Verwaltungsrecht

Rechtsgrundlage für Umverteilungs- und Umzugsaufforderung

Aktenzeichen  W 6 S 16.30117

Datum:
29.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 47 Abs.1a
AsylG AsylG § 50

 

Leitsatz

Sinn und Zweck der § 47 Abs. 1a, § 50 AsylG und dessen Durchführungsverordnungen ist eine gebotene spätere landesinterne Umverteilung, sodass sie taugliche Rechtsgrundlage für Umverteilungs- und die Umzugsaufforderung darstellen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt.
II.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten wird sowohl im vorliegenden Sofortverfahren als auch im Klageverfahren W 6 K 16.30116 abgelehnt.

Gründe

I.
Die Antragsteller sind kosovarische Staatsangehörige, die sich gegen eine Zuweisungsentscheidung – innerbayerische Umverteilung – der Regierung von … wehren.
Die Regierung von Oberfranken wies den Antragstellern mit Bescheid vom 8. Januar 2016 als künftigen Wohnsitz die Ankunfts- und Rückführungseinrichtung II Bayern (ARE II), Erlenweg 4, 96047 Bamberg, zu (Nr. 1), setzte als Frist für die Erfüllung der Verpflichtung zum Einzug in die vorgenannte Unterkunft eine Woche nach Aushändigung des Bescheids (Nr. 2) und drohte für den Fall der nicht rechtzeitigen Erfüllung die Vollstreckung durch unmittelbaren Zwang an (Nr. 3).
Die Antragsteller ließen mit Schriftsatz vom 18. Januar 2016 im Verfahren W 6 K 16.30116 Klage erheben und gleichzeitig im vorliegenden Sofortverfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom heutigen Tag gegen den Bescheid der Regierung von Oberfranken vom 8. Januar 2016 anzuordnen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte in der Hauptsache W 6 K 16.30116) Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist unbegründet, da der streitgegenständliche Bescheid nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung rechtmäßig ist und die Antragsteller nicht in ihren Rechten verletzt, so dass das öffentliche Vollzugsinteresse das Privatinteresse der Antragsteller, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache in ihrer bisherigen Unterkunft verbleiben zu dürfen, überwiegt.
Das Gericht folgt den Feststellungen und der Begründung im angefochtenen Bescheid und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Im vorliegenden Antragsverfahren sind keine neuen Tatsachen und Rechtsargumente geltend gemacht worden, die zu einer abweichenden Entscheidung führen können.
Ergänzend ist anzumerken, dass die Antragsteller der Wohnverpflichtung in der Aufnahmeeinrichtung gemäß § 47 Abs. 1a Satz 1 AsylG unterfallen, weil sie aus einem sicheren Herkunftsstaat kommen. Die Umverteilung und die Umzugsaufforderung konnten auf § 47 Abs. 1a AsylG i. V. m. § 50 AsylG und die zu dessen Durchführung erlassene Rechtsverordnung gestützt werden. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Vorschriften erfassen diese auch eine gebotene spätere landesinterne Umverteilung, weil eine Pflicht zum Wohnen in der Aufnahmeeinrichtung erstmals oder wieder entsteht. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 9. Dezember 2015 (21 CS 15.30249 – juris Rn.7) ausdrücklich auf die Gesetzesbegründung und den Sinn und Zweck der neuen Vorschrift des § 47 Abs. 1a AsylG verwiesen, wonach die neuen Aufnahmeeinrichtungen eigens für den Zweck geschaffen wurden, bei Personen ohne flüchtlingsrelevanten Schutzbedarf – wie den Antragstellern – eine abschließende sowie im Ergebnis schnelle Bearbeitung des Asylverfahrens und eine raschere Beendigung des Aufenthalts zu gewährleisten. Gerade im Jahr 2015 sind wegen des starken Anstiegs der Flüchtlingszahlen Verteilungen aus den Aufnahmeeinrichtungen in eine Anschlussunterbringung offensichtlich auch aus Kapazitätsproblemen erfolgt. Die Vorschrift des § 47 Abs. 1a AsylG bezweckt gerade die Ent-lastung der anderweitigen Kapazitäten für die Unterbringung von Asylbewerbern außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen (vgl. VG Regensburg – RO 7 S 15.32072).
Das Gericht kann des Weiteren keine unzulässige (unechte) Rückwirkung der Gesetzesänderung feststellen. Denn eine (unechte) Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes vereinbar, wenn – wie hier – bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt. Das Vertrauen der Antragsteller, dass sich die Regelungen über die landesinterne Umverteilung angesichts der Bewältigung der stark angestiegenen Flüchtlingszahlen für die Zukunft nicht ändern, ist nicht oder jedenfalls nicht überwiegend schutzwürdig. Die Antragsteller konnten nicht darauf vertrauen, in der Unterkunft, in der sie sich seit März 2015 befinden, dauerhaft und nicht nur vorübergehend zu bleiben. Der Antragsgegner konnte auch schon vor der Gesetzesänderung landesinterne Umverteilungen im öffentlichen Interesse vornehmen.
Schließlich steht auch die geltend gemachte schwere Erkrankung der Antragstellerin zu 3) der Umverteilung nicht entgegen. Denn selbst bei Unterstellung einer ernsthaften Erkrankung – die bislang nicht weiter substanziiert ist – ist weder belegt noch ersichtlich, dass deren Behandlung nicht in der ARE II möglich ist (vgl. auch VG Regensburg, B.v. 29.12.2015 – RO 7 S 15.32072).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 AsylG.
Schließlich war – nach den vorstehenden Ausführungen – der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten mangels Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzulehnen (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 und § 121 Abs. 2 ZPO). Dies gilt sowohl für das vorliegende Antragsverfahren als auch für das Klageverfahren W 6 K 16.30116).

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