Aktenzeichen M 10 K 15.542
Gebührensatzung für die öffentliche Abfallentsorgung in der Marktgemeinde … vom 4. November 2014
Leitsatz
1. Die subjektive, wenn auch übereinstimmende Auffassung der Parteien kann den Inhalt eines Verwaltungsaktes bereits deshalb nicht abweichend von seinem objektiven Erklärungswert festlegen, da auch darüberhinaus der Rechtsverkehr vom Inhalt des Verwaltungsaktes betroffen ist. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Werden mehrere Personen zu einer Geldleistung herangezogen, ist es erforderlich anzugeben, ob sie als Gesamtschuldner oder nach welchen Teilen sie in Anspruch genommen werden. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 8. Januar 2015 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage hat Erfolg. Die Gebührenfestsetzung mit Bescheid vom 8. Januar 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Nach Anhörung der Beteiligten konnte das Gericht durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 84 Abs. 1 VwGO).
2. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Kläger klagebefugt unabhängig davon, dass sich der Bescheid an die Miteigentümergemeinschaft als solche richtet und er damit den Rechtswirkungen des Bescheids nicht unterworfen ist. Denn die Garantie effektiven Rechtschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gebietet, dem im Adressfeld genannten Kläger die Möglichkeit zu eröffnen, den Rechtsschein eines ihn belastenden Verwaltungsaktes einer gerichtlichen Überprüfung zuzuführen. Dem Kläger ist nicht zuzumuten, das Risiko zu tragen, einen ihn belastenden Verwaltungsakt bestandskräftig werden zu lassen beziehungsweise umgekehrt die Kosten einer erfolglosen Klage gegen den einen anderen belastenden Verwaltungsakt zu übernehmen.
Auch im Übrigen ist die Klage zulässig, insbesondere fristgerecht.
3. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid vom 8. Januar 2015 ist rechtswidrig, da er den falschen Pflichtigen zur Zahlung der Gebühren heranzieht.
Dem Bescheid ist durch Auslegung zu entnehmen, dass als Gebührenschuldnerin eine aus dem Kläger sowie W… und E… bestehende Gemeinschaft herangezogen werden soll (dazu unter a.). Sie schuldet die Müllgebühren jedoch nicht (dazu unter b.). Der Bescheid ist somit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (dazu unter c.); die Klage hat in der Sache Erfolg (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a. Der Bescheid vom 8. Januar 2015 setzt die Gebührenpflicht gegenüber dem Kläger sowie W… und E… als Gemeinschaft fest. Dies ergibt die Auslegung.
Die Auslegung eines Verwaltungsakts bestimmt sich nach dem objektive Erklärungswert aus Sicht des Empfängerhorizonts (Von Alemann/Scheffczyk in BeckOK VwVfG § 35 Rn. 46). Bei der Ermittlung des objektiven Erklärungswertes sind alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände heranzuziehen, auch die Begründung des Verwaltungsakts (BVerwG, B.v. 30.6.2011 – 3 B 87/10 – juris). Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (BVerwG, U.v. 17.8.1995 – 1 C 15/94 – juris). Bei Auslegungszweifeln hinsichtlich des Vorliegens eines belastenden Verwaltungsakts ist das für den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen (VGH BW, U.v. 13.3.2014 – 10 S 2210/12 – juris).
Bereits den gewählten Wortlaut muss ein objektiver Empfänger als auf eine Grundstücksgemeinschaft gerichtet verstehen. Es finden sich in dem Bescheid die Festsetzungen: „Pflichtiger: L…, W… und E… Grundstücksgemeinschaft“ sowie „Zahlungspflichtig: L…, W… und E… Grundstücksgemeinschaft. Nutzen Sie die Vorteile des Bankeinzugsverfahrens“. Der Bescheid benennt damit eindeutig einen einzigen Pflichtigen und zwar eine aus den genannten Personen bestehende Grundstücksgemeinschaft. Ein objektiver Empfänger eines von einer sachkundigen Behörde erlassenen Verwaltungsakts konnte auch nicht davon ausgehen, dass der Zusatz „Grundstücksgemeinschaft“ bar jeder Bedeutung hinzugefügt wurde und letztlich die genannten natürlichen Personen herangezogen werden sollten. Da haftungs- und gesellschaftsrechtlich zwischen einer Gesellschaft und ihren Gesellschaftern strikt zu unterscheiden ist, könnte ein Empfänger des Bescheids letztlich nur von dieser Interpretation ausgehen, wenn immer der materiell korrekte Pflichtige in den Bescheid hineinzulesen wäre.
Dass der Kläger Bekanntgabeadressat des Bescheids war, steht dem nicht entgegen. Denn der Bescheid benennt an zwei Stellen einen (abweichenden) Inhaltsadressaten. Gerade bei Gemeinschaften, Gesellschaften oder juristischen Personen werden Willenserklärungen zwangsläufig an die vertretenden natürlichen Personen gerichtet.
Dass die Beklagte den Kläger subjektiv als Inhaltsadressaten gemeint hatte und der Kläger sich als solchen verstanden hat, bleibt ebenfalls im Ergebnis ohne Einfluss auf die Auslegung. Denn die Auslegung erfolgt aus dem objektiven Empfängerhorizont. Die subjektive, wenn auch übereinstimmende Auffassung der Parteien kann den Inhalt eines Verwaltungsaktes bereits deshalb nicht abweichend von seinem objektiven Erklärungswert festlegen, da auch über die Parteien hinaus der Rechtsverkehr vom Inhalt des Verwaltungsaktes betroffen ist. So kann der Inhalt für dritte Belastete oder Begünstigte ebenso Rechtswirkungen entfalten wie für Vollstreckungsorgane (vgl. Tiedemann in BeckOK VwVfG, § 37 Rn. 12-18). Aus demselben Grund bleiben etwaige rechtliche Interpretationen aus ähnlich gelagerten vorherigen Verfahren außer Betracht, zumal nach dem Vortrag des Klägers selbst es sich dabei um einen anders gelagerten Fall handelte. Dasselbe gilt für etwaige Rechtsirrtümer des Klägers hinsichtlich der seit 2001 anerkannten Grundbuch- und Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
Auch ist der Kläger nicht gemeinsam mit W… und E… im Rahmen einer Gesamtschuld oder Teilschuld als Pflichtiger herangezogen worden. Unabhängig davon, dass Aussagen fehlen, wie sich die Schuld der verschiedenen Schuldner zueinander verhält, ist klar von einem Pflichtigen die Rede. Werden mehrere Personen zu einer Geldleistung herangezogen, ist es erforderlich anzugeben, ob sie als Gesamtschuldner oder nach (welchen) Teilen sie in Anspruch genommen werden (BVerwG, NVwZ-RR 1997, 248; VGH Kassel, NJW 1984, 1645; VGH München NJW 1984, 626; NVwZ-RR 1994, 690, 691; OVG Münster, NVwZ-RR 1997, 121).
b. Es besteht zwischen dem Kläger und W… und E… keine Gemeinschaft, die zur Müllgebührenpflicht herangezogen werden könnte. Rechtlich sind die drei Personen hinsichtlich des genannten Grundstücks allein als Miteigentümer verbunden.
Unabhängig von der Existenz und rechtlichen Verfasstheit einer Gemeinschaft zwischen den natürlichen Personen sind Schuldner der Abfallgebühren nach § 2 Abs. 1 und 2 AbfGebS die drei Personen als Miteigentümer persönlich. Gebührenschuldner ist nach § 2 Abs. 1 AbfGebS, wer die Abfallentsorgungseinrichtungen des Beklagten und des Landkreises … benutzt. Nach § 2 Abs. 2 AbfGebS gilt bei der Abfallentsorgung im Bring- und Holsystem der Eigentümer oder der dinglich Nutzungsberechtigte der an die Abfallentsorgung der Gemeinde angeschlossenen Grundstücke als Benutzer.
Eigentümer sind der Kläger sowie W… und E… als Miteigentümer, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts besteht zwischen ihnen nicht und wäre mangels Eintragung im Grundbuch auch nicht Eigentümerin (§ 47 Abs. 2 GBO, vgl. zur Erheblichkeit der Eintragung für die Abgrenzung Von Proff in Staudinger, BGB, 2015, § 741 Rn. 40). Unabhängig davon, ob die Grundstücksgemeinschaft rechtlich eine Miteigentümergemeinschaft oder eine ungeteilte Erbengemeinschaft (und damit eine Außen GbR) darstellen könnte, ist sie somit nicht Schuldnerin der Müllgebühren.
c. Der Bescheid verletzt den Kläger auch in seinen Rechten, obwohl der Kläger nicht dessen Inhaltsadressat ist. Denn auch vom Rechtschein eines ihn belastenden Verwaltungsaktes geht für den Kläger eine negative Wirkung aus, die er im Rahmen einer Anfechtungsklage gerichtlich beseitigen lassen kann (s.o.).
4. Die Klage ist somit erfolgreich und der Gebührenbescheid vom 8. Januar 2015 aufzuheben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.