Verwaltungsrecht

Rückkehrgefährdung syrischer Flüchtlinge allein wegen der illegalen Ausreise, Asylantragstellung und des Aufenthalts in Deutschland

Aktenzeichen  21 ZB 16.30163

Datum:
20.9.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 106570
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1
AsylG § 3a, § 78 Abs. 3

 

Leitsatz

Die Frage, ob für syrische Asylbewerber im Fall ihrer Rückkehr in die Arabische Republik Syrien allein wegen der (illegalen) Ausreise und/oder der Asylantragstellung sowie des Aufenthalts im westlichen Ausland die begründete Furcht vor Verfolgung wegen eines verfolgungsrelevanten Merkmals besteht, bedarf der Klärung in einem Berufungsverfahren. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 11 K 16.30679 2016-07-15 GeB VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 15. Juli 2016 wird zugelassen.
II. Die Kostenentscheidung bleibt der Berufungsentscheidung vorbehalten.

Gründe

Die Berufung ist auf Antrag der Beklagten wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) zuzulassen.
1. Die angefochtene Entscheidung beruht im Wesentlichen auf folgenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts: Der syrische Staat betrachte gegenwärtig das Stellen eines Asylantrags im Zusammenhang mit einer (illegalen) Ausreise und dem entsprechenden Aufenthalt im westlichen Ausland als Anknüpfung und Ausdruck einer politisch missliebigen Gesinnung und damit als Kritik am herrschenden System, die das Gebot der Loyalität ihm gegenüber verletze. Ein solches Verhalten werde – ungeachtet einer tatsächlichen oppositionellen Haltung des Einzelnen – vom syrischen Staat generell und unterschiedslos als Ausdruck regimefeindlicher Gesinnung aufgefasst. Zumindest Rückkehrer aus dem westlichen Ausland und damit auch aus Deutschland hätten in der Regel mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Anknüpfung an ihre tatsächliche oder wohl zumeist nur vermutete politische Überzeugung mit Verfolgungsmaßnahmen im Sinn des § 3a AsylG zu rechnen.
Die Beklagte hat mit ihrem Zulassungsantrag zutreffend dargelegt, dass diese Feststellungen im Wesentlichen auf Erkenntnissen fußen, die vor mehr als vier Jahren gewonnen wurden. Angesichts der seitdem eingetretenen und im Zulassungsantrag aufgezeigten Entwicklungen sind diese Erkenntnisse derart in Frage gestellt, dass die vom Verwaltungsgericht im Rahmen einer Gesamtschau vorgenommene Gefährdungsprognose wesentlich auf Vermutungen beruht. Das gilt umso mehr, als das Auswärtige Amt, worauf die Beklagte zutreffend verweist, mit der auch vom Verwaltungsgericht herangezogenen Auskunft der Botschaft Beirut vom 3. Februar 2016 unter anderem mitgeteilt hat: „Dem Auswärtigen Amt liegen keine Erkenntnisse dazu vor, dass ausschließlich aufgrund des vorausgegangenen Auslandsaufenthalts Rückkehrer nach Syrien Übergriffe/Sanktionen zu erleiden haben. Allerdings sind Fälle bekannt, bei denen Rückkehrer nach Syrien befragt, zeitweilig inhaftiert oder dauerhaft verschwunden sind. Dies steht überwiegend in Zusammenhang mit oppositionsnahen Aktivitäten (beispielsweise Journalisten oder Menschenrechtsverteidigern) oder in Zusammenhang mit einem nicht abgeleisteten Militärdienst. Dies entspricht auch den Erkenntnissen von Menschenrechtsorganisationen, mit denen das Auswärtige Amt bzw. die Botschaft Beirut zusammen arbeitet.“ Im Übrigen enthalten auch die vom Verwaltungsgericht herangezogenen „UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen“ (November 2015) nichts, was konkret für die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Rückkehrgefährdung sprechen könnte.
Das Berufungsverfahren gibt dem Senat Gelegenheit, die in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortete Frage zu klären, ob für syrische Asylbewerber im Fall ihrer Rückkehr in die Arabische Republik Syrien allein wegen der (illegalen) Ausreise und/oder der Asylantragstellung sowie des Aufenthalts im westlichen Ausland die begründete Furcht vor Verfolgung wegen eines verfolgungsrelevanten Merkmals besteht (vgl. etwa bejahend VGH BW, B.v. 19.6.2013 – A 11 S. 927.13 – juris; HessVGH, B.v. 27.1.2014 – 3 A 917/13.Z.A. – juris; verneinend OVG NW, B.v. 13.2.2014 – 14 A 215.14 – juris).
2. Wird die Berufung zugelassen, gehören die Kosten des Zulassungsverfahrens zu den Kosten des Berufungsverfahrens, so dass es im Zulassungsbeschluss keiner Kostenentscheidung bedarf (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 90).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG, § 152 VwGO).

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