Verwaltungsrecht

Rechtswidrige Einstellung des Asylverfahrens

Aktenzeichen  Au 2 S 17.30653

Datum:
17.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
InfAuslR – 2017, 217
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 33 Abs. 4, § 36 Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

1 § 36 AsylG gilt nur bei Unzulässigkeit nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG und bei offensichtlicher Unbegründetheit, nicht jedoch im Falle der Einstellung des Asylverfahrens nach § 33 AsylG durch das BAMF. (redaktioneller Leitsatz)
2 § 33 Abs. 4 AsylG verlangt eine ausdrückliche Belehrung über die Rücknahmefiktion. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage (Az. Au 2 K 17.30652) gegen die Abschiebungsandrohung unter Nr. 3 des Bescheids des Bundesamts für … vom 2. Februar 2017 wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
1. Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben am … 1996 geboren und pakistanischer Staatsangehöriger. Er stellte am … 2016 einen Asylantrag in der …
Mit Schreiben des Bundesamts für … (Bundesamt) vom 6. Oktober 2016 – dem Antragsteller zugestellt per Postzustellungsurkunde am 8. Oktober 2016 – wurde der nicht anwaltlich vertretene Antragsteller zu einer persönlichen Anhörung am 26. Oktober 2016, 8.00 Uhr in … geladen. Das Schreiben enthielt in einem Kasten folgenden Hinweis:
„Ich weise Sie ausdrücklich darauf hin, dass Ihr Asylantrag nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 AsylG als zurückgenommen gilt, wenn Sie zu diesem Termin nicht erscheinen. Dies gilt nicht, wenn Sie unverzüglich nachweisen, dass Ihr Nichterscheinen auf Hinderungsgründen zurückzuführen war, auf die Sie keinen Einfluss hatten. Im Falle einer Verhinderung durch Krankheit müssen Sie unverzüglich die Reise- und/oder Verhandlungsunfähigkeit durch ein ärztliches Attest nachweisen, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genügt nicht. Wenn Sie bei der Krankenkasse als arbeitsunfähig gemeldet sind, müssen Sie dieser die Ladung zum Termin unverzüglich mitteilen. Können Sie dem Bundesamt keinen Nachweis über die Hinderungsgründe vorlegen, entscheidet das Bundesamt ohne weitere Anhörung nach Aktenlage, ob Abschiebungsverbote vorliegen.“
Zum Anhörungstermin am 26. Oktober 2016 erschien die Antragstellerin ausweislich eines Vermerks des Bundesamts vom 2. Februar 2017 nicht.
2. Das Bundesamt stellte sodann mit Bescheid vom 2. Februar 2017 – als Einschreiben am selben Tag zur Post gegeben – fest, dass der Asylantrag des Antragstellers als zurückgenommen gelte; das Asylverfahren sei eingestellt (Nr. 1). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor (Nr. 2). Die Abschiebung nach Pakistan wurde angedroht (Nr. 3). Zudem wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).
Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die Einstellung des Verfahrens auf § 32 f. AsylG beruhe. Aufgrund des Nichterscheinens zur Anhörung am 26. Oktober 2016 werde gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 AsylG vermutet, dass der Antragsteller das Verfahren nicht betreibe. Ein Nachweis, dass das Versäumnis auf Gründe zurückzuführen war, auf die der Antragsteller keinen Einfluss hatte, sei bis zur Entscheidung nicht vorgelegt worden.
3. Hiergegen hat der Antragsteller am 10. Februar 2017 Klage erhoben (Az. Au 2 K 17.30652), über die noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig beantragt er,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Der streitgegenständliche Einstellungsbescheid sei rechtswidrig. Richtigerweise habe der Antragsteller an der Anhörung am 26. Oktober 2016 teilgenommen. Dies könne der Bruder des Antragstellers, der diesen begleitet habe, bezeugen.
4. Mit Schreiben vom 14. Februar 2017 legte das Bundesamt die elektronische Verwaltungsakte vor. Ein Antrag wurde nicht gestellt.
5. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig.
Insbesondere besteht vorliegend ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers.
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz richtet sich zum einen auf eine Klage, die fristgemäß innerhalb der gemäß § 74 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG maßgeblichen Zweiwochenfrist erhoben wurde (vgl. VG Berlin, B.v. 19.8.2016 – 6 L 417.16 A – juris Rn. 7; VG Köln, B.v. 12.7.2016 – 3 L 1544/16.A – juris Rn. 18-20; B.v. 19.5.2016 -3 L 1060/16.A – juris Rn. 18-20). Die auf eine Woche verkürzte Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG gilt im vorliegenden Fall nicht; der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist nicht innerhalb einer Woche zu stellen, da es für die Einstellung des Verfahrens an einer § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG und § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG entsprechenden Regelung fehlt (vgl. VG Minden, B.v. 26.7.2016 -10 L 1078/16.A – juris Rn. 13).
Zum anderen besteht ein Rechtsschutzbedürfnis auch trotz des Umstands, dass der Antragsteller einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 33 Abs. 5 Satz 2 AsylG stellen könnte. Ein Wegfall des Rechtsschutzinteresses kann dem Vorgehen gegen einen den Adressaten belastenden Verwaltungsakt nur unter besonderen Umständen entgegengehalten werden. Das Interesse an gerichtlichem Rechtsschutz kann in der hier inmitten stehenden Fallkonstellation erst dann entfallen, wenn das mit dem Rechtsschutzbegehren verfolgte Ziel durch ein gleich geeignetes, keine anderweitigen rechtlichen Nachteile mit sich bringendes behördliches Verfahren ebenso erreicht werden kann wie in dem angestrebten gerichtlichen Verfahren. Hingegen reicht es nicht, wenn der Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, einen Antrag an die zuständige Behörde zu stellen, der andere Rechtsfolgen als eine gerichtliche Aufhebung des belastenden Verwaltungsakts zeitigt (vgl. BVerwGE 91, 217/219 ff.). Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend nicht 14 von einem Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses ausgegangen werden, wenn, wie es der Wortlaut des § 33 Abs. 5 Satz 6 Nr. 2 AsylG zumindest nahe legt, die erste Wiederaufnahmeentscheidung nach § 33 Abs. 5 Satz 2 AsylG ein späteres erneutes Wiederaufnahmebegehren selbst dann sperrt, wenn die erste Verfahrenseinstellung nach § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG rechtswidrig gewesen ist. In einer solchen Fallgestaltung verstößt es gegen das in Art. 19 Abs. 4 GG normierte Gebot des effektiven Rechtsschutzes, das Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungsklage und einen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO zu verneinen (siehe zum Ganzen: BVerfG, B.v. 20.7.2016 – 2 BvR 1385/16 – juris Rn. 8; VG Dresden, U.v. 22.8.2016 – 11 K 1061/16.A – juris Rn. 15; VG Berlin, B.v. 19.8.2016 – 6 L 417.16 A – juris Rn. 8; VG Freiburg, B.v. 12.8.2016 – A 3 K 1639/16 – juris Rn. 2; VG Regensburg, B.v. 19.7.2016 – RO 11 S. 16.31399 – juris Rn. 13; VG Köln, B.v. 12.7.2016 – 3 L 1544/16.A – juris Rn. 17-37; B.v. 19.5.2016 – 3 L 1060/16.A – juris Rn. 17-37; a.A. noch VG Augsburg, B.v. 30.5.2016 – Au 3 S. 16.30616; VG Ansbach, B.v. 29.4.2016 – AN 4 S. 16.30410 – juris; VG Regensburg, B.v. 18.4.2016 – RO 9 S. 16.30620 – juris).
2. Der Antrag ist auch begründet.
a) Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des vorliegend aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG folgenden gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Bei der Entscheidung über den vorliegenden Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat das Gericht eine eigenständige Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen. Hierbei ist insbesondere auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen. Ist die Klage in der Hauptsache im Rahmen einer summarischen Prüfung offensichtlich erfolgreich, kann kein überwiegendes öffentliches Interesse am Vollzug eines rechtwidrigen Bescheides bestehen. Andererseits kann der Antragsteller kein schutzwürdiges privates Interesse daran haben, von der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakts verschont zu bleiben. Insoweit ist eine summarische Prüfung der Rechtslage geboten, aber auch ausreichend.
Der Maßstab des § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG, nach dem die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, ist vorliegend nicht anwendbar; denn § 36 AsylG gilt ausweislich seiner amtlichen Überschrift nur bei Unzulässigkeit nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG und bei offensichtlicher Unbegründetheit, nicht jedoch im Fall der vorliegenden Einstellung nach § 33 AsylG. § 38 Abs. 2 AsylG hingegen enthält keine § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG entsprechende Regelung (vgl. VG Minden, B.v. 26.7.2016 – 10 L 1078/16.A – juris Rn. 33-35).
b) Unter Berücksichtigung obiger Vorgaben und Grundsätze überwiegt vorliegend das Suspensivinteresse des Antragstellers das behördliche Vollzugsinteresse. Denn die angegriffene Abschiebungsandrohung des Bundesamts ist bei summarischer Prüfung voraussichtlich rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG liegen nicht vor, da das Bundesamt bei summarischer Prüfung wohl zu Unrecht die Einstellung des Asylverfahrens des Antragstellers wegen Nichtbetreibens nach § 33 AsylG festgestellt hat.
Gemäß § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG stellt das Bundesamt das Asylverfahren ein, wenn der Asylantrag nach § 33 Abs. 1 AsylG als zurückgenommen gilt, weil der Ausländer das Verfahren nicht betreibt. Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 AsylG wird vermutet, dass der Ausländer das Verfahren nicht betreibt, wenn er einer Aufforderung zur Anhörung gemäß § 25 AsylG nicht nachgekommen ist und nicht unverzüglich nachweist, dass das Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Der Ausländer ist gemäß § 33 Abs. 4 AsylG auf die nach § 33 Abs. 1 AsylG eintretenden Rechtsfolgen schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hinzuweisen.
Vorliegend ist jedoch wohl keine ordnungsgemäße Belehrung nach § 33 Abs. 4 AsylG erfolgt, so dass offenbleiben kann, ob in der Sache ein Nichtbetreiben des Antragstellers i.S.v. § 33 Abs. 1 AsylG gegeben war.
aa) Das Eingreifen der Fiktion der Rücknahme des Asylantrags wegen Nichtbetreibens nach § 33 Abs. 1 AsylG setzt wegen der damit verbundenen weitreichenden Konsequenzen voraus, dass der Ausländer gemäß § 33 Abs. 4 AsylG schriftlich und gegen Empfangsbestätigung speziell auf diese Rechtsfolgen hingewiesen wurde.
(1) Der Nachteil, den der Asylbewerber infolge der Rücknahmefiktion erleiden kann, ist nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der Betroffene auf die gesetzliche Regelung hingewiesen wird. Dieser letztlich in dem alle staatlichen Organe verpflichtenden Gebot eines fairen Verfahrens wurzelnden rechtsstaatlichen Anforderung hat der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 33 Abs. 4 AsylG entsprochen. Soll der Hinweis seiner Aufgabe gerecht werden, gerade im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Norm für Rechtsklarheit zu sorgen, muss er freilich den Besonderheiten des Adressatenkreises Rechnung tragen. Es ist zu berücksichtigen, dass der Asylbewerber sich in einer ihm fremden Umgebung befindet, mit dem Ablauf des deutschen Asylverfahrens nicht vertraut und in aller Regel der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Es ist demnach erforderlich, dass dem Asylbewerber durch eine erläuternde Belehrung mit der gebotenen Deutlichkeit vor Augen geführt wird, welche Obliegenheiten ihn im Einzelnen treffen und welche Folgen bei deren Nichtbeachtung entstehen können. Insbesondere reicht eine bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts vor dem Hintergrund des Verständnishorizonts des Asylbewerbers nicht aus. Vielmehr bedarf es einer verständlichen Umschreibung des Inhalts der gesetzlichen Bestimmungen. Diesem Gebot wird in aller Regel schon durch die in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle erforderliche Übersetzung der Vorschriften in eine dem Asylbewerber geläufige Sprache genügt werden, weil sich dabei allein aus Gründen der Praktikabilität eine sinngemäße, nicht strikt an juristischen Begrifflichkeiten orientierte Übertragung anbietet. Insoweit reicht es allerdings aus, dem Asylbewerber, sofern er des Lesens kundig ist, die erforderlichen Hinweise in schriftlicher Form zugänglich zu machen (vgl. zum Ganzen: BVerfG, B.v. 10.3.1994 – 2 BvR 2371/93 – juris Rn. 19-21 zu den damaligen § 10 AsylVfG und § 33 AsylVfG; B.v. 8.7.1996 – 2 BvR 96/95 – juris Rn. 17 f.; BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 10 C 1/13 – BVerwGE 147, 329 – juris Rn. 31 zum damaligen § 33 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG; ThürOVG, U.v. 14.12.2000 – 3 KO 1242/97 – juris Rn. 43-46; VG Berlin, B.v. 19.8.2016 – 6 L 417.16 A – juris Rn. 13).
Eine Belehrung nach der vor dem 17. März 2016 geltenden Rechtslage dahingehend, dass das Nichterscheinen zum Anhörungstermin für das Asylverfahren nachteilige Folgen haben, insbesondere gemäß § 25 Abs. 4 Satz 5 AsylG eine Entscheidung nach Aktenlage ohne persönliche Anhörung ergehen könne, ist keine ausreichende Belehrung i.S.v. § 33 Abs. 4 AsylG, der ausdrücklich eine Belehrung über die Rücknahmefiktion verlangt (vgl. zum Ganzen: VG Dresden, U.v. 22.8.2016 – 11 K 1061/16.A – juris Rn. 18 f.; VG Berlin, B.v. 19.8.2016 – 6 L 417.16 A – juris Rn. 12 f.; VG Freiburg, B.v. 12.8.2016 – A 3 K 1639/16 – juris Rn. 3; VG München, B.v. 22.7.2016 – M 4 S. 16.31752 – juris Rn. 13; VG Regensburg, B.v. 19.7.2016 – RO 11 S. 16.31399 – juris Rn. 15 f.; VG Köln, B.v. 12.7.2016 – 3 L 1544/16.A – juris Rn. 41-48; B.v. 19.5.2016 – 3 L 1060/16.A – juris Rn. 42-47; VG Kassel, G.v. 9.6.2016 – 6 K 620/16.KS.A -juris Rn. 26 f.).
Das Erfordernis einer schriftlichen Belehrung gegen Empfangsbestätigung aus § 33 Abs. 4 AsylG dient zum einen Beweiszwecken (vgl. VG Augsburg, U.v. 2.11.2016 – Au 5 K 16.32019 – juris Rn. 30). Zum anderen entfaltet eine derartige Belehrung aus § 33 Abs. 4 AsylG eine Warnfunktion, dem Asylbewerber soll hierdurch die besondere Tragweite der drohenden Rechtsfolgen hinreichend verdeutlicht werden (vgl. VG Arnsberg, B.v. 30.11.2016 – 5 L 1803/16.A – juris Rn. 16; VG Potsdam, B.v. 27.12.2011 – 6 L 811/11.A – juris Rn. 7 -zum wortgleichen § 23 Abs. 2 Satz 3 AsylG).
bb) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze dürfte vorliegend eine ordnungsgemäße Belehrung nach § 33 Abs. 4 AsylG nicht erfolgt sein.
(1) Eine hinreichende Belehrung nach § 33 Abs. 4 AsylG ist nicht durch die dem Antragsteller gegen Empfangsbestätigung durch Unterschrift am 9. April 2016 ausgehändigten, in die Sprache Urdu übersetzten Dokumente „Belehrung für Erstantragsteller über Mitwirkungspflichten“ sowie „Allgemeine Verfahrenshinweise“ erfolgt (Blatt 4-10 der Verwaltungsakte). Denn hier wurde der Antragsteller lediglich allgemein mit Blick auf § 25 Abs. 4 Satz 5 AsylG belehrt, dass er den Anhörungstermin unbedingt wahrnehmen solle, da ein Nichterscheinen ohne vorherige und rechtzeitige Mitteilung von Hinderungsgründen nachteilige Folgen haben könne (Entscheidung ohne persönliche Anhörung). Dass der Asylantrag als zurückgenommen gelten könne, wurde hingegen nur im Zusammenhang mit einer entgegen § 10 Abs. 1 AsylG unterlassenen Mitteilung über einen Wohnungswechsel angesprochen. Der nur in deutscher Sprache abgedruckte Gesetzestext enthielt zudem § 33 AsylG nicht. Eine solche allgemeine Belehrung erfüllt nach der Rechtsprechung – wie ausgeführt – die Anforderungen des § 33 Abs. 4 AsylG nicht.
(2) Auch das Ladungsschreiben des Bundesamts vom 6. Oktober 2016 (Blatt 38 f. der Verwaltungsakte) enthält keine ordnungsgemäße Belehrung i.S.v. § 33 Abs. 4 AsylG.
In der Ladung wurde der Antragsteller zwar nach nunmehr geänderter Verwaltungspraxis des Bundesamts (vgl. zur alten Belehrungspraxis: VG Regensburg, B.v. 19.7.2016 – RO 11 S. 16.31399 – juris Rn. 16 f.) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Asylantrag nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 AsylG als zurückgenommen gelte, wenn er zum Anhörungstermin nicht erscheint und kein unverzüglicher Nachweis rechtfertigender Hinderungsgründe erfolgt.
Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob dieser Hinweis über eine bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts hinaus eine verständliche Umschreibung des Inhalts von § 33 AsylG darstellt. Jedenfalls jedoch ist der Hinweis im Ladungsschreiben gegenüber dem Antragsteller nur in deutscher Sprache erfolgt. Das Bundesverfassungsgericht hat zur vergleichbaren Vorschrift des § 10 Abs. 7 AsylG („Der Ausländer ist bei der Antragstellung schriftlich und gegen Empfangsbestätigung auf diese Zustellungsvorschriften hinzuweisen.“) – wie dargelegt – ausgeführt, dass das im Rahmen der Hinweispflicht geltende Gebot einer verständlichen Umschreibung des Inhalts der gesetzlichen Bestimmungen in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle eine sinngemäße Übersetzung der Vorschriften in eine dem Asylbewerber geläufige Sprache erfordert (vgl. BVerfG, B.v. 10.3.1994 – 2 BvR 2371/93 – juris Rn. 19-21; B.v. 8.7.1996 – 2 BvR 96/95 – juris Rn. 17 f.; vgl. hierzu auch die Übersetzungen des Dokuments „Wichtige Mitteilung für Erstantragsteller“ durch das Bundesamt). Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Rechtsprechung auf die Hinweispflichten zu einer Rücknahmefiktion nach dem damaligen § 33 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG übertragen und ebenfalls betont, dass eine Übersetzung des Hinweises jedenfalls in den Fällen, in denen der Ausländer anwaltlich nicht vertreten ist und die Betreibensaufforderung ihm unmittelbar zugeht, erforderlich ist (BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 10 C 1/13 – BVerwGE 147, 329 – juris Rn. 31). Die somit erforderliche sinngemäße Übersetzung der Belehrung nach § 33 Abs. 4 AsylG ist vorliegend gegenüber dem im Asylverfahren anwaltlich nicht vertretenen Antragsteller nach Aktenlage im Ladungsschreiben nicht erfolgt (vgl. zum Ganzen bereits VG Augsburg, B.v. 17.11.2016 – Au 3 S. 16.32189 – juris Rn. 27-32; VG Gelsenkirchen, B.v. 21.11.2016 – 14a L 2519/16.A – juris Rn. 30-36).
3. Nach alledem war dem Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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