Verwaltungsrecht

Rechtmäßige Beschränkung des Geltungsbereichs einer Aufenthaltserlaubnis eines Straftäters

Aktenzeichen  M 9 S 15.4782

Datum:
7.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 59b Abs. 1

 

Leitsatz

§ 59b Abs. 1 Nr. 1 AsylG erfordert keine schwere Straftat im Sinne einer Schwerstkriminalität.   (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Beschränkung des Geltungsbereichs seiner Aufenthaltserlaubnis auf den Landkreis Starnberg.
Der nach seinen Angaben 1975 im Senegal geborene Antragsteller reiste ohne Papiere im Mai 2014 aus Frankreich in das Bundesgebiet ein, nachdem er nach seinen Angaben bereits 2007 den Senegal verlassen und zuletzt zwei Jahre in Frankreich gelebt hatte. Aufgrund seines Asylantrags vom 4. Juni 2014 erhielt der Antragsteller eine Aufenthaltsgestattung und wurde dem Landkreis Starnberg zugewiesen.
Wegen Körperverletzung wurde der Antragsteller durch das Amtsgericht …, rechtskräftig seit dem 9. März 2015, zu 90 Tagessätzen verurteilt (Bl. 71 Behördenakte). Er ist seit dem 22. Juni 2015 als Steinmetzhelfer in … beschäftigt.
Mit Bescheid vom … Oktober 2015, zur Post gegeben am 12. Oktober 2015, beschränkte der Antragsgegner den Geltungsbereich der Aufenthaltsgestattung mit sofortiger Wirkung räumlich auf den Landkreis Starnberg (Nr. 1) und erteilte dem Antragsteller zur Ausübung seiner Beschäftigung als Steinmetzhelfer bei seinem Arbeitgeber in … unter jederzeitigem Widerrufsvorbehalt an Werktagen zwischen 6.00 Uhr und 20.00 Uhr eine Verlassenserlaubnis des Geltungsbereichs seiner Aufenthaltsgestattung für den Regierungsbezirk Oberbayern, wenn dies zur Erledigung von Aufträgen seines Arbeitgebers erforderlich sei (Nr. 2). Rechtsgrundlage sei § 59 b Abs. 1 Nr. 1 AsylG, da der Antragsteller wegen einer Straftat rechtskräftig verurteilt worden sei. Es entspräche pflichtgemäßem Ermessen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit im Bundesgebiet für den Antragsteller einzuschränken, da diese Vergünstigung nur bei einem straffreien Aufenthalt im Bundesgebiet gewährt werden solle. Es entspräche pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der privaten Belange des Antragstellers, ihm eine Verlassenserlaubnis zur Ausübung seiner Beschäftigung zu erteilen. Damit sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers erhob mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2015 Klage (M 9 K 15.4781) und beantragte gemäß § 80 Abs. 5 VwGO: Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Der Kläger habe sich bis auf die einmalige Verfehlung, die am unteren Rand des Strafrahmens durch das Strafgericht geahndet worden sei, gut und rechtstreu in Deutschland verhalten. Mit dem Geschädigten habe er sich wieder versöhnt. Die Residenzpflichtbefreiung, die das Gesetz nach drei Monaten vorsehe, dürfe nur in einzelnen Ausnahmefällen eingeschränkt werden, wenn das entsprechende Interesse des deutschen Staates im Einzelfall bedeutend sei. Daran fehle es hier. Außerdem müsse sich der Antragsteller im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses oft außerhalb des Landkreises Starnberg aufhalten mit der Folge einer Flut von Verlassenserlaubnisanträgen, die zu einer unübersehbaren Arbeitsbelastung für das Landratsamt und zu einer unübersehbaren Einschränkung des Antragstellers bei Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen bedeute.
Das Landratsamt beantragte mit Schriftsatz vom 17. November 2015:
Antragsablehnung.
Die Voraussetzungen des § 59 b AsylG lägen vor und die Anordnung der räumlichen Beschränkung entspräche pflichtgemäßem Ermessen. Der Bescheid berücksichtige unter Nr. 2, dass sich der Antragsteller zur Ausübung seiner Beschäftigung außerhalb des Landkreises Starnberg aufhalten dürfe.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom … Oktober 2015 hat keinen Erfolg.
Nach § 59 b Abs. 1 Nr. 1 AsylG, vormals AsylVfG, kann eine räumliche Beschränkung der Aufenthaltsgestattung durch die zuständige Ausländerbehörde angeordnet werden, wenn der Ausländer wegen einer Straftat mit Ausnahme solcher Straftaten, deren Tatbestand nur von Ausländern verwirklicht werden könne, rechtskräftig verurteilt wurde. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Eine Verurteilung zu 90 Tages-sätzen wegen Körperverletzung, die seit März 2015 rechtskräftig ist, erfüllt den Tatbestand des § 59 b Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Entgegen der Auffassung des Antragstellers setzt das Gesetz keine schwere Straftat im Sinne einer Schwerstkriminalität voraus.
Die Ermessenserwägungen im Bescheid vom … Oktober 2015, die nach § 114 VwGO gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sind, sind rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landratsamt hat zutreffend darauf abgestellt, dass nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes eine uneingeschränkte Bewegungsfreiheit im gesamten Bundesgebiet nur bei einem straffreien Aufenthalt eingeräumt werden solle, um eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verhindern. Zutreffend hat das Landratsamt festgestellt, dass es keine privaten Belange des Antragstellers gibt, aufgrund derer er sich uneingeschränkt im Bundesgebiet außerhalb des Landkreises frei bewegen müsse, da der Antragsteller hier keine Familie oder sonstige soziale Bindungen hat. Ebenfalls zutreffend hat das Landratsamt die privaten Belange des Antragstellers, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen, in Nr. 2 des Bescheids berücksichtigt und ihm zur Ausübung seiner Beschäftigung eine Verlassenserlaubnis für den Regierungsbezirk Oberbayern an Werktagen erteilt.
Der Antrag war mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzulehnen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83 b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

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