Aktenzeichen 3 ZB 19.22
BGB § 818 Abs. 3, § 819 Abs. 1, § 820 Abs. 1 S. 2
Leitsatz
1. Der Einwand einer etwaigen Rechtswidrigkeit des bestandskräftigen Rückforderungsbescheides findet bei der Billigkeitsentscheidung nach § 15 Abs. 2 S. 3 BayBesG keine Berücksichtigung (Rn. 8). (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Billigkeitsentscheidung nach § 15 Abs. 2 S. 3 BayBesG ist vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Beamten abzustellen; sie bezweckt, eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen (Rn. 8). (redaktioneller Leitsatz)
3. Ob von einer Rückforderung wegen erbrachter (überdurchschnittlicher) Leistungen ganz oder zumindest teilweise abzusehen ist, ist im Rahmen des Rückforderungsgrundbescheides und nicht bei der Billigkeitsentscheidung nach Art. 15 Abs. 2 S. 3 BayBesG zu prüfen (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 2 K 17.1930 2018-09-27 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.240 Euro
festgesetzt.
Gründe
Der ausschließlich auf den Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 27. September 2018 (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Sie sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris). Derartige Gesichtspunkte werden von der Klägerin mit ihrem Vorbringen jedoch nicht aufgezeigt.
1. Mit Wirkung zum 31. Juli 2016 schied die zum 1. April 2015 zur Universitätsprofessorin an der Technischen Universität M. ernannte Klägerin aus dem bisherigen Beamtenverhältnis auf Zeit aus und nahm einen Ruf an die Universität B. an. Da zum Zeitpunkt des Ausscheidens noch nicht drei Jahre vergangen waren, stellte die Technische Universität auf der Grundlage des Art. 70 Abs. 3 Satz 2 BayBesG in der bis zum 24. Mai 2018 geltenden Fassung i.V.m. § 3 Abs. 4 Satz 2 BayHLeistBV i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 3 der Grundsätze der Technischen Universität M. über die Vergabe von Leistungsbezügen und Forschungs- und Lehrzulagen mit bestandskräftigem Bescheid vom 24. August 2016 (Widerspruchsbescheid v. 20.12.2016) (dem Grunde nach) fest, dass die seit Dienstantritt gewährten Berufungs-Leistungsbezüge in Höhe von monatlich 1.200,00 Euro zurückzuzahlen sind. Das Landesamt für Finanzen forderte sodann mit Bescheid vom 4. Mai 2017 (Widerspruchsbescheid v. 21.11.2017) die entstandene Überzahlung der vom 1. April 2015 bis 31. Juli 2016 gezahlten Berufungs-Leistungsbezüge in Höhe von 20.240,00 Euro zurück. Mit Urteil vom 27. September 2018 wies das Verwaltungsgericht Augsburg die hiergegen erhobene Anfechtungsklage ab.
2. Mit ihrer Rüge, ihr könne weder ihre vermeintliche Bösgläubigkeit gemäß Art. 15 Abs. 2 Satz 2 BayBesG i.V.m. § 819 Abs. 1 BGB entgegengehalten werden, noch habe ein wirksamer Vorbehalt der Rückzahlung i.S.d. § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB bestanden, dringt die Klägerin nicht durch.
Denn das Verwaltungsgericht hat eine Berufung der Klägerin auf den Wegfall der Bereicherung (Art. 15 Abs. 2 Satz 1 BayBesG i.V.m. § 818 Abs. 3 BGB) aus zwei – jeweils für sich tragenden – Gründen abgelehnt. Zum einen habe die Klägerin ihre Entreicherung nicht nachweisen können (UA Rn. 46 f.). Zum anderen könne sie wegen (Art. 15 Abs. 2 Satz 2 BayBesG i.V.m.) § 819 Abs. 1 BGB i.V.m. § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht eine Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB erfolgreich geltend machen (UA Rn. 48 „Im Übrigen“, „zudem“). In einem solchen Fall der Mehrfachbegründung ist eine Zulassung der Berufung nur gerechtfertigt, wenn im Hinblick auf jeden der Begründungsstränge ein Zulassungsgrund dargelegt wird und gegeben ist (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.2016 – 6 ZB 15.2786 – juris Rn. 3 m.w.N.). Daran fehlt es.
Jedenfalls hinsichtlich des ersten Begründungsstrangs (fehlender Nachweis der Entreicherung) vermag die Zulassungsbegründung keine ernstlichen Zweifel darzulegen. Zutreffend führt das Erstgericht aus, die Klägerin könne sich nicht zur Beweiserleichterung auf die Regelung in Ziffer 15.2.7.1 BayVwVBes berufen, da die Berufungs-Leistungsbezüge in Höhe von 1.200,00 Euro monatlich die insofern vorgesehene Obergrenze der Überzahlung von 150,00 Euro pro Monat überschreite. Aufgrund der Höhe der überzahlten Beträge spreche auch nicht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass sie im Rahmen der normalen Lebensführung verbraucht worden seien (vgl. dazu BayVGH, U.v. 23.1.2014 – 7 B 13.860 – juris Rn. 22 ff.). Dem Erfordernis einer weitergehenden Substantiierung des Wegfalls der Bereicherung (vgl. BayVGH, B.v. 1.2.2000 – 3 B 96.2022 – juris Rn. 27 f.) sei die Klägerin nicht gerecht geworden. Diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichts tritt die Klägerin mit ihrem apodiktischen Verweis auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren („Wie wir bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen haben, hat die Klägerin die Berufung-Leistungsbezüge zwischenzeitlich verbraucht und ist somit gemäß § 818 Abs. 3 BGB entreichert“) schon nicht mit schlüssigen Gegenargumenten entgegen.
3. Im Kern wird in der Zulassungsbegründung geltend gemacht, das Landesamt für Finanzen hätte im Vollzug der Rückzahlungsverpflichtung im Rahmen der Billigkeitsgründe (Art. 15 Abs. 2 Satz 3 BayBesG) berücksichtigen müssen, dass der Feststellungsbescheid der Technischen Universität vom 24. August 2016 (Widerspruchsbescheides v. 20.12.2016), zwar bestandskräftig, jedoch rechtswidrig sei, da nach der später ergangenen Rechtsprechung des Senats (U.v. 18.8.2017 – 3 BV 16.132 – juris) Art. 70 Abs. 3 Satz 2 BayBesG a.F. keine hinreichende Rechtsgrundlage für die Rückforderung von befristeten Berufungs-Leistungsbezügen dargestellt habe.
Der Einwand einer etwaige Rechtswidrigkeit des bestandskräftigen Rückforderungsbescheides (zwischenzeitlich nahm der bayerische Gesetzgeber die Rechtsprechung des Senats zum Anlass, Art. 70 Abs. 3 Satz 2 BayBesG durch die Einfügung der Wörter „nach Abs. 2 Satz 1 und 2“ zu ändern – Gesetz v. 18.5.2018, GVBl. S. 286 -, um den Hochschulen nunmehr eine Rückforderung von Berufungs- und Bleibe-Leistungsbezügen jeglicher Art zu ermöglichen – vgl. LT-Drs. 17/21511) führt allerdings nicht zur Zulassung der Berufung. Bei der aus Billigkeitsgründen zu treffenden Ermessensentscheidung nach Art. 15 Abs. 2 Satz 3 BayBesG ist von entscheidender Bedeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und inwieweit ein (Mit-)Verschulden hierfür ursächlich war; dagegen ist „nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen“ (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 15.10 – juris Rn. 24, 25 zu § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG). Daher bedarf es im Rahmen der Ermessensentscheidung nach Art. 15 Abs. 2 Satz 3 BayBesG keines Eingehens auf die Rechtswidrigkeit des bestandskräftigen Bescheides, mit dem die Rückforderung dem Grunde nach festgestellt wurde. Denn bei der Billigkeitsentscheidung nach § 15 Abs. 2 Satz 3 BayBesG ist vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Beamten abzustellen; sie bezweckt, eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 4.11 – juris Rn. 18). Wenn schon angesichts der vorliegenden bestandskräftigen Feststellung der Rückforderung dem Grunde nach deren etwaige Rechtswidrigkeit im Rahmen der streitgegenständlichen Rückforderung der Höhe nach nicht mehr geltend gemacht werden kann, gilt dies erst recht auch im Rahmen der Billigkeitsentscheidung.
Der Umstand, der zur Rückzahlungsverpflichtung geführt hat, ist zudem ausschließlich dem Verantwortungsbereich der Klägerin zuzuordnen. Sie muss es sich zurechnen lassen, dass sie vor Ablauf von drei Jahren an eine andere Hochschule wechselte. Auf ihre dahingehende Rückzahlungsverpflichtung wurde die Klägerin im Rahmen ihres Bezügeangebots vom 15. Januar 2015 (dort Ziffer VI; Gerichtsakte S. 57) explizit hingewiesen. Damit geht die Klägerin fehl in der Annahme, die Rechtsprechung des Senats (U.v. 18.8.2017 a.a.O. – juris Rn. 50) könne dahingehend verstanden werden, dass in vorliegender, nicht vergleichbarer Konstellation eines bestandskräftigen Feststellungsbescheides über das „ob“ der Rückzahlungsverpflichtung im Rahmen der Billigkeitsentscheidung von einer Rückforderung ganz oder teilweise abgesehen werden müsste.
Die Richtigkeit des angefochtenen Urteils erweist sich auch nicht deswegen als ernstlich zweifelhaft, weil der Beklagte im Rahmen der Billigkeitsentscheidung verpflichtet gewesen wäre, von einer Rückforderung wegen erbrachter (überdurchschnittlicher) Leistungen der Klägerin ganz oder zumindest teilweise abzusehen. Nach Auffassung des Senats (U.v. 18.8.2017 a.a.O. – juris Rn. 45 ff.) besteht zwar für Rückzahlungspflichten von (wie hier befristeten) Berufungs-Leistungsbezügen bei einem Verlassen der Hochschule kein Raum, wenn diese für eine nach Ernennung im Dienstverhältnis erbrachte Leistung gezahlt wird. Damit hat der Senat allerdings gerade nicht – wie die Klägerin meint – die Auffassung der damaligen Vorinstanz (VG Würzburg, U.v. 24.11.2015 – W 1 K 14.811 – juris Rn. 33 ff.) bestätigt, wonach erbrachte Dienstleistungen im Rahmen des Art. 15 Abs. 2 Satz 3 BayBesG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit anteilig berücksichtigt werden müssten. Die verfassungskonforme Auslegung hat vielmehr – wie das Erstgericht zutreffend feststellte – auf der „Tatbestandsseite“ des Entstehens der Rückzahlungsverpflichtung stattzufinden, und nicht auf der „Rechtsfolgenseite“ des Art. 15 Abs. 2 Satz 3 BayBesG. Dies folgt aus den Ausführungen des Senats (U.v. 18.8.2017 a.a.O. – juris Rn. 50), wonach „weder die … verfassungsrechtlich fundierten Einwände des Senats, noch die Bedenken des Verwaltungsgerichts … in einem sich anschließenden Verwaltungsverfahren nach Art. 15 Abs. 2 BayBesG ausgeräumt werden“ können. Durch die Bestandskraft des Feststellungsbescheides ist es der Klägerin mithin verwehrt, sich im Rahmen der Billigkeitsentscheidung darauf zu berufen, dass eine Rückzahlungspflicht von befristeten Berufungs-Leistungsbezügen, die als Gegenleistung von geleisteten Dienstleistungen anzusehen sind, ausgeschlossen ist. Andernfalls würde sich das Landesamt für Finanzen in unzulässiger Weise über die Bestandskraft des Rückforderungsgrundverwaltungsaktes der Technischen Universität hinwegsetzen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 52 Abs. 3, § 47 GKG und entspricht derjenigen der Vorinstanz.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 6 Satz 4 VwGO).