Verwaltungsrecht

Rechtsgrundlage einer Anordnung zur Herausgabe von Equidenpässen bzw. Offenlegung von deren Aufbewahrungsort

Aktenzeichen  20 CS 16.1193

Datum:
8.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 55025
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 2 Nr. 1, § 16a Abs. 1 S. 1, S. 2
ViehVerkVO § 44a
VO (EG) 882/2004 Art. 2 Nr. 1
VwGO § 60 Abs. 2 S. 1, § 80 Abs. 3, Abs. 5, Abs. 2 Nr. 4
BayVwVfG Art. 45 Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

Rechtsgrundlage für die Anordnung der Herausgabe von Equidenpässen bzw. der Offenlegung von deren Aufbewahrungsort ist 16a Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 Hs. 1 TierSchG. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 S 16.183 2016-02-24 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 24. Februar 2016 wird geändert. Die Anordnung des Sofortvollzugs in Ziffer 2 des Bescheids des Landratsamtes Landshut vom 12. Januar 2016 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II.
Antragstellerin und Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen jeweils zur Hälfte.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,– EUR festgesetzt.

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen einen Bescheid des Landratsamts Landshut (Landratsamt), mit der ihr die Herausgabe bzw. Mitteilung des Verbleibs der Equidenpässe der früher von ihr gehaltenen Pferde aufgegeben wurde.
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2015 ordnete das Landratsamt die Fortnahme und anderweitige pflegliche Unterbringung von 29 Pferden, die bislang von der Antragstellerin gehalten worden waren, an, nachdem es Kenntnis davon erlangt hatte, dass die Versorgung dieser Pferde nicht mehr gewährleistet war, da die Antragstellerin sich seit dem 23. Oktober 2015 in Untersuchungshaft befand. Den gegen diese Anordnung gestellten Antrag auf Bewilligung einstweiligen Rechtsschutzes wies das Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 22. Februar 2016 (Az. RN 4 S 16.181) ab. Die Antragstellerin hat beim Verwaltungsgerichtshof die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine noch einzulegende Beschwerde gegen diesen Beschluss beantragt. Der Antrag wurde mit Beschluss vom 21. Oktober 2016 abgelehnt (Az. 9 CS 16.525).
Mit Schreiben vom 22. Dezember 2015 forderte das Landratsamt die Antragstellerin auf, die für diese Pferde ausgestellten Equidenpässe bis zum 27. Dezember 2015 dem Landratsamt zu übergeben. Mit Schreiben vom 7. Januar 2016 wurde die Antragstellerin aufgefordert, die Pässe bis spätestens 14. Januar 2016 vorzulegen bzw. zu veranlassen, dass eine andere Person die Pässe vorlege. Falls dies nicht fristgerecht erfolge, würden unverzüglich Ersatzpässe beantragt. Die Kosten hierfür (pro Tier 200,– EUR) habe die Antragstellerin zu tragen.
Mit Bescheid vom 12. Januar 2016 ordnete das Landratsamt gegenüber der Antragstellerin an, dass sie binnen einer Frist von sieben Tagen offenzulegen habe, an welchem Ort sie die Equidenpässe der fortgenommenen Pferde hinterlegt habe, und dass sie gegebenenfalls die Herausgabe zu veranlassen habe (Nr. 1). Der sofortige Vollzug wurde in Ziffer 2 angeordnet.
Dieser wurde damit begründet, dass die angeordneten Maßnahmen unverzüglich zu treffen gewesen seien, um eine artgerechte Ernährung, Pflege und Unterbringung der Tiere sicherzustellen. Die in Abstimmung mit dem Landratsamt Landshut – Veterinäramt – gesetzte Frist zur Schaffung tiergesundheitsgemäßer Zustände sei ausreichend bemessen, insbesondere im Interesse zum Schutz vor Verschleppung von Tierseuchen im Viehverkehr. Eine sofortige Vollziehung habe deswegen angeordnet werden müssen. Das besondere öffentliche Interesse an der Möglichkeit der sofortigen Durchsetzung unter Beachtung der Belange des Tiergesundheitsrechts sei im vorliegenden Fall höher einzuschätzen als das private Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs. Ohne die Anordnung des sofortigen Vollzugs wäre durch die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage der Sinn der getroffenen Entscheidung, kurzfristig tiergerechte Zustände herzustellen, nicht erfüllt.
Hiergegen erhob die Antragstellerin am 5. Februar 2016 Klage und beantragte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Daneben beantragte sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren.
Mit Beschluss vom 24. Februar 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Regensburg die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren ab (Ziff. I), lehnte den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab (Ziff. II) und legte der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auf (Ziff. III) unter Festsetzung eines Streitwertes von 2.500,– EUR (Ziff. IV). Der Beschluss wurde der Antragstellerin am 29. Februar 2016 mit Postzustellungsurkunde zugestellt. Mit einem vom 3. März 2016 datierenden Schreiben, das am 11. März 2016 beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einging, erhob die Antragstellerin „sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 26.02.2016, Az. RN 5 S 16.183“. Der Senat wertete dies als Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren (Ziff. I des Beschlusses des VG vom 24.2.2016) und als Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung für eine noch einzulegende Beschwerde gegen die übrigen Ziffern des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Mit Beschluss vom 25. Mai 2016 (Az. 20 CS 16.517) bewilligte der Senat unter Änderung von Ziffer I des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 24. Februar 2016 der Antragstellerin Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für das beim Verwaltungsgericht geführte Klageverfahren (Ziff. I) und bewilligte ihr Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für eine noch zu erhebende Beschwerde gegen Ziffern II bis IV des genannten Beschlusses unter Beiordnung von Rechtsanwältin ***** **********, ******** (Ziff. II). Der Beschluss wurde der Klägerin am 2. Juni 2016 und der beigeordneten Rechtsanwältin am 3. Juni 2016 zugestellt.
Die Bevollmächtigte der Antragstellerin erhob mit am 7. Juni 2016 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenem Schriftsatz die vorliegende Beschwerde gegen die Ziffern II bis IV des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 24. Februar 2016 und beantragte zugleich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdefrist. Zur Begründung führte sie aus, dass § 44b Viehverkehrsverordnung (ViehVerkVO) keine Grundlage dafür sei, mit Sofortvollzug die Offenlegung, an welchem Ort die Equidenpässe hinterlegt seien, anzuordnen. Eine derartige Eingriffsbefugnis ergebe sich aus dieser Norm nicht. Es sei nicht sicher, dass die Antragstellerin überhaupt unmittelbaren Besitz an den Equidenpässen gehabt habe, da sie vorgetragen habe, dass die Equidenpässe bei den jeweiligen Eigentümern seien. Das Verwaltungsgericht habe in seinem Beschluss Überlegungen angestellt auf der Grundlage der tierschutzrechtlichen Norm des § 16a Abs. 1 Satz 1 Tierschutzgesetz (TierSchG). Dabei handle es sich aber um eine Ermessensnorm; der Bescheid enthalte jedoch keine Ermessenserwägungen. Dem erstinstanzlichen Beschluss sei zu entnehmen, dass für einen Preis von 200,– EUR pro Tier jeweils ein Ersatzpass beschafft werden könne. Diese Kosten rechtfertigten den Eingriff in die Freiheitsrechte und die Tätigkeit der Antragstellerin ohne Befugnisnorm nicht. Schließlich sei auch der Streitwert unzutreffend festgestellt. Da mit der Anordnung des Sofortvollzugs eine Zahlung von 200,– EUR pro Tier vermieden werden solle, ergäbe dies bei 29 Tieren einen Streitwert von 5.800,– EUR. Dieser Betrag sei maßvoll zu erhöhen, da seitens der Behörde die Kosten nicht zur Grundlage der Verbescheidung gemacht worden seien. Es komme unter Berücksichtigung der Freiheitsrechte, die auf dem Spiel stünden, und des ordnungsgemäßen Verwaltungshandelns auch ein Gegenstandswert von 10.000,– EUR in Betracht.
Die Antragstellerin beantragt:
1. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg, 5. Kammer, vom 24.02.2016, Az. RN 5 S 16.183, wird in Ziffern II und III und IV aufgehoben.
2. Auf Antrag der Antragstellerin wird der Bescheid des Landratsamts Landshut vom 12.01.2016, soweit er in Ziffer 2 den sofortigen Vollzug der Entscheidung des Bescheides vom 12.01.2016 in Nr. 1 anordnet, aufgehoben, und damit die aufschiebende Wirkung der Klage vom 5.02.2016 gegen diesen Bescheid wiederhergestellt.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 24.02.2016, Az. RN 5 S 16.183, Ziffern II und III, zurückzuweisen.
Die von der Beschwerde geltend gemachten Gründe für die Zweifel an der herangezogenen Rechtsgrundlage seien nicht stichhaltig. Auch wenn der Equidenpass in Deutschland nicht zwingend das Eigentum an dem Pferd erweise, müsse der Halter eines Tieres, wenn er es versorge, nach § 44b ViehVerkVO, Art. 23 Durchführungsverordnung (EU) 2015/262 der Begleitung durch den Equidenpass sich versichern bzw. diesen mitführen. Die Antragstellerin sei zweifellos Halterin der 29 Pferde gewesen und habe daher die genannten Pflichten bezüglich der Equidenpässe gehabt. Aus dem § 44b ViehVerkVO zu entnehmenden Verbot, Pferde ohne Equidenpass als Tierhalter zu übernehmen, ergebe sich im Umkehrschluss die Verpflichtung der Antragstellerin, die Equidenpässe für die jetzt in einem rechtswidrigen Zustand nicht von Equidenpässen begleiteten Tiere herauszugeben oder dies zu veranlassen. § 44b ViehVerkVO bilde jedenfalls in Verbindung mit § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG, wonach die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße (gegen das Tierschutzrecht) notwendigen Anordnungen treffe, eine taugliche Rechtsgrundlage für die gegenüber der Antragstellerin erlassene Anordnung. Diese sei ein Annex zu der mit Bescheid des Landratsamts Landshut vom 17. Dezember 2015 getroffenen Anordnung der Fortnahme und anderweitigen pfleglichen Unterbringung der 29 Pferde nach § 16a Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 TierSchG, deren Rechtmäßigkeit außer Frage stehe. Dabei bestimme § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG durchaus nicht, jedenfalls nicht ausdrücklich, dass bei Entscheidungen auf der Grundlage dieser Norm ein Ermessen auszuüben sei. Aufgrund der Formulierung sei die Behörde verpflichtet, die erforderlichen Anordnungen zu treffen. Durch die Verwendung des Wortes „kann“ in § 16a Abs. 1 Satz 2 TierSchG werde ein Auswahlermessen hinsichtlich der denkbaren Maßnahmen, jedoch nicht ein Entschließungsermessen statuiert. Dieses sei im Bescheid vom 17. Dezember 2015 ausgeübt worden. Soweit der Senat im Beschluss vom 25. Mai 2016 Bedenken hinsichtlich der Begründung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 3 VwGO geäußert habe, sei dies in der Beschwerdebegründung nicht aufgegriffen worden, so dass diese Bedenken gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zurücktreten müssten. Soweit die Antragstellerin sich gegen die Festsetzung des Streitwerts wende, sei auch der von ihr geforderte Streitwert von 5.800,– EUR nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren. Für die angeregte maßvolle Erhöhung des Streitwerts auf 10.000,– EUR spreche nichts.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Akten des Verwaltungsgerichts Regensburg Bezug genommen.
II. Die Beschwerde ist zulässig. Zwar ging die Beschwerde durch die Bevollmächtigte der Antragstellerin erst am 7. Juni 2016 und damit nach Ablauf der zweiwöchigen Beschwerdefrist beim Verwaltungsgericht ein. Allerdings war ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, § 60 VwGO. Denn die ausweislich der beim Verwaltungsgericht Regensburg vorgelegten Unterlagen vermögens- und einkommenslose Antragstellerin war ohne die mit Beschluss vom 25. Mai 2016 erfolgte Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht in der Lage, eine formgerechte Beschwerde zu erheben. Dieses Hindernis fiel erst mit der Zustellung des genannten Beschlusses des Senats weg. Den zusammen mit der Beschwerdeeinlegung gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat die Antragstellerin innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO und damit rechtzeitig gestellt.
Die Beschwerde ist jedoch nur insoweit begründet, als die Anordnung der sofortigen Vollziehung aus formellen Gründen aufzuheben war (hierzu 1.).
Dagegen konnte die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 12. Januar 2016 nicht wiederhergestellt werden, da diese Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird (hierzu im Folgenden 2.).
1. Nach § 80 Abs. 3 VwGO ist in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 4 das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Der Senat ist im vorliegenden Fall an einer Überprüfung des angeordneten Sofortvollzugs an dieser Vorschrift nicht durch § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO und die fehlende Rüge einer formell nicht ausreichenden Begründung des Sofortvollzugs gehindert. Die Bedeutung des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ist umstritten. Während einerseits eine strikte Beschränkung des Beschwerdegerichts auf die dargelegten Gründe der Beschwerde befürwortet wird, wird als Gegenposition unter anderem vertreten, dass dadurch lediglich die Amtsermittlungspflicht des Beschwerdegerichts beschränkt worden sei, seine Befugnis zur umfassenden Interessenabwägung und zur vollständigen Überprüfung entscheidungserheblicher Tatsachen- und Rechtsfragen bliebe davon unberührt. Eine vermittelnde Ansicht will sich dagegen grundsätzlich auf die dargelegten Gründe beschränken und in offensichtlichen Fällen darüber hinausgehen (vgl. zum Ganzen den Meinungsstand bei Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 30. Ergänzungslieferung Feb. 2016, § 146, Rn. 13 f bis 15). Im vorliegenden Fall ist es zur Überzeugung des Senats mit dem Gebot der Rechtmäßigkeitskontrolle durch das Beschwerdegericht nicht vereinbar, das Beschwerdegericht daran gehindert zu sehen, dass es auch eine offensichtliche, da bereits als solche erkannte Rechtswidrigkeit mangels einer entsprechenden Darlegung durch den Beschwerdeführer zu korrigieren (ebenso Meyer-Ladewig/Rudisile a. a. O. Rn. 15). Hier hat der Senat bereits im Beschluss vom 25. Mai 2016 (Az. 20 CS 16.517) im Beschwerdeverfahren bezüglich der Bewilligung von Prozesskostenhilfe, in dem die einschränkende Bestimmung des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO gerade nicht gilt, bereits erhebliche Bedenken an der Anordnung des Sofortvollzugs geäußert. Mit der Funktion des Verwaltungsgerichtshofs als einer Kontrollinstanz der Verwaltungsbehörden wie der Verwaltungsgerichte wäre es nicht vereinbar, wenn diese bereits erkannte formelle Rechtswidrigkeit im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unberücksichtigt bleiben müsste.
§ 80 Abs. 3 VwGO verlangt von der Verwaltungsbehörde, dass sie das besondere Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich begründet. Diese Begründung hat nach allgemeiner Auffassung drei Funktionen: Einerseits soll die Behörde sich den Ausnahmecharakter des Sofortvollzugs vor dessen Erlass bewusst machen. Daneben soll der Betroffene über die maßgeblichen Gründe für die Entscheidung unterrichtet werden und dem Verwaltungsgericht soll auf der Grundlage dieser Begründung die Rechtmäßigkeitskontrolle ermöglicht werden (vgl. zum Ganzen Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 30. Ergän-zungslieferung Feb. 2016, § 80, Rn. 245). Diesen Anforderungen wird die Begrün-dung des Sofortvollzugs hier nicht gerecht.
Die Begründung beginnt mit der Behauptung, dass die angeordnete Maßnahme unverzüglich zu treffen gewesen sei, um eine artgerechte Ernährung, Pflege und Unterbringung der weggenommenen Tiere sicherzustellen. Damit werden tierschutzrechtliche Aspekte im Sinne von § 2 Nr. 1 TierSchG angesprochen. Allerdings findet sich insoweit keinerlei auf den Einzelfall abstellende Aussage, warum die aus der Sicht des Landratsamts tiergesundheitsrechtliche Anordnung, die ja auf § 44a ViehVerkVO gestützt worden war, mit Sofortvollzug ausgestattet werden musste. Auch im zweiten Satz, in dem die gesetzte Frist als ausreichend im Interesse des Schutzes vor Verschleppung von Tierseuchen festgestellt wird, findet sich kein Bezug zum konkreten Sachverhalt. Insbesondere stellt sich insoweit die Frage, wieso das Landratsamt anders als noch im Schreiben vom 7. Januar 2016 angekündigt, nun keine Ersatz-Equidenpässe mehr ausstellen will. Die dargestellten Mängel werden durch die folgenden Ausführungen ebenfalls nicht mehr ausgeglichen. Vielmehr sind diese Sätze so pauschal gehalten, dass sie auf jegliche tierseuchenrechtliche Anordnung passen würden, und damit keinerlei Bezug zum konkreten Sachverhalt haben. Insgesamt bleibt daher festzuhalten, dass die Begründung des Sofortvollzugs das im konkreten Einzelfall bestehende öffentliche Interesse, ausnahmsweise den Sofortvollzug anzuordnen, nicht begründen konnte. Daher war die Anordnung des Sofortvollzugs als formell rechtswidrig aufzuheben.
2. Darüber hinaus ist die Beschwerde jedoch nicht begründet. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 12. Januar 2016 war nicht wiederherzustellen.
Der Senat trifft im Verfahren nach § 80 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 4 VwGO eine eigenständige, originäre Ermessensentscheidung, bei der er das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegeneinander abzuwägen hat. Dabei berücksichtigt er in erster Linie die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache erhobenen Klage, die er aufgrund einer summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage beurteilt. Wird die Klage in der Hauptsache voraussichtlich Erfolg haben, so stellt er die aufschiebende Wirkung wieder her, da das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung dann überwiegt; wird sie voraussichtlich keinen Erfolg haben, wird der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt, da dann das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Lässt sich aufgrund der summarischen Überprüfung eine Aussage zu den Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage nicht treffen, so erfolgt die Entscheidung aufgrund einer reinen Folgenabwägung.
Im vorliegenden Fall ergibt die Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung der in der Beschwerdebegründung vorgebrachten Argumente, dass die Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Landratsamts vom 12. Januar 2016 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Die Beschwerde war daher insoweit zurückzuweisen. Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:
Der Bescheid vom 12. Januar 2016 kann sich auf eine wirksame Rechtsgrundlage stützen. Entgegen der Bescheidsbegründung ist dies jedoch nicht § 44b Viehverkehrsverordnung (ViehVerkVO), sondern, wie bereits das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss ausführte, § 16a Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2, 1. Halbs. TierSchG. Der Senat kann diese Rechtsgrundlagen auch gegeneinander austauschen, da er von Amts wegen zu prüfen hat, ob das materielle Recht die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung trägt oder nicht. Hierzu gehört nach allgemeiner Meinung in rechtlicher Hinsicht auch die Prüfung, ob ein angegriffener Verwaltungsakt kraft einer anderen als der angegebenen Rechtsgrundlage rechtmäßig ist. Daneben sind in tatsächlicher Hinsicht alle Umstände zu berücksichtigen, die die gesamte oder teilweise Aufrechterhaltung des angefochtenen Bescheids zu rechtfertigen vermögen. Diese Prüfung findet ihre Grenze dort, wo die im Bescheid getroffene behördliche Regelung aufgrund des Austauschs der Rechtsgrundlage eine Wesensänderung erfährt (vgl. zum Ganzen OVG Schleswig, U.v. 26.5.2009 – 1 LB 38/08, Beck RS 2009, 28515 u.v.a. die Rechtsprechung des BVerwG).
Im vorliegenden Fall kann die angefochtene Regelung laut dem Bescheid vom 12. Januar 2016 auf die Befugnisnorm des § 16a Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2, 1. Halbs. TierSchG gestützt werden. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Bestimmung liegen vor. Hierzu ist vorneweg festzustellen (in Abgrenzung zu der noch im Beschluss des Senats vom 25.5.2016 geäußerten Auffassung), dass diese Norm kein Entschließungsermessen für die Behörde eröffnet, sondern diese bei Vorliegen eines festgestellten Verstoßes bzw. bei absehbaren künftigen Verstößen zu einem Tätigwerden verpflichtet. Eröffnet wird der zuständigen Behörde allein ein Auswahlermessen hinsichtlich der in den einzelnen Ziffern des § 16a Abs. 1 TierSchG genannten möglichen Maßnahmen, das sie unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszuüben hat (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 2. Aufl. 2007, § 16a, Rn. 6; Hager, NuR 2016, 108, 111; VG Würzburg, U.v. 3.3.2016, W 5 K 15.613, juris, Rn. 32; VG Mainz, B.v. 13.6.2016, 1 L 187/16.MZ, juris, Rn. 36). Dass im vorliegenden Fall Verstöße gegen das Tierschutzrecht vorlagen und dass diese auch die anderweitige Unterbringung der früher von der Antragstellerin gehaltenen Pferde nach § 16a Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2, 1. Halbs. TierSchG rechtfertigten, steht aufgrund der Entscheidungen des VG Regensburg vom 22. Februar 2016 (Az. RN 4 S 16.181) und des 9. Senats des Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Oktober 2016 (Az. 9 CS 16.525) fest. Auf die dortigen Ausführungen wird insoweit verwiesen.
Allerdings war die anderweitige Unterbringung der 29 Pferde, wie sie in dem Bescheid vom 17. Dezember 2015 verfügt worden war, mit einem Wechsel des Halters der Pferde verbunden. Denn Halter im Sinne der Durchführungsverordnung (EU) 2015/262 der Kommission vom 17. Februar 2015 zur Festlegung von Vorschriften gemäß den Richtlinien 90/427/EWG und 2009/156/EG des Rates in Bezug auf die Methoden zur Identifizierung von Equiden (Equidenpass-Verordnung) und der Viehverkehrsverordnung, ist nach Art. 2 lit.d) der Equidenpass-Verordnung jede natürliche oder juristische Person, die im Besitz von Equiden bzw. für deren Haltung zuständig ist, und zwar unabhängig davon, ob entgeltlich oder unentgeltlich bzw. ob befristet oder unbefristet (z. B. während eines Transports, auf Märkten, bei Wettkämpfen, Rennen oder kulturellen Veranstaltungen). Danach war die Antragstellerin bis zu der vom Landratsamt verfügten anderweitigen pfleglichen Unterbringung Halterin dieser Pferde, da sie in deren Besitz war bzw. sie für deren Haltung zuständig war. Wer Eigentümer der Pferde war oder ist, ist insoweit unerheblich. Aufgrund der Wegnahme und anderweitigen pfleglichen Unterbringung der Pferde durch das Landratsamt wurde der Beklagte zum Halter im Sinne der Equidenpass-Verordnung bzw. der Viehverkehrsordnung.
Nach § 44a ViehVerkVO darf aber ein Tierhalter einen Einhufer nur dann in seinen Bestand übernehmen, wenn dieser von einem Equidenpass begleitet wird. Da die Antragstellerin sich bislang weigerte, die Pferdepässe zu übergeben und die Versuche des Landratsamts, über die Schwester und die Tochter der Antragstellerin an die Equidenpässe zu gelangen (vgl. den Aktenvermerk vom 8.12.2015, Bl. 7 der Behördenakte) erfolglos blieben, stand einer rechtmäßigen anderweitigen Unterbringung der Tiere vor Erlass des Bescheides vom 12. Januar 2016 das bußgeldbewehrte (§ 46 Abs. 1 Nr. 24 ViehVerkVO) Verbot des § 44a ViehVerkVO entgegen.
Zur Beseitigung dieses Hindernisses bietet das Tiergesundheitsrecht jedoch keinerlei Rechtsgrundlage. Soweit man das Tiergesundheitsgesetz (TierGesG), das als Nachfolgeregelung des früheren Tierseuchengesetzes die Rechtsgrundlage der Viehverkehrsverordnung bildet, heranzieht, so finden sich zwar z. B. in § 38 Abs. 11 TierGesG einzelne Ermächtigungen z. B. „zur Vorbeugung von Tierseuchen und deren Bekämpfung“ nach Maßgabe bestimmter einzelner Bestimmungen des Tiergesundheitsgesetzes, die jedoch hier nicht einschlägig sind. Eine allgemeine Befugnisnorm, die die zuständige Behörde zu Anordnungen zur Durchsetzung des Tiergesundheitsgesetzes und der auf dieser Grundlage ergangenen Rechtsverordnungen ermächtigte, findet sich dort jedoch gerade nicht. Gleiches gilt für die Viehverkehrsverordnung selbst.
Der vom Landratsamt als Rechtsgrundlage herangezogene § 44b ViehVerkVO ist hierfür aus dem Grunde nicht geeignet, als er eine an den Tierhalter gerichtete Pflicht bzw. ein Verbot formuliert, allerdings keine Ermächtigung an eine Behörde enthält, einen belastenden Verwaltungsakt zu erlassen.
Die Equidenpass-Verordnung enthält in Art. 3 Abs. 4 zwar die Anforderung an die Mitgliedstaaten, dass diese sicherstellen, wo erforderlich im Wege amtlicher Kontrollen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 882/2004, dass die Equidenhalter die ihnen nach dieser Verordnung obliegenden Verpflichtungen erfüllen. Mit dem dortigen Verweis auf die Verordnung (EG) 882/2004 wird als Mittel für diese Sicherstellung das der Kontrolle im Sinne der genannten Verordnung vorgegeben. Nach Art. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) 882/2004 ist eine Kontrolle jedoch jede Form der Kontrolle, die von der zuständigen Behörde oder der Gemeinschaft zur Verifizierung der Einhaltung der futtermittel- und lebensmittelrechtlichen Vorschriften über Tiergesundheit und Tierschutz durchgeführt wird. Damit wird zwar ein weites Verständnis einer Kontrolle vorgegeben, als Mittel für die Einhaltung der Vorschriften wird aber eine Eingriffsbefugnis der zuständigen Behörde nicht etabliert. Dementsprechend finden sich in den tiergesundheitsrechtlichen Vorschriften keine Befugnisnormen, die eine Pflicht zur Mitteilung des Aufbewahrungsorts von Equidenpässen bzw. deren Herausgabe begründen würde.
Allerdings handelt es sich bei § 16a Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2, 1. Halbsatz TierSchG offensichtlich um eine abschließende Ermächtigungsnorm, die es der zuständigen Behörde ermöglicht, bei festgestellten Verstößen gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen die notwendigen Maßnahmen zu treffen und, soweit erforderlich, auch die anderweitige pflegliche Unterbringung eines Tieres, auch eines Equiden im Sinne von § 44b ViehVerkVO zu ermöglichen. Es wäre ein widersinniges, und mit dem Grundgedanken der Einheit der Rechtsordnung nicht vereinbares Ergebnis, wenn die anderweitige pflegliche Unterbringung aus Tierschutzgründen bei einem Pferd nur unter Inkaufnahme eines Verstoßes gegen die Bestimmung des § 44b ViehVerkVO möglich wäre, da für eine Herausgabepflicht bzw. Informationspflicht über den Aufbewahrungsort der ausgestellten Equidenpässe keine tiergesundheitsrechtliche Ermächtigungsgrundlage besteht. Daher kann im Ergebnis die im Bescheid vom 12. Januar 2016 verfügte Auskunfts- bzw. Übergabepflicht als Annexentscheidung zu der bereits mit Bescheid vom 17. Dezember 2015 angeordneten Fortnahme und anderweitigen pfleglichen Unterbringung der 29 Pferde auf § 16a Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2, 1. Halbs. TierSchG gestützt werden.
Durch den Austausch der Rechtsgrundlage wird vorliegend auch nicht das Wesen des Bescheids vom 12. Januar 2016 verändert: Sowohl der Inhalt der angeordneten Maßnahme als auch die Beweggründe hierfür bleiben gleich.
Ein etwaiges formelles Begründungsdefizit könnte im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens noch geheilt werden, Art. 45 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.
Der Streitwert bestimmt sich im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nach § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG nach der sich aus dem Antrag der Antragstellerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach dem Ermessen des Gerichts. Der vorliegende Antrag ist auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anordnung auf Herausgabe bzw. Mitteilung des Aufbewahrungsorts der Equidenpässe gerichtet. Auch wenn dahinter letztendlich im weiteren Sinne die Absicht des Landratsamts zur Veräußerung der Tiere stehen mag, ist diese vorliegend nicht verfahrensgegenständlich. Dies umso mehr, als der Equidenpass nicht dem Nachweis des Eigentums, sondern lediglich der Identifizierung des jeweiligen Pferdes dient und damit für eine Veräußerung zivilrechtlich nicht erforderlich ist (vgl. VG Aachen, U.v. 4.4.2011, Az. 6 K 1949/09, juris). Ebenso wenig geht es bei der Bemessung des Streitwerts um das Interesse des Beklagten an der Aufrechterhaltung des von ihm angeordneten Sofortvollzugs. Wäre dies der Fall, so wäre es denkbar, die Kosten für die Erstellung von Ersatzdokumenten (Ersatzequidenpässen) zur Streitwertermittlung anzusetzen. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass sich die Bedeutung der Sache für die Antragstellerin monetär nicht bestimmen lässt. Daher ist der Ansatz des hälftigen (Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit) Auffangstreitwerts richtig. Für den von der Bevollmächtigten der Antragstellerin angesonnenen Ansatz von 200,00 Euro je betroffenem Pferd (insgesamt 5.800,00 Euro) bzw. die „maßvolle Erhöhung“ dieses Betrages auf 10.000 Euro besteht aus den vorgenannten Gründen kein Anlass.
Gegen diesen Beschluss ist eine Beschwerde nicht gegeben, § 152 VwGO.

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