen und danach offiziell eine steuer- und versicherungspflichtige Arbeit ausgeübt. Im Jahr 2014 habe er eine weiße Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre bekommen. Ein Anwalt habe ihm eine Reiseerlaubnis besorgt. Mit dieser sei er am 27. Dezember 2014 per Schiff nach Italien gereist. Das Schiff habe unterwegs Feuer gefangen und alle seine Sachen seien dabei verbrannt. In Italien hätten sie ihm nicht geholfen. Sie hätten seine Fingerabdrücke genommen und seine Taschen durchsucht. Er habe sich gezwungen gesehen, nach Deutschland zu kommen. Er möchte nicht nach Griechenland zurückgehen, sondern in Deutschland bleiben, da Asylbewerber in Deutschland alles bekommen und Griechenland ihnen nichts gebe. Seine dreijährige Aufenthaltserlaubnis wäre in Griechenland nicht mehr verlängert worden. Er hätte Griechenland verlassen oder für achtzehn Monate ins Gefängnis gehen müssen.
Eine EURODAC-Recherche durch das Bundesamt ergab am 19. Juni 2015 einen Treffer der ersten Kategorie für Griechenland, EURODAC-Nr. …
Am 20. November 2015 richtete das Bundesamt ein Informationsersuchen an Griechenland. Die griechischen Behörden teilten mit Schreiben vom 15. März 2016 u. a. mit, dass dem Antragsteller, der bei ihnen mit dem Geburtsdatum „… 1980“ registriert sei, auf seinen ersten Asylantrag, gestellt am 7. September 2006, eine negative Antwort am 5. Juni 2007 erteilt worden war. Auf seine Berufung hin sei ihm subsidiärer Schutz und ein Aufenthaltstitel mit einer Dauer vom 4. Dezember 2013 bis 3. Dezember 2016 gewährt worden.
Am 17 Oktober 2016 fand das zweite persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens statt. Dabei gab der Antragsteller gegenüber dem Bundesamt u. a. an, er wolle nicht nach Griechenland überstellt werden, da man dort nur eine kurzzeitige Aufenthaltsgestattung bekomme, die nicht verlängert werde.
Mit Bescheid vom 24. November 2016, der dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am 30. November 2016 zugestellt wurde, wurde der Antrag als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Ziffer 2). Dem Antragsteller wurde die Abschiebung nach Griechenland angedroht, sollte er die Ausreisefrist von einer Woche nicht einhalten. Es wurde verfügt, dass er nicht nach Afghanistan abgeschoben werden darf (Ziffer 3). In Ziffer 4 wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Am 1. Dezember 2016 hat der Antragsteller zur Niederschrift vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 24. November 2016 erhoben. Die Klage wird unter dem Aktenzeichen Au 7 K 16.32662 geführt.
Zugleich beantragte er gemäß § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Antragsgegnerin übermittelte mit Schreiben vom 15. Dezember 2016 die Behördenakten, äußerte sich aber in der Sache nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die Akten des Bundesamts Bezug genommen.
II.
Der am 1. Dezember 2016 sinngemäß gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage (Az.: Au 7 K 16.32662) gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24. November 2016 anzuordnen, ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Begehrens des Antragstellers sind das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798) sowie das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGB. I S. 162, beide zuletzt geändert durch Art 5 und 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. 1939), das am 6. August 2016 in Kraft getreten ist. Die Pflicht des Gerichts, das aktuelle Asylrecht anzuwenden ergibt sich aus § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG, wonach die Rechtslage zugrunde zu legen ist, die zu dem Zeitpunkt besteht, in dem die gerichtliche Entscheidung im schriftlichen Verfahren gefällt wird.
1. Der Antrag ist zulässig. Er ist nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, da der in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 des Asylgesetzes (AsylG) keine aufschiebende Wirkung zukommt. Der Antragsteller hat auch die Wochenfrist zur Stellung des Antrages gemäß § 36 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 AsylG eingehalten.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO i. V. m. § 36 Abs. 4 AsylG liegen nicht vor.
Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen dann vor, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris).
Die Interessenabwägung fällt hier zulasten des Antragstellers aus. Denn die Androhung der Abschiebung des Antragstellers nach Griechenland auf der Grundlage von § 35 AsylG begegnet bei Anlegung dieses Maßstabs keinen rechtlichen Bedenken; die Klage wird mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolglos sein.
Nach § 35 AsylG droht das Bundesamt in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war.
a) Hier liegt ein Fall von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vor. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Antragsteller hat in Griechenland subsidiären Schutz erhalten („he was granted subsidiary protection“, siehe Schreiben des Griechischen Republik vom 15.3.2016, Bl. 68 der Bundesamtsakte), was eine Form des internationalen Schutzes nach dem Asylgesetz ist (dort Abschnitt 2, Unterabschnitt 2).
Die Vorschrift in § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist auch nicht dahin einschränkend auszulegen, dass sie nicht für Asylanträge eines in einem anderen EU Mitgliedstaat subsidiär Schutzberechtigten gilt, die – wie hier – in der Bundesrepublik Deutschland vor dem 20. Juli 2015 gestellt worden sind (so aber VG Düsseldorf, B. v. 14.11.2016 – 22 L 2936/16.A – juris Rn.16 ff.; VG Kassel, B. v. 18.10.2016 – 4 L 1781/16.KS.A – juris Rn. 2 ff.; VG Potsdam, Gb. v. 30.8.2016 – VG 6 K 4927/15.A – EA S. 3; ebenso Bethke/Hocks, Asylmagazin 2016, 336 [S. 341]). Das Gericht schließt sich der Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichts Hamburg in seinem Urteil vom 22. November 2016 (Az.: 16 A 5054/14 – juris Rn. 31 ff.) an, das hierzu wie folgt ausführt:
„Die Annahme, bis zu diesem Stichtag gestellte Asylanträge dieser Personengruppe dürften keinesfalls als unzulässig abgelehnt werden, beruht auf einem Missverständnis der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2015 (1 B 41.15) und einem Fehlverständnis der – wegen der Übergangsvorschrift in Art. 2 Unterabsatz 1 der Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU noch auf bis zum Stichtag 20. Juli 2015 gestellte Anträge fortgeltenden – Regelung in Art. 25 Abs. 2 a) der Asylverfahrensrichtlinie 2005/85/EG. Wie schon dem Leitsatz der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu entnehmen ist, dürfen vor dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge nicht allein aus dem Grund als unzulässig behandelt werden, weil dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat bereits subsidiärer Schutz gewährt worden ist. Die Ablehnung des Antrages als unzulässig aus anderen Gründen, nämlich etwa der Unzuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland für das nach Weiterwanderung nochmals gestellte Asylgesuch, bleibt davon allerdings unberührt. Dies erschließt sich in aller Deutlichkeit bei einer genaueren Analyse des der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrundeliegenden höchst ungewöhnlichen Falles. Die Besonderheit lag nämlich darin, dass das Bundesamt aufgrund eines Fehlers in der Bearbeitung bzw. eines Irrtums die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland für den Asylantrag des dortigen Klägers aufgrund der Ausübung des Selbsteintrittsrechts zugunsten seiner Ehefrau und seiner Kinder herbeigeführt hatte und sich deshalb für eine Ablehnung des Asylantrages nicht mehr auf seine Unzuständigkeit nach der Dublin-Verordnung berufen konnte (siehe die Entscheidung der Vorinstanz: VGH Mannheim, Urteil vom 29.04.2015 – A 11 S 57/15 – juris). In dieser Situation suchte das Bundesamt seine Revision mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu begründen (Urteil vom 17.06.2014 – 10 C 7.13 – juris), wonach der in einem anderen EU-Mitgliedsstaat als Flüchtling anerkannte Ausländer keinen Anspruch auf eine neuerliche Statusanerkennung durch das Bundesamt hat. In dieser außerordentlichen Fallkonstellation, in der die Zuständigkeit wegen irrtümlicher Bearbeitung durch das Bundesamt von dem eigentlich zuständigen EU-Mitgliedstaat auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen war, schloss das Bundesverwaltungsgericht mit seinem Beschluss vom 23. Oktober 2015 den vom Bundesamt eingeschlagenen Weg der Ablehnung des Asylantrages aus und verwies dazu auf die seinerzeit noch Geltung beanspruchende Regelung in Art. 25 Asylverfahrensrichtlinie 2005/85/EG. Insofern lässt sich diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht verallgemeinernd auf sämtliche Fälle ausdehnen, in denen die Zuständigkeit für die Prüfung eines Asylantrages (noch) nicht auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen ist. Vielmehr muss der Ausländer grundsätzlich in dem EU-Mitgliedstaat um Rechtsschutz zur Aufstockung seines Schutzstatus nachsuchen, in dem sein Asylantrag in Wahrnehmung der Zuständigkeit nach der Dublin-Verordnung beschieden worden ist.
bb) Eine andere Interpretation des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, die sich – wie dargestellt – aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht ableiten lässt, würde auch zu einem fundamentalen Bruch mit dem europäischen Asylsystem führen. Bliebe die Bescheidung eines Asylantrages durch einen EU-Mitgliedstaat in den anderen EU-Mitgliedstaaten ohne Bedeutung, solange jener Mitgliedstaat nur subsidiären Schutz gewährt hat, könnte der betreffende Ausländer nämlich zwischen den EU-Mitgliedstaat umherreisen und nach seinem Belieben Asylanträge zur Aufstockung seines Schutzstatus stellen, die dann von dem von dem Flüchtling gewählten Staat inhaltlich geprüft werden müssten. Der Flüchtling könnte dieses Vorgehen so lange wiederholen, bis er in einem EU-Mitgliedstaat seiner Präferenz mit seinem Antrag zum „Upgrade“ seines Schutzstatus Erfolg hätte. Dass eine solche Möglichkeit zur ungeregelten und nicht steuerbaren EU-Binnenmigration nach Belieben des einzelnen Flüchtlings in offenem Widerspruch zu den Grundsätzen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems stehen würde, liegt auf der Hand. Das Europäische Asylsystem basiert nämlich nach Art 80 AEUV auf dem „Grundsatz der Solidarität und der gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeiten unter den Mitgliedstaaten“ (Bergmann, ZAR 2015, S. 81, 82). Die Verteilung der Verantwortlichkeit für Schutzsuchende unter den EU-Mitgliedstaaten wird deshalb nicht – auch nicht während einer Übergangsphase – durch eine entsprechende Interpretation der einschlägigen Vorschriften in die Wahlfreiheit des in der Europäischen Union migrierenden Flüchtlings gestellt werden können.“
b) Das Bundesamt hat auch zu Recht festgestellt, dass beim Antragsteller keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote im Sinne von § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in Bezug auf Griechenland vorliegen (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG).
Nach der Auskunftslage gewährt Griechenland schutzberechtigten Migranten prinzipiell Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung, zum Arbeitsmarkt und zur Sozialversicherung. Allerdings existieren weder für Einheimische noch für Schutzberechtigte Unterstützungsleistungen im Sinne klassischer Sozialhilfe oder Hilfen bei der Wohnungssuche und dem Zugang zum Arbeitsmarkt. Insoweit teilen die Schutzberechtigten die prekäre Lage weiter Teile der griechischen Bevölkerung. Im Falle von Obdachlosigkeit müssen die Flüchtlinge mit bedürftigen Griechen um die geringen Hilfsmöglichkeiten lokaler Behörden konkurrieren. Fehlende Integrationsmaßnahmen und die wirtschaftliche Krise führen oftmals zu einer Marginalisierung und sozioökonomischen Exklusion von Schutzberechtigten in Griechenland (vgl. zu alldem zusammenfassend und mit Quellenangaben versehen die „Dublin-​Information: Griechenland“, Stand Oktober 2016, der Antragsgegnerin, S. 6-​9; Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation Griechenland, Stand 5.8.2016, jeweils abrufbar im Internet unter milo.de).
Nach der Rechtsprechung des EGMR ist eine Behandlung dann unmenschlich, wenn sie absichtlich über Stunden erfolgt und entweder tatsächliche körperliche Verletzungen oder schwere körperliche oder psychische Leiden verursacht. Als erniedrigend ist eine Behandlung dann anzusehen, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert oder wenn sie Gefühle der Furcht, Angst oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder psychischen Widerstand der Person zu brechen. Die Behandlung/Misshandlung muss dabei, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen, einen Mindestgrad an Schwere erreichen. Dessen Beurteilung ist allerdings relativ, hängt also von den Umständen des Falles ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung und ihren physischen und psychischen Auswirkungen sowie mitunter auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers. Demnach genügen Unzulänglichkeiten in Einzelfällen oder jeder geringe Verstoß gegen die unionsrechtlichen Vorgaben nicht. So ist Art. 3 EMRK nicht in dem Sinn auszulegen, dass er die Vertragsparteien verpflichtete, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (EGMR, U. v. 21.1.2011 – 30696/09 – juris, B. v. 2.4.2013 – 27725/10 – Eh. u. a. gegen die Niederlande und Italien, ZAR 2013, S. 336, juris). Das Unionsrecht verspricht den Betroffenen daher lediglich Inländergleichbehandlung (vgl. etwa Art. 26, 27, 28 Abs. 1, 29, 30 RL 2011/95/EU-QRL) oder (vgl. etwa Art. 32 und 33 QRL) Gleichbehandlung mit anderen sich rechtmäßig aufhaltenden Ausländern (vgl. VGH BW, U. v. 10.11.2014 – A 11 S 1778/14 – juris, Bulgarien betreffend).
Danach läuft der Antragsteller, ein alleinstehender, arbeitsfähiger Mann nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr, im Falle seiner Überstellung nach Griechenland einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden. Die schlechte wirtschaftliche Lage, die leider weite Teile der griechischen Bevölkerung betrifft, ist rechtlich ebenso wenig relevant, wie der Wunsch des Antragstellers, sein Leben in Deutschland leben zu wollen. Entscheidend ist, dass der Antragsteller in Griechenland die im Wesentlichen gleichen Lebensbedingungen vorfindet, wie die dortige Bevölkerung, auch wenn diese Lebensbedingungen schwerer sein mögen, als die in der Bundesrepublik Deutschland. Die Situation des Klägers entsprach insoweit der allgemein schwierigen Lage, in der sich auch die einheimische griechische Bevölkerung befand.
Aus dem Vortrag des Antragstellers ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Vielmehr ist aus den Angaben des Antragstellers und seinen vorgelegten Unterlagen ersichtlich, dass er sehr lange, nämlich zwölf Jahre in Griechenland gelebt, dort eine feste Adresse gehabt hat (…, …) und eine legale Beschäftigung ausgeübt hat, die ihm bezüglich der sozialen Absicherung die gleichen Rechte und Pflichten brachte wie griechischen Bürgern. Aufgrund eines solchen langjährigen Aufenthalts kann nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller in Griechenland soziale Kontakte hatte und ihm die dortigen Verhältnisse auch gut bekannt sind, so dass zu erwarten ist, dass es ihm im Falle seiner Rückkehr auch wieder gelingen wird, seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Die Situation des Antragstellers unterscheidet sich damit grundlegend von der Situation der meisten anderen sog. „Dublin-Rückkehrer“.
Soweit in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheids die Feststellung getroffen wurde, dass der Antragsteller nicht nach Nigeria abgeschoben werden darf, handelt es sich um eine Ergänzung der Abschiebungsandrohung gemäß § 60 Abs. 10 Satz 2 AufenthG, die rechtlich nicht zu beanstanden ist und dem Umstand geschuldet ist, dass dem Antragsteller in Griechenland subsidiärer Schutz gewährt wurde.
c) Die Ausreisefrist von einer Woche ist gemäß § 36 Abs. 1 i. V. m. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht zu beanstanden.
d) Auch hinsichtlich der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ergeben sich keine Bedenken; schützenswerte Belange außer dem Wunsch, in Deutschland zu bleiben, sind dem Vorbringen des Antragstellers nicht zu entnehmen.
e) Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des angefochtenen Bescheides Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Nach allem erweist sich die Abschiebungsandrohung bzw. der angefochtene Bescheid des Bundesamtes als rechtmäßig, so dass der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mangels Erfolgsaussichten der Klage abzulehnen war.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

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