Verwaltungsrecht

Rechtmäßigkeit der Abschiebung eines afghanischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  M 25 E 18.368

Datum:
8.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 2483
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EMRK Art. 8 Abs. 1
AufenthG § 18a, § 25b

 

Leitsatz

Um die Absicht einer Eheschließung glaubhaft zu machen, sollten die hierfür notwendigen Unterlagen bereit stehen und ein Termin beim Standesamt vereinbart sein. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt mit seinem Antrag den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf vorläufige Aussetzung seiner bevorstehenden Abschiebung nach Afghanistan.
Der Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger und reiste am … Dezember 2009 als unbegleiteter Minderjähriger in das Bundesgebiet ein. Sein in der Folge gestellter Asylantrag wurde vom Bundesamt abgelehnt. Die dagegen erhobene Klage zum Verwaltungsgericht wurde abgewiesen, das Urteil ist seit *. Juli 2012 rechtskräftig.
Wegen Fehlens eines maschinenlesbaren Passes wurde die Abschiebung des Antragstellers in der Folge ausgesetzt und wurden dem Antragsteller in der Folge Duldungen erteilt bzw. regelmäßig verlängert. Letztmalig wurde die Duldung am … November 2017 bis Ablauf des … Dezember 2017 verlängert.
Der Antragsteller hat zwischenzeitlich eine Ausbildung zum Koch erfolgreich abgeschlossen und das Sprachniveau Deutsch A2 erreicht.
Mit Urteil des Amtsgerichts München, rechtskräftig seit dem … Dezember 2016, wurde der Antragsteller wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
Am … Dezember 2016 hat der Betroffene eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18a AufenthG beantragt. Von der mit Schreiben der Regierung von Oberbayern vom … September 2017 eingeräumten Möglichkeit, sich im Rahmen der Anhörung zu einer beabsichtigten Ablehnung des Antrags zu äußern, hat der Antragsteller keinen Gebrauch gemacht.
Am … November 2017 hat die Regierung von Oberbayern der Bevollmächtigten des Antragstellers die Abschiebung des Antragstellers angekündigt.
Am … Dezember 2017 hat die Bevollmächtigte des Antragstellers eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG beantragt. Mit Schreiben vom … Januar 2018 hat der Antragsgegner Gelegenheit gegeben, sich zu einer beabsichtigten Ablehnung dieses Antrags zu äußern. Hiervon hat der Antragsteller mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom … Januar 2018 Gebrauch gemacht.
Am … Januar 2018 ging beim Antragsgegner die Genehmigung der Luftabschiebung durch die PI Schubwesen ein.
Mit Bescheid vom … Januar 2018 hat die Regierung von Oberbayern die Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18a AufenthG bzw. § 25b AufenthG abgelehnt.
Mit bei Gericht per Fax am … Januar 2018 eingegangenem Schreiben hat die Bevollmächtigte des Antragstellers Klage gegen den Bescheid vom … Januar 2018 erhoben und zudem den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt beantragt,
„Der Antragsgegner wird angewiesen, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts München im Hauptsacheverfahren von einer Abschiebung des Antragstellers abzusehen“
Der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch, da die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG gegeben seien. Dem stehe insbesondere kein Versagungsgrund nach § 25b Abs. 2 Nr. 2 AufenthG entgegen. Die Freiheitsstrafe von 10 Monaten sei nicht von § 25b Abs. 2 Nr. 2 AufenthG umfasst. Selbst wenn man die Meinung vertrete, dass auch unterhalb dieser Schwelle Straftaten eine Rolle spielten, könne dies nur der Fall sein, wenn sie nach Art und Dauer so bedeutsam seien, dass sie die bei Vorliegen der Regelvoraussetzungen eingreifende Regelvermutung der nachhaltigen Integration beseitigten. Die vorliegende Verurteilung liege aber schon mehr als zwei Jahre zurück und stelle sich als einmaliges Minutenversagen eines ansonsten sich vorbildlich verhaltenden jungen Erwachsenen dar. Der Antragsteller sei zudem mit einer deutschen Staatsangehörigen verlobt und bereite derzeit seine Heirat vor.
Der Antragsgegner hat mit Schutzschrift vom … Januar 2018 zu einem möglichen Antrag Stellung genommen.
Der Abschiebung stehe Art. 6 GG nicht entgegen, da das bloße Verlöbnis ohne zugleich unmittelbar bevorstehende Eheschließung keinen Duldungsanspruch vermittle.
Einem Aufenthaltstitel nach § 18a AufenthG stehe mit der Verurteilung durch das Amtsgericht München § 18a Abs. 1 Nr. 7 AufenthG entgegen.
Auch die Voraussetzungen eines Aufenthaltstitels nach § 25b Abs. 1 AufenthG lägen nicht vor.
Das Bleiberecht aus § 25b Abs. 1 AufenthG setze nach dem Wortlaut voraus, dass der Antragsteller im Zeitpunkt der Behördenentscheidung geduldet sei. Die Duldung des Antragstellers sei aber am … Dezember 2017 erloschen.
Zudem setze das Bleiberecht im Fall des Antragstellers voraus, dass dieser sich seit mindestens acht Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten habe. Der Antragsteller halte sich seit dem *. Januar 2010 (Ausstellung der Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender) gestattet im Bundesgebiet auf. Seine letzte Duldung sei aber bereits am … Dezember 2017, mithin vor Erfüllen des Acht-Jahres-Zeitraums, erloschen.
Die Verurteilung des Antragstellers wegen gefährlicher Körperverletzung stehe zudem ebenfalls, auch wenn sie unter der Schwelle des § 25b Abs. 2 AufenthG liege, einem Bleiberecht des Antragstellers entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg.
Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet, wenn der Antragsteller aufgrund summarischer Prüfung einen Anordnungsanspruch hat und ein Anordnungsgrund besteht, mithin die Gefahr, dass eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereiteln oder wesentlich erschweren könnte. Dabei sind die Tatsachen für das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs sowie eines Anordnungsgrundes glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO.
Der Antragsteller hat die Tatsachen für den Anordnungsanspruch auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen eines rechtlichen Abschiebungshindernisses in Form eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO hinreichend glaubhaft gemacht.
1. Die Abschiebung ist rechtlich unmöglich, wenn sie einen Anspruch des Antragstellers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vereiteln oder unverhältnismäßig erschweren würde. Ein solcher Anspruch ist indes bereits nicht ersichtlich. Der Antragsteller hat die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, in Betracht kommen vorliegend allein solche nach § 18a AufenthG oder § 25b AufenthG, nicht glaubhaft gemacht.
a) Zutreffend verweist der Antragsgegner darauf, dass der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 18a AufenthG die Verurteilung des Antragstellers wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten auf Bewährung entgegensteht (§ 18a Abs. 1 Nr. 7 AufenthG).
b) Auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 25b AufenthG sind vorliegend nicht glaubhaft gemacht. Dies folgt schon daraus, dass der Antragsteller den für ihn maßgeblichen Acht-Jahres-Zeitraum nach § 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AufenthG, wenn auch nur um wenige Tage, nicht erfüllt. Mit den diesbezüglichen Ausführungen des Antragsgegners setzt sich der Antragsteller nicht auseinander.
Rechtsfehlerfrei ist der Antragsgegner auch davon ausgegangen, dass die Verurteilung des Antragstellers zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten auf Bewährung unabhängig von § 25b Abs. 2 Nr. 2 AufenthG berücksichtigt werden kann (so auch Samel/Röcker, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht 12. A, § 25b, Rn. 33). Die Tat des Antragstellers begründet ein schwer wiegendes Ausweisungsinteresse (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG iVm § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG). Angesichts der im Strafurteil festgestellten fortdauernden physischen wie auch psychischen Beeinträchtigungen des Opfers, lässt die Annahme des Antragsgegners, dass die Tat der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG entgegensteht, keinen Rechtsfehler erkennen. Dem kann der Antragsteller auch nicht erfolgreich damit entgegentreten, dass es sich um die einzige Verurteilung handelt und er seitdem strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist. Straffreiheit ist weder eine besondere Integrationsleistung noch aufenthaltsrechtlich belohnungswürdig, sondern eine Selbstverständlichkeit.
c) Der Antragsteller hat auch die Tatsachen für einen Anordnungsanspruch auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen eines rechtlichen Abschiebungshindernisses aus Art. 6 GG beziehungsweise Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO hinreichend glaubhaft gemacht.
Eine Abschiebung ist insbesondere dann rechtlich unmöglich, wenn sie mit der Eheschließungsfreiheit unvereinbar ist. Dies setzt allerdings voraus, dass der Eheschließungstermin im Bundesgebiet feststeht oder jedenfalls verbindlich bestimmbar ist (BayVGH v. 28.11.2016 – 10 CE 16.2266 mwN.). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht glaubhaft gemacht. Zwar haben der Antragsteller und seine Verlobte bereits Hochzeitsvorbereitungen getroffen und sind derzeit damit beschäftigt, die erforderlichen Unterlagen zu besorgen. Weder liegen diese aber bereits vollständig vor, noch steht ein Termin zur standesamtlichen Trauung fest, wie auch die Bevollmächtigte des Antragstellers dem Gericht gegenüber in einem Telefonat am *. Februar 2018 bestätigt hat.
Dem Antragsteller ist zuzumuten, aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen und den Kontakt zu seiner Verlobten durch Briefe und Telefonate sowie über moderne Kommunikationsmittel zu pflegen. Der Antragsteller kann außerdem jederzeit nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zur Wahrung schutzwürdiger Belange oder bei Wegfall des Zwecks des Verbots einen Antrag auf Verkürzung oder sogar Aufhebung der von der Beklagten festgesetzten Frist stellen. Des Weiteren kann der Antragsteller nach § 11 Abs. 8 AufenthG Betretenserlaubnisse erwirken.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nrn. 1.5 und 8.3 (entsprechend) des Streitwertkatalogs.

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