Verwaltungsrecht

Rücksendung des Empfangsbekenntnisses

Aktenzeichen  11 ZB 20.82

Datum:
12.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 4545
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 174 Abs. 1, Abs. 4, § 189
VwGO § 57 Abs. 2, § 152 Abs. 1, § 154 Abs. 2

 

Leitsatz

Sendet ein Prozessbevollmächtigter das Empfangsbekenntnis nicht zurück, kann sich die erforderliche Bereitschaft zur Entgegennahme des zuzustellenden Schriftstücks und damit der Zeitpunkt des tatsächlichen Zugnags aus dem Umstand ergeben, dass der dem Rechtsmittelgericht übersandte Abdruck der angegriffenen Entscheidung einen Eingangsstempel und Vermerke trägt. (Rn. 2 – 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 23 K 19.2546 2019-12-10 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Berufungszulassungsverfahren wird auf 4.800,- Euro festgesetzt.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Er ist unzulässig, weil er nicht innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO beim Verwaltungsgericht eingelegt worden ist. Die Monatsfrist endete am 13. Januar 2020, denn das vollständige und mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:versehene Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 13. Dezember 2019 zugegangen (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 189, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB). Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist aber erst am 15. Januar 2020 beim Verwaltungsgericht eingegangen, denn der Klägerbevollmächtigte hat ihn zwar am 13. Januar 2020 um 23.21 Uhr im Wege seines besonderen Anwaltspostfachs an den Verwaltungsgerichtshof übermittelt. Von dort ist er aber erst am 15. Januar 2020 im normalen Geschäftsgang an das Verwaltungsgericht weitergeleitet worden.
Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Klägerbevollmächtigten das Urteil des Verwaltungsgerichts am 13. Dezember 2019 zugegangen ist, obwohl er trotz mehrfacher Aufforderung kein Empfangsbekenntnis abgegeben hat. Gemäß § 56 Abs. 1 und 2 VwGO sind im Verwaltungsprozess Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung zuzustellen. Einem Anwalt kann dabei gemäß § 174 Abs. 1 ZPO ein Schriftstück gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden. Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen, so gilt es nach § 189 ZPO in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerechtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Dabei ist der Zeitpunkt maßgeblich, an dem der Zustellungsempfänger das Schriftstück tatsächlich erhalten (vgl. BVerwG, B.v. 25.4.2005 – 1 C 6.04 – BeckRS 2005, 27852) und zur Kenntnis genommen hat (BVerwG, B.v. 27.7.2015 – 9 B 33.15 – DVBl 2015, 1381 = juris Rn. 5). Der Nachweis kann dabei mithilfe anderer Beweismittel erbracht werden (vgl. BVerwG a.a.O. Rn. 5 m.w.N.). § 189 ZPO liegt das Prinzip der Zweckerreichung zugrunde (vgl. BGH, U.v. 12.3.2015 – III ZR 207/14 – BGHZ 204, 268 Rn. 17). Gelangt das zuzustellende Schriftstück zum richtigen Empfänger, so hat die Zustellung – mit Wirkung ex nunc – ihren Zweck erfüllt.
Im vorliegenden Fall kann zwar die vom Verwaltungsgericht vorgesehene Zustellung des Urteils an den Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis nach § 174 Abs. 1 und 4 ZPO nicht nachgewiesen werden. Es kann jedoch mit der erforderlichen Gewissheit davon ausgegangen werden, dass das Urteil dem Prozessbevollmächtigten am 13. Dezember 2019 tatsächlich zugegangen ist. Damit ist der Mangel der Zustellung zu diesem Zeitpunkt nach § 189 ZPO geheilt und die Rechtsbehelfsfrist hat nach § 58 Abs. 1 VwGO zu laufen begonnen. Der vom Klägervertreter im Berufungszulassungsverfahren vorgelegte Urteilsabdruck und der im Beschwerdeverfahren (Az. 11 CS 20.147) vorgelegte Beschlussabdruck tragen beide einen Eingangsstempel seiner Kanzlei vom 13. Dezember 2019. Damit steht fest, dass beide Entscheidungen an diesem Tag in der Kanzlei eingegangen sind. Darüber hinaus ist sowohl auf dem Urteil als auch auf dem Beschluss ein Vermerk angebracht, dass die Schriftstücke am 13. Dezember 2019 zum dortigen Aktenzeichen eingescannt worden sind. Auf den dem Verwaltungsgerichtshof vom Klägervertreter übersandten kopierten Abdrucken der Entscheidungen ist zudem notiert, dass Fristen und Vorfristen eingetragen worden sind. Daraus kann auf die Empfangsbereitschaft des Prozessvertreters am 13. Dezember 2019 geschlossen werden (vgl. BVerwG, B.v. 17.5.2006 – 2 B 10.06 – DÖV 2006, 788 = juris Rn. 5 f.), denn hätte keine Empfangsbereitschaft bestanden, wären die Fristen nicht berechnet und eingetragen und das Urteil nicht zur Akte genommen worden. Darüber hinaus wurden die Rechtsmittelfristen offensichtlich auch ab dem 13. Dezember 2019 berechnet, denn die Beschwerdebegründung sowie der Berufungszulassungsantrag wurden am 13. Januar 2020 zwischen 23 und 24 Uhr an den Verwaltungsgerichtshof versandt. Es wäre nicht erforderlich gewesen, die Schriftsätze mitten in der Nacht zu versenden, wenn die Frist nach den eigenen Berechnungen des Klägerbevollmächtigten nicht am 13. Januar 2020 geendet hätte. Nachdem mehrere Anfragen zum Zustellzeitpunkt unbeantwortet geblieben sind und auch auf den Hinweis, dass vom Zugang des Urteils am 13. Dezember 2019 ausgegangen werde, keine Stellungnahme erfolgte, ist ein anderer Geschehensablauf nicht ersichtlich und eine weitere Sachverhaltserforschung nicht erforderlich.
2. Darüber hinaus könnte der Antrag auf Zulassung der Berufung aber auch keinen Erfolg haben, selbst wenn er zulässig wäre. Soweit der Klägerbevollmächtigte vorträgt, das Gericht habe von der Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Juli 2020 (gemeint wohl 2019) vorgebrachte Tatsachen nicht berücksichtigt, findet sich weder ein Schriftsatz mit diesem Datum noch mit dem vom Klägervertreter geltend gemachten Inhalt bei den Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts. Im Übrigen erscheinen die durchgeführten polizeilichen Ermittlungen auch ausreichend. Zum einen ist nicht ersichtlich, wann die Beamten der Polizeiinspektion 41 München die Nachschau an der Firmenanschrift durchgeführt haben und ob zu diesem Zeitpunkt die Firma überhaupt geöffnet gewesen ist, zum anderen obliegt es der Einschätzung der Polizei, ob eine Vorsprache am Firmensitz oder eine Vorladung der Geschäftsführer zur Polizeiwache erfolgversprechender erscheint.
3. Als unterlegene Rechtsmittelführerin hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und der Empfehlung in Nr. 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, Anhang zu § 164 Rn. 14).
5. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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