Aktenzeichen Au 5 K 17.32121
Leitsatz
1 Auch wenn in der Hauptstadt Bamako eine Gefährdung durch terroristische Gruppen nicht ausgeschlossen werden kann, steht im bürgerkriegsfreien Süden Malis eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung. (redaktioneller Leitsatz)
2 Zwangsrekrutierungsmaßnahmen durch Tuareg in Mali stellen kriminelles Unrecht ohne Asylrelevanz dar. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG liegen nicht vor (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 3. April 2017 ist auch hinsichtlich der Ausreiseaufforderung, der Abschiebungsandrohung und der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter i.S. des Art. 16a Grundgesetz (GG) bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG.
Einer Anerkennung des Klägers als asylberechtigt im Sinne von Art. 16a Grundgesetz (GG) steht bereits die auf dem Landweg erfolgte Einreise über einen sicheren Drittstaat entgegen.
Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Dabei kann die Verfolgung i. S. des § 3 AsylG nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
a) Hiervon ausgehend kann der Kläger nicht als Flüchtling anerkannt werden. In Übereinstimmung mit der Beklagten hat der Kläger eine politische Verfolgung in Anknüpfung an flüchtlingsrelevante Merkmale nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die vom Kläger geschilderte Zwangsrekrutierungsmaßnahme bzw. Entführung durch Tuareg erscheint dem Gericht insgesamt zwar durchaus glaubwürdig. Letztlich knüpft der Vortrag des Klägers aber nicht an einen § 3 Abs. 1 AsylG genanntes asylrechtlich relevantes Merkmal an. Bei der Zwangsrekrutierungsmaßnahme gegenüber dem Kläger handelt es sich lediglich um kriminelles Unrecht, welches dem Kläger widerfahren ist, welches aber keine Asylrelevanz besitzt.
b) Zudem steht dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts im Süden Malis eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung (§ 3e AsylG).
Der Süden Malis ist bürgerkriegsfrei. Von den Kampfhandlungen islamistischer Gruppen, die im Januar 2012 ihren Anfang nahmen, war der Norden Malis betroffen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Mali: Aktuelle Lage, Auskunft der SFH-Länderanalyse vom 30. Oktober 2012). Auch der vom Bevollmächtigten des Klägers bezeichnete Angriff vom 17. Januar 2017 mit 60 (80) Toten ereignete sich in … im Norden Malis. Bereits im Juni 2013 war zwischen der malischen Regierung und mehreren bewaffneten Gruppen ein Friedensabkommen zur Stabilisierung der Lage im Norden Malis geschlossen worden (Amnesty International, Mali-Report 2015). Am 15. Mai und 20. Juni 2015 wurde erneut ein innerstaatliches Friedensabkommen zur nachhaltigen Befriedung von Nord-Mali geschlossen. Von den bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Norden Malis blieb der Süden Malis jedoch verschont, auch wenn selbst in der Hauptstadt Bamako eine Gefährdung durch terroristische Gruppen nicht ausgeschlossen werden kann (Auswärtiges Amt, Mali: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand: 2.11.2016). Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass vereinzelte Anschläge bereits die Qualität eines Bürgerkriegs erreicht haben, bestehen nicht (s. hierzu auch VG Magdeburg, U.v. 27.5.2016 – 1 A 125/15 MD). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt der vom Auswärtigen Amt ausgesprochenen Reisewarnung keine Indizwirkung zu (vgl. BVerwG, B.v.27.6.2013 – 10 B 11.13 – juris; BayVGH, B.v. 22.12.2016 – 13a ZB 16.30684 – juris Rn. 7).
Das Gericht geht auch davon aus, dass der Kläger als alleinstehender, gesunder junger Mann seinen Lebensunterhalt im Süden Malis sicherstellen kann, selbst wenn hierfür mehr zu fordern ist als die bloße Sicherung des Existenzminimums. Zwar hat der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen keine Schulausbildung genossen, jedoch hat er sich – von seinem Onkel ausgebildet – beruflich bereits als Schreiner bzw. in der Landwirtschaft betätigt. Auch kann der Kläger seine in Deutschland erworbenen beruflichen Kenntnisse in seinem Heimatland gewinnbringend einsetzen. Es ist deshalb vernünftiger Weise zu erwarten, dass der Kläger in Mali, seinem Heimatland, mit dessen Gepflogenheiten und Sprache er durchaus vertraut ist, seinen Lebensunterhalt sicherstellen kann. Auch verfügt der Kläger nach wie vor über Familienangehörige in Mali.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm bei einer Rückkehr nach Mali ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG droht.
Ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG vorliegen, ist der Kläger, soweit er eine Gefährdung in seiner Heimatregion befürchtet, wie bereits ausgeführt, auf eine innerstaatliche Fluchtalternative im Süden Malis zu verweisen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3e AsylG).
3. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei seiner Abschiebung nach Mali befürchten müsste, auf derart schlechte humanitäre Bedingungen zu stoßen, dass die Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK besteht, gibt es, wie bereits ausgeführt, nicht. Obwohl die wirtschaftliche Lage nach wie vor schlecht ist (Auswärtiges Amt, Mali: Wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Stand: April 2016), geht das Gericht, wie ausgeführt, davon aus, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt dort sicherstellen kann. Damit liegen weder die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG noch für die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
4. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG erweist sich als rechtmäßig, das Bundesamt hat in der Befristungsentscheidung die maßgeblichen Belange in ordnungsgemäßer Weise abgewogen.
5. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.