Aktenzeichen 20 ZB 17.2074
Leitsatz
1 Steht zwischen den Beteiligten aufgrund einer Normenkontrollentscheidung fest, dass die maßgebliche Änderungssatzung zur Wasserabgabensatzung gültig ist, so gilt diese Bindung nicht nur für ein erneutes Normenkontrollverfahren, sondern für alle Verfahren zwischen den Beteiligten, bei denen es auf die Gültigkeit der Satzung ankommt. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Bindungswirkung erstreckt sich nicht nur auf Nichtigkeitsgründe, die bereits in dem ersten Normenkontrollverfahren geltend gemacht worden sind, sondern auch auf Einwände, die in den späteren Verfahren erstmalig vorgetragen werden. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 1 K 16.00814 2017-09-05 Urt VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 5. September 2017 wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.867,90 € festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wird abgelehnt, da keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegt.
1. Aus dem Vorbringen des Klägers in seinem Zulassungsantrag ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente in Frage gestellt werden. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – BVerfGE 110, 77/83; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – DVBl 2004, 838; BayVGH, B.v. 24.2.2006 – 1 ZB 05.614 – juris Rn. 11; B.v. 19.3.2013 – 20 ZB 12.1881 – juris Rn. 2).
Der Kläger lässt im Zulassungsverfahren zunächst vortragen, dass die erste Änderungssatzung zur Wasserabgabesatzung wegen rechtswidriger Einbeziehung des Ortsteils W. rechtswidrig sei. Dem stehe die Rechtskraft des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Normenkontrollverfahren (Urteil vom 10.7.2013, Az.: 4 N 12.2790) nicht entgegen, denn es lägen neue Erkenntnisse zu den geologischen Gegebenheiten über die alte Kasernenleitung vor, welche der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung nicht berücksichtigt habe und diese somit die tragenden Entscheidungsgründe des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof infrage stellen könnten. Dieser Vortrag kann ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht begründen. Zwischen den Beteiligten steht aufgrund dieser Normenkontrollentscheidung fest, dass die maßgebliche Änderungssatzung gültig ist. Diese Bindung gilt nicht nur für ein erneutes Normenkontrollverfahren, sondern für alle Verfahren zwischen den Beteiligten, bei denen es auf die Gültigkeit der Satzung ankommt; die Bindungswirkung erstreckt sich nicht nur auf Nichtigkeitsgründe, die bereits in dem ersten Normenkontrollverfahren geltend gemacht worden sind, sondern auch auf Einwände, die in den späteren Verfahren erstmalig vorgetragen werden (vgl. BVerwG, B. v. 16.7.1990 – 4 NB 20.90 – Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 60 S. 10 ). Die Bindungswirkung entfiele nur dann, wenn nach Erlass der rechtskräftigen Normenkontrollentscheidung eine entscheidungserhebliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten wäre (BVerwG, B. v. 3. 11.1993 – BVerwG 4 NB 33.93 – Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 66 S. 25 m.w.N.). Daran fehlt es jedoch. Der Kläger beruft sich nämlich nach wie vor auf eine Sachlage, die vor der Entscheidung des Normenkontrollgerichts angesiedelt ist. Er ist lediglich der Meinung, dass aufgrund neuer Erkenntnisse die Einschätzung des Normenkontrollgerichts, die Wasserabgabesatzung der Beklagten sei rechtswirksam, zu revidieren sei. Damit handelt es sich nicht um eine gegenüber der abweisenden Normenkontrollentscheidung geänderte Sach- und Rechtslage, welche die Wasserabgabesatzung im Nachhinein nichtig werden lässt. Im Übrigen hat der Kläger im Zulassungsverfahren nicht dargelegt, warum die fachbehördliche Gefahrenprognose durch die nahe gelegene stillgelegte Hausmülldeponie insgesamt nicht mehr bestehen sollte, sodass er auch das Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hier nicht erfüllt hat.
Der Kläger rügt weiter, dass entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Fall durch die erteilte Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang die Beitragspflicht sehr wohl berührt worden sei. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung jedoch zu Recht auf die ständige Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. nur U.v. 31.5.2000 – 23 B 99.3480 – juris Rn. 22) verwiesen, nach der die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang die Beitragspflicht unberührt lässt. Mit dieser Rechtsprechung setzt sich der Zulassungsantrag des Klägers nicht substantiiert auseinander. Die vom Kläger angeführten Zumutbarkeitsgesichtspunkte können bei der Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang berücksichtigt werden. An dem grundsätzlichen Entstehen der Beitragspflicht ändern diese jedoch nichts. Sie können allenfalls im Wege der Entscheidung über eine Stundung, Ratenzahlung oder dem Erlass (Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a KAG i.V.m. §§ 222, 227 AO) der Beitragsforderung Berücksichtigung finden, soweit deren gesetzliche Voraussetzungen tatsächlich erfüllt sind.
Weiter meint der Kläger, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begegne ernstlichen Zweifeln, weil es nicht zutreffend sei, dass die Umgriffsfläche ordnungsgemäß ermittelt worden sei. Er beschränkt sich hier allerdings auf ein bloßes Bestreiten der Ausführungen des Verwaltungsgerichts in Form einer Berufungsbegründung und genügt damit den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht.
2. Ein Berufungszulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt ebenfalls nicht vor.
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinn dieser Bestimmung weist eine Rechtssache auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sich diese also wegen ihrer Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, B.v. 3.11.2011 – 8 ZB 10.2931 – BayVBl 2012, 147/149 = juris Rn. 28; B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 42 jeweils m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Der Kläger meint zunächst, dass sich durch die Fülle der Vorentscheidungen rechtliche Schwierigkeiten ergäben, zeige sich schon darin, dass das Verwaltungsgericht eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs falsch interpretiert habe. Damit wiederholt der Kläger lediglich seinen Vortrag zu den ernstlichen Zweifeln der Rechtssache (vgl. 1.). So kann er eine besondere rechtliche Schwierigkeit der Sache nicht darlegen. Soweit er noch meint, dass sich eine besondere Schwierigkeit daraus ergebe, dass im Hinblick auf die Wasserversorgung sehr alte Tatbestände, eine alte Kasernenversorgungsleitung, alte Deponien sowie komplizierte wasserrechtliche und hydrogeologische Aspekte entscheidungserheblich seien, so ist aus diesem Vortrag bereits nicht nachzuvollziehen, welche Tatsachenfragen mit besonderer Schwierigkeit zu beantworten sein und die Durchführung eines Berufungsverfahrens rechtfertigen sollten. Soweit er sich hier wiederum gegen die Wirksamkeit der Wasserabgabesatzung der Beklagten wendet, muss auch hier auf die entgegenstehende Rechtskraft der Normenkontrollentscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs verwiesen werden.
3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 20; BVerwG, B.v. 4.8.2017 – 6 B 34.17 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 33 jeweils m.w.N.). Die grundsätzliche Bedeutung ist zu verneinen, wenn eine Rechtsfrage sich ohne weiteres aus der Anwendung anerkannter Auslegungsmethoden beantworten lässt (vgl. BVerfG, B.v. 29.7.2010 – 1 BvR 1634/04 – NVwZ 2010, 1482 = juris Rn. 62). So liegt der Fall hier. Die grundsätzliche Frage, ob eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang die Herstellungsbeitragspflicht berührt, ist, wie bereits ausgeführt, vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof dahingehend beantwortet, dass die Befreiung die Beitragspflicht grundsätzlich nicht berührt. Soweit der Kläger mit seinem Vortrag gemeint hat, dass aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls hier auch ein zeitlich begrenztes Absehen von der Erhebung des Beitrages gerechtfertigt sei, so handelt es sich hierbei um eine Frage des Einzelfalls und nicht um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung.
4. Der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt nicht vor. Er macht geltend, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen des Ermittlungsgrundsatzes nach § 86 VwGO die Behauptungen des Klägers im Hinblick auf die geologischen Gegebenheiten und über die alte Kasernenleitung hätte überprüfen müssen. Dies trifft jedoch nicht zu. Wie bereits ausgeführt, musste das Verwaltungsgericht die Bindungswirkung der Normenkontrollentscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs beachten und von der Wirksamkeit der Änderungssatzung zu der Satzung für die öffentliche Wasserversorgung der Beklagten vom 8. Oktober 2012 wegen der Einbeziehung des Ortsteils W. ausgehen. Damit konnte diesbezüglich keine weitere Ermittlungspflicht des Verwaltungsgerichts ausgelöst werden. Ein Verfahrensfehler liegt nicht vor.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungszulassungsverfahren folgt aus § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO.