Aktenzeichen 20 B 14.30324
Leitsatz
1 Ein Antrag auf Zuerkennung unionsrechtlichen subsidiären Schutzes ist unzulässig, wenn dem Ausländer bereits im Ausland die Rechtsstellung eines Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne von § 4 AsylG zuerkannt worden ist (wie BVerwG BeckRS 2014, 54339). Bei Vorliegen der ausländischen Anerkennungsentscheidung ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft weder berechtigt noch verpflichtet. (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Die “Sperrwirkung” der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus im Ausland (hier: Malta) erstreckt sich auch auf die Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 V und VII AufenthG. Dem Asylbewerber fehlt insoweit das Sachbescheidungsinteresse bzw. das Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung nationalen Abschiebungsschutzes, wenn ihm ein anderer EU-Mitgliedstaat bereits die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlichen subsidiären Schutz zuerkannt hat. (red. LS Clemens Kurzidem)
Verfahrensgang
RO 7 K 12.30371 2013-02-14 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg
Gründe
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München
20 B 14.30324
Im Namen des Volkes
Beschluss
vom 11. April 2016
(VG Regensburg, Entscheidung vom 14. Februar 2013, Az.: RO 7 K 12.30371)
20. Senat
Sachgebietsschlüssel: 710
Hauptpunkte: Keine Zuerkennung subsidiären Schutzes bei bereits in einem anderen EU-Mitgliedsstaat erlangtem subsidiärem Schutzstatus; Kein Rechtsschutzbedürfnis für Abschiebungsverbot, wenn anderer EU-Mitgliedsstaat subsidiären Schutzstatus gewährt hat
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
…,
gegen
Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Referat Prozessführung, Frankenstr. 210, 90461 Nürnberg,
– Beklagte –
wegen Asylrechts;
hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. Februar 2013,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 20. Senat, durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Kraheberger als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Stadler, den Richter am Verwaltungsgerichtshof König ohne mündliche Verhandlung am 11. April 2016 folgenden Beschluss:
I.
Unter Änderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungs-gerichts Regensburg vom 14. Februar 2013 wird die Klage abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
I. Der Kläger begehrt die Zuerkennung subsidiären Schutzes, hilfsweise eines nationalen Abschiebungsverbotes.
Nach eigenen Angaben ist er somalischer Staatsangehöriger. Er meldete sich am 7. Juli 2010 in München als Asylsuchender. Die Republik Malta teilte dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Email vom 27. Mai 2011 mit, dass der Kläger in Malta bekannt sei und seine Überstellung nach Malta im Dublin-Verfahren akzeptiert werde. Die für den 22. November 2011 geplante Luftabschiebung wurde wegen „passiven Widerstands“ des Klägers abgebrochen.
Mit am 8. November 2012 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenem Schriftsatz seines Bevollmächtigten ließ der Kläger Untätigkeitsklage erheben mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG (in der bis 30. November 2013 geltenden Fassung) vorliegen. Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 14. Februar 2013 stattgegeben und die Beklagte zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (in der bis 30. November 2013 geltenden Fassung) verpflichtet.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Berufung. Sie beantragt
unter Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt.
Auf gerichtliche Anfrage legte die Beklagte mit Schriftsatz vom 13. November 2015 eine E-Mail der maltesischen Dublin-Einheit (nach Art. 21 der Dublin-II-Verordnung) vor, wonach dem Kläger am 20. März 2009 der subsidiäre Schutzstatus gewährt wurde. Das Bundesamt hat am 17. April 2013 einen Bescheid erlassen, in dem u. a. in Ziffer 2 der Kläger zur Ausreise aufgefordert und seine Abschiebung nach Malta angedroht wurde. Die Abschiebungsandrohung wurde mit rechtskräftigem Urteil des VG Regensburg vom 31. März 2014 (RO 7 K 13.30162) in wesentlichen Teilen aufgehoben.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II. Die zulässige Berufung ist begründet.
Über die Berufung konnte nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Hinweis auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entsprechend § 130 a VwGO durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil der Senat die Berufung der Beklagten einstimmig für begründet hält.
Der Kläger hat entgegen dem Urteil des VG Regensburg vom 14. Februar 2013 keinen Anspruch auf Zuerkennung von unionsrechtlichem oder nationalem Abschiebungsschutz. Der im erstinstanzlichen Verfahren gestellte Antrag auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG ist aufgrund der zum 1. Dezember 2013 erfolgten Rechtsänderung dahingehend auszulegen, dass damit zuvorderst die Feststellung des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG und hilfsweise eines nationalen Abschiebungsverbots begehrt wird.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 17.6.2014 – 10 C 7.13 – BVerwGE 150, 29 = NVwZ 2014, 1460) ist das Begehren auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz unzulässig, wenn dem Ausländer bereits im Ausland die Rechtsstellung eines Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne von § 4 AsylG zuerkannt worden ist (Leitsatz 3). Das Bundesamt ist bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung zur Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland weder verpflichtet noch berechtigt. Ein gleichwohl gestellter Antrag ist unzulässig. So liegt der Fall hier. Dem Kläger wurde in Malta subsidiärer europarechtlicher Schutz zuerkannt. Damit ist sein in der Bundesrepublik Deutschland erneut gestellter Antrag unzulässig.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung von nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Fehlt es dem Kläger – wie hier – an dem Rechtsschutzinteresse auf Zuerkennung europarechtlichen Schutzes, weil er bereits in Malta den europarechtlichen subsidiären Schutzstatus erhalten hat, so erstreckt sich diese „Sperrwirkung“ auch auf den Antrag auf Zuerkennung nationalen Schutzes hinsichtlich Somalias (vgl. zu deren Verhältnis: BVerwG, U. v. 24.6.2008 – BVerwG 10 C 43.07 – BVerwGE 131, 198). Ein Asylbewerber hat kein Sachbescheidungsinteresse bzw. Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz, wenn ihm ein anderer EU-Mitgliedstaat bereits die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlichen subsidiären Schutz zuerkannt hat (vgl. Kraft, Aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Asyl- und Flüchtlingsrecht, http://www.ingokraft.de/Docs/Asylrecht2014.pdf Rn. 44, unter Bezugnahme auf BVerwG, U. v. 17.6.2014 – 10 C 7.13 – a. a. O.).
Nationale Abschiebungsverbote hinsichtlich Maltas waren vorliegend nicht zu prüfen, da diese einerseits klägerseits nicht geltend gemacht wurden, und andererseits das Bundesamt zwar mit Bescheid vom 17. April 2013 eine Abschiebungsanordnung erlassen hat, die jedoch mit Urteil des VG Regensburg vom 31. März 2014 (RO 7 K 13.30162) in wesentlichen Teilen aufgehoben wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83 b AsylG gerichtskostenfrei.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.