Verwaltungsrecht

Rechtswidrigkeit des Vollzugs von Abschiebhaft

Aktenzeichen  13 T 5185/16

Datum:
8.9.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 117627
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AufenthaltG § 2 Abs. 14 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, § 60a Abs. 2, § 62 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 5

 

Leitsatz

1 Für die Annahme eines Haftgrundes nach § 62 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG reicht es nicht aus, wenn die  Ausreisefrist abgelaufen ist und ein Ausländer seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift bekannt zu geben, unter der er erreichbar ist. Vielmehr muss der nichtgemeldete Wohnortwechsel auf der Absicht des Untertauchens beruhen. (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
2 Auch eine wiederholte vorübergehende Abwesenheit von einer Asylunterkunft stellt keinen Aufenthaltswechsel im Sinne des § 62 Abs. 3 Nr. 2 AufenthaltG dar, wenn die in Frage stehende Abwesenheit immer nur vorübergehend und von verhältnismäßig kurzer Dauer war und nie mit einer endgültigen Aufgabe des Wohnorts in der Unterkunft einherging. Zudem kann von einer Absicht des Untertauchens bei einem Betroffenen, der nachweislich immer wieder auch längerfristig in die Unterkunft zurückkehrte, im fraglichen Zeitraum mehrfach persönlich bei der Ausländerbehörde bzw beim Bundesamt vorsprach und Termine wahrnahm bzw sich entschuldigte, nicht ausgegangen werden. (Rn. 58) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Fluchtgefahr im Sinne des § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AufentHG läßt sich in einem solchen Fall auch nicht gemäß § 2 Abs. 14 Nr. 1 AufenthaltsG begründen, da es auch hier am nicht nur vorübergehenden Aufenthaltswechsel, jedenfalls aber an der entsprechenden Entziehungsabsicht fehlt. (Rn. 62) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

872 XVI 61/16 2016-03-23 AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts München vom 23.03.2016 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt und die aufgrund dieses Beschlusses von 23.03.2016 bis 30.03.2016 vollzogene Haft rechtswidrig war.
2. Der Freistaat Bayern trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die zur Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Betroffenen.
3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Betroffene ist kongolesischer Staatsangehöriger und wurde an … Kinshasa geboren. Seine Ehefrau, … sowie seine beiden Töchter … in Kinshasa und … in Kinshasa wohnen in der Demokratischen Republik Kongo, …
Am am 01.08.2010 reiste der Betroffene in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 27.08.2010 seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 21.01.2011, Az. 5436569-246 wurde der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG ebenfalls nicht gegeben sind. Der Betroffene wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland spätestens einen Monat nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Sollte er die Ausreisefrist nicht einhalten, wurde ihm die Abschiebung in die Demokratische Republik Kongo (DR Kongo) angedroht. Gegen diesen Bescheid erhob er Klage. Mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 24.03.2011, Az. Au 1 K 11.30050 wurde die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Bundesamtes ist seit 03.05.2011 bestandskräftig.
Am 05.07.2011 erklärte sich der Betroffene bereit, die Bundesrepublik Deutschland freiwillig bis spätestens 04.10.2011 bzw. sobald das entsprechende Heimreisedokument vorliegt, zu verlassen. Anschließend wurde seine bis 04.10.2011 befristete Duldung bis 27.12.2011 verlängert. Am 27.01.2012 gab das Bundesamts für Migration und Flüchtlinge einem Wiederaufnahmeersuchen Belgiens vom 24.01.2012 nach Art. 16 Abs. 1 e der Dublin II Verordnung statt. Dabei hatten die belgischen Behörden die Aliasnamen …, geboren am … in Kinshasa, Kongo, mitgeteilt. Offenkundig hatte er am 07.11.2011 in Belgien Asyl beantragt. Nach einem weiteren Asylantrag in Frankreich wurde der Betroffene am 25.04.2013 aus Paris nach München rücküberstellt; am 26.04.2013 stellte er einen Asylfolgeantrag, der mit Bescheid vom 13.06.2013 abgelehnt wurde. Im Rahmen einer hiergegen erhobenen Klage hob das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Bescheid vom 13.06.2013 auf und stimmte der Erklärung der Hauptsacheerledigung zu. Mit Schreiben vom 06.03.2014 erklärte das Bundesamt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1-3 VwVfG nicht vorlägen und ein weiteres Aslyverfahren nicht durchgeführt werde. Am 16.04.2014 wurde der Betroffen unter Fristsetzung bis 23.04.2014 zum Nachweis der Beantragung eines Passes oder gültigen Reisedokuments bei der zuständigen Auslandsvertretung aufgefordert. Ein entsprechender Bescheid, in dem der Betroffene zur Wahrnehmung eines Termins in der Botschaft der DR Kongo in Berlin verpflichtet wurde, erging am 28.04.2014. Den Termin nahm der Betroffene nicht wahr. Daraufhin wurde für einen neuen Termin am 25.06.2014 die Vorführung angedroht. Zu diesem Temrin erschien der Betroffene. Dabei konnte die Identität festgestellt und ein Reisdokument (Laissez Passer) ausgestellt werden. Mit Bescheid vom 14.07.2014 wurde der Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt. Die dagegen am 05.08.2014 erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 15.12.2014, Az. Au 1 K 14. 30445 abgewiesen. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, die vom Betroffenen behauptete zwischenzeitliche Rückreise in die DR Kongo und Konflikte mit den dortigen Sicherheitsbehörden sei nicht schlüssig belegt worden. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hiergegen wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21.04.2015 abgelehnt.
Mit Bescheid vom 28.04.2015, zugestellt am 29.04.2015, wurde die Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland für drei Jahre untersagt, wobei die Frist mit der Ausreise (Abschiebung) beginnt.
Mit Bescheid vom 11.05.2015, zugestellt am 11.05.2015, wurde schließlich die räumliche Beschränkung des Aufenthalts auf den Landkreis … angeordnet. Ebenfalls wurde in der gleichen Entscheidung die Duldung mit der auflösenden Bedingung verlängert, dass diese mit der Bekanntgabe des Abschiebetermins erlischt. Dem Betroffenen wurde eine Duldungsbescheinigung mit einer Gültigkeit bis zum 22.06.2015 erteilt.
Gegen den Befristungsbescheid hat der Betroffene am 01.06.2015 Klage zum zuständigen Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben. Das Verfahren wurde mit Beschluss des VG Augsburg vom 14.07.2015 eingestellt, nachdem die Klage mit Schriftsatz 13.07.2015 zurückgenommen wurde.
Mit Schriftsatz vom 18.06.2015 bat die jetzige anwaltliche Vertreterin des Betroffenen um Übersendung einer verlängerten Duldungsbescheinigung, da der Betroffene krankheitsbedingt nicht vorsprechen könne. Eine Nachfrage beim Heimleiter in der Asylunterkunft am 22.06.2015 ergab, dass sich der Betroffene in letzter Zeit immer wieder nur ein paar Tage in der Unterkunft aufhielt und dann wieder weg war. Eine Rückfrage bei der Rechtsanwältin ergab, dass er sich derzeit bei einem Freund aufhalten würde. Die Adresse des Freundes wurde nicht preisgegeben. Es wurde ein ärztliches Attest angekündigt.
Am 22.06.2015 stellte der Betroffenen erneut einen Asylfolgeantrag, der mit einer schweren Erkrankung in Form einer Anpassungsstörung (ICD 10 F 43.2) begründet wurde. Dieser wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 30.06.2015 mit der Begründung abgelehnt, eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit i.S.d. § 60 Abs. 7 AufenthG läge nicht vor. Diese sei nur gegeben, wenn sich eine vorhanden Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände bei der Rückkehr in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen Gefahr für Leib oder Leben führe. Das Bestehen einer psychischen Erkrankung, die sich bei Rückkehr in das Heimatland lebensgefährlich verschlechtern könne, sei nicht ausreichend dargelegt.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 22.06.2015 beantragte der Betroffene unter Vorlage eines Attestes von Herrn Dr. … vom 22.06.2015 seine amtsärztliche Untersuchung bzgl. der Reisefähigkeit sowie die Streichung der Wohnsitzauflage in der Duldung.
Die Duldungsbescheinigung wurde am 23.06.2015 bei einer persönlichen Vorsprache bis zum 21.07.2015 verlängert. Bei dieser Vorsprache erklärte der Betroffene, dass er immer in … übernachtet hätte, jeweils mit dem Zug nach München gefahren sei und abends zurückgekehrt wäre. In diesem Zusammenhang wurde der Betroffene in französischer Sprache über seine besonderen Mitwirkungspflichten (Aufenthalt nur im Landkreis …, Notwendigkeit einer Verlassenserlaubnis, wenn er den Landkreis … verlassen möchte, Wohnsitznahme in …) belehrt.
Mit Schreiben vom 03.07.2015 wurde das Gesundheitsamt mit einer amtsärztlichen Stellungnahme zur Reisefähigkeit beauftragt.
Am 20.07.2015 wurde die Ausländerbehörde von der Zentralen Ausländerbehörde darüber informiert, dass für den Betroffenen ein Heimreiseschein mit einer Gültigkeit bis zum 14.01.2016 ausgestellt wurde.
Die Duldungsbescheinigung wurde am 28.08.2015 abermals bis zum 18.09.2015 verlängert.
Am 04.09.2015 ging bei der Ausländerbehörde die amtsärztliche Stellungnahme ein, wonach der Betroffene reisefähig ist.
Am 08.09.2015 wurde die Luftabschiebung mit Sicherheitsbegleitung beantragt.
Mit Schreiben vom 11.09.2015 wurde die anwaltliche Vertreterin darüber informiert, dass der Betroffene reisefähig ist. Gleichzeitig wurde ihr mitgeteilt, dass die Duldungsbescheinigung über den 18.09.2015 hinaus nicht mehr verlängert wird und die Abschiebung organisiert wird. Dem Betroffenen wurde eine Bescheinigung ausgestellt, wonach seine Abschiebung eingeleitet ist. Ebenfalls wurde darin festgehalten, dass sein Aufenthalt gemäß § 51 Abs. 6 AufenthG räumlich auf den Landkreis … beschränkt ist sowie dass er weiterhin in der Asylunterkunft in … zu wohnen verpflichtet ist. Auf der Bescheinigung ist auch festgehalten, dass diese mit dem Tag der Abschiebung, spätestens aber mit Ablauf des 16.10.2015 ungültig wird. Im Schreiben an seine anwaltliche Vertreterin erfolgte nochmals der Hinweis auf seine besonderen Mitwirkungspflichten nach § 50 Abs. 4 AufenthG.
Am 02.10.2015 wurde der Ausländerbehörde bekannt, dass sich der Betroffene seit 16.09.2015 in der Psychiatrie im Klinikum Innenstadt der Universität München, … befindet.
Ausweislich der fachärztliche Stellungnahme des Klinikums der Universität München, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, … vom 06.10.2015 wurde eine schwere depressive Episode (ICD 10 F 32.2) mit Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung und Somatisierungsstörung diagnostiziert. Es bestehe die Gefahr einer Exazerbation der Erkrankung mit akuter Eigengefährdung und die Indikation für eine vollstationäre fachärztliche psychiatrische Behandlung.
Mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 9.10.2015, Az. Au 1 K 15.30411, wurde die Klage des Betroffenen gegen die Ablehnung seines mit seiner Erkrankung begründeter Asylfolgeantrags vom 22.06.2015 abgewiesen. Der Entscheidung lag auch das Attest der Klinik der LMU München vom 06.10.2015 zugrunde. Zur Begründung wird u.a. ausgeführt, die vorgelegten fachärztlichen Stellungnahmen bestätigten lediglich, dass der Kläger aufgrund seiner unsicheren Aufenthaltssituation und der bestehenden Ausreisepflicht schwere psychische Probleme habe. Hingegen könne den Unterlagen nicht entnommen werden, dass sich die Erkrankung durch zielstaatsbezogene Umstände wesentlich verschlechtern werde, wenn der Antragsteller in sein Heimatland zurückkehre. Seine gesundheitliche Situation basiere auf den Unsicherheiten seiner gegenwärtigen Lage in der Bundesrepublik Deutschland und hätten – sofern sie zu einer ernsthaften Gefährdung des Klägers im Falle seiner Abschiebung führen – nur Auswirkungen auf die Frage der Reisefähigkeit, die als inlandsbezogenes Abschiebungshindernis nicht Gegenstand des aslyrechtlichen Verfahrens sei. Der daraufhin vom Betroffenen gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25.11.2015, Az. 21 ZB 15.30240, abgelehnt.
Am 05.11.2015 wurde der Betroffene aus dem Klinikum der Universität München, … mit der Empfehlung der Weiterführung der Medikation sowie der ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung entlassen.
Bei einem Telefonat mit der Heimleitung der Asylunterkunft in … am 30.11.2015 wurde mitgeteilt, dass der Betroffene in der Unterkunft bereits lange nicht mehr gesehen worden sei. Der Heimleiter wollte in den nächsten Tagen gezielter nachschauen. Am 04.12.2015 wurde durch die Heimleitung mitgeteilt, dass der Betroffene nicht in der Unterkunft sei. Seine Mitbewohner hätten ihn ebenfalls nicht gesehen.
Am 23.12.2015 sprach der Betroffene letztmalig bei der Ausländerbehörde vor.
Mit Schreiben vom 04.01.2016 wurde der Betroffene entsprechend seinen Mitwirkungspflichten gebeten, sich am 28.01.2016, 14.30 Uhr zur amtsärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit im Gesundheitsamt des Landratsamtes … einzufinden. Gleichzeitig wurde er zu einer beabsichtigten Anordnung hinsichtlich des persönlichen Erscheinens und Mitwirkens an einer ärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit angehört, für den Fall, dass er am 28.01.2016 nicht erscheint. Zu dem Termin erschien er nicht, nachdem er durch seine Rechtsanwältin entschuldigt worden war.
Nach einer Auskunft der Heimleitung der Asylunterkunft in … vom 28.01.2016 hatte sich der Betroffene in den letzten Wochen größtenteils in der Unterkunft aufgehalten.
Am 26.01.2016 wurde durch die kongolesische Auslandsvertretung in der Bundesrepublik Deutschland ein neuer Heimreiseschein mit einer Gültigkeit bis zum 25.07.2016 ausgestellt.
Eine Rückfrage bei der Heimleitung der Asylunterkunft am 15.02.2016 ergab, dass der Betroffene seit Anfang Februar 2016 in der Unterkunft nicht mehr gesehen wurde.
Mit Bescheid vom 15.02.2016 wurde eine ärztliche Untersuchung zum Zwecke der Feststellung der Reisefähigkeit am 10.03.2016, 15.00 Uhr angeordnet. Hierzu wurde ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie beigezogen.
Am 18.02.2016 teilte die Heimleitung der Asylunterkunft in … mit, dass der Betroffene an jenem Tag erstmals wieder persönlich in der Unterkunft angetroffen worden sei. Auf Fragen teilte er mit, dass er immer in … geschlafen hätte und nur tagsüber bei Freunden in … gewesen wäre, deren Namen er nicht benennen wollte. Seine Mitbewohner hatten ihn allerdings auch bereits seit einigen Wochen nicht mehr gesehen.
Mit Schreiben vom 10.03.2016 wurde seitens des Bundesamtes aufgrund eines entsprechenden Anwaltsschreibens ein Termin zur Asylantragstellung (Folgeantrag) für den 14.03.2016, 8.00 Uhr anberaumt.
Nach einer Auskunft der Heimleitung der Unterkunft in … am 11.03.2016 wurde der Betroffene vom 09.03.2016 bis zum 11.03.2016 in der Unterkunft nicht mehr gesehen.
Den Termin zur ärztlichen Untersuchung am 10.03.2016 nahm der Betroffene wahr. Dabei ging der untersuchende Arzt nach vorläufiger Einschätzung von Reisefähigkeit aus und sagte die Übersendung seiner fachärztlichen Stellungnahme bis 23.03.2016 zu.
Am 14.03.2016 sprach der Betroffene beim Bundesamt vor. Mit Schreiben vom 14.03.2016 wurde seiner Rechtsanwältin durch das Bundesamt mitgeteilt, dass das Bundesamt von keiner wirksamen Antragstellung ausgeht und deshalb auch kein weiteres Asylverfahren angelegt wurde. Der Betroffene habe sich beim Bundesamt in einer Weise präsentiert, die es zweifelhaft erscheinen ließ, ob er zur Abgabe von Willenserklärungen uneingeschränkt fähig sei. Er vermittele, ob bewusst oder unbewusst den Eindruck, dass er die Tragweite seines Handelns nicht zutreffend einschätzen konnte. Die Mitarbeiter des Bundesamtes waren zum Eigenschutz gehalten die Polizei zu rufen.
Am 14.03.2016 wurde der Betroffene mit der Aufnahmediagnose paranoide Schizophrenie ins Isar-Amper-Klinikum eingeliefert. Nach Rücksprache mit der behandelnden Ärztin am 21.03.2016 wurde er dort zu dieser Zeit noch überwacht. Er sei zwar noch nicht komplett remittiert, allerdings sei eine vollstationäre Unterbringung nach derzeitigem Stand nicht mehr erforderlich, so dass die Entlassung voraussichtlich am am 23.03.2016 erfolgen werde.
Mit Schreiben vom 21.03.2016 beantragte das Landratsamt … beim Amtsgericht München die einstweilige Anordnung der Sicherungshaft nach § 106 Abs. 2 S. 1 AufenthalthG bis 01.04.2016. Zur Begründung wird unter anderem ausgeführt, der Betroffene sei letztmalig mit Schreiben vom 23.07.2014 auf die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise hingewiesen worden, eine Rückmeldung hierzu sei nicht erfolgt; angesichts des Umstandes, dass er sich noch am 05.07.2011 zur freiwilligen Ausreise bereits erklärt habe, in der Folge aber untergetaucht sei, sei aktuell nicht von einer Ausreisebereitschaft auszugehen. Er sei nach § 50 Abs. 4 AufenthaltG mehrfach darüber belehrt worden, dass er verpflichtet sei, jeden Wohnungswechsel anzuzeigen und für jeden Aufenthalt außerhalb des Landkreises … eine Erlaubnis einzuholen. Aufgrund seines bisherigen Verhaltens sei davon auszugehen, dass er für die am 30.03.2016 organisierte Abschiebung nicht zur Verfügung stehen werde. Auch habe er in der Vergangenheit bereits Aliasnamen verwendet und trotz Hinweis auf seine Mitwirkungspflichten nicht an der Identitäsklärung mitgewirkt. Aufgrund der Gesamtumstände sei von Fluchtgefahr auszugehen. Im Falle der Anordnung der Abschiebehaft sei beabsichtigt, den Betroffenen in der AfA Mühldorf nochmals auf Reisefähigkeit untersuchen zu lassen. Seinem Gesundheitszustand werde durch entsprechende Vorkehrungsmaßnahmen bei der Abschiebung (Arztbegleitung, Sicherheitsbegleitung, Inempfangnahme durch einen Vertrauensarzt der Deutschen Botschaft im Kongo) Rechnung getragen.
II.
Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 22.03.2016 wurde die einstweilige Freiheitsentziehung bis längsten 01.04.2016 gemäß § 427 FamFG angeordnet.
Am 23.03.2016 ging beim Amtsgericht ein von Dr. …, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, erstelltes Gutachten über das Ergebnis der Untersuchung vom 10.03.2016 ein, in dem der Verdacht auf paranoide Schizophrenie (F20.0) diagnostiziert wurde und der Betroffene bei Begleitung durch einen Arzt für Psychiatrie für reisefähig erklärt wird.
Am selben Tag wurde der Betroffene im Beisein eines Dolmetschers vom Amtsgericht München zu dem Antrag der Ausländerbehörde angehört. Daraufhin wurde der Beschluss des Amtsgerichts München vom 22.03.2016 mit Beschluss vom 23.03.2016 aufgehoben und zugleich Abschiebungshaft bis längstens 01.04.2016 angeordnet, wobei für die Berechnung der Abschiebungshaft auf den Beginn der Vollstreckung aufgrund der Anordnung vom 22.03.2016 abgestellt wurde. Gegen diesen Beschluss legte der Betroffene im Rahmen der Anhörung Beschwerde ein.
Die Ausländerbehörde nahm hierzu mit Fax vom 24.03.2016 dahingehend Stellung, sie halte mangels neuer Gesichtspunkte an ihrem Antrag vom 21.03.2016 fest.
Das Amtsgericht München hat der Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss vom 23.03.2016 mit Beschluss vom 24.03.2016 nicht abgeholfen.
Mit Schreiben vom 29.03.2016, eingegangen am selben Tag, legte die Rechtsanwältin des Betroffenen Beschwerde gegen den Beschluss vom 23.03.2016 ein. Sie ist der Ansicht, die Ausreisefrist sei nicht abgelaufen; auch ein Wechsel des Aufenthaltsortes läge nicht vor, da der Betroffene am 14.03.2016 bei der Ausländerbehörde vorgesprochen habe, woraufhin diese seine Einlieferung in das Isar – Amper – Klinikum veranlasst habe. Aus dem Umkehrschluss zu § 62 Abs. 3 Nr. 2 AufenthaltG folge nicht keine allgemeine Anwesenheitspflicht zu jeder Zeit.
Am 30.03.2016 wurde der Betroffene in die Demokratische Republik Kongo abgeschoben.
Die Ausländerbehörde ist der Auffassung, dass gar keine Ausreisefrist mehr bestehe. Vielmehr sei das Asylverfahren am 03.05.2011 bestandskräftig abgeschlossen worden; die ab diesem Zeitpunkt laufende einmonatige Ausreisefrist sei daher längst abgelaufen. Die Vorsprache am 14.03.2016 habe nicht bei der Ausländerbehörde, sondern beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stattgefunden.
Mit Schreiben vom 11.04.2016 beantragte die Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchführung und Anordnung der Abschiebung nach § 62 FamFG und bat um Mitteilung der Qualifikation des begleitenden Arztes.
Die Ausländerbehörde teilte hierzu mit Schreiben vom 27.04.2016 mit, der Betroffene sei von der Abholung in der JVA Mühldorf bis zur Ankunft in Kinshasa von Dr. … ärztlich begleitet und von einem Vertrauensarzt der Deutschen Botschaft in der DR Kongo in Empfang genommen worden. Dr. … verfüge über eine langjährige Berufserfahrung im Rahmen seiner forensischen Tätigkeit in den BKH …n und … sowie als Notarzt. Beigefügt wurde zudem eine Bescheinigung der AfA Mühldorf über die Reisetaulichkeit, ausgestellt von … in dem die Mitgabe von Mirtazapim 30 mg empfohlen und darauf hingewiesen wird, dass die Ergebnisse der Blutentnahme noch nicht vorlägen.
Mit Schreiben vom 4. Mai 2016 führt die Verfahrensbevollmächtigte aus, die Haftgründe würden nach wie vor bestritten. Es stelle sich die Frage, ob die Abschiebung in Kenntnis der Krankheit des Beschwerdeführers und der notwendigen Medikamentengabe überhaupt habe durchgeführt werden dürfen oder ob nicht vielmehr ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis und damit ein inländisches Vollstreckungshindernis bestanden habe. Zudem wurde um Überlassung des Ergebnisses der Blutentnahme sowie um Mitteilung gebeten, welche Maßnahmen bei Ankunft des Betroffenen in Kinshasa getroffen worden seien.
Die Ausländerbehörde ist der Ansicht, ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis läge nicht vor, und verwies hierzu auf die Bindungswirkung tatsächlichen Feststellungen des Bundesamts gemäß §§ 6 AsylG, 42 AsyVfG sowie §§ 60 Abs. 5 und 7 AufenthaltG.
Mit Schreiben vom 09.06.2016 teilte …, AfA Mühldorf, mit, der Betroffene habe bei der Zugangsuntersuchung i der JVA Mühldorf die Blutabnahme hinsichtlich Hepatitis, HIV und Geschlechtskrankheiten verweigert.
III.
Auf den nach § 58 ff., 62 FamFG zulässigen Feststellungsantrag des Betroffenen hin war auszusprechen, dass der Beschluss des Amtsgerichts München vom 23.03.2016 den Betroffenen in seinen Rechten verletzte und der Vollzug der Abschiebehaft vom 23.03.2016 bis 30.03.2016 rechtswidrig war.
1. Zwar stand die Erkrankung des Betroffenen einer Abschiebung nicht entgegen. Insoweit ist zunächst nach den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zwischen der Gefahr einer Gesundheitsverschlechterung nach der Rückkehr als zielstaatsbezogenem Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 AufenthaltG, für dessen Vorliegen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung Bindungswirkung entfaltet, und dem inlandsbezogenen Abschiebungshindernis fehlender Reisefähigkeit nach § 60 a Abs. 2 AufenthaltG, für deren Prüfung die Ausländerbehörde zuständig ist, zu unterscheiden. Die Ausländerbehörde hat insofern zunächst zutreffend festgestellt, dass die Frage einer möglichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Betroffenen im Kongo im verwaltungsgerichtlichen Verfahren abschließend geklärt wurde und daher keiner erneuten Prüfung durch die Ausländerbehörde bedarf. Allerdings ist die Frage der Reisefähigkeit des Betroffenen von der Ausländerbehörde in jedem Stadium des Abschiebungsverfahrens zu prüfen. Deren Nichtvorliegen führt zu einem inlandsbezogenen Abschiebungshindernis nach § 60 a Abs. 2 AufenthaltG. Die Verpflichtung zur Sicherstellung der Reisefähigkeit kann bis zum Übergang in die Betreuung und medizinische Versorgung im Heimatstaat fortdauern, wenn der Ausländer solcher zur Vermeidung von Gesundheitsgefahren unmittelbar bedarf, wobei der Ausländer wie bei der allgemeinen medizinischen Versorgung auch in diesem Zusammenhang regelmäßig auf den allgemeinen Standard seines Heimatlands zu verweisen ist. Die Abschiebung ist unzulässig, wenn den Gesundheitsgefahren nicht durch entsprechende Vorkehrungen begegnet werden kann. Bei substantiiert vorgetragenen oder sonst bekannt gewordenen qualifizierten Anhaltspunkten für komplexe psychischen Krankheitsbilder, wie z.B. einer posttraumatischen Belastungsstörung ist in der Regel ein fachärztliches Gutachten einzuholen, das sich gegebenenfalls auch zu ganz konkreten Maßnahmen der Risikominimierung von Gesundheitsgefahren äußern muss (vgl. zum Ganzen Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht 11. Auflage 2016, § 60 a AufenthG Rn. 28 ff m.w.N.). Diesen Anforderungen hat die Ausländerbehörde vorliegend durch die Einholung des Gutachtens von … sowie die nochmalige Untersuchung in der AfA Mühldorf ausreichend Rechnung getragen. Sämtliche der darin enthaltenen medizinischen Vorgaben wurden beachtet. Die Inempfangnahme durch einen Vertrauensarzt der Deutschen Botschaft ist im vorliegenden Fall eine ausreichende Maßnahme, um den Übergang in die medizinische Versorgung im Heimatland sicherzustellen.
2. Die Beschwerde ist jedoch in Sache begründet, weil die von der Ausländerbehörde und dem Amtsgericht angenommen Haftgründe des § 62 Abs. 3 Nr. 2 und 5 AufenthG nicht vorliegen.
a. Gem. § 62 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG ist ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und er seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift bekannt zu geben, unter der er erreichbar ist.
Dieser Haftgrund ist vorliegend nicht erfüllt.
Voraussetzung ist zunächst, dass der Aufenthaltsort ohne Angabe einer Anschrift gewechselt wird und der Ausländer daraufhin für die Behörde unerreichbar ist. Ein solcher objektiver Wechsel des Aufenthaltsortes alleine reicht aber nicht für eine Haftanordnung aus. Vielmehr muss der nichtgemeldete Wohnortwechsel auf der Absicht des Untertauchens beruhen (vgl. Bergmann/Dienelt a.a.O. § 62 Rn. 71 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an der objektiven Voraussetzung eines ungemeldeten Aufenthaltswechsels. Denn diese Erfordernis ist nicht mit einer permanenten Erreichbarkeit in der Einrichtung gleichzusetzen; Aufenthaltsort ist nicht jeder Ort des jeweiligen Sich – Aufhaltens. Der Aufenthalt im Sinne dieser Norm wird auch nicht bereits durch eine Reise aufgegeben, gleich ob sie weniger oder mehr als drei Tage dauert oder aus dem Bezirk der Ausländerbehörde herausführt oder nicht (vgl. Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht 11. Auflage 2016 § 62 Rz. 71 m.w.N.) Zwar hat sich der Betroffene trotz Belehrung über seine Mitwirkungspflichten und Anordnung des Ausländeramtes vom 11.5.2015, dass er sich nur im Landkreis … aufhalten dürfe und in der Asylunterkunft in … zu wohnen habe, wiederholt über gewisse Zeiträume hinweg nicht bzw. nur tageweise in der Unterkunft aufgehalten, ohne seine Anschrift bekannt zu geben. Auch hat er ungenehmigt den Landkreis verlassen; zudem wurde das Ausländeramt vom Betroffenen nicht über die oben geschilderten Krankenhausaufenthalte informiert.
Im vorliegenden Fall ist aber zu berücksichtigen, dass der Betroffene nach Nachfragen der Ausländerbehörde beim Heimleiter immer wieder sehr schnell gegenüber dem Ausländeramt reagiert hat. Er war demnach trotz vorübergehender, sei es tageweiser oder auch nächtlicher Abwesenheit von der Unterkunft letztlich für die Ausländerbehörde immer zeitnah erreichbar. So meldete sich nach der Nachfrage des Ausländeramtes bei der Heimleitung bereits einen Tag später persönlich bei der Ausländerbehörde. Hinsichtlich der Nichtmitteilung eines Aufenthaltes in Psychiatrischen Klinik zwischen dem 16.09.2015 und dem 02.10.2015 ist bereits fraglich, ob ein – zu anfangs hinsichtlich der Dauer ja regelmäßiger zeitlich nicht genau absehbarer – Klinikaufenthalt überhaupt als Wechsel des Aufenthalts im Sinne des § 62 Abs. 3 Ziffer 2 AufenthaltG gesehen werden kann; dies gilt umso mehr, als angesichts des damaligen gesundheitlichen Zustands des Betroffenen die Anforderungen an die sofortige Einhaltung der Meldepflicht nicht überdehnt werden sollten und die verfahrensbevollmächtigte Rechtsanwältin der Ausländerbehörde bereits am 13.10.2015 eine Stellungnahme des Klinikums zum Gesundheitszustand des Betroffenen hat zukommen lassen. Dass der Betroffene die Mitteilung des zweiten Klinikaufenthalt nicht für erforderlich gehalten hat, erklärt sich bereits aus dessen behördlicher Veranlassung durch das Bundesamt selbst.
Soweit die Heimleitung am 04.12.2015 mitgeteilt hat, der Betroffene sei lange nicht gesehen worden und befinde sich aktuell nicht in der Unterkunft, ist festzuhalten, dass sich der Betroffenen bereits am 23.12.2015 erneut persönlich bei der Ausländerbehörde meldete und die Heimleitung am 28.01.2016 mitteilte, er habe sich in den letzten Wochen größtenteils in der Unterkunft aufgehalten. Der Umstand, dass der Betroffene zwischen Anfang Februar und dem 18.02.2016 laut Auskunft der Heimleitung von Mitbewohnern nicht gesehen worden sei, belegt einen Aufenthaltswechsel ebenfalls nicht ausreichend, zumal er offenkundig von 18.02. bis 08.03.2016 (wieder) dort war. Zur Abwesenheit zwischen dem 09. und 14.03. Ist anzumerken, dass der Betroffene am 10.03.2016 den angeordneten ärztlichen Untersuchungstermin wahrgenommen und am 14.03.2016 beim Bundesamt vorgesprochen hat. Am selben Tag erfolgte die behördlich veranlasste Einlieferung ins I.-A.-Klinikum.
Bei Gesamtbetrachtung des Verhaltens des Betroffenen kann angesichts dieser Umstände nicht davon ausgegangen werden, dass die wiederholte vorübergehende Abwesenheit vom Heim einen nicht gemeldeten Aufenthaltswechsel im Sinne des § 62 Abs. 3 Ziffer 2 AufenthaltG darstellt. Die hier in Frage stehende Abwesenheit war immer nur vorübergehend und von verhältnismäßig kurzer Dauer, teils erfolgte er sogar krankheitsbedingt; auch ging er nie mit einer endgültigen Aufgabe des Wohnorts in der Unterkunft einher; im Übrigen begründet selbst der nicht gemeldete Wohnortwechsel lediglich eine widerlegbare Vermutung dahingehend, dass die Abschiebung ohne eine Inhaftierung erschwert oder vereitelt wird. Zudem muss der Wohnortwechsel auf der Absicht des Untertauchens beruhen. Hiervon kann angesichts des Verhaltens des psychiatrisch erkrankten Betroffenen, der nachweislich immer wieder auch längerfristig in die Unterkunft zurückkehrte, im fraglichen Zeitraum mehrfach persönlich bei der Ausländerbehörde bzw. beim Bundesamt vorsprach und Termine wahrnahm bzw. sich entschuldigte, nicht ausgegangen werden.
Zusammengefasst begründen die Fehlzeiten des Betroffenen im Heim unter diesen Umständen schon gar keinen nicht angezeigten Aufenthaltswechsel. Selbst wenn man von letzterem ausginge, wäre dies hier kein für sich allein kein ausreichender Haftgrund, da nicht ausreichend erwiesen ist, dass der Aufenthaltswechsel auf der Absicht des Untertauchens beruht.
b. Auch der vom Amtsgericht angenommene Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 62 Abs. 3 Ziff. 5 AufenthG ist nicht gegeben. Demnach ist ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn im Einzelfall Gründe vorliegen, die auf den in § 2 Abs. 14 AufenthG festgelegten Anhaltspunkten beruhen und deshalb der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung durch Flucht entziehen will. Das Amtsgericht stützt die Annahme dieses Haftgrundes auf § 2 Abs. 14 Nr. 1-3 AufenthaltG.
aa. Zu § 2 Abs. 14 Nr. 2 und 3 AufenthaltG (Identitätstäuschung oder Verweigerung gesetzlicher Mitwirkungshandlungen zur Identitätsfeststellung) enthält der Antrag der Ausländerbehörde keinerlei substantiierten Tatsachenvortrag. Soweit hierzu den Akten der Ausländerbehörde zu entnehmen ist, dass den belgischen Behörden ein Aliasname bekannt war und der Betroffene den ersten Termin in der Botschaft zur Beschaffung eines Heimreisedokumentes nicht wahrgenommen hat, rechtfertigt dies nicht die Annahme eines Fehlverhaltens im Sinn der § 2 Abs. 14 Nr. 2 und 3 AufenthG. Denn eine Identitätstäuschung begründet nur dann einen Anhaltspunkt für Fluchtgefahr, wenn die Täuschung im Zusammenhang mit einer bevorstehenden Abschiebung erfolgt (Vgl. Bergmann/Dienelt a.a.O. § 62 Rn. 89). Hieran fehlt es, wenn lediglich feststeht, dass den belgischen Behörden ein Aliasname bekannt ist. Auch aus der einmaligen Nichtwahrnehmung eines Termins bei der Botschaft in Berlin lässt sich nicht mit ausreichender Sicherheit ableiten, dass der Betroffene seiner Abschiebung aktiv entgegenwirken wollte, zumal er anschließend den zweiten Termin bei der Botschaft wahrgenommen hat.
bb. Eine Fluchtgefahr im Sinne des § 62 Abs. 3 1 Nr. 5 AufentHG läßt sich auch nicht gemäß § 2 Abs. 14 Nr. 1 AufenthaltsG mit einem nicht nur vorübergehenden Aufenthaltswechsel begründen. Hinsichtlich der Fehlzeiten in der Flüchtlingsunterkunft gelten hierzu im Wesentlichen die gleichen Ausführungen wie zu § 62 Abs. 3 Ziffer 2 AufenthaltG. Die Annahme der Indizien des § 2 Abs. 14 Nr. 1 AufenthaltG setzt voraus, dass sich der Ausländer bereits in der Vergangenheit dem Zugriff der Behörde entzogen hat, indem er seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht nicht nur vorübergehend gewechselt hat. Hierfür fehlt es bereits am nicht nur vorübergehenden Aufenthaltswechsel, jedenfalls aber an entsprechenden Entziehungsabsicht. Gleiches gilt hinsichtlich des Umstandes, dass der Betroffene im November 2011 nach Belgien ausgereist ist und dort einen Asylantrag gestellt hat. Denn damit kam entsprach er letztlich nur der von ihm am 05.07.2011 erklärten Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise.
IV.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.
2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts der Beschwerde beruht auf § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen