Aktenzeichen 11 ZB 16.1988
FahrlPrüfO § 17 Abs. 2, § 18 S. 1,S. 3, § 19 Abs. 1
Leitsatz
1 Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet die Gerichte, berufseröffnende Prüfungsentscheidungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich vollumfänglich nachzuprüfen. Dies gilt auch für die Fahrlehrerprüfung. (redaktioneller Leitsatz)
2 Allerdings verbleibt der Behörde bei sogenannten prüfungsspezifischen Wertungen ein nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbarer Beurteilungsspielraum, soweit komplexe prüfungsspezifische Bewertungen getroffen werden müssen, die sich nicht ohne Weiteres in einem nachfolgenden Verwaltungsstreitverfahren isoliert nachvollziehen lassen. Insoweit ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob Verfahrensfehler oder Verstöße gegen anzuwendendes Recht vorliegen, ob die Prüfer von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sind, gegen allgemeingültige Bewertungsgrundsätze verstoßen oder sich von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt haben. (redaktioneller Leitsatz)
3 Liegen mehrere bewiesene oder unstreitige Verkehrsverstöße vor, ist die – streitige und nicht aufklärbare – Frage eines Rotlichtverstoßes nicht von Relevanz, weil eine etwaige Kausalität für die Prüfungsentscheidung verneint werden kann. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 2 K 14.528 2016-06-30 Urt VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Berufungszulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem der Prüfungsausschuss für die Fahrlehrerprüfung in Bayern bei der Regierung von Oberbayern (im Folgenden: Prüfungsausschuss) das Nichtbestehen der ersten Wiederholungsprüfung zur Erlangung der Fahrlehrerlaubnis festgestellt hat.
Die Klägerin absolvierte die fünfmonatige Ausbildung in einer Fahrlehrerausbildungsstätte und im Jahr 2013 die viereinhalbmonatige Ausbildung in einer Ausbildungsfahrschule. Sie legte erstmals am 27. November 2013 die Lehrprobenprüfungen im fahrpraktischen und theoretischen Unterricht ab. Mit Bescheid vom 9. Dezember 2013 teilte ihr der Prüfungsausschuss mit, dass sie die Prüfung nicht bestanden habe. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 14. August 2015 ab (AN 2 K 13.2211). Den Antrag auf Zulassung der Berufung nahm die Klägerin zurück (11 ZB 15.2264).
Die Stadt Nürnberg verlängerte den befristeten Fahrlehrerschein bis zum 31. März 2014 und die Klägerin absolvierte am 26. Februar 2014 in einer ersten Wiederholungsprüfung erneut die Lehrprobenprüfungen im fahrpraktischen und theoretischen Unterricht. Hinsichtlich beider Prüfungsteile stellten die beteiligten Prüfer fest, die Klägerin habe mangelhafte Leistungen erbracht.
Mit Bescheid vom 19. März 2014 teilte der Prüfungsausschuss der Klägerin unter Übersendung einer Prüfungsniederschrift mit, sie habe die beiden Lehrproben und somit die Fahrlehrerprüfung der Klasse BE nicht bestanden. Es werde darauf hingewiesen, dass für eine Wiederholung einer Teilprüfung keine neue Zulassung der Kreisverwaltungsbehörde notwendig sei, sondern ein schriftlicher Antrag an den Prüfungsausschuss ausreiche.
Die dagegen erhobene Klage mit dem Antrag, den Bescheid vom 19. März 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Prüfung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten, wies das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 30. Juni 2016 ab. Der angefochtene Prüfungsbescheid sei rechtmäßig, denn die Klägerin habe jedenfalls die praktische Lehrprobe nicht erfolgreich absolviert und habe mithin keinen Anspruch auf Neubewertung der Prüfung. Hinsichtlich der verschiedenen Fehlertypen bei Prüfungsentscheidungen seien unterschiedliche Kontrollmaßstäbe anzulegen. Der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit unterlägen insbesondere formale Aspekte. Demgegenüber seien prüfungsspezifische Wertungen, die vor allem in der konkreten Benotung der Arbeit ihren Niederschlag finden, dem Beurteilungsspielraum und damit der Letztentscheidungskompetenz der Prüfer überlassen, sofern nicht gegen das Willkürverbot verstoßen werde. Nach Einvernahme des damaligen Fahrschülers und nur einer Prüferin, da der zweite Prüfer mittlerweile verstorben sei, seien die in der Niederschrift über die Prüfung aufgelisteten Mängel nicht entkräftet. Selbst wenn man unterstelle, der Fahrschüler habe sich stets verkehrsgerecht verhalten, ändere sich an der Bewertung nichts. Der Bewerber habe bei der Lehrprobe im fahrpraktischen Unterricht nachzuweisen, dass er in der Lage sei, Fahrschülern praktischen Unterricht zu erteilen. Die Anforderungen an die zu erbringende Prüfungsleistung seien dabei nicht abhängig von dem jeweiligen fahrerischen Können und dem Ausbildungsstand des Fahrschülers. Mithin hätte die Klägerin Hinweise geben und Fragen zu den typischen Gefahren des Straßenverkehrs stellen müssen.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt. Die Klägerin macht geltend, die Prüfer gingen von einem falschen Sachverhalt und einer falschen Rechtslage aus. Ein Rotlichtverstoß sei nicht vorgekommen. Die Zeugin S … habe ausgeführt, sie habe nicht gesehen, ob der Grünpfeil noch geleuchtet habe. Sie habe nur gesehen, dass der zweite Prüfer einen Rotlichtverstoß notiert habe. Dies sei daher nur als eine Zeugenaussage vom Hörensagen zu werten. Auch der Schulterblick des Fahrschülers sei nicht fehlerhaft gewesen. Ein Schulterblick sei auch bei einem Fahrspurwechsel unter dem Aspekt der Sicherheit des Verkehrs regelmäßig notwendig. Bei dem Passieren des Gefahrschildes „Kinder“ sei der Fahrschüler in Schrittgeschwindigkeit und mit der notwendigen Sorgfalt gefahren. Ein Hinweis sei deshalb nicht erforderlich gewesen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb sich an der Bewertung nichts ändern solle, wenn die genannten Verstöße nicht vorgelegen haben sollten. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Anforderungen an die Prüfungsleistung nicht abhängig von dem jeweiligen fahrerischen Können und Ausbildungsstand des Fahrschülers sein sollen, sei nicht zutreffend. Es liege in der Natur der Sache, dass der Fahrlehrer auf den Fahrschüler individuell eingehen müsse.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus der Antragsbegründung, auf die sich gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Prüfung im Zulassungs-verfahren beschränkt (BayVerfGH, E.v. 14.2.2006 – Vf. 133-VI-04 – VerfGH 59, 47/52; E.v. 23.9.2015 – Vf. 38-VI-14 – BayVBl 2016, 49 Rn. 52; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 124a Rn. 54), ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit liegen vor, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 Rn. 16). Der Antragsbegründung lassen sich keine ernstlichen Zweifel daran entnehmen, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Neubewertung ihrer Prüfungsleistungen in der praktischen und theoretischen Lehrprobe vom 26. Februar 2014 hat.
Die Entscheidung des Prüfungsausschusses über das Nichtbestehen der ersten Wiederholungsprüfung findet ihre Rechtsgrundlage in § 4 Abs. 1, 2 und 3 des Gesetzes über das Fahrlehrerwesen vom 25. August 1969 (Fahrlehrergesetz – FahrlG – BGBl I S. 1336), zuletzt geändert durch Gesetz vom 31. August 2015 (BGBl I S. 1474), und §§ 13, 20 Abs. 1 i.V.m. §§ 18 Satz 1, 19 Abs. 1, 2 und 4 der Prüfungsordnung für Fahrlehrer vom 19. Juni 2012 (FahrlPrüfO, BGBl I S. 1302), zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. April 2014 (BGBl I S. 348). Danach hat ein Bewerber um die Fahrlehrerlaubnis seine fachliche Eignung in den Prüfungen und Lehrproben nachzuweisen. In der Lehrprobe im fahrpraktischen Unterricht hat der Bewerber nachzuweisen, dass er in der Lage ist, Fahrschülern praktischen Unterricht zu erteilen. Dabei muss er zeigen, dass er praktischen Unterricht entsprechend den Vorgaben des Fahrlehrergesetzes und der Fahrschulausbildungsordnung pädagogisch sinnvoll, anschaulich und verständlich gestalten kann (vgl. Dauer, Fahrlehrerrecht, 1. Aufl. 2010, § 18 FahrlPrüfO Nr. 2). Die Lehrprobe ist nach § 18 Satz 3 i.V.m. § 17 Abs. 2 FahrlPrüfO entsprechend dem allgemeinen Lehrplan der Ausbildungsfahrschule und dem Ausbildungsstand des Fahrschülers durchzuführen. Es bleibt daher dem pädagogischen Freiraum des Fahrlehreranwärters überlassen, den Schwierigkeitsgrad der Wegstrecke und der einzelnen Fahrübungen dem Ausbildungsstand des Schülers anzupassen (vgl. Eckhardt, Fahrlehrergesetz, 6. Aufl. 1999, § 18 FahrlPrüfO Rn. 3). Nach § 19 Abs. 1 FahrlPrüfO sind die Leistungen in den Prüfungen und Lehrproben mit „mangelhaft (5)“ zu bewerten, wenn die Leistung den Anforderungen nicht entspricht, jedoch erkennen lässt, dass die notwendigen Grundkenntnisse vorhanden sind und die Mängel in absehbarer Zeit behoben werden können.
Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) verpflichtet die Gerichte, berufseröffnende Prüfungsentscheidungen – wie die Fahrlehrerprüfung – in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich vollumfänglich nachzuprüfen (vgl. BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – BVerfGE 84, 34 = juris Rn. 46). Allerdings verbleibt der Behörde bei sogenannten prüfungsspezifischen Wertungen ein nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbarer Beurteilungsspielraum, soweit komplexe prüfungsspezifische Bewertungen getroffen werden müssen, die sich nicht ohne Weiteres in einem nachfolgenden Verwaltungsstreitverfahren isoliert nachvollziehen lassen (BVerfG a.a.O. Rn. 49, 53 ff.). Insoweit ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob Verfahrensfehler oder Verstöße gegen anzuwendendes Recht vorliegen, ob die Prüfer von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sind, gegen allgemeingültige Bewertungsgrundsätze verstoßen oder sich von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt haben (BVerfG a.a.O. Rn. 56). Liegen solche Verstöße vor, muss der Frage nachgegangen werden, ob zwischen dem Fehler und der jeweiligen Benotung ein Kausalzusammenhang besteht (BVerfG a.a.O. Rn. 61). Dabei unterliegen die Gerichte denselben Grenzen, die sie bei der Überprüfung materieller Prüfungsfehler zu beachten haben und dürfen nicht in den Beurteilungsspielraum der Prüfer eingreifen (vgl. BVerwG, U.v. 12.11.1997 – 6 C 11/96 – BVerwGE 105, 328 Rn. 22).
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben kommt eine Zulassung der Berufung nicht in Betracht, denn die Klägerin hat nicht aufgezeigt, dass gerichtlich überprüfbare Fehler vorliegen, ohne die eine bessere Benotung möglich erscheint. Der Prüfungsausschuss ist nicht nur aufgrund des von der Klägerin bestrittenen Rotlichtverstoßes und des als fehlerhaft beanstandeten Schulterblicks, sondern auch aufgrund zahlreicher weiterer Mängel in der praktischen Lehrprobe davon ausgegangen, dass diese mit der Note „mangelhaft“ zu bewerten sei. Die Klägerin habe vor der Lehrprobe im fahrpraktischen Unterricht keine Vorbesprechung und keine Rückschau auf die letzte Stunde durchgeführt. Es habe sowohl bei dem Fahrschüler als auch bei der Klägerin an der notwendigen Querbeobachtung gefehlt. In mehreren Situationen habe sie keine entsprechenden Hinweise erteilt. Das mehrspurige Linksabbiegen sei auf Kommando und ohne Erklärung erfolgt. Ohne Erläuterung der Gründe habe die Klägerin mehrmals Fahreingriffe vorgenommen. Das Beobachten von Ampeln habe sie nicht angesprochen, weshalb es zu einem Rotlichtverstoß gekommen sei. Es habe dem Unterricht an Systematik und Konzeption gefehlt. Eine gestellte Frage habe die Klägerin nach sehr kurzer Zeit selbst beantwortet. Der Fahrschüler habe bereits 13 Fahrstunden und fünf Überlandfahrten absolviert und habe weder das Anfahren am Berg noch das selbstständige Abbiegen beherrscht. Überwiegend handelt es sich dabei um Fehler, die das pädagogische Geschick in Form von Erläuterungen und Erklärungen sowie das Beobachten des Schülers vermissen lassen.
Soweit die Klägerin dagegen geltend macht, die Prüfer hätten einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, da es während der praktischen Lehrprobe nicht zu einem Rotlichtverstoß gekommen sei, ist dieser mögliche Fehler in der Sachverhaltsbewertung nicht kausal für das Prüfungsergebnis. Es steht zwar nicht fest, ob es sich tatsächlich um einen Rotlichtverstoß gehandelt hat und der Fahrschüler bei rotem Wechsellichtzeichen oder nur unter Missachtung des § 11 Abs. 1 StVO trotz stockenden Verkehrs in die Kreuzung eingefahren ist und schon so weit eingefahren war, dass es sich nach Erlöschen des grünen Linksabbiegepfeils um eine echte oder unechte Nachzüglersituation gehandelt hat (vgl. dazu OLG Hamm, U.v. 26.8.2016 – I 7 U 22/16 – VkBl 2017, 163 = juris Rn. 21). Darüber hinaus steht mangels Heranziehung eines Kreuzungsbeschilderungs- und Ampelphasenplans auch nicht fest, wie die Beschilderung der Kreuzung tatsächlich war und ob nur der linksabbiegende Gegenverkehr anfahren durfte, so wie die Klägerin geltend macht. Der mittlerweile verstorbene Prüfer H …, der den Rotlichtverstoß notiert hatte, konnte diesbezüglich nicht mehr als Zeuge vernommen werden. Die Prüferin S … hat angegeben, sie habe nicht gesehen, ob der Grünpfeil schon erloschen gewesen sei, sie habe jedoch wahrgenommen, dass der Gegenverkehr schon angefahren gewesen sei. Der Zeuge S … konnte sich an die Situation überhaupt nicht mehr erinnern. Unabhängig davon, wie die Beschilderung der Kreuzung und die Verkehrslage tatsächlich gewesen sind, steht aber fest, dass es sich um eine Verkehrssituation gehandelt hat, in der die Pflichten des § 1 Abs. 2 StVO eine besondere Bedeutung haben. Die Klägerin hätte die Problematik von Linksabbiegerpfeilen sowie die möglichen Ampelschaltungen und Handlungsmöglichkeiten in Nachzüglersituationen dem Fahrschüler auf jeden Fall erklären und mit ihm besprechen müssen. Nachdem die Prüfer in zahlreichen Fällen die fehlende Besprechung schwieriger Verkehrssituationen und die unterbliebenen Hinweise der Klägerin an den Fahrschüler bemängelt haben, ist mit hinreichender Gewissheit auszuschließen, dass die Klägerin die praktische Lehrprobe angesichts der zahlreichen Beanstandungen wegen mangelnder Thematisierung von Gefahren bestanden hätte, selbst wenn es sich nicht um einen Rotlichtverstoß gehandelt haben sollte.
Hinsichtlich der Frage, ob der Schulterblick des Fahrschülers fehlerhaft gewesen ist, ist nicht ersichtlich, dass die Prüfer von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sind. Die Prüferin S … hat sowohl bei der schriftlichen Erläuterung des Prüfungsergebnisses im Klageverfahren als auch bei ihrer Zeugeneinvernahme angegeben, der Fahrschüler habe beim Fahrstreifenwechsel zum Linksabbiegen mit einer Geschwindigkeit von ca. 50 km/h ungefähr zwei bis drei Sekunden über seine linke Schulter nach hinten geblickt, ohne dass die Klägerin ihn auf die damit verbundene Gefahrenproblematik hingewiesen habe. In dieser Situation wäre aber ein Seitenblick ausreichend gewesen. Ein Schulterblick dürfe nur bei sehr langsamer Fahrt oder z.B. beim Ausparken erfolgen. Die Klägerin hat in ihrer Antragsbegründung keinen abweichenden Sachverhalt geschildert, sondern nur behauptet, der Schulterblick des Fahrschülers sei ordnungsgemäß gewesen, da er bei einem Fahrspurwechsel unter dem Aspekt der Sicherheit des Verkehrs vom Grundsatz her regelmäßig notwendig sei. Der Zeuge S … konnte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht diesbezüglich keine Angaben mehr machen. Die Bewertung, ob es sich bei dem Blick des Schülers um einen Seiten- oder Schulterblick gehandelt hat und die Klägerin ihn in dieser Situation auf die Gefahren bei einem Blick nach hinten im fließenden Verkehr hätte hinweisen müssen, ist nur anhand der konkreten Prüfungssituation möglich. Dass die Prüfer dabei gegen allgemeingültige Bewertungsgrundsätze verstoßen hätten oder sich von sachfremden Erwägungen hätten leiten lassen, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Im Übrigen fehlt es auch insoweit an der Kausalität des als fehlerhaft beanstandeten Schulterblicks für das Prüfungsergebnis, weil dieser Umstand in der Prüfungsniederschrift, aus der die Gründe für das Nichtbestehen ersichtlich sein müssen (§ 22 Satz 2 FahrlPrüfO), nicht erwähnt, sondern erstmals „ergänzend“ in der Stellungnahme der Prüferin vom 12. Juli 2014 angeführt wird.
Bezüglich der Fahrt in der Tempo-30-Zone steht demgegenüber fest, dass sich dort ein Gefahrenschild „Kinder“ befunden hat und die Klägerin den Fahrschüler bei der Vorbeifahrt nicht auf dieses Schild angesprochen hat. Ob ein Hinweis auf das Schild in der konkreten Situation aus pädagogischer Sicht und angesichts des Verhaltens des Fahrschülers, an das sich dieser bei seiner Zeugeneinvernahme nicht mehr erinnern konnte, erforderlich gewesen wäre, kann nur anhand der konkreten Prüfungssituation beurteilt werden und ist von den Verwaltungsgerichten daher nur eingeschränkt überprüfbar. Dass die Prüfer bei der Beurteilung dieser Situation gegen allgemeingültige Bewertungsgrundsätze verstoßen hätten oder sich von sachfremden Erwägungen hätten leiten lassen, hat die Klägerin nicht dargetan und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Die Klägerin hat auch keine ernstlichen Zweifel an den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die Anforderungen an die praktische Prüfungsleistung seien nicht abhängig von dem jeweiligen fahrerischen Können und dem Ausbildungsstand des Fahrschülers, aufgezeigt. Zwar trifft es zu, dass die Fahrstunde, in der die Lehrprobe abgehalten wird, nach § 18 Satz 3 i.V.m. § 17 Abs. 2 FahrlPrüfO an dem Ausbildungsstand des Fahrschülers auszurichten ist. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass der Fahrlehranwärter bei einem in seiner Ausbildung schon fortgeschrittenen Fahrschüler keine Anmerkungen zu Gefahren und Hinweise zu vorausschauendem Fahren geben sowie Nachfragen stellen muss, um zu prüfen, ob der Fahrschüler die Gefahren tatsächlich erkannt hat, denn nach § 5 Abs. 1 Satz 5 Spiegelstrich 2 der Fahrschulausbildungsordnung (FahrschAusbO) gehören zum praktischen Unterricht auch Anleitung und Hinweise vor, während und nach der Durchführung der Fahraufgaben. Dass dieser Bestandteil des praktischen Unterrichts bei einem fortgeschrittenen Schüler eingeschränkt sein könnte, lässt sich der Fahrschulausbildungsordnung nicht entnehmen. Vielmehr sollen mit fortschreitendem Ausbildungsstand regelmäßig auch schwierigere Fahrsituationen geübt werden, bei denen es gerade erforderlich ist, Gefahren und Schwierigkeiten zu thematisieren. Bei dem Gefahrenschild „Kinder“ hätte z.B. gefragt werden können, aus welchen Gründen der Fahrschüler sein Tempo reduziert hat, um zu erfahren, ob er das Gefahrenschild tatsächlich wahrgenommen und berücksichtigt hat.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Ablegung einer weiteren Wiederholungsprüfung. Zum einen hat sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht die Zulassung zu einer weiteren Wiederholungsprüfung nicht beantragt. Zum anderen verfügt sie nicht mehr über eine befristete Fahrlehrerlaubnis nach § 9a FahrlG, die aber zur Durchführung der Lehrproben erforderlich wäre.
Da keine ernstlichen Zweifel an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen, kann dahinstehen, ob der Klägerin nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 FahrlG überhaupt noch eine Fahrlehrerlaubnis erteilt werden könnte, weil sie nicht innerhalb der letzten drei Jahre zur Fahrlehrerin ausgebildet worden ist (vgl. Bouska/May/Koehl, Fahrlehrer Recht, 14. Aufl. 2015, § 2 FahrlG Nr. 11; Dauer, Fahrlehrerrecht, § 2 FahrlG Nr. 20) und ob ihr diesbezüglich eine Ausnahme nach § 34 Abs. 1 Satz 1 FahrlG erteilt werden müsste oder ob es auch nach der Gesetzesänderung zum 1. Januar 1999 weiterhin nur darauf ankommt, dass die Fahrlehrerprüfung innerhalb von drei Jahren nach Abschluss der Ausbildung absolviert wird (so Eckhardt, Fahrlehrergesetz, § 2 FahrlG Rn. 27).
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).