Verwaltungsrecht

Rechtmäßige Ausweisung eines Syrers wegen der Verbindung zu einer terroristischen Vereinigung

Aktenzeichen  B 6 S 18.636

Datum:
24.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 56658
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG §§ 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 48 Abs. 1 S. 1, 51 Abs. 1 Nr. 5, 53, 54 Abs. 1 Nr. 2, 55, 56
VwGO § 80 Abs. 5
BayVwVfG Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

1. Gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist davon auszugehen, dass der Antragsteller die freiheitliche demokratische Grundordnung und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, weil seine Verurteilung durch das Oberlandesgericht München die Schlussfolgerung rechtfertigt, dass der Antragsteller einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, und weil er bislang nicht erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen hat.  (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die als terroristische Vereinigung eingestufte Ahrar al-Sham auf (Groß-)Syrien beschränkte Ziele verfolgt und somit keine unmittelbare Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland darstellt. Vielmehr geht die Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland von dem Antragsteller persönlich aus, weil seine Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung unabhängig von deren konkreten Zielen eine grundsätzliche Bereitschaft zu terroristischem Handeln zum Ausdruck bringt. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 26.06.2018 gegen Ziffer 7 des Bescheides vom 06.06.2018 (Meldepflicht) und Ziffer 15 des Bescheides vom 06.06.2018 (diesbezügliche Zwangsgeldandrohung) wird wiederhergestellt bzw. angeordnet, soweit der Antragsteller nicht nur täglich einmal, sondern noch ein zweites Mal bei der zuständigen Polizeiinspektion* … vorzusprechen hat.
Im Übrigen wird der Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 25.06.2018 gegen den Bescheid vom 06.06.2018 abgelehnt, jedoch mit der Maßgabe, dass
a) die Abschiebung des Antragstellers ausgesetzt und ihm über die Aussetzung der Abschiebung eine Bescheinigung ausgestellt wird;
b) ein angemessener Kontakt des Antragstellers zu seiner Kernfamilie über die zuständige Ausländerbehörde sichergestellt wird;
c) dem Antragsteller einmal monatlich überwachter fernmündlicher Kontakt mit … zur persönlichen Kontaktpflege von der zuständigen Ausländerbehörde ermöglicht wird.
2. Von den Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller 9/10 und der Antragsgegner 1/10.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
4. Dem Antragsteller wird im Umfang von 1/10 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt …, unter Beschränkung auf die Kosten eines im Bezirk des Verwaltungsgerichts Bayreuth niedergelassenen Rechtsanwaltes beigeordnet. Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller reiste am 15.06.2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Mit Bescheid der Regierung von Oberfranken (Regierungsaufnahmestelle für Asylbewerber) vom 24.07.2015 wurde er der Stadt … zugewiesen. Am 11.08.2015 stellte der Antragsteller einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt), das ihm mit Bescheid vom 12.11.2015 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannte. Daraufhin erteilte ihm die Ausländerbehörde eine bis zum 09.02.2019 gültige Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG.
Seit dem 19.04.2016 befindet sich der Antragsteller in Untersuchungshaft.
Am 02.11.2016 klagte der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof den Antragsteller an, sich mindestens in der Zeit vom 23.08.2013 bis April 2014 in Aleppo und an anderen Orten in Syrien als Mitglied an der terroristischen Vereinigung im Ausland „Ahrar al-Sham“ beteiligt zu haben.
Mit Bescheid vom 28.08.2017 wurden vom Bundesamt die mit Bescheid vom 12.11.2015 zuerkannte Flüchtlingseigenschaft widerrufen (Ziffer 1), der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt (Ziffer 2) und festgestellt, dass das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt (Ziffer 3). Die dagegen erhobene Klage vom 12.09.2017 verwies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 12.10.2017 an das Verwaltungsgericht München.
Mit Urteil vom 19.09.2017 verurteilte das Oberlandesgericht München den Antragsteller zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, deren Zwecke und deren Tätigkeiten darauf gerichtet sind, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen, in sieben selbständigen Fällen, davon in sechs Fällen jeweils in Tateinheit mit sonstiger Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen ohne dass der Erwerb der tatsächlichen Gewalt auf einer Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz beruht und ohne dass eine Anzeige nach § 12 Abs. 6 Nr. 1 oder § 26a Kriegswaffenkontrollgesetz erstattet worden ist. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Mit Bescheid der Regierung von Mittelfranken – Zentralstelle Ausländerextremismus Nordbayern – (im Folgenden: Regierung von Mittelfranken) vom 06.06.2018 wurde
1. der Antragsteller aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen;
2. festgestellt, dass der Antragsteller zur Ausreise verpflichtet ist;
3. das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf einen Zeitraum von zehn Jahren, beginnend mit der Ausreise, befristet;
4. die Ausstellung des bis zum 09.02.2019 gültigen Reiseausweises für Flüchtlinge Nr. … zurückgenommen;
5. festgestellt, dass der durch die Stadt … am 10.02.2016 ausgestellte und bis zum 09.02.2019 gültige Reiseausweis für Flüchtlinge Nr. … sofort bei der Regierung von Mittelfranken oder einer in Amtshilfe für diese handelnden Behörde abzugeben ist;
6. festgestellt, dass die durch die Stadt … am 10.02.2016 ausgestellte und bis zum 09.02.2019 gültige Aufenthaltserlaubnis (Kartenträger) Nr. … sofort bei der Regierung von Mittelfranken oder einer in Amtshilfe für diese handelnden Behörde abzugeben ist;
7. festgestellt, dass der Antragsteller verpflichtet ist, ab seiner Entlassung aus der Haft täglich zwischen 8.00 Uhr und 10.00 Uhr sowie ein zweites Mal zwischen 18.00 Uhr und 20.00 Uhr bei der zuständigen Polizeiinspektion … in …, … unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapieres persönlich vorzusprechen;
8. festgestellt, dass der Aufenthalt des Antragstellers ab seiner Entlassung aus der Haft auf das Gemeindegebiet der Stadt … beschränkt ist;
9. festgestellt, dass der Antragsteller ab seiner Entlassung aus der Haft verpflichtet ist, in der Gemeinschaftsunterkunft … seinen Wohnsitz zu nehmen, und der Antragsteller aufgefordert, sich am Tag seiner Haftentlassung unmittelbar, spätestens jedoch bis 16.00 Uhr, in die vorbezeichnete Gemeinschaftsunterkunft zu begeben;
10. festgestellt, dass der Antragsteller mit sofortiger Wirkung bis zu seiner Ausreise verpflichtet ist, folgende Kommunikationsmittel nicht zu nutzen:
a. EDVgestützte Kommunikationsmittel
b. Mobiltelefone aller Art
c. öffentliche und private Fernsprecher aller Art
d. Faxgeräte aller Art
wobei von diesem Verbot ausgenommen ist die Nutzung eines nicht-internetfähigen Mobiltelefons, nachdem der Antragsteller der Regierung von Mittelfranken dessen Telefon-, Karten- und Gerätenummer (IMEI) angezeigt hat, sowie die Nutzung eines Mobiltelefons, das dem Antragsteller im Falle der Elektronischen Aufenthaltsüberwachung von der für die Elektronische Aufenthaltsüberwachung zuständigen Behörde zur Verfügung gestellt wird;
11. der Antragsteller verpflichtet, zu …, geb. …in Damaskus/Syrien, derzeit wohnhaft: …, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihm nicht zu verkehren, ihn nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen;
12. die sofortige Vollziehung der Ziffern 1, 4, 5, 6, 7 und 8 angeordnet;
13. für den Fall, dass der Antragsteller seiner Verpflichtung aus Ziffer 5 dieses Bescheides (Abgabe des Reiseausweises für Flüchtlinge) nicht binnen sieben Tagen ab Haftentlassung nachkommt, ein Zwangsgeld in Höhe von 50,00 EUR angedroht;
14. für den Fall, dass der Antragsteller seiner Verpflichtung aus Ziffer 6 dieses Bescheides (Abgabe der Aufenthaltserlaubnis) nicht binnen sieben Tagen ab Haftentlassung nachkommt, ein Zwangsgeld in Höhe von 50,00 EUR angedroht;
15. für den Fall, dass der Antragsteller seine Verpflichtung unter Ziffer 7 dieses Bescheides (Meldepflicht) nicht beachtet, ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 EUR angedroht;
16. für den Fall, dass der Antragsteller gegen seine Aufenthaltsbeschränkung in Ziffer 8 dieses Bescheides verstößt, ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 EUR angedroht;
17. die Durchsetzung der Verpflichtung unter Ziffer 9 dieses Bescheides (Wohnsitzauflage) mit unmittelbarem Zwang für den Fall der Nichterfüllung angedroht;
18. für den Fall, dass der Antragsteller die unter Ziffer 10 festgelegte Pflicht (Kommunikationsmittelverbot) nicht beachtet, ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 EUR angedroht;
19. für den Fall, dass der Antragsteller die unter Ziffer 11 festgelegte Pflicht (Kontaktverbot) nicht beachtet, ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 EUR angedroht.
Auf die umfangreichen Gründe des Bescheides wird Bezug genommen.
Dagegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 25.06.2018 Klage erhoben und die Aufhebung des Bescheides vom 06.06.2018 beantragt.
Gleichzeitig hat er beantragt, 
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen bzw. die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Ziffern 1, 4, 5, 6, 7 und 8 wiederherzustellen.
Ferner hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … beantragt.
Zur Begründung wird geltend gemacht, aus dem (nicht rechtskräftigen) Urteil des Oberlandesgerichts München vom 19.09.2017 (Seite 106) ergebe sich, dass die Ahrar al-Sham, welcher der Antragsteller angehört habe, auf (Groß-)Syrien beschränkte Ziele verfolge und somit keine unmittelbare Gefahr für Deutschland darstelle. Die Ahrar al-Sham sei nur in Syrien aktiv. Hinzu komme aber auch noch, dass der Antragsteller sich bereits in Syrien von Ahrar al-Sham gelöst habe und aus diesen Gründen aus Syrien geflohen sei. Er stelle keinerlei schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mehr dar. Dementsprechend sei die Ausweisung rechtswidrig und somit der Bescheid insgesamt aufzuheben.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Akte der Regierung von Mittelfranken Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag ist, soweit er nicht die Ziffern 2 und 3 des Bescheides vom 06.06.2018 betrifft, zulässig, aber nur in dem Umfang, der sich aus dem Tenor ergibt, begründet.
1.1 Ausweisung (Ziffer 1 des Bescheides vom 06.06.2018)
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Ausweisung ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO zulässig, nachdem der Antragsgegner gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in Ziffer 12 des Bescheides vom 06.06.2018 die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 des Bescheides vom 06.06.2018 besonders angeordnet hat, jedoch unbegründet, weil die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell und materiell rechtmäßig ist.
1.1.1 Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ausweisung ist formell rechtmäßig, insbesondere genügt sie dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, wonach in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere (öffentliche, vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen ist. Dieses besondere öffentliche Interesse muss in der Regel über jenes Interesse hinausgehen, das den Erlass des Verwaltungsakts selbst rechtfertigt. Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung ist nicht schon dann genügt‚ wenn überhaupt eine Begründung gegeben wird; vielmehr bedarf es einer schlüssigen‚ konkreten und substanziierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen‚ warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Fall ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht‚ demgegenüber das Interesse des Betroffenen am Bestand der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsmittels ausnahmsweise zurückzutreten hat. Diesen Anforderungen genügen pauschale oder formelhafte Wendungen grundsätzlich nicht (BayVGH, Beschluss vom 15.02.2018 – 10 CS 18.98, juris Rn. 6). Lediglich in Fällen, in denen sich die Gründe für den Erlass des Verwaltungsakts und für die Anordnung der sofortigen Vollziehung decken, also insoweit eine „(Teil-) Identität“ besteht, kann zum Zweck der Vereinfachung auf die Begründung des Verwaltungsakts Bezug genommen werden. Auch in diesem Fall gestattet aber § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO keinen Verzicht auf die Begründung; vielmehr muss die Behörde deutlich machen, dass sie in der Begründung des Verwaltungsakts auch die Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollziehung sieht (BayVGH, a.a.O. Rn. 7).
Gemessen an diesen Grundsätzen genügt die Herleitung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit der Ausweisung aus der die Ausweisung rechtfertigenden Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) unter II. Ziffer 7 der Gründe des Bescheides vom 06.06.2018 (S. 33/34) dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, weil sich die Gründe für die Ausweisung und für die Anordnung ihrer sofortigen Vollziehung insoweit decken. Ist davon auszugehen, dass der Antragsteller die freiheitliche demokratische Grundordnung und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, begründet dies über das besonders schwer wiegende Ausweisungsinteresse (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) hinaus auch ein besonderes öffentliches Interesse daran, die Ausweisung unabhängig vom rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens sofort durch eine Abschiebung vollziehen zu können, wenn das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG entfallen sollte.
1.1.2 Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ausweisung ist auch materiell rechtmäßig, weil nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage unter Zugrundelegung des gegenwärtigen Sach- und Kenntnisstandes im maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung die auf eine Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gestützte Ausweisung rechtmäßig ist, nachdem der Antragsteller (noch) nicht erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen hat (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 letzter Halbsatz AufenthG), und angesichts dessen die gebotene Abwägung aller betroffenen öffentlichen und privaten Interessen zu dem Ergebnis führt, dass das Interesse des Antragstellers daran, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens nicht abgeschoben zu werden, das aus der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland resultierende Sofortvollzugsinteresse nicht überwiegt. Nimmt der Antragsteller nach der Entscheidung über seinen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, steht es ihm frei, gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO wegen veränderter Umstände die Änderung dieses Beschlusses zu beantragen.
1.1.2.1 Maßgebliche Rechtsgrundlagen
Gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
Gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wiegt das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG besonders schwer, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
Gemäß § 53 Abs. 3 AufenthG darf ein Ausländer, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt oder einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
Gemäß § 53 Abs. 2 AufenthG sind bei der Abwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.
§ 55 AufenthG normiert die Voraussetzungen, unter denen das Bleibeinteresse im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG besonders schwer (§ 55 Abs. 1 AufenthG) bzw. insbesondere schwer (§ 55 Abs. 2 AufenthG) wiegt.
1.1.2.2 Subsumtion
Gemessen an diesen Rechtsgrundlagen erweist sich die Ausweisung nach dem maßgeblichen Sach- und Kenntnisstand im Zeitpunkt dieser Entscheidung allem Anschein nach als rechtmäßig. Das Gericht folgt insoweit der Begründung unter II. Ziffer 1 der Gründe des Bescheides vom 06.06.2018 (S.19 bis 27) und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Zusammenfassend bzw. ergänzend wird Folgendes festgestellt:
Gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist davon auszugehen, dass der Antragsteller die freiheitliche demokratische Grundordnung und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, weil seine Verurteilung durch das Oberlandesgericht München am 19.09.2017 die Schlussfolgerung rechtfertigt, dass der Antragsteller einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, und weil er bislang nicht erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen hat. Dabei kommt es nicht, wie in der Antragsbegründung geltend gemacht, darauf an, dass die als terroristische Vereinigung eingestufte Ahrar al-Sham auf (Groß-)Syrien beschränkte Ziele verfolgt und somit keine unmittelbare Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland darstellt. Vielmehr geht die Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland von dem Antragsteller persönlich aus, weil seine Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung unabhängig von deren konkreten Zielen eine grundsätzliche Bereitschaft zu terroristischem Handeln zum Ausdruck bringt. Bislang ist auch nicht erkennbar, dass sich der Antragsteller aus freien Stücken und innerer Überzeugung im Sinne einer glaubhaften Abstandnahme von sicherheitsgefährdendem Handeln von Ahrar al-Sham losgesagt hat. Seine Aktivitäten in dieser Vereinigung fanden dadurch ein Ende, dass im Januar 2014 die Stadt Manbij, in der der Antragsteller lebte und die bis dahin von Ahrar al-Sham beherrscht wurde, in die Hände der terroristischen Vereinigung ISIS fiel, was der Antragsteller zum Anlass nahm, aus Syrien zu flüchten. Das allein belegt aber keine innere Abkehr von Ahrar al-Sham, zumal der Antragsteller auch nach seiner Flucht noch in Kontakt mit ihren Mitgliedern stand. Bislang kann weiterhin nicht hinreichend erkannt werden, ob der Antragsteller von sicherheitsgefährdendem Handeln auch insofern dauerhaft Abstand nimmt, als er Widerstandskraft gegen die gerichtsbekannt äußerst effizienten und insbesondere auch auf dem Versprechen sozialer Wärme beruhenden Anwerbeversuche von Vereinigungen mit terroristischen Zielen im Bundesgebiet entwickelt.
Unter diesen Umständen ist auch die Voraussetzung des § 53 Abs. 3 AufenthG erfüllt, dass das persönliche Verhalten des Antragstellers gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. In diesem Zusammenhang ist zu ergänzen, dass gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG die Klage gegen den Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft mit Bescheid des Bundesamtes vom 28.08.2017 keine aufschiebende Wirkung hat, weil die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 Alternative 1 AufenthG widerrufen wurde. Ist somit der Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes sofort vollziehbar, ist der Tatbestand des § 53 Abs. 3 AufenthG, dass der Antragsteller im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, nicht mehr erfüllt. Auch die zweite Alternative, dass der Antragsteller einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, ist, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen (1.4) ergibt, angesichts der Ziffern 4, 5 und 12 des streitgegenständlichen Bescheides vom 06.06.2018 nicht mehr gegeben.
Ein gegenüber dem festgestellten, besonders schwer wiegenden Ausweisungsinteresse zu berücksichtigendes Bleibeinteresse ist nicht ersichtlich. Der Antragsteller erfüllt weder einen der besonderen Tatbestände des § 55 Abs. 1 oder Abs. 2 AufenthG, noch ergibt sich ein Bleibeinteresse aus den in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Umständen. Die Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet vermag ein Bleibeinteresse nicht zu begründen, weil den ersten dreiundzwanzig Lebensjahren im Herkunftsland Syrien nur gut drei Aufenthaltsjahre in der Bundesrepublik Deutschland gegenüberstehen, von denen der Antragsteller zwei Jahre in Haft verbracht hat. Im Bundesgebiet leben weder Familienangehörige des Antragstellers, noch verfügt er hier über andere persönliche, wirtschaftliche oder sonstige Bindungen, mit Ausnahme seines Freundes …, zu dem er aber, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen (1.5.5) ergibt, ohnehin nur fernmündlichen Kontakt pflegen darf. Schließlich hat der Antragsteller sich auch nicht rechtstreu verhalten, insbesondere muss er sich vorhalten lassen, dass er seine Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung Ahrar al-Sham zunächst verschwiegen hat, obwohl er von der Ausländerbehörde ausdrücklich danach gefragt wurde.
1.2 Feststellung der Ausreisepflicht (Ziffer 2 des Bescheides vom 06.06.2018)
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die – deklaratorische – Feststellung, dass der Antragsteller zur Ausreise verpflichtet ist, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO unzulässig, weil kein Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO vorliegt und § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach die Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung hat, gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch bei feststellenden Verwaltungsakten gilt. Handelt es sich allerdings – wie hier – um eine rein deklaratorische Feststellung, geht die aufschiebende Wirkung ins Leere. Gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ist ein Ausländer – kraft Gesetzes, ohne dass es einer entsprechenden Feststellung bedarf – zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt. Diesen Tatbestand erfüllt der Antragsteller, weil gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG seine Aufenthaltserlaubnis durch die Ausweisung erloschen ist, und zwar unabhängig von der sofortigen Vollziehbarkeit der Ausweisung, weil gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG die gegen die Ausweisung erhobene Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung unberührt lässt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ausweisung begründet daher nicht die Ausreisepflicht als solche, sondern die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG.
1.3 Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (Ziffer 3 des Bescheides vom 06.06.2018)
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Befristung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG ist ebenfalls unzulässig. Zwar bestimmt § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG, dass die Klage gegen die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG keine aufschiebende Wirkung hat. Da jedoch in diesem Fall in der Hauptsache die Verpflichtungsklage statthaft ist, ergibt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung – wie im Falle der Ablehnung eines Aufenthaltserlaubnisantrages ohne Fiktionswirkung – keinen Sinn.
1.4 „Rücknahme“ und Abgabe des Reiseausweises für Flüchtlinge, Abgabe der Aufenthaltserlaubnis (Ziffern 4, 5 und 6 des Bescheides vom 06.06.2018)
1.4.1 Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die „Rücknahme“ der Ausstellung des bis zum 09.02.2019 gültigen Reiseausweises für Flüchtlinge und gegen die auferlegten Verpflichtungen, den Reiseausweis für Flüchtlinge und die Aufenthaltserlaubnis sofort abzugeben, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO zulässig, nachdem der Antragsgegner gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in Ziffer 12 des Bescheides vom 06.06.2018 die sofortige Vollziehung der Ziffern 4, 5 und 6 des Bescheides vom 06.06.2018 besonders angeordnet hat.
1.4.2 Der Antrag ist unbegründet, wenn die Abschiebung des Antragstellers ausgesetzt und ihm über die Aussetzung der Abschiebung eine Bescheinigung ausgestellt wird, weil unter dieser Voraussetzung die Anordnung der sofortigen Vollziehung der „Rücknahme“ des Reiseausweises für Flüchtlinge und der Abgabeverpflichtungen formell und materiell rechtmäßig ist.
1.4.2.1 Die Anordnung ist formell rechtmäßig, insbesondere genügt die Herleitung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung der „Rücknahme“ des Reiseausweises für Flüchtlinge und der Abgabeverpflichtungen unter II. Ziffer 7 der Gründe des Bescheides vom 06.06.2018 (S. 34) aus der Annahme, dass die mit dem Reiseausweis für Flüchtlinge gewährte Reisefreiheit und der durch die Aufenthaltserlaubnis vermittelte Rechtsschein eines legalen Aufenthalts die Überwachung des Aufenthaltes des Antragstellers erschweren, dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
1.4.2.2 Wird die Abschiebung des Antragstellers gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ausgesetzt und dem Antragsteller gemäß § 60a Abs. 4 AufenthG eine Duldungsbescheinigung ausgestellt, führt die gebotene Abwägung aller betroffenen öffentlichen und privaten Interessen zu dem Ergebnis, dass das Interesse des Antragstellers daran, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens seinen Reiseausweis für Flüchtlinge und seine Aufenthaltserlaubnis behalten zu dürfen, das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der „Rücknahme“ und der Abgabeverpflichtungen nicht überwiegt.
1.4.2.2.1 Die „Rücknahme“ des Reiseausweises für Flüchtlinge findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG, wonach ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden kann, wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
Gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK erhalten Flüchtlinge im Sinne der GFK, die sich rechtmäßig im Gebiet der Vertragsstaaten aufhalten, einen Reiseausweis, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen. Gemessen daran wäre die Ausländerbehörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt, den Reiseausweis für Flüchtlinge nicht zu erteilen, weil mit Bescheid des Bundesamtes vom 28.08.2017 die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft – gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 75 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG sofort vollziehbar – widerrufen wurde, der Antragsteller sich infolge der Ausweisung, unabhängig von der Anordnung ihrer sofortigen Vollziehung, gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 5, § 50 Abs. 1 und § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und angesichts der vom Antragsteller ausgehenden Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Erteilung eines Reiseausweises entgegenstehen. Auch die weitere Voraussetzung des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG, dass ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde, ist angesichts der vom Antragsteller ausgehenden Gefährdung, seiner daraus resultierenden Überwachungsbedürftigkeit und des Umstandes, dass ihm der Reiseausweis für Flüchtlinge insbesondere grenzüberschreitende Reisen ermöglicht (Reisefunktion), allem Anschein nach erfüllt.
Die Regierung von Mittelfranken hat zwar die Rücknahmeermächtigung des Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG als Rechtsgrundlage herangezogen, inhaltlich aber den Tatbestand des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG geprüft und auf dieser Grundlage Ermessen („kann widerrufen werden“) ausgeübt. Dabei hat sie weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten (insbesondere hat sie die Erteilung des Reiseausweises für Flüchtlinge „ab Bekanntgabe dieses Bescheides“, also mit Wirkung für die Zukunft und nicht, wie Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG es ermöglicht, mit Wirkung für die Vergangenheit „zurückgenommen“), noch von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 114 Satz 1 VwGO). Interessen des Antragstellers, die es rechtfertigen könnten, vom Widerruf der Erteilung des Reiseausweises für Flüchtlinge abzusehen, obwohl ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde, sind ebenso wenig ersichtlich wie Interessen, die das aus dem Gefahrenpotential resultierende besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Widerrufs überwiegen würden.
1.4.2.2.2 Die Verpflichtungen, den Reiseausweis für Flüchtlinge und die Aufenthaltserlaubnis abzugeben, finden ihre Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 AufenthG, wonach ein Ausländer verpflichtet ist, seinen Pass, seinen Passersatz oder seinen Ausweisersatz (Nr. 1) und seinen Aufenthaltstitel (Nr. 2) auf Verlangen den mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und vorübergehend zu überlassen, soweit dies zur Durchführung oder Sicherung von Maßnahmen nach diesem Gesetz erforderlich ist.
Der Reiseausweis für Flüchtlinge ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthV ein Passersatzpapier. Wird seine Erteilung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung widerrufen, ist es folgerichtig, das Dokument – ebenfalls unter Anordnung der sofortigen Vollziehung – einzuziehen, um den Rechtsschein einer Reisefreiheit, die tatsächlich nicht mehr besteht, zu beseitigen.
Ähnlich verhält es sich mit der Aufenthaltserlaubnis. Sie ist gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG durch die Ausweisung – gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG unabhängig von deren sofortiger Vollziehbarkeit – erloschen mit der Folge, dass der Antragsteller gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG zur Ausreise verpflichtet ist. Über diese Tatsache täuscht das Dokument mit dem Gültigkeitsdatum 09.02.2019 hinweg. Seine Einziehung ist daher erforderlich, um den Rechtsschein eines legalen Aufenthalts zu beseitigen.
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, weil nach dem Bescheid des Bundesamtes vom 28.08.2017 das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt, scheitert – ebenfalls gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG unabhängig von der sofortigen Vollziehbarkeit der Ausweisung – sowohl an § 11 Abs. 1 AufenthG, wonach einem Ausländer, der ausgewiesen worden ist, kein Aufenthaltstitel erteilt werden darf, als auch an § 25 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 und Nr. 4 AufenthG, wonach die Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt wird, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat (Nr. 2) oder eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt (Nr. 4). Bleibt es somit allem Anschein nach bei der Ausreisepflicht des Antragstellers gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG, besteht ein besonderes öffentliches Interesse daran, sofort die Abgabeverpflichtung vollziehen und dadurch den Rechtsschein eines legalen Aufenthalts beseitigen zu können. Zur Wahrung der persönlichen Interessen des Antragstellers, die sich insbesondere aus dem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG, der Strafvorschrift des § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG und der Meldepflicht gemäß Ziffer 7 des Bescheides vom 06.06.2018 „unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapieres“ ergeben, ist es ausreichend, aber auch erforderlich, gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG seine Abschiebung, nachdem sie aus rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, auszusetzen und dem Antragsteller gemäß § 60a Abs. 4 AufenthG eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung auszustellen.
1.5 Überwachung (Ziffern 7, 8, 9, 10 und 11 des Bescheides vom 06.06.2018)
Einleitend ist festzustellen, dass das Gericht in den Maßnahmen zur Überwachung des Antragstellers aus Gründen der inneren Sicherheit auch eine Chance für den Antragsteller sieht. Die engmaschige Kontrolle ist Grundlage für eine realistische, gegebenenfalls auch für den Antragsteller positive Gefährdungsprognose, weil sie es ermöglicht, seine weitere Entwicklung – insbesondere im Hinblick auf eine erkennbare und glaubhafte Abstandnahme von sicherheitsgefährdendem Handeln – intensiv zu beobachten.
1.5.1 Meldepflicht (Ziffer 7 des Bescheides vom 06.06.2018)
1.5.1.1 Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die auferlegte Meldepflicht ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO zulässig, nachdem der Antragsgegner gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in Ziffer 12 des Bescheides vom 06.06.2018 die sofortige Vollziehung der Ziffer 7 des Bescheides vom 06.06.2018 besonders angeordnet hat.
1.5.1.2 Der Antrag ist teilweise begründet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Meldeverpflichtung ist formell rechtmäßig, materiell hingegen insoweit rechtswidrig, als der Antragsteller nicht nur einmal täglich, sondern noch ein zweites Mal bei der zuständigen Polizeiinspektion … vorzusprechen hat.
Die Anordnung ist formell rechtmäßig, insbesondere genügt die Herleitung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung der Meldepflicht aus dem Gefahrenpotential unter II. Ziffer 7 der Gründe des Bescheides vom 06.06.2018 (S. 34) dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist materiell rechtmäßig, soweit sich der Antragsteller einmal täglich bei der zuständigen Polizeiinspektion* … zu melden hat. Die von ihm ausgehende Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigt in diesem Umfang sowohl die Verschärfung der gesetzlichen Meldepflicht gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, wonach ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG besteht, der Verpflichtung unterliegt, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt, als auch die Anordnung ihrer sofortigen Vollziehung.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist materiell rechtswidrig, soweit sich der Antragsteller täglich noch ein zweites Mal bei der zuständigen Polizeiinspektion … zu melden hat. Sein Interesse daran, diese Verpflichtung bis zur Entscheidung über die dagegen erhobene Klage nicht erfüllen zu müssen, überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse, weil die Klage insoweit Aussicht auf Erfolg hat. Die Bestimmung einer zweiten täglichen Meldepflicht ist nach dem gegenwärtigen Sach- und Kenntnisstand allem Anschein nach im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr nicht erforderlich und daher unverhältnismäßig.
1.5.2 Wohnsitzverpflichtung (Ziffer 9 des Bescheides vom 06.06.2018)
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Verpflichtung, nach der Haftentlassung in einer bestimmten Gemeinschaftsunterkunft in* … Wohnsitz zu nehmen, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO zulässig, weil gemäß § 56 Abs. 5 Satz 2 AufenthG die Anordnung einer Wohnsitzverpflichtung gemäß § 56 Abs. 3 AufenthG sofort vollziehbar ist.
Der Antrag ist unbegründet. Das Interesse des Antragstellers daran, im Falle einer Haftentlassung vor der Entscheidung über die gegen die Wohnsitzverpflichtung erhobene Anfechtungsklage vorläufig nach … zurückkehren zu dürfen, überwiegt nicht das – vom Gesetzgeber in § 56 Abs. 5 Satz 2 AufenthG als Regelfall normierte – öffentliche Sofortvollzugsinteresse, weil nach dem gegenwärtigen Sach- und Kenntnisstand die auf § 56 Abs. 3 AufenthG gestützte Anordnung der Wohnsitzverpflichtung allem Anschein nach rechtmäßig ist. Das Gericht folgt insoweit der Begründung unter II. Ziffer 6.2 der Gründe des Bescheides vom 06.06.2018 (S. 31) und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO). Angesichts der vom Antragsteller ausgehenden Gefährdung ist es sachgerecht und verhältnismäßig, ihn nicht mehr in sein bisheriges räumliches und soziales Umfeld zurückkehren zu lassen.
1.5.3 Aufenthaltsbeschränkung (Ziffer 8 des Bescheides vom 06.06.2018)
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Aufenthaltsbeschränkung ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO zulässig, nachdem der Antragsgegner gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in Ziffer 12 des Bescheides vom 06.06.2018 die sofortige Vollziehung der Ziffer 8 des Bescheides vom 06.06.2018 besonders angeordnet hat, jedoch unbegründet, weil die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell und materiell rechtmäßig ist.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig, insbesondere genügt die Herleitung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung der Aufenthaltsbeschränkung aus der Überwachungsbedürftigkeit des Antragstellers unter II. Ziffer 7 der Gründe des Bescheides vom 06.06.2018 (S. 34) dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Die Anordnung ist auch materiell rechtmäßig. Gemäß § 56 Abs. 2 AufenthG ist der Aufenthalt eines Ausländers, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG besteht, auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft. Danach ist der Aufenthalt des Antragstellers infolge der sofort vollziehbar angeordneten Wohnsitzverpflichtung in der Stadt … ohnehin schon kraft Gesetzes auf den Landkreis* … beschränkt. Die aus dem Gefahrenpotential resultierende Überwachungsbedürftigkeit des Antragstellers rechtfertigt darüber hinaus die Festlegung einer abweichenden Aufenthaltsbeschränkung auf das Stadtgebiet … und begründet ein besonderes öffentliches Interesse an deren sofortiger Vollziehung.
1.5.4 Kommunikationsmittelverbot (Ziffer 10 des Bescheides vom 06.06.2018)
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Verpflichtung, die in Ziffer 10 des Bescheides vom 06.06.2018 genannten Kommunikationsmittel nicht zu nutzen, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO zulässig, weil gemäß § 56 Abs. 5 Satz 2 AufenthG die Anordnung eines Kommunikationsmittelverbotes gemäß § 56 Abs. 4 AufenthG sofort vollziehbar ist.
Der Antrag ist unbegründet, wenn ein angemessener Kontakt des Antragstellers zu seiner Kernfamilie, gegebenenfalls über den fernmündlichen Kontakt mit dem erlaubten nicht internet-fähigen Mobiltelefon hinaus (effizienter und kostengünstiger Kontakt via Internet), sichergestellt wird. Unter dieser Voraussetzung überwiegt das – vom Gesetzgeber in § 56 Abs. 5 Satz 2 AufenthG als Regelfall normierte – öffentliche Sofortvollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers daran, die verbotenen Kommunikationsmittel vorläufig bis zur Entscheidung im Klageverfahren nutzen zu dürfen, weil nach dem gegenwärtigen Sach- und Kenntnisstand im maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung die Anordnung des Kommunikationsmittelverbotes allem Anschein nach rechtmäßig ist. Entsprechend § 56 Abs. 4 AufenthG dienen die angeordneten Beschränkungen dazu, die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung des Antragstellers nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, und sind notwendig, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Das Gericht folgt insoweit der Begründung unter II. Ziffer 6.3 der Gründe des Bescheides vom 06.06.2018 (S. 32/33) und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Allerdings ist ein angemessener Kontakt des Antragstellers zu seiner Kernfamilie, gegebenenfalls auch via Internet, sicherzustellen. Das ergibt sich nicht nur aus Art. 6 GG. Isolation und Vereinsamung begünstigen die Empfänglichkeit für die Botschaften terroristischer Anwerber (Versprechen von sozialer Wärme, Kameradschaft, gemeinsame Ziele). Das erkennende Gericht hält daher den sozialen Kontakt des Antragstellers zu seiner Kernfamilie (Eltern, Geschwister) auch im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr für dringend erforderlich. Dabei geht es davon aus, dass die ausschließliche Nutzungsmöglichkeit eines nicht internet-fähigen Mobiltelefons sowohl wegen eventueller technischer Schwierigkeiten (Vorhandensein eines Mobilfunknetzes am Aufenthaltsort der Familie?) als auch wegen der mit der Nutzung eines Mobilfunknetzes verbundenen Kosten nicht unter allen Umständen einen effizienten und bezahlbaren Kontakt gewährleistet. Ist dies der Fall, muss dem Antragsteller ein angemessener Kontakt auch via Internet ermöglicht werden. Dass ein Kontakt zu dem (ohnehin nicht zur Kernfamilie gehörenden) Cousin, der die Untergruppierung der Ahrar al-Sham in geleitet hat, hiervon ausgenommen ist, versteht sich von selbst.
1.5.5 Kontaktverbot (Ziffer 11 des Bescheides vom 06.06.2018)
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen das Verbot des Kontaktes mit … ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO zulässig, weil gemäß § 56 Abs. 5 Satz 2 AufenthG die Anordnung eines Kontaktverbotes gemäß § 56 Abs. 4 AufenthG sofort vollziehbar ist.
Der Antrag ist unbegründet, wenn dem Antragsteller einmal monatlich überwachter fernmündlicher Kontakt mit … zur persönlichen Kontaktpflege von der zuständigen Ausländerbehörde ermöglicht wird. Unter dieser Voraussetzung überwiegt das – vom Gesetzgeber in § 56 Abs. 5 Satz 2 AufenthG als Regelfall normierte – öffentliche Sofortvollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers daran, den verbotenen Kontakt vorläufig bis zur Entscheidung im Klageverfahren uneingeschränkt pflegen zu dürfen, weil nach dem gegenwärtigen Sach- und Kenntnisstand im maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung die Anordnung des Kontaktverbotes allem Anschein nach rechtmäßig ist. Entsprechend § 56 Abs. 4 AufenthG dient das Kontaktverbot dazu, die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung des Antragstellers nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden. Das Gericht folgt insoweit der Begründung unter II. Ziffer 6.3 der Gründe des Bescheides vom 06.06.2018 (S. 32/33) und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Es ist grundsätzlich sachgerecht, den Antragsteller von einem Freund fernzuhalten, der derselben terroristischen Vereinigung wie der Antragsteller angehört hat. Angesichts der engen persönlichen Verbundenheit zwischen dem Antragsteller und seinem querschnittsgelähmten Freund, die insbesondere darin zum Ausdruck kommt, dass er ab Mai 2014 bis zu seiner Festnahme am 18.04.2016 dessen Pflege übernommen, ihn im Frühjahr 2015 auf seine mehrwöchige Fluchtreise von der Türkei nach Deutschland über die Balkanroute mitgenommen und ihn auch während der Flucht gepflegt und versorgt hat, ist das Kontaktverbot allerdings nur unter der Voraussetzung verhältnismäßig, dass dem Antragsteller wenigstens einmal monatlich überwachter fernmündlicher Kontakt mit … zur persönlichen Kontaktpflege ermöglicht wird.
1.6 Zwangsmittelandrohungen (Ziffern 13 bis 19 des Bescheides vom 06.06.2018)
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohungen in Ziffern 13 bis 16 und 18 bis 19 sowie die Androhung unmittelbaren Zwanges in Ziffer 17 des Bescheides vom 06.06.2018 ist zulässig, aber überwiegend – mit Ausnahme der Zwangsgeldandrohung betreffend die zweite tägliche Meldepflicht (Ziffer 15 des Bescheides vom 06.06.2018) – unbegründet.
1.6.1 Der Antrag ist statthaft, weil gemäß Art. 21a Satz 1 VwZVG Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden. Damit entfällt die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Zwangsmittelandrohungen kraft Gesetzes gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO mit der Folge, dass gemäß Art. 21a Satz 2 VwZVG in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen kann.
1.6.2 Ein überwiegendes Interesse des Antragstellers daran, ausnahmsweise bis zur Entscheidung in der Hauptsache vom Vollzug der Zwangsmittelandrohungen verschont zu bleiben, ist nur bezüglich der zweiten täglichen Meldepflicht ersichtlich, weil die entsprechende Zwangsgeldandrohung teilweise rechtswidrig, die Zwangsmittelandrohungen im Übrigen jedoch allem Anschein nach rechtmäßig sind.
Gemäß Art. 19 Abs. 1 VwZVG können Verwaltungsakte, die, wie vorliegend die Meldeverpflichtung, weder rechtskräftig noch kraft Gesetzes sofort vollziehbar sind, vollstreckt werden, wenn die sofortige Vollziehung angeordnet ist. Indem die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Meldeverpflichtung bezüglich der zweiten täglichen Meldepflicht wiederhergestellt wurde, ist diese Vollstreckungsvoraussetzung entfallen mit der Folge, dass insoweit die Zwangsgeldandrohung rechtswidrig und die aufschiebende Wirkung anzuordnen ist.
Im Übrigen finden die Zwangsmittelandrohungen ihre Rechtsgrundlage in Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 3, Art. 29, Art. 30, Art. 31 und Art. 34 VwZVG. Das Gericht folgt insoweit der Begründung unter II. Ziffern 8 und 9 der Gründe des Bescheides vom 06.06.2018 (S.34 bis 36) und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO). Dabei geht das Gericht davon aus, dass die Maßgaben dieses Beschlusses betreffend Ziffern 5 und 6 (Abgabe des Reiseausweises für Flüchtlinge und der Aufenthaltserlaubnis) sowie Ziffer 10 (Kommunikationsmittelverbot) und Ziffer 11 (Kontaktverbot) seitens der Behörde erfüllt werden.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG (halber Auffangstreitwert).
4. Die Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt …, beruht auf § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 2 und 3 ZPO und orientiert sich am Umfang der Erfolgsaussicht, der sich aus der Kostenentscheidung ergibt.

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