Aktenzeichen B 6 S 17.936
AufenthG § 60a Abs. 6, § 84
BayVwVfG Art. 28, Art. 47 Abs. 2 S. 1, Art. 48 Abs. 1, Art. 49
Leitsatz
1 Die Beschäftigungserlaubnis steht immer in einem unlösbaren engen Zusammenhang mit dem (anderen, nicht zur Erwerbstätigkeit berechtigenden) konkreten Aufenthaltstitel oder der konkreten Duldung, ohne dass eine auflösende Bedingung beigefügt werden müsste. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Ausbildungserlaubnis läuft zusammen mit der Duldung ab. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die „Entziehung“ der Ausbildungserlaubnis bedarf einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage. Als Ermächtigungsgrundlagen hierfür kommen nur Art. 48 BayVwVfG – Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts – oder Art. 49 BayVwVfG – Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts – in Betracht. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt R* … F* …, E* …, unter Beschränkung auf die Kosten eines im Bezirk des Verwaltungsgerichts Bayreuth niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet.
2. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 29.11.2017 gegen den Bescheid vom 20.11.2017 wird (längstens) bis zum Ablauf der aktuellen Duldung angeordnet.
3. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um eine Beschäftigungserlaubnis.
Der Antragsteller, äthiopischer Staatsangehöriger, reiste am 26.08.2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 19.09.2013 einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 13.04.2016 vollumfänglich ablehnte, verbunden mit einer Abschiebungsandrohung nach Äthiopien unter Bestimmung einer Frist für die freiwillige Ausreise von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 06.12.2016 (Az. B 2 K 16.30600), rechtskräftig seit dem 13.01.2017, ab.
Im Juli 2015 beantragte der Antragsteller die Erlaubnis zur Aufnahme einer Ausbildung zum Bauten- und Objektbeschichter im Malerfachbetrieb H* … in F* … Die Aufenthaltsgestattung des Antragstellers enthielt zuletzt die Nebenbestimmung: „Ausbildung als Bauten- und Objektbeschichter bei der Fa. H* …, F* … ab dem 01.09.2015 gestattet.“
Am 22.03.2017 beantragte der Antragsteller bei der Regierung von Oberfranken – Zentrale Ausländerbehörde B* … (im Folgenden: ZAB) die Erteilung einer Duldung nach § 60a AufenthG. Am 24.03.2017 stellte die ZAB dem Antragsteller eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldungsbescheinigung) aus mit der Nebenbestimmung: „Ausbildung als Bauten- und Objektbeschichter bei der Fa. H* …, F* … ab dem 01.09.2015 gestattet.“
Mit Schreiben vom 19.10.2017 hörte die ZAB den Antragsteller zum beabsichtigten Widerruf der Ausbildungserlaubnis an. Der Antragsteller sei inzwischen mehrfach aufgefordert worden, einen Reisepass vorzulegen bzw. Beschaffungsbemühungen nachzuweisen. Bisher liege lediglich die Bestätigung vom 08.06.2017 eines Rechtsanwalts in Äthiopien vor. Trotz Aufforderung vom 28.09.2017 mit Fristsetzung zum 14.10.2017 sei kein Nachweis vorgelegt worden, dass der Antragsteller die Passbeschaffung weiter aktiv vorantreibe und seinen Mitwirkungspflichten nachkomme. Es werde ihm daher gemäß Art. 28 BayVwVfG bis 19.11.2017 Gelegenheit gegeben, schriftlich zu der beabsichtigten Entziehung der Ausbildungserlaubnis Stellung zu nehmen und einen Nachweis vorzulegen, dass er die Beschaffung seines Reisepasses weiterbetreibe. Nach Fristablauf ohne Antwort werde nach Aktenlage entschieden und die Ausbildungserlaubnis (gegebenenfalls kostenpflichtig) zurückgenommen. Es werde darauf hingewiesen, dass nach Ablauf der Frist geltend gemachte Umstände und beigebrachte Nachweise bei der Entscheidung unberücksichtigt bleiben könnten.
Mit Schreiben vom 09.11.2017 zeigten die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers dessen Vertretung im Verwaltungsverfahren an. Dem Antragsteller sei von der Ausländerbehörde ein Vertrauensanwalt namens T* … G* … in Äthiopien genannt worden, dem er (der Antragsteller) am 16.06.2017 300,00 EUR für die Beschaffung von Identitätspapieren, insbesondere einer Geburtsurkunde, überwiesen habe. Der Antragsteller habe auch weitere zweckdienliche Unterlagen per E-Mail an diesen Rechtsanwalt geschickt. Hiervon habe der Antragsteller die ZAB in Kenntnis gesetzt. Auf das Schreiben der ZAB vom 28.09.2017 habe eine „Betreuerin“ erläutert, dass der Antragsteller sich darum kümmere und versuche, sich telefonisch mit dem Rechtsanwalt in Äthiopien in Verbindung zu setzen, um entsprechende Nachweise vorzulegen. Leider habe der Rechtsanwalt bisher keinerlei Nachweise geschickt, sondern vielmehr am 04.11.2017 einen weiteren Vorschuss in Höhe von 150,00 EUR verlangt. Es werde um Mitteilung gebeten, ob dieser Rechtsanwalt überhaupt noch von der ZAB anerkannt werde, bevor der Antragsteller weiteres Geld investiere, da andere Ausländerbehörden Auskünfte von diesem Rechtsanwalt bereits abgelehnt hätten.
Darauf erwiderte die ZAB mit Schreiben vom 10.11.2017, zwischenzeitlich sei ihr auch mitgeteilt worden, dass es nach der Beauftragung des genannten Rechtsanwalts zu Ungereimtheiten gekommen sei. Überprüfungen hätten fehlerhafte Ergebnisse und mangelhaftes Tätigwerden ergeben. Es bleibe jedoch dem Antragsteller selbst überlassen, wen er beauftrage. Die ZAB behalte sich vor, gegebenenfalls Nachprüfungen vorzunehmen. Verwiesen werde auf die Deutsche Botschaft in A* … Dort könne der Antragsteller Anschriften von deren Vertrauensanwälten erfahren.
Die dem Antragsteller erteilte Duldung wurde mit der Nebenbestimmung „Ausbildung als Bauten- und Objektbeschichter bei der Fa. H* …, F* … ab dem 01.09.2015 gestattet“ zuletzt bis zum 23.01.2018 verlängert.
Nachdem der Antragsteller die Abschlussprüfung im Juli 2017 nicht bestanden hatte, wurde das Berufsausbildungsverhältnis bis zum 28.02.2018 zur Teilnahme an der Wiederholungsprüfung verlängert.
Mit Bescheid vom 20.11.2017 entzog die ZAB dem Antragsteller die Erlaubnis zur Beschäftigung als Auszubildender zum Bauten- und Objektbeschichter bei der Firma H* … in F* … mit sofortiger Wirkung. In der Begründung wird ausgeführt, die bis 19.11.2017 gesetzte Frist habe der Antragsteller ohne Dokumentenvorlage und ohne Vorbringen neuer Sachverhalte, welche eine andere Bewertung zulassen würden, verstreichen lassen. Auch die Äußerung seines Rechtsanwalts vom 09.11.2017 habe keinen neuen Sachverhalt ergeben. Nach § 60a Abs. 6 AufenthG dürfe einem Ausländer, der eine Duldung besitze, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden könnten. Der Antragsteller sei inzwischen mehrfach aufgefordert worden, den Reisepass vorzulegen bzw. Beschaffungsbemühungen nachzuweisen. Unabhängig von seinen Mitwirkungspflichten gemäß § 15 AsylG, § 82 AufenthG sowie §§ 48, 49 AufenthG, denen er nicht nachgekommen sei, habe er auch eigenständig die Initiative zu ergreifen und alle erforderlichen Schritte in die Wege zu leiten, um die notwendigen Dokumente zu beschaffen und vorzulegen. Bezüglich der Bemühungen des Antragstellers liege lediglich die Auftragsbestätigung des Rechtsanwalts in Äthiopien vom 08.06.2017 vor. Trotz Aufforderung vom 28.09.2017 und Anhörung vom 19.10.2017 sei kein Nachweis vorgelegt worden, dass der Antragsteller die Passbeschaffung weiter aktiv vorantreibe und seinen Mitwirkungspflichten nachkomme. Die Beschäftigungserlaubnis sei somit mit sofortiger Wirkung zu entziehen.
Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 29.11.2017, beim Verwaltungsgericht Bayreuth an diesem Tag auch eingegangen, hat der Antragsteller gegen den Bescheid vom 20.11.2017 Klage erhoben und außerdem beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Ferner hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R* … F* …, …,
beantragt.
Zur Begründung wird geltend gemacht, es werde davon ausgegangen, dass die Klage an sich aufschiebende Wirkung habe. Für den Fall, dass das Gericht anderer Meinung sei, werde der rein vorsorgliche Hilfsantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt, da im angefochtenen Bescheid der Entzug der Beschäftigungserlaubnis zur Ausbildung mit sofortiger Wirkung mitgeteilt worden sei. Es werde ein Überweisungsbeleg für einen Vorschuss in Höhe von 300,00 EUR überreicht, den der Antragsteller an den Rechtsanwalt … in Äthiopien über das Konto seiner Tochter in Deutschland geleistet habe. Des Weiteren würden Ausdrucke aus WhatsApp über Kontakte des Antragstellers mit dem Rechtsanwalt in Äthiopien und die Aufforderung, endlich die Geburtsurkunde zu beschaffen, überreicht.
Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 13.12.2017 die Ausländerakte vorgelegt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten B 4 K 17.937 und B 4 S 17.936 und die beigezogene Ausländerakte Bezug genommen.
II.
1. Gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann sowie die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehend dargelegten Gründen hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Beiordnung seines Rechtsanwaltes beruht auf § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO.
2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Beschäftigungserlaubnis ist zulässig und begründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage anordnen, wenn sie entgegen § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO entfällt, weil ein Bundesgesetz dies vorschreibt.
2.1 Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft, weil gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 84 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG die Klage gegen die Änderung oder Aufhebung einer Nebenbestimmung, die die Ausübung einer Erwerbstätigkeit betrifft, keine aufschiebende Wirkung hat. Auch wenn der in die Duldungsbescheinigung aufgenommene Zusatz „Ausbildung als Bauten- und Objektbeschichter bei der Fa. H* …, F* … ab dem 01.09.2015 gestattet“ keine Nebenbestimmung im Sinne des Art. 36 BayVwVfG darstellt, liegt ein Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 84 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG vor, weil im Anwendungsbereich des Aufenthaltsgesetzes von einem weiteren Begriff der Nebenbestimmung ausgegangen werden muss (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.07.2017 – 11 S 695/17, Rn. 31, juris).
2.2 Der Antrag ist begründet, weil das Interesse des Antragstellers daran, seine Erwerbstätigkeit als Auszubildender bis zum Ablauf der aktuellen Duldung (siehe dazu 2.2.1) weiter ausüben zu dürfen, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides, d.h. an der sofortigen Einstellung der Erwerbstätigkeit, überwiegt. Denn die angefochtene „Entziehung“ der Ausbildungserlaubnis wird aller Voraussicht nach im Hauptsacheverfahren aufgehoben werden, wenn sie sich nicht vorher durch Zeitablauf erledigt, weil sie rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist (2.2.2).
2.2.1 Die zeitliche Begrenzung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung (längstens) bis zum Ablauf der aktuellen Duldung beruht auf den strukturellen Prinzipien und Geltungsbedingungen von Beschäftigungserlaubnissen. Auch wenn dies nicht ausdrücklich im Aufenthaltsgesetz zum Ausdruck gebracht wird, ist davon auszugehen, dass die Beschäftigungserlaubnis immer in einem unlösbaren engen Zusammenhang mit dem (anderen nicht zur Erwerbstätigkeit berechtigenden) konkreten Aufenthaltstitel oder der konkreten Duldung steht, ohne dass eine auflösende Bedingung beigefügt werden müsste. Dies schließt es nicht aus, dass die Geltungsdauer einer Beschäftigungserlaubnis ausdrücklich kürzer bemessen wird, als die des Titels oder der Duldung selbst. Eine über den Titel oder die Duldung in zeitlicher Hinsicht hinausweisende Erlaubnis, wie sie noch nach dem früheren selbstständigen Arbeitserlaubnisverfahren denkbar war, ist dem Aufenthaltsgesetz hingegen fremd (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Juli 2017 – 11 S 695/17, Rn. 29, juris). Konkret bedeutet dies, dass die Ausbildungserlaubnis zusammen mit der Duldung abläuft und – gegebenenfalls – im Rahmen der Verlängerung der Duldung über die Erteilung bzw. Verlängerung der Ausbildungserlaubnis neu zu entscheiden ist. Die angefochtene Entziehung der Ausbildungserlaubnis ist dann durch Zeitablauf erledigt (Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG).
2.2.2 Die „Entziehung“ der Ausbildungserlaubnis bedarf einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage. Der Bescheid vom 20.11.2017 nennt § 60a Abs. 6 AufenthG. Dessen Satz 1 verbietet unter bestimmten Voraussetzungen, einem geduldeten Ausländer die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu erlauben, ermächtigt aber nicht dazu, eine bereits erteilte Erlaubnis zu „entziehen“. Als Ermächtigungsgrundlagen hierfür kommen nur Art. 48 BayVwVfG – Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts – oder Art. 49 BayVwVfG – Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts – in Betracht, je nachdem, ob im Zeitpunkt der letzten Duldungsverlängerung mit erneuter Erteilung der Beschäftigungserlaubnis (Verfügung vom 29.09.2017) die Voraussetzungen des § 60a Abs. 6 AufenthG bereits vorlagen (dann Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts) oder ob diese Voraussetzungen erst nachträglich eingetreten sind (dann Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts).
Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann gemäß Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wobei ein begünstigender Verwaltungsakt – wie die Ausbildungserlaubnis – nur unter bestimmten Einschränkungen zurückgenommen werden darf. Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf gemäß Art. 47 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen werden.
Es kann dahingestellt bleiben, ob vorliegend der Rücknahmetatbestand oder ein Widerrufstatbestand oder keiner von beiden erfüllt ist. Der angefochtene Bescheid ist unabhängig davon auf jeden Fall rechtswidrig, weil sowohl Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG als auch Art. 47 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln („kann“, „darf“). In diesem Fall prüft das Gericht gemäß § 114 Satz 1 VwGO auch, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Begründung des angefochtenen Bescheides lässt überhaupt keine Ermessensausübung – nicht einmal ansatzweise – erkennen. Vielmehr wird lediglich der Tatbestand des § 60a Abs. 6 AufenthG als erfüllt angesehen und daraus gefolgert, dass die Ausbildungserlaubnis „mit sofortiger Wirkung zu entziehen ist“. Diese Entscheidung wäre – bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 1 oder Art. 47 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG – nur im Falle einer Ermessensreduzierung „auf Null“ in dem Sinne, dass allein die Rücknahme bzw. der Widerruf der Ausbildungserlaubnis einer pflichtgemäßen Ermessensausübung entspricht, im Ergebnis rechtmäßig. Angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller kurz vor dem Abschluss seiner Ausbildung steht, sowie des Umstandes, dass die Ausbildungserlaubnis ohnehin am 23.01.2018 zusammen mit der Duldung abläuft, ist das Rücknahme- bzw. Widerrufsermessen aber keinesfalls in diesem Sinne „auf Null“ reduziert.
Eine „Heilung“ des rechtswidrigen Bescheides im Klageverfahren ist ausgeschlossen. Zwar kann die Verwaltungsbehörde gemäß § 114 Satz 2 VwGO ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen. Eine solche Ergänzung von Ermessenserwägungen kommt aber nur dann in Betracht, wenn im Kern bereits eine Ermessensbetätigung stattgefunden hat. Bei einem vollständigen Ermessensausfall ist eine Nachbesserung der Ermessensentscheidung über § 114 Satz 2 VwGO nicht möglich (BayVGH, Urteil vom 27. 09.2012 – 20 B 12.17, Rn. 30, juris; Beschluss vom 23.02.2012 – 14 CS 11.2837, Rn. 48, juris).
2. Angesichts der derzeitigen Erfolgsaussichten der Klage wird dem Antrag auf Anordnung ihrer aufschiebenden Wirkung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der Antragsgegner als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens trägt, stattgegeben, obwohl die aufschiebende Wirkung der Klage nur zeitlich beschränkt ausgesprochen ist.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG (halber Auffangstreitwert).