Aktenzeichen W 8 K 18.32124
AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 6, Abs. 7 S. 1, § 60a Abs. 2
Leitsatz
1 Bei der Ermessensentscheidung im Rahmen der Befristung nach § 11 Abs. 3 S. 1 AufenthG sind neben den zulässigerweise heranzuziehenden spezial- und generalpräventiven Gesichtspunkten auch familiäre sowie andere erhebliche persönliche Belange unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Sämtliche im konkreten Kontext schutzwürdige Interessen des Asylbewerbers sind in den Blick zu nehmen und mit dem öffentlichen Interesse in einen praktisch verträglichen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen (wie VG Würzburg BeckRS 2016, 42833). (Rn. 13) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Wegen eines Auslandsaufenthalts oder einer Asylantragstellung in Deutschland droht einem algerischen Asylbewerber im Falle seiner Rückkehr nach Algerien keine politische Verfolgung. (Rn. 30) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Selbst im Falle einer Bedrohung durch islamistische Terroristen liegt in der Niederlassung in einer der größeren Städte Algeriens ein wirksames (wenngleich nicht vollkommenes) Mittel, einer Verfolgung zu entgehen. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass bei gewalttätigen Übergriffen nicht doch die Polizei schutzbereit und schutzfähig wäre, wenngleich ein absoluter Schutz nicht gewährleistet werden könne (vgl. BayVGH BeckRS 2018, 28747). (Rn. 32) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 In Algerien ist die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ebenso wie die medizinische Grundversorgung gewährleistet. Einem jungen und erwerbsfähigen algerischen Asylbewerber ist es daher zuzumuten, zur Sicherung seines Existenzminimums den notwendigen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit zu verdienen und gegebenenfalls auf die Unterstützung durch Familienangehörige der in Algerien noch lebenden Großfamilie zurückzugreifen (vgl. BVerwG BeckRS 2018, 11167). (Rn. 34) (red. LS Clemens Kurzidem)
Tenor
I. Die Beklagte wird verpflichtet, unter Abänderung der Nr. 7 des Bescheides des Bundesamts für … vom 28. September 2018 über die Länge der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und teilweise begründet, soweit sie sich auf die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots unter Nr. 7 des streitgegenständlichen Bescheides bezieht. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Die Klage ist begründet, soweit sie sich auf die Nr. 7 des Bescheides des Bundesamtes für … vom 28. September 2018 bezieht. Die Beklagte wird verpflichtet, unter Abänderung der Nr. 7 des streitgegenständlichen Bescheides über die Länge der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Denn der streitgegenständliche Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO), soweit das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot unter Nr. 7 unter fehlerhafter Ausübung des Ermessens auf 30 Monate befristet ist.
Die Ermessensentscheidung ist rechtswidrig. Denn bei der Ermessensentscheidung im Rahmen der Befristung gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG sind neben den zulässigerweise heranzuziehenden spezial- und generalpräventiven Gesichtspunkten auch familiäre sowie andere erhebliche persönliche Belange unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Sämtliche im konkreten Kontext schutzwürdigen Interesse des Klägers sind in den Blick zu nehmen und mit dem öffentlichen Interesse in einen praktisch verträglichen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen (vgl. VG Würzburg, G.v. 8.12.2015 – W 6 K 15.30722 – juris m.w.N.). Vorliegend ist ein Ermessensausfall gegeben, weil die Beklagte erhebliche schutzwürdige Belange des Klägers nicht berücksichtigt hat. Im streitgegenständlichen Bescheid ist ausdrücklich ausgeführt, dass der Kläger im Bundesgebiet über keine wesentlichen Bindungen verfüge, die zu berücksichtigen wären. Die Beklagte hat bisher nicht gewürdigt, dass der Kläger in einer festen Beziehung mit einer deutschen Staatsangehörigen steht, die er täglich besucht, und Vater eines deutschen Kindes ist, die Vaterschaft anerkannt und auch eine Sorgeerklärung abgegeben hat, dass er gemeinsam mit der Mutter die elterliche Sorge ausüben will. Insoweit wird auf die betreffenden Unterlagen in der Ausländerakte verwiesen. Vor diesem Hintergrund spricht bei Würdigung der vorliegenden Gesamtumstände im konkreten Fall des Klägers bei sachgerechter Ermessensausübung vieles für eine Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf eine Länge deutlich unter 30 Monate.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für … vom 28. September 2018 ist – abgesehen von den Nr. 7 – rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind ebenfalls nicht zu beanstanden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Das Gericht ist im Übrigen insbesondere auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Algerien politische Verfolgung oder sonst eine ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92 – BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).
Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).
Dem Kläger ist es nicht gelungen, die für seine Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr (politischer) Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. besteht oder sonst eine ernsthafte Gefahr drohte oder droht.
Festzuhalten ist schon, dass der Kläger kein zweifelsfreies in sich stimmiges Vorbringen geleistet hat. Vielmehr machte er widersprüchliche und auch gesteigerte Angaben, die ein erhebliches Indiz für ein unglaubhaftes Vorbringen insgesamt sind.
Zweifel rühren schon aus den Angaben des Klägers, Vater und Mutter hätten sich getrennt und er wäre dann, als er einen Monat alt gewesen sei, zu seinem Opa gekommen und dort aufgewachsen. Denn beim Bundesamt (Bl. 49 der Bundesamtsakte) hatte der Kläger noch angegeben: „Danach hat mich meine Mutter bei meinen Großeltern großgezogen.“ Die Erklärung in der mündlichen Verhandlung, dass eventuell eine falsche Übersetzung zugrunde liege; denn die Mutter habe ihn nicht großgezogen, sondern vielmehr die Tante zusammen mit dem Oper, vermag nicht recht zu überzeugen. Allenfalls wäre zu erwägen, dass die Passage aus der Bundesamtsanhörung so zu verstehen ist, dass nicht die Mutter ihn selbst großgezogen hat, sondern die Erziehung den Großeltern überlassen hat.
Zweifelhaft sind jedoch weiter die Angaben des Klägers zum Fitnessstudio. Während der Kläger noch beim Bundesamt (Bl. 48 der Bundesamtsakte) angegeben hatte, die Arbeit beim Fitnessstudio deshalb verloren zu haben, weil der Besitzer des Fitnessstudios das Fitnessstudio verkauft hatte, erklärte der Kläger nunmehr in der mündlichen Verhandlung gesteigert, er selbst sei Mitinhaber des Fitnessstudios gewesen. Er habe das Fitnessstudio wegen der Bedrohung durch die Polizei verkauft. Er habe insgesamt Probleme mit der Polizei gehabt. Genauso wirkt die Aussage im Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 20. Dezember 2018 aufgebauscht, der Kläger habe das Fitnessstudio wegen der ständigen Störungen durch den Geheimdienst schließen müssen und er sei wegen ständiger Morddrohungen durch die Al-Qaida Terrororganisation nicht mehr im Stande gewesen, seelisch dem standzuhalten. In der mündlichen Verhandlung sagte der Kläger selbst in dem Zusammenhang indes nichts von der Al-Qaida.
Der Kläger erklärte vielmehr, er habe von der Al-Qaida private Anrufe bekommen. Sie hätten zu ihm gesagt, er solle zu ihnen kommen. Er sei sich aber nicht sicher gewesen, ob die Anrufe wirklich von der Al-Qaida stammten oder nicht doch von der Polizei gewesen seien. Es sei jedenfalls für ihn bedrohend gewesen. Er habe Angst bekommen. Die Organisation sei die Al-Qaida gewesen. Demgegenüber fällt auf, dass der Kläger erstmals im Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 20. Dezember 2018 sowie in der mündlichen Verhandlung überhaupt erwähnte, Kontakte zur Al-Qaida gehabt zu haben. Denn gegenüber dem Bundesamt bzw. der Regierung von Unterfranken erklärte der Kläger ausdrücklich, sein Onkel, wegen dem er Probleme gehabt habe, sei bei der FIS gewesen (Bl. 41 und 44 der Bundesamtsakte). Nach dem Tod des Onkels hätten diese Leute von der Al-Qaida – Salafisten mit langen Bärten – Kontakt mit ihm aufgenommen. Demgegenüber hatte der Kläger auf ausdrückliche Frage der Regierung von Unterfranken (Bl. 44 der Bundesamtsakte), ob er jemals Kontakt zu extremistischen Gruppen wie der Al-Qaida hatte oder hat, ausdrücklich geantwortet: „Ich habe und hatte nie Kontakt zu solchen Organisationen.“ Den Widerspruch vermochte der Kläger nicht aufzuklären, vielmehr verwies er wiederholt auf Anrufe seitens der Al-Qaida, zuletzt 2015.
Weiter auffällig und aufgebauscht wirkt, dass der Kläger gegenüber dem Bundesamt nur erwähnt hatte, er sei von der Polizei immer mitgenommen und angehört und dann wieder freigelassen worden. Einmal sei er verhaftet worden und habe einen Tag dort bleiben müssen (vgl. Bl. 48 und 51 der Bundesamtsakte). Demgegenüber brachte der Kläger nun – sowohl im Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 20. Dezember 2018 als auch in der mündlichen Verhandlung – vor, dass er im Jahr 2007 drei bis vier Tage in Haft gewesen und gefoltert worden sei, mit Strom und mit Wasser und mit Schlägen. In einem dunklen Raum sei er nackt an ein Bettgestell gefesselt und liegengelassen worden. 2009 sei er nach dem Freitagsgebet erneut mitgenommen worden, völlig grundlos verhaftet und auch gefoltert worden. Die Polizei habe Informationen über den Verbleib des Onkels haben wollen. Der Erklärungsversuch der Klägerbevollmächtigten, der Kläger habe bei der Anhörung Angst gehabt, quasi als Terrorist abgestempelt zu werden, ist nicht völlig von der Hand zu weisen. Allerdings ist nicht verständlich, dass der Kläger diesbezügliche Erklärungsversuche erst und nur auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung gemacht hat und nicht von sich aus im Vorfeld ausdrücklich darauf hingewiesen hat, erstmals weitergehenden zusätzliche Angaben zu machen. Auch die Aussage des Klägers, er habe nicht gewusst, ob er es sagen solle oder nicht, überzeugt wenig, weil der Kläger im Verlauf des behördlichen und gerichtlichen Verfahrens wiederholt darauf hingewiesen worden ist, alle für ihn relevanten Tatsachen vorzubringen.
Aber selbst, wenn man die Angaben des Klägers zugrunde legt, kommt das Gericht aufgrund der zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemachten Erkenntnismittel – ebenso wie das Bundesamt im angefochtenen Bescheid – zu dem Ergebnis, dass dem Kläger seitens der Sicherheitskräfte bzw. der Polizei bzw. seitens der salafistischen Gruppen objektiv keine politische Verfolgung oder sonst ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohte oder droht (vgl. auch BayVGH, B.v. 29.10.2018 – 15 ZB 18.32711 – juris; B.v.14.8.2018 – 15 ZB 18.31693 – juris).
Das Bundesamt hat im streitgegenständlichen Bescheid schon zu Recht ausgeführt, dass die Benachteiligung des Klägers – teilweise verursacht durch die terroristische Tätigkeit des Onkels – nicht so gravierend ist, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen würde. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Beobachtung durch die algerischen Sicherheitskräfte als auch hinsichtlich der Nachfragen bei ihm seitens der Polizei oder sonstiger staatlicher Stellen. Das Gericht sieht es als legitimes Recht jede Staates und auch des algerischen Staates – gerade angesichts auch der dortigen terroristischen Bedrohungslage – an, im Rahmen der geltenden Rechtsordnung entsprechende niederschwellige Vorsorge- und Überwachungsmaßnahmen zu treffen. Die Vorfälle im Jahr 2007 und 2009 lagen noch vor dem Tod des betreffenden Onkels und waren offensichtlich nicht fluchtauslösend für das Jahr 2016.
Des Weiteren ist festzuhalten, dass der Kläger 2016 einen Reisepass ausgestellt erhalten hat, was schon für sich gegen ein staatliches Verfolgungsinteresse spricht. Des Weiteren gab der Kläger gegenüber dem Bundesamt (vgl. Bl. 51 der Bundesamtsakte) an, er habe sonst keine Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Organen im Land, nur wegen seines Onkels. In der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger zudem ausdrücklich, in der letzten Zeit vor der Ausreise keine Probleme gehabt zu haben, weder mit der Al-Qaida noch mit der Polizei. Er habe immer nur Angst gehabt und weg gewollt.
Dem Gericht drängt sich gesamtbetrachtet vielmehr der Eindruck auf – wie der Kläger auch auf Bl. 51 der Bundesamtsakte bei der Anhörung geschildert hat -, dass Hauptausreisegrund seine wirtschaftliche und persönliche Situation gewesen ist. Er habe keine Arbeit gehabt und keinen eigenen Wohnsitz und er habe versucht zu heiraten und dies sei ihm alles nicht gelungen. Er sei ausdrücklich nach Deutschland gekommen, um eine bessere Zukunft zu haben. Er wolle hier arbeiten und studieren, er wolle hier auch heiraten. Er wolle das Gefühl als Mensch wieder haben, das er in Algerien vermisst habe. Er sei in Algerien immer unterdrückt gewesen. Die auch im Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 20. Dezember 2018 ausgedrückte Angst des Klägers mag zwar subjektiv verständlich sein, begründet aber objektiv nicht eine entsprechende Gefährdungslage mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
Eine objektive Gefährdung sieht das Gericht des Weiteren auch nicht durch die salafistische Gruppe, die vom Kläger zuletzt als Al-Qaida bezeichnet wurde. Denn der Kläger erwähnte selbst nur drei bis vier Anrufe, zuletzt im Jahr 2015, innerhalb von sechs bis acht Monaten, wobei er selbst einräumte, nicht zu wissen, ob die Anrufe überhaupt von dieser Gruppe kämen oder nicht doch von der Polizei. Des Weiteren hat der Kläger nicht erklärt, dass er sich wegen dieser Gruppe konkret an die Polizei gewendet und um Hilfe nachgesucht habe. Grundsätzlich geht das Gericht indes davon aus, dass die Polizei und die Sicherheitskräfte in Algerien durchaus schutzfähig und schutzwillig sind. Abgesehen davon besteht für den Kläger – wie noch auszuführen sein wird – insoweit eine inländische Aufenthaltsalternative.
Weiter ist auch nicht anzunehmen, dass dem Kläger sonst bei einer Rückkehr politische Verfolgung droht, etwa wegen seines Auslandsaufenthalts oder seiner Asylantragstellung in Deutschland (VG Stuttgart, U.v. 27.1.2015 – A 5 K 4824/13 – juris). Auch insofern gilt das Vorstehende entsprechend. Eine betreffende Strafverfolgung verfolgt jedenfalls keine asylerhebliche Zielsetzung, selbst wenn eine illegale Ausreise, also ein Verlassen des Landes ohne gültige Papiere, mit einer Bewährungsstrafe oder einer Geldstrafe geahndet werden kann (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien vom 4.4.2018, Stand: Februar 2018, S. 22). Zudem ist zweifelhaft, ob das Gesetz in der Praxis auch angewendet wird, da die algerischen Behörden erklärt haben, dass Gesetz solle nur abschreckende Wirkung entfalten (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Algerien vom 12.3.2018, S. 27). Aber selbst eine drohende Bestrafung wäre weder flüchtlings- noch sonst schutzrelevant.
Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung drohen könnte, und die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung einer Abschiebung nicht entgegenstehen (§ 60 Abs. 6 AufenthG).
Schließlich droht dem Kläger bei einer eventuellen Rückkehr nach Algerien auch keine Verfolgung bzw. ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit seitens Dritter, konkret einer Gruppe Salafisten bzw. der Al-Qaida, weil für ihn jedenfalls eine zumutbare inländische Flucht- bzw. Aufenthaltsalternative besteht (vgl. § 3e AsylG). Abgesehen davon, dass schon fraglich ist, ob diese islamistische Gruppe nach über zwei Jahren nach der Ausreise des Klägers aus Algerien noch ein konkretes Interesse daran haben sollte, gegen den Kläger gewaltsam tätig zu werden (zumal der Kläger – abgesehen von drei bis vier Anrufe und Nachfragen bis 2015 – nichts von aktuellen Bedrohungen durch diese Gruppe in den letzten Jahren berichtet hat), besteht für den Kläger in Algerien eine zumutbare inländische Aufenthaltsalternative, wenn er sich in einem anderen Teil des Landes, insbesondere in einer anderen Großstadt Algeriens niederlässt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien vom 4.4.2018, Stand: Februar 2018, S. 17). Der Kläger muss sich auf interne Schutzmöglichkeiten in seinem Herkunftsland verweisen lassen. Das Auswärtige Amt sieht selbst für den Fall der Bedrohung durch islamistische Terroristen in den größeren Städten Algeriens ein wirksames (wenngleich nicht vollkommenes) Mittel, um einer Verfolgung zu entgehen. Es ist nicht erkennbar, dass die strenggläubige Salafistegruppe den Kläger ohne weiteres auffinden können sollte, wenn er seinen ursprünglichen Heimatort meidet und in andere Landesteile oder Großstädte geht. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass bei gewalttätigen Übergriffen nicht doch die Polizei schutzbereit und schutzfähig wäre, wenn auch ein absoluter Schutz naturgemäß nicht gewährleistet werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 29.10.2018 – 15 ZB 18.32711 – juris; VG Minden, U.v. 28.3.2017 – 10 K 883/16.A – juris; U.v. 22.8.2016 – 10 K 821/16.A – juris; VG Köln, B.v. 24.8.2016 – 3 L 1612/16.A – juris; SaarlOVG, B.v. 4.2.2016 – 2 A 48/15 – juris).
Danach ist es dem Kläger zumutbar, sich in Algerien niederzulassen, ohne dass die Gruppe der Salafisten herausfinden müsste, dass der Kläger in seinem Heimatland zurück ist und wo er sich aufhält. Angesichts der Größe Algeriens und der Größe der dortigen Städte, hält es das Gericht nicht für beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger befürchten müsste, von dieser Gruppe entdeckt und gefährdet zu werden (vgl. auch BayVGH, B.v. 29.10.2018 – 15 ZB 18.32711 – juris).
Das Gericht hat des Weiteren keine durchgreifenden Zweifel, dass dem Kläger im Anschluss an seiner Rückkehr die Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz möglich sein wird. Dem Kläger ist es zuzumuten, sich eine Arbeit zu suchen, bzw. es besteht die Möglichkeit der Unterstützung von noch in Algerien lebenden Familienmitgliedern, so dass er sich jedenfalls sein Existenzminimum sichern kann. Gegenteiliges folgt auch nicht aus der wirtschaftlichen und sozialen Lage Algeriens, wie auch das Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt hat. In Algerien ist die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und auch die medizinische Grundversorgung gewährleistet (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien vom 4.4.2018, Stand: Februar 2018, S. 21 ff.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Algerien vom 12.3.2018, S. 24 ff.). Der Kläger ist noch jung und erwerbsfähig; ihm ist zuzumuten zur Sicherung seines Existenzminimums den notwendigen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit zu verdienen und gegebenenfalls auf die Unterstützung durch Familienangehörige der in Algerien noch lebenden (Groß-)Familie zurückzugreifen. Letztlich ist dem Kläger eine (Re-)Integration in die Lebensverhältnisse seines Heimatstaates möglich und zumutbar (ebenso BVerwG, U.v. 27.3.2018 – 1 A 5/17 – juris; VG Minden, U.v. 28.3.2017 – 10 K 883/16.A – juris; U.v. 22.8.2016 – 10 K 821/16.A – juris; VG Köln, B.v. 24.8.2016 – 3 L 1612/16.A – juris).
Nach dem vorstehend Gesagten sind weiter insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt wären. Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Ausländerbehörde zuständig ist, eventuelle inlandsbezogene Abschiebungshindernisse – wie etwa familiäre Aspekte (deutsche Lebensgefährtin, deutsches Kind) – zu prüfen (§ 60a Abs. 2 AufenthG). Insoweit hat die Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung angemerkt, schon einen entsprechenden Antrag bei der Ausländerbehörde gestellt zu haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO § 83b AsylG. Die Kosten konnten dem Kläger ganz auferlegt werden, weil die Beklagte betreffend die Nr. 7 des streitgegenständlichen Bescheides nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.