Verwaltungsrecht

Rücknahmefiktion bei Nichtbetreiben des asylrechtlichen Verfahrens

Aktenzeichen  M 17 K 17.39355

Datum:
22.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 25, § 30 Abs. 4, § 33 Abs. 4, Abs. 5 S. 2
AufenthG AufenthG § 59, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung der Klägerseite durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO). Die Beklagte hat auf die Anhörung zu Entscheidungen durch Gerichtsbescheid generell verzichtet (s. Schreiben v. 25.02.2016).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, da der angegriffene Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
1. Ein Asylantrag gilt als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt, wobei das Nichtbetreiben vermutet wird, wenn er einer Aufforderung zur Anhörung gemäß § 25 AsylG nicht nachgekommen ist (§ 33 Abs. 1 Abs. 2 Nr. 1 AsylG). Die Vermutung gilt jedoch nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte (§ 33 Abs. 2 Satz 2 AsylG).
2. Im vorliegenden Fall erschien der Kläger trotz zweimaliger Ladung nicht zur Anhörung, so dass das Nichtbetreiben vermutet werden kann.
2.1 Insbesondere erfolgte die Ladung zur Anhörung hier auch ordnungsgemäß, was Voraussetzung für die Nichtbetreibensvermutung ist (Gemeinschaftskommentar zum AsylG, Stand November 2016, § 33 Rn. 51 f.). Der Kläger wurde insbesondere gemäß § 33 Abs. 4 AsylG über die Rechtsfolgen, vor allem über die Verfahrenseinstellung bei Nichterscheinen zur Anhörung, belehrt (vgl. Bl. 6, 9 der Bundesamtsakte – BA – sowie Übersetzung Bl. 11 ff. BA). Auch in den Ladungen selbst wurde auf die Rücknahmefiktion hingewiesen (Bl. 47, 73 BA). Der Fall unterscheidet sich damit offenbar von dem Sachverhalt, der dem von Klägerseite zitierten Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17. November 2016 (A 9 K 5380/16 – juris insbes. Rn. 16) zugrundelag. Im Übrigen ist der dortige Fall mit dem Vorliegenden auch deswegen nicht vergleichbar, da die Ladung zur Anhörung nicht – wie hier – an einen Rechtsanwalt, sondern an den rechtsunkundigen Kläger selbst adressiert war.
Selbst wenn die Ladung zur Anhörung als solche dem Kläger nicht übersetzt worden sein sollte, führt dies zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Denn wenn der Kläger – wie im vorliegenden Fall – aufgrund einer ihm zuvor erteilten Belehrung weiß, dass eine Ladung erfolgen wird und er die Anhörung persönlich wahrzunehmen hat, kann von ihm erwartet werden, dass er sich unverzüglich vom Inhalt des – kurzen – Ladungsschreibens, das er aufgrund des Briefkopfes mit Bundesadler etc. ohne Weiteres als offizielles, sein Asylverfahren betreffendes Schreiben identifizieren kann, Kenntnis verschafft, etwa, indem er eine andere Person um Hilfe bittet (vgl. VG Gelsenkirchen, B.v. 21.11.2016 – 14a L 2519/16.A – juris Rn. 30). Dies gilt hier umso mehr, als die Ladungen jeweils den Prozessbevollmächtigten des Klägers übermittelt wurden.
2.2 Entgegen den Ausführungen der Prozessbevollmächtigten wurden nach Aktenlage auch keine Atteste o.ä. vorgelegt, die beim Kläger fehlende Reisefähigkeit bestätigten und damit gegebenenfalls das Nichterscheinen zu den beiden Anhörungen hätten entschuldigen können. Insbesondere enthält das Schreiben von … … vom … … 2016 (Bl. 35 BA) letztendlich nur die Empfehlung, dass der Kläger zu seinem Bruder ziehen sollte.
Das Verfahren konnte somit gemäß § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG eingestellt werden. Dem Kläger musste vorher auch nicht Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben werden, da § 25 Abs. 5 AsylG hier nicht anwendbar ist (Gemeinschaftskommentar zum AsylG, Stand November 2016, § 33 Rn. 53).
Gegebenenfalls kann der Kläger beim Bundesamt die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen (§ 33 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
3. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist nicht ersichtlich. Das Gericht nimmt insoweit vollumfänglich auf die Begründung des Bundesamts im streitgegenständlichen Bescheid Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG). Weder im Eilverfahren noch im Hauptsacheverfahren wurden von Klägerseite Gründe vorgebracht, die zur Bejahung von Abschiebungsverboten führen könnten.
Insbesondere sind arbeitsfähige, gesunde junge Männer – wie der Kläger – auch ohne besondere Qualifikation, nennenswertes Vermögen und familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten ein kleines Einkommen zu erwirtschaften und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten, so dass für alleinstehende männliche Staatsangehörige keine extreme Gefahrenlage besteht (BayVGH, B.v. 25.1.2017 – 13a ZB 16.30374 – juris Rn. 12; B.v. 23.1.2017 – 13a ZB 17.30044 – juris Rn. 5; B.v. 17.1.2017 – 13a ZB 16.30929 – juris Rn. 2; B.v. 22.12.2016 – 13a ZB 16.30684 – juris Rn. 7; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 17; VG Lüneburg, U.v. 6.2.2017 – 3 A 140/16 – juris Rn. 60). Gerade Rückkehrer aus dem Westen sind dabei in einer vergleichsweise guten Position. Allein schon durch die Sprachkenntnisse sind ihre Chancen, einen Arbeitsplatz zu erhalten, gegenüber den Flüchtlingen, die in Nachbarländer Afghanistans geflohen sind, wesentlich höher (BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 21). Atteste o.ä., wonach die Arbeitsfähigkeit des Klägers eingeschränkt wäre, wurden nicht vorgelegt.
4. Nach alledem ist auch die vom Bundesamt nach Maßgabe der §§ 34, 38 Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.
5. Schließlich begegnet auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG in Nr. 4 des Bescheids vom 27. April 2017 keinen rechtlichen Bedenken.
Die Ermessenserwägungen der Beklagten sind im Rahmen der auf den Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO beschränkten gerichtlichen Überprüfung nicht zu beanstanden, zumal die Klägerseite diesbezüglich keine substantiierten Einwendungen vorgebracht und insbesondere kein fehlerhaftes Ermessen gerügt hat.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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