Aktenzeichen Au 4 K 16.32956
Leitsatz
Rücknahme der zuerkannten Flüchtlingseigenschaft wegen Täuschung über die angegebene syrische Staatsangehörigkeit, nachdem der Kläger bereits in den Niederlanden unter anderem Namen als tunesischer Staatsangehörger erfolglos ein Asylverfahren betrieben hatte. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Rücknahme der Flüchtlingseigenschaft gemäß Ziff. 1 des Bescheids des Bundesamts vom 29. November 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger mit Bescheid vom 21. Januar 2016 erfolgte auf Grund unrichtiger Angaben des Klägers, § 73 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 AsylG. Auf Grund der Ermittlungsergebnisse der Polizeibehörden, der Ausländerbehörde und des Bundesamts ist davon auszugehen, dass der Kläger, anders als von ihm im ursprünglichen Asylverfahren angegeben, kein syrischer Staatsbürger ist.
Das Gericht nimmt gem. § 77 Abs. 2 AsylG vollumfänglich Bezug auf den streitgegenständlichen Bescheid, namentlich auf die dort genannten und in den Akten befindlichen Mitteilungen, Erkenntnisse und sonstigen Unterlagen der Kriminalpolizei, des Landratsamts * als Ausländerbehörde – bzw. die von diesen Behörden dem Bundesamt übermittelten Unterlagen und Dokumente -, sowie auf die Untersuchungen des Bundesamts, insbesondere die Untersuchung der Echtheit des vom Kläger vorgelegten Auszugs aus dem Melderegister. Insbesondere wurde danach eine Person mit den gleichen Fingerabdrücken wie der Kläger in den Niederlanden unter anderem Namen als tunesischer Staatsangehöriger registriert; auch ein von der Kriminalpolizei durchgeführter Lichtbildvergleich hat die Identität des Klägers mit der in den Niederlanden registrierten Person ergeben. Ferner wurde diese Person mit einem von der tunesischen Botschaft ausgestellten Dokument („Laissez Passer“) nach Tunesien abgeschoben; der Kläger selbst hat diese Abschiebung eingeräumt. Die Ausstellung des Dokuments und die Abschiebung wären nicht erklärlich, wäre der Kläger, wie er behauptet, syrischer Staatsangehöriger. Einwände gegen all diese eindeutigen behördlichen Ermittlungsergebnisse sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Angaben des Klägers im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Rücknahme vermögen die Aussagekraft dieser Belege für seine fehlende syrische Staatsangehörigkeit nicht in Frage zu stellen. Das Vorbringen des Klägers ist voll von, teilweise offensichtlichen, Widersprüchen, nicht nachvollziehbar und erreicht mitunter den Grad des Grotesken.
So hat der Kläger in dem im ursprünglichen Asylverfahren abgegebenen Fragebogen – unter Berücksichtigung des Umstands, dass Arabisch von rechts nach links geschrieben wird – angekreuzt, außer der syrischen keine weitere Staatsangehörigkeit zu besitzen; auch bei der Frage, ob er einen Reisepass oder andere Dokumente habe, die seine Herkunft aus Syrien belegten, hat er „Nein“ angekreuzt (Bl. 46 der Bundesamtsakte …). Bei der Anhörung zum beabsichtigten Widerruf hat er demgegenüber angegeben (Schreiben vom 20.10.2016, Bl. 29 ff. der Bundesamtsakte …), einen syrischen und einen französischen Pass besessen zu haben. Bei einer telefonischen Nachfrage des Bundesamts hat der Kläger erneut abweichende Angaben gemacht (Vermerk Bl. 35 der Bundesamtsakte …). Danach habe er sich einen syrischen Pass von seiner in Frankreich lebenden Mutter schicken lassen; anschließend sei er nach Jordanien geflogen. Dementsprechend ist auch nicht nachvollziehbar, dass der Kläger nicht spätestens, als er nach seinen Angaben von Jordanien nach Frankreich reisen wollte, die Reise aber in München unterbrochen wurde, seinen syrischen Pass vorgelegt hat. Vielmehr hat der Kläger im Rahmen seines Anhörungsschreibens erneut lediglich die Kopie des Melderegisterauszugs vom 5. Oktober 2015 vorgelegt; dabei handelt es sich allerdings nach den, wie ausgeführt, nicht in Frage zu stellenden Untersuchungen des Bundesamts um eine Totalfälschung. Ferner unrichtig ist die Darstellung des Klägers im Rahmen seiner Anhörung, ohne Papiere nach Tunesien abgeschoben worden zu sein. Dies widerspricht nicht nur der Lebenserfahrung, sondern auch der Aktenlage, wonach für die Abschiebung des Klägers ein Laissez Passer der tunesischen Botschaft Den Haag ausgestellt worden ist. Ausweislich dieses am 30. März 2015 ausgestellten und zwei Tage gültigen Dokuments hat die – vom Kläger eingeräumte – Abschiebung nach Tunesien ca. Ende März 2015 stattgefunden. In diesem Zusammenhang hat der Kläger gegenüber dem Bundesamt telefonisch angegeben, sich nach der Abschiebung nach Tunesien 1 ½ Jahre in Jordanien aufgehalten zu haben; dies wiederum widerspricht seinen Angaben im ursprünglichen Asylverfahren, am 20. Juni 2015 – also bereits drei Monate später – nach Deutschland eingereist zu sein (Bl. 31 der Bundesamtsakte …). Völlig unglaubwürdig ist die Behauptung des Klägers, er habe in den Niederlanden einen falschen Namen und eine falsche Staatsangehörigkeit als „Freundschaftsdienst“ angegeben. Die diesbezüglichen Angaben des Klägers sind vage und unsubstantiiert geblieben. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass der Kläger zum Schutz eines Freundes sogar in Kauf genommen haben will, nach Tunesien abgeschoben zu werden. Bei einer derartigen Aufopferung hätte es nahe gelegen, dass der Kläger enge Bindungen zu diesem Freund pflegt. Der Kläger hat jedoch weder einen Namen genannt, noch hat er verlässlich angeben können, wo sich dieser Freund aufhält.
Angesichts der beschriebenen Ermittlungsergebnisse und der Widersprüche im Klägervortrag kommt weder dem Umstand, dass nach Angaben eines Dolmetschers im ursprünglichen Asylverfahren (Bl. 29 der Bundesamtsakte …) der Kläger aus Syrien stamme, noch der Tatsache, dass beim Kläger bereits im ursprünglichen Asylverfahren Fingerabdrücke genommen wurden, eine Bedeutung zu, zumal seinerzeit nach Aktenlage ein Fingerabdruckabgleich, etwa nach der EURODAC-Verordnung, nicht stattgefunden hat (vgl. Bl. 53 der Bundesamtsakte …). Ebenso wenig bestand Anlass, einen erneuten Melderegisterauszug, von dem der Kläger in der mündlichen Verhandlung eine Kopie vorgelegt haben will, im Original abzuwarten. Nach dem jetzigen Vorbringen des Klägers hat er einen syrischen Reisepass besessen, den er für seine Reise nach Jordanien und offenbar auch von dort zurück nach Europa benutzt haben will. Insoweit ist es nicht nachvollziehbar, wieso der Kläger nicht längst diesen Reisepass zum Nachweis seiner Staatsangehörigkeit vorgelegt hat. Zudem ist anerkannt, dass das Tatsachengericht einem – selbst substantiierten – Beweisantrag nicht nachgehen muss, wenn die Schilderung des Asylbewerbers in wesentlichen Punkten unzutreffend oder in nicht auflösbarer Weise widersprüchlich ist (vgl. BayVGH, B.v. 1.3.2007 – 1 ZB 06.30050 – juris Rn. 5). Dies ist, wie ausgeführt, hier der Fall.
Da nach allem nachgewiesen ist, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger auf Grund von dessen unrichtigen Angaben erfolgt ist, und nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich ist, dass der Kläger aus anderen Gründen anerkannt werden könnte – der Kläger hält lediglich weiter an der Behauptung fest, er sei Syrer -, war die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaf gem. § 73 Abs. 2 AsylG zwingend durch die Beklagte zu widerrufen.
Die Klage gegen Ziff. 1 des Bescheids vom 29. November 2016 war damit mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.