Aktenzeichen 6 ZB 18.2015
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4, Abs. 5
Leitsatz
1. Hinsichtlich der Rückforderung von (ersparten) Ausbildungskosten bei einer Entlassung aus dem Soldatenverhältnis vor Ablauf der eingegangenen Verpflichtungszeit sieht das Soldatengesetz in § 56 Abs. 4 S. 3 eine spezialgesetzliche Härtefallregelung vor; eine darüber hinausgehende gesonderte Billigkeitsentscheidung ist nicht erforderlich. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Erspart hat der ehemalige Soldat stets die unmittelbaren Ausbildungskosten im engeren Sinne wie Ausbildungsgebühren und Aufwendungen für Ausbildungsmittel, aber auch die mittelbaren Kosten der Ausbildung wie Reisekosten und Trennungsgeld sowie die ersparten Lebenshaltungskosten für Verpflegung und Wohnung und die Kosten für die Krankenversicherung. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 21 K 16.302 2018-11-07 Ent VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 7. September 2018 – M 21K 16.302 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 35.732,54 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfolgten Darlegungen zur Begründung des Antrags, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, greifen nicht durch (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 26.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Ausbildungskosten in Höhe von 35.732,54 Euro, die die Beklagte mit Bescheid vom 16. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2016 geltend gemacht hat, nachdem er nach seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gemäß § 55 Abs. 1 i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SG mit Ablauf des 22. November 2012 aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit vorzeitig entlassen worden ist. Unter dem 3. August 2017 änderte die Beklagte ihren Bescheid dahingehend ab, dass keine Stundungszinsen erhoben werden. Mit Urteil vom 7. September 2018 hat das Verwaltungsgericht die Klage gegen den Rückforderungsbescheid abgewiesen. Dieser sei rechtmäßig. Die Beklagte habe das ihr nach § 56 Abs. 4 Satz 3 SG zur Bemessung des erstattungspflichtigen geldwerten Vorteils eröffnete Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt (§ 114 VwGO).
Den zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil setzt der Kläger mit dem Zulassungsantrag nichts Stichhaltiges entgegen, das weiterer Prüfung in einem Berufungsverfahren bedürfte.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids ist § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SG. In Anwendung dieser Vorschrift hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass der Kläger dem Grunde nach der Erstattungspflicht unterliegt. Denn er wurde vor Ablauf der eingegangenen Verpflichtungszeit entlassen, nachdem er als Kriegsdienstverweigerer anerkannt worden war. Das gilt gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 Halbs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 SG als Entlassung auf eigenen Antrag. Seine militärische Ausbildung war mit einem Studium an der Universität der Bundeswehr verbunden. Daher sind die Ausbildungskosten grundsätzlich zu erstatten. In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach sich die Erstattungspflicht, der sich ein Kriegsdienstverweigerer gegenübersieht, als besondere Härte im Sinn von § 56 Abs. 4 Satz 3 SG darstellt, hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Beklagte ohne Rechtsfehler nicht die tatsächlich entstandenen Kosten des Studiums vom Kläger verlangt hat, sondern lediglich den deutlich niedrigeren Betrag der von ihm insoweit ersparten Aufwendungen (BVerwG, U.v. 28.10.2015 – 2 C 40.13 – juris Rn. 15; U.v. 30.3.2006 – 2 C 18.05 – juris Rn. 15).
1. Fehl geht der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe nicht gesehen, dass die Beklagte – neben der Entscheidung nach § 56 Abs. 4 SG – keine ermessensgerechte Billigkeitsentscheidung getroffen habe.
Die Beklagte muss neben der Härtefallentscheidung nach § 56 Abs. 4 Satz 3 SG keine Billigkeitsentscheidung treffen. Der Kläger bezieht sich auf Rechtsprechung, die die Rückforderung zu viel gezahlter Dienst- oder Versorgungsbezüge betrifft. Nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG kann von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden. Das gleiche gilt nach § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG bei der Rückforderung von Versorgungsbezügen. Hier hingegen geht es um die Rückforderung von (ersparten) Ausbildungskosten, für die das Soldatengesetz in § 56 Abs. 4 Satz 3 SG eine spezialgesetzliche Härtefallregelung vorsieht. Eine darüber hinausgehende gesonderte Billigkeitsentscheidung ist angesichts der Härtefallregelung nicht erforderlich (BayVGH, B.v. 26.10.2017 – 6 ZB 17.1640 – juris Rn. 15; B.v. 2.10.2018 – 6 ZB 18.1761 – juris Rn. 15).
2. Ebenfalls ohne Erfolg bleibt der Einwand, die Beklagte habe fehlerhaft Unterkunftskosten angerechnet. Der Kläger meint, diese würden keine studienspezifischen Kosten darstellen. Er sei im Zeitpunkt der Kriegsdienstverweigerung noch unter 25 Jahre alt gewesen, was bedeute, er hätte als Soldat eine kostenlose Unterkunft erhalten. Diese Ungleichbehandlung zwischen Soldaten mit und ohne zusätzliche Qualifikation im Fall der Kriegsdienstverweigerung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Diese Argumentation kann nicht überzeugen.
Die Erstattungspflicht, der sich ein wegen seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer kraft Gesetzes zu entlassender Soldat gegenübersieht, stellt in der Regel eine besondere Härte im Sinne des § 49 Abs. 4 Satz 3 SG dar, die den Dienstherrn nach dieser Vorschrift zu Ermessenserwägungen über den vollständigen oder teilweisen Verzicht auf einen Ausgleich der Ausbildungskosten zwingt (BVerwG, U.v. 28.10.2015 – 2 C 40.13 – juris Rn. 16; U.v. 30.3.2006 – 2 C 18.05 – juris Rn. 16). Der Erstattungsbetrag darf nicht höher sein als der Betrag, den der als Kriegsdienstverweigerer anerkannte Soldat dadurch erspart hat, dass die Bundesrepublik Deutschland den Erwerb von Spezialkenntnissen und Fähigkeiten, die ihm im späteren Berufsleben von Nutzen sind, finanziert hat. Durch diese Beschränkung der zu erstattenden Kosten auf den durch das Studium oder die Fachausbildung erlangten Vorteil ist sichergestellt, dass die Erstattung nicht zu einer Maßnahme wird, die den Betroffenen von der Stellung des Antrags auf Kriegsdienstverweigerung abhält. Mit der Abschöpfung lediglich des durch das Studium oder die Fachausbildung erworbenen Vorteils erleidet der anerkannte Kriegsdienstverweigerer keine Einbuße an Vermögensgütern, über die er unabhängig von dem Wehrdienstverhältnis verfügt. Durch den Vorteilsausgleich wird nur die Situation wiederhergestellt, die in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht bestand, bevor der Soldat das Studium oder die Fachausbildung absolviert hat. Mehr soll und darf bei verfassungskonformer Auslegung des Gesetzes nicht abgeschöpft werden (BVerwG, U.v. 28.10.2015 – 2 C 40.13 – juris Rn. 17; U.v. 30.3.2006 – 2 C 18.05 – juris Rn. 18). Der Vorteil aus dem Studium oder der Fachausbildung, den die Beklagte nach § 49 Abs. 4 Satz 3 SG in Ausübung ihres Ermessens zu bestimmen und zu bemessen hat, besteht in der Ersparnis von Aufwendungen, nicht in der Aussicht auf künftige oder fiktive Einnahmen. Bestimmen, wenn auch generalisierend und pauschalierend, lassen sich die Aufwendungen, die der Soldat dadurch erspart hat, dass er das Studium oder die Fachausbildung nicht auf eigene Kosten hat absolvieren müssen. Abgeschöpft werden darf nur die eingetretene Ersparnis (BVerwG, U.v. 28.10.2015 – 2 C 40.13 – juris Rn. 18). Erspart hat der ehemalige Soldat stets die unmittelbaren Ausbildungskosten im engeren Sinne wie Ausbildungsgebühren und Aufwendungen für Ausbildungsmittel, aber auch die mittelbaren Kosten der Ausbildung wie Reisekosten und Trennungsgeld sowie die ersparten Lebenshaltungskosten für Verpflegung und Wohnung und die Kosten für die Krankenversicherung (BVerwG, U.v. 28.10.2015 – 2 C 40.13 – juris Rn. 19, 20).
Nach diesen Grundsätzen sind die ersparten Lebenshaltungskosten für eine Wohnung zu erstatten. Die unterschiedliche Behandlung von Kriegsdienstverweigerern im Zeitsoldatenverhältnis mit und ohne zusätzliche Qualifikation beruht gerade auf dem sachgerechten Unterschied, dass der Soldat mit zusätzlicher Qualifikation auf Kosten der Beklagten einen geldwerten Vorteil erhalten hat.
3. Die Rüge des Klägers, die Ratenzahlung sei zu hoch festgesetzt, weil sein Einkommen wegen verschiedener Schichtzuschläge starken Schwankungen unterliege, greift schließlich ebenfalls nicht durch. Denn die Beklagte ist bei ihrer Entscheidung über die Rückzahlung von dem regelmäßigen Nettoeinkommen ausgegangen und hat die Zuschläge nicht berücksichtigt.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).