Aktenzeichen 20 B 14.30214
Leitsatz
1. Eine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG ist rechtswidrig und aufzuheben, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt nach § 77 Abs. 1 AsylG nicht feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. (amtlicher Leitsatz)
2 Das Begehren auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz ist unzulässig, wenn dem Ausländer bereits im Ausland die Rechtsstellung eines Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten iSv § 4 AsylVfG (jetzt AsylG) zuerkannt worden ist (ebenso BVerwG BeckRS 2014, 54339). (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
11 K 13.30577 2013-09-11 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 11. September 2013 wird in Ziffer I. Satz 2 aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen Kläger und Beklagte je zur Hälfte.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung ist nur zum Teil begründet.
Die Berufung ist zulässig. Das Bundesamt ist trotz des von ihm erlassenen Änderungsbescheids vom 18. März 2015 durch das Urteil des Verwaltungsgerichts weiterhin beschwert. Zwar hat das Bundesamt in diesem Änderungsbescheid festgestellt, dass der Kläger nicht nach Somalia abgeschoben werden darf. Dies ist jedoch keine positive und eigenständige Feststellung eines subsidiären Schutzstatus, sondern sollte, wie sich aus der kurzen Begründung des Bescheides ergibt, eine Ergänzung einer (nicht ersichtlichen) Abschiebungsandrohung gemäß § 60 Abs. 10 Satz 2 AufenthG sein.
Die zulässige Berufung ist insoweit begründet, als das Verwaltungsgericht in Ziffer I Satz 2 seines Urteils festgestellt hat, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (a. F.) hinsichtlich Somalias vorliegen. Hierzu war es nicht berechtigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 17.6.2014 – 10 C 7.13 – BVerwGE 150, 29 = NVwZ 2014, 1460) ist das Begehren auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz unzulässig, wenn dem Ausländer bereits im Ausland die Rechtsstellung eines Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne von § 4 AsylVfG (jetzt AsylG) zuerkannt worden ist (Leitsatz 3). Das Bundesamt ist bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung zur Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland weder verpflichtet noch berechtigt. Ein gleichwohl gestellter Antrag ist unzulässig. So liegt der Fall hier. Dem Kläger wurde in Italien Flüchtlingsschutz zuerkannt. Dies steht bereits aufgrund der Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamtes vom 22. Mai 2013 fest, welche vom Kläger nicht angefochten wurde und zwischenzeitlich bestandskräftig ist. Darüber hinaus hat der Senat aufgrund der in den Akten befindlichen Bestätigung des italienischen Innenministeriums (Seite 67 der Bundesamtsakte) keinen Zweifel, dass dem Kläger der Flüchtlingsstatus in Italien zuerkannt worden ist. Damit ist sein in der Bundesrepublik Deutschland erneut gestellter Antrag auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz unzulässig (BVerwG v. 17.6.2014 a. a. O.).
Demgegenüber ist die Berufung hinsichtlich der verwaltungsgerichtlichen Aufhebung der in Ziffer 2 des Bescheides vom 22. Mai 2013 ausgesprochenen Anordnung der Abschiebung nach Italien unbegründet, weil die Abschiebungsanordnung rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Nach § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet, wenn ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26 a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylG) abgeschoben werden soll, das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Nach dieser Vorschrift ist es allein Aufgabe des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, zu prüfen, ob „feststeht“, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60 a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (BVerfG, B. v. 17.9.2014 – 2 BvR 1795/14 – juris, m. w. N.). Da die Abschiebungsanordnung nach § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylG erst ergehen kann, wenn „feststeht, dass sie durchgeführt werden kann“, muss die Übernahmebereitschaft positiv geklärt sein (vgl. etwa OVG NRW B. v. 28.4.2015 – 14 B 502/15.A – juris, m. w. N.; OVG Rheinland-Pfalz U. v. 18.2.2016 – 1 A 11081/14.OVG – BeckRS 2016, 43342). Dies ist hier nicht der Fall. Das Bundesamt hat keine Umstände hierzu vorgetragen, sie sind auch sonst wie nicht ersichtlich. Deshalb kommt es auf die zwischen den Beteiligten strittige Frage der Reisefähigkeit nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe nicht vorliegen.