Verwaltungsrecht

Schadensersatz wegen Nichtbeförderung -Primärrechtsschutz

Aktenzeichen  3 ZB 18.711

Datum:
13.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 22558
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 839 Abs. 3
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 4

 

Leitsatz

1. Ein Beamter kann Ersatz des ihm durch eine Nichtbeförderung entstandenen Schadens verlangen, wenn der Dienstherr bei der Vergabe eines Beförderungsamtes seinen Anspruch auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl schuldhaft verletzt hat, dem Beamten das Amt ohne diesen Rechtsverstoß voraussichtlich übertragen worden wäre und er es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (stRspr BVerwG BeckRS 2015, 47556).  (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wurde der Beamte wegen einer rechtswidrigen Mindestaltersgrenze nicht befördert, unterlässt er den vorrangigen Primärrechtsschutz schuldhaft (§ 839 Abs. 3 BGB), wenn er seine Aufnahme in das Auswahlverfahren nicht beantragt. Einer Negativmitteilung durch den Dienstherrn bedarf in diesem Fall nicht.  (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ist es dem Dienstherrn aufgrund seines eigenen rechtsuntreuen Verhaltens nicht verwehrt, sich auf § 839 Abs. 3 BGB zu berufen.  (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 1 K 15.1906 2017-11-08 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 19.926,30 Euro festgesetzt.

Gründe

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel), des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten), des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) sowie des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
Der am 23. Oktober 1971 geborene Kläger beansprucht von dem Beklagten im Wege des Schadensersatzes dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtlich so gestellt zu werden, als ob ihm zum 1. November 2005, hilfsweise zum 1. November 2014 ein Amt der Besoldungsgruppe A9 mit Amtszulage verliehen worden wäre. Zum Beförderungsstichtag 1. November 2005 hatte der mit Wirkung vom 1. Juni 2000 zum Polizeihauptmeister (Besoldungsgruppe A9) zuletzt beförderte Kläger eine dienstliche Beurteilung mit dem Gesamturteil 16 Punkte erhalten. Eine Beförderung nach Besoldungsgruppe A9 mit Amtszulage unterblieb, da die Beförderungsrichtlinie für die Laufbahnen des mittleren, des gehobenen und des höheren Dienstes der Bayerischen Polizei (RBefPol) vom 16. September 1993, später die Verordnung über die Fachlaufbahn Polizei und Verfassungsschutz (FachV-Pol/VS) vom 9. Dezember 2010 (GVBl S. 821; GVBl 2011, S. 36) für eine entsprechende Beförderung ein Mindestalter von 43 Jahren vorsah. Nachdem die Polizeidienstunfähigkeit des Klägers mit Gesundheitszeugnis des Ärztlichen Dienstes der Bayerischen Polizei vom 21. November 2008 festgestellt worden war, wurde der Kläger mit Wirkung vom 1. August 2010 in die Laufbahn des mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienstes in das Amt eines Polizeiinspektors (BesGr A9) überführt. Mit E-Mail vom 17. Juni 2013 teilte das Polizeipräsidium Niederbayern dem Kläger auf Anfrage des Personalrates mit, dass er ab dem 1. November 2014 die Voraussetzungen für eine Beförderung nach A9 mit Amtszulage erfülle, da er im Oktober 2014 das 43. Lebensjahr vollende. In Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 28.10.2004 – 2 C 23.03 – juris) stellte das Verwaltungsgericht München (U.v. 12.02.2014 – M 5 K 13.537 – juris) die Rechtswidrigkeit der Mindestaltersgrenze von 43 Jahren in der maßgeblichen Beförderungsrichtlinie fest. Daraufhin passte das Bayerische Staatsministerium des Innern (IMS vom 28.03.2014 – IC3-0421.2-138 im Vorgriff auf die Verordnung zur Änderung der FachV-Pol/VS vom 4. September 2015 – GVBl S. 343) die Beförderungspraxis an und stellte ab dem Beförderungstermin Juni 2014 bei Beförderungen nach Besoldungsgruppe A9 mit Amtszulage nicht mehr auf das Lebensalter ab. Dies führte dazu, dass zum Stichtag 1. November 2014 nur noch Beamte mit einer Beurteilung von 15 Punkten und mehr, jedoch nicht der damals mit 10 Punkten beurteilte Kläger, befördert werden konnten.
Mit Schreiben vom 26. Januar 2015 wandte sich der Kläger an den Beklagten und forderte Schadensersatz. Die gegen die ablehnende Entscheidung des Beklagten erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 8. November 2017 mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger den gebotenen Primärrechtsschutz nicht in Anspruch genommen habe, der Anspruch auf Schadensersatz zudem verwirkt und ein Anspruch nach dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG) verjährt sei. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen. Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seinen Anspruch auf Schadensersatz nach den allgemeinen Grundsätzen weiter. Ansprüche nach dem AGG werden nicht aufrechterhalten.
1. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Ernstliche Zweifel, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, B.v. 6.6.2018 – 2 BvR 350/18 – juris Rn. 16; B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – juris Rn. B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 23.6.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 17; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542 f.). Dies ist hier nicht der Fall.
Rechtsgrundlage für das geltend gemachte Begehren ist der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Beamter danach von seinem Dienstherrn Ersatz des ihm durch eine Nichtbeförderung entstandenen Schadens verlangen, wenn der Dienstherr bei der Vergabe eines Beförderungsamtes den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch des Beamten auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl schuldhaft verletzt hat, dem Beamten das Amt ohne diesen Rechtsverstoß voraussichtlich übertragen worden wäre und dieser es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 19.3.2015 – 2 C 12.14 – BVerwGE 151, 333 – juris Rn. 12 m.w.N.).
In Anwendung des auch im Beamtenrecht geltenden Rechtsgedankens des § 839 Abs. 3 BGB (BVerwG, U.v. 18.4.2002 – 2 C 19.01 – NVwZ-RR 2002, 620) hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass die Ersatzpflicht für rechtswidriges staatliches Handeln nicht eintritt, wenn der Verletzte mögliche Rechtsbehelfe unmittelbar gegen die beanstandete Entscheidung ohne hinreichenden Grund nicht in Anspruch genommen hat (sog. Vorrang des Primärrechtsschutzes). Auf den nachrangigen Rückgriff (BVerwG, U.v. 15.06.2018 – 2 C 19.17 – NVwZ 2018, 1637 – juris Rn. 8) auf das Rechtsinstitut der Verwirkung kommt es damit nicht entscheidungserheblich an.
Den zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil setzt der Kläger mit dem Zulassungsantrag nichts Stichhaltiges entgegen, das weiterer Prüfung in einem Berufungsverfahren bedürfte. Dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch steht es entgegen, dass der Kläger es zumindest fahrlässig unterlassen hat, einen förmlichen Beförderungsantrag bzw. einen Antrag auf Aufnahme in die Auswahlliste/Beförderungsrangliste zu stellen und ggf. diesen mit Widerspruch und Verpflichtungsklage/Leistungsklage sowie der Beantragung einer einstweiligen Anordnung gerichtlich zu verfolgen (UA S. 15; BGH, U.v. 5.12.2002 – III ZR 148/02 – juris Rn. 15; OLG Nürnberg, U.v. 16.8.2017 – 4 U 355/17 – juris Rn. 19).
Der unter Bezugnahme auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 1.4.2004 – 2 C 26.03; OVG NW, U.v. 27.4.2016 – 1 A 2309/14 – jeweils juris) geltend gemachte Einwand des Klägers, ihm könnte die schuldhafte Versäumung der Inanspruchnahme des primären Rechtsschutzes nicht vorgeworfen werden, da es der Dienstherr unterlassen habe, ihn über das Ergebnis einer Auswahlentscheidung zu informieren, ist nicht geeignet, das erstinstanzliche Urteil in Zweifel zu ziehen. Denn Rechtsmittel im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB sind nicht nur die Rechtsbehelfe des verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes gegen bevorstehende Ernennungen, sondern auch der an den Dienstherrn gerichtete Antrag, befördert zu werden (BVerwG, U.v. 15.06.2018 – 2 C 19.17 – juris Rn. 27). Der Zugang von Negativmitteilungen war für eine entsprechende Antragstellung nicht erforderlich. Anders als in dem der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 1.4.2004 a.a.O.) zugrundeliegenden Sachverhalt, lag den Auswahlentscheidungen keine einzelfallbezogene Entscheidung, die eine entsprechende Negativmitteilung zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes bedingen würde, zugrunde. Die unterlassene Zustellung einer Negativmitteilung an den Kläger führt hier gerade nicht zu einer Vereitelung oder unzumutbaren Erschwerung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfG, B.v. 19.9.1989 – 2 BvR 1576/88 – NJW 1990, 501), da dem Kläger der Ausgang der Stellenbesetzungsverfahren bezüglich der Besoldungsgruppe A9 mit Amtszulage, d.h. die unterbliebene Aufnahme in die Auswahlliste mangels Erreichens der Altersgrenze – auch ohne Negativmitteilung – vor der jeweiligen Ernennung der konkurrierenden Beamten bekannt war. Diese Kenntnis folgte nicht nur aus den allgemein zugänglichen Beförderungsrichtlinien/FachV-Pol/VS, sondern auch aus gezielt vom Kläger bei seinem Dienstherrn eingeholten Informationen. Seinem eigenen Vortrag nach (Schreiben vom 18.9.2018 – VGH-Akte S. 67) hat sich der Kläger nach seiner letzten Beförderung im Jahr 2000 „umfassend“ über seine „weiteren beruflichen Aufstiegschancen und Möglichkeiten informiert“; dabei seien ihm „alle relevanten Voraussetzungen“ für seine „nächste Hürde“ – u.a. auch die nun streitgegenständliche Altersgrenze – klar und deutlich mitgeteilt worden. Das „Ob und Wann“ seiner Beförderung sei für ihn „klar und deutlich festgelegt“ gewesen.
Eine Negativmitteilung war hier auch nicht deshalb erforderlich, um den unterlegenen Beamten davor schützen, ein Rechtsmittel auf ungesicherter tatsächlicher und rechtlicher Grundlage zu ergreifen (BVerwG, U.v. 1.4.2004 a.a.O. – juris Rn. 15). Wird ein Beamten bereits im Vorfeld der Anwendung des Leistungsprinzips allein wegen Nichterreichens der Altersgrenze als allgemeine Beförderungsvoraussetzung nicht zu der eigentlichen Auswahlentscheidung zugelassen, besteht keine vergleichbare ungesicherte tatsächliche oder rechtliche Grundlage für die Einlegung eines Rechtsmittels im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB (UA S. 18). Hierfür bedurfte es auch keiner Kenntnis über den Bewerberkreis in nicht anonymisierter Form.
Unabhängig davon, ob der Kläger „Bewerber“ war und dass er keine persönliche sog. Negativmitteilung über das Ergebnis der jeweiligen Auswahlverfahren erhielt oder auf anderem individuellen Weg über seine Nichtbeförderung unterrichtet wurde, war jedenfalls die „Anstoßfunktion“ für einen Antrag auf Beförderung bzw. Aufnahme in die Auswahlliste durch die Information über das Auswahlverfahren anhand der maßgeblichen Beförderungsrichtlinie und über die Beförderungsentscheidungen im IntraPol (vgl. Art. 17 Abs. 7 i.V.m. Art. 16 Abs. 4 LlbG) erfüllt. Wenn der Dienstherr in dieser Form über ein von ihm regelmäßig praktiziertes monatliches Beförderungsverfahren und die Beförderungsentscheidungen jedenfalls in den Grundzügen informiert, hat ein an seinem beruflichen Fortkommen interessierter Beamter die Obliegenheit, sich ggf. über weitere Einzelheiten dieses Verfahrens zu erkundigen, seine Nichteinbeziehung in den zur Beförderung in Aussicht genommenen Personenkreis sowie in die Auswahlentscheidung zu rügen und gegen die drohende Ernennung Anderer mit Mitteln des vorläufigen Rechtsschutzes vorzugehen (BVerwG, U.v. 15.06.2018 – 2 C 19.17 – juris Rn. 28).
Trotz dieser Informationen hat es der Kläger unterlassen, beim Dienstherrn seine Aufnahme in die Auswahlliste bzw. Beförderung zu beantragen, geschweige denn einen solchen Anspruch mit den zulässigen Rechtsbehelfen durchzusetzen versucht, obwohl er spätestens seit 2004 (BVerwG, U.v. 28.10.2004 – 2 C 23.03 – juris) davon ausgehen musste, dass Beförderungen nicht von einer Mindestaltersgrenze abhängig gemacht werden durften. Derart angestoßen, kann von dem Kläger als potentiellen Bewerber grundsätzlich erwartet werden, dass er sich zunächst selbst aktiv bewirbt. Für das Absehen von einer Bewerbung bestand kein hinreichender Grund (dazu sogleich). Der Kläger muss sich deshalb entgegenhalten lassen, dass er die angeblich rechtswidrige Unterlassung seiner Beförderung ab dem Jahr 2004 hingenommen und damit in Kauf genommen hat, dass der Beklagte mit der Besetzung der Beförderungsämter vollendete Tatsachen schaffen konnte.
Die sich aus dem Beamtenverhältnis ergebenden Pflichten für Dienstherrn und Beamten verschieben sich dadurch auch nicht unverhältnismäßig zulasten des Beamten (BVerwG, U.v. 15.6.2018 – 2 C 19.17 – juris Rn. 30).
Der Kläger hat es zumindest fahrlässig unterlassen, einen förmlichen Beförderungsantrag bzw. einen Antrag auf Aufnahme in die Auswahlliste zu stellen (vgl. OLG Nürnberg, U.v. 16.08.2017 – 4 U 355/17 – juris). Ob es der Beamte schuldhaft unterlassen hat, ein Rechtsmittel einzulegen, hängt unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls davon ab, welches Maß an Umsicht und Sorgfalt von Angehörigen des Verkehrskreises verlangt werden muss, dem der Verletzte angehört (BVerwG, U.v. 15.06.2018 – 2 C 19.17 – juris Rn. 33; U.v. 1.4.2004, a.a.O., Rn. 13; BGH, U.v. 15.11.1990 – III ZR 302/89 – BGHZ 113, 17 – juris Rn. 22).
Hier sind – wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat (UA S. 16 f.) – an den Kläger als erfahrenen und aufgrund seiner guten Leistungen zum Aufstieg in den gehobenen Polizeivollzugsdienst zugelassenen Polizeibeamten, besondere Anforderungen zu stellen. Von ihm kann ein erhöhtes Maß an Umsicht und Sorgfalt erwartet werden.
Trotz der angeführten Umstände war er daher in der Lage, seine persönlichen Interessen gegenüber dem Dienstherrn durch Ergreifen eines Rechtsbehelfs zu wahren. Diese besonderen Verhältnisse des Verkehrskreises des Klägers lassen in Anbetracht der Wichtigkeit der Sache und der unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 28.10.2004 a.a.O.) guten Erfolgsaussichten die Nichteinlegung von Rechtsmitteln im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB als zumindest fahrlässig erscheinen.
Die Inanspruchnahme eines Rechtsmittels im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB war aufgrund der höchstrichterlichen Klärung (BVerwG, U.v. 28.10.2004 a.a.O.) daher weder aussichtslos noch unzumutbar. Dies zeigt schon das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 12. Februar 2014 (M 5 K 13.537 – juris). Das mit der Inanspruchnahme von Rechtsschutz verbundene Risiko kann jedenfalls nicht von der Verpflichtung entbinden, diesen einzuleiten. Der Umstand, dass die Mindestaltersgrenze in der Beförderungsrichtlinie bzw. FachV-Pol/VS als abstrakt-generelle Regelung für den gesamten Geschäftsbereich der Polizei gegolten hat, hätte den Kläger nicht auf die Rechtmäßigkeit der Beförderungsrichtlinien vertrauen lassen und ihn davon abhalten dürfen, seine Rechte geltend zu machen. Zum einen liegt es gerade bei Massenbeförderungsverfahren in der Natur der Sache, dass entsprechende Beförderungsrichtlinien erlassen und keine individuell-konkreten Regelungen getroffen werden. Zum anderen lag auch dem Urteil des Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, U.v. 28.10.2004 a.a.O.) mit der Richtlinie des schleswig-holsteinischen Innenministeriums „Laufbahnverlauf und Aufstiegschancen im Laufbahnabschnitt I (mittlerer Polizeivollzugsdienst) der Landespolizei“, sog. Laufbahnverlaufsmodell 1999) eine abstrakt-generelle Regelungen für den gesamten Geschäftsbereich der Polizei zugrunde. Dass sich der Kläger durch die Altersgrenze im Vergleich zu seinen Kollegen/-innen nicht ungerecht behandelt fühlte, führt ebenfalls nicht zu einer Unzumutbarkeit der Geltendmachung seines Beförderungsanspruchs.
Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ist es dem Dienstherrn aufgrund seines eigenen rechtsuntreuen Verhaltens nicht verwehrt, sich auf § 839 Abs. 3 BGB zu berufen. Denn diese Vorschrift setzt als Ausnahme der Ersatzpflicht systematisch und kraft Natur der Sache eine vom Dienstherrn zu vertretene Rechtsverletzung voraus. Sogar dann, wenn die Amtspflichtverletzung selbst grob fahrlässig oder gar vorsätzlich begangen worden ist, genügt es für den Verlust des Ersatzanspruchs, wenn den Verletzten an dem Unterlassen eines Rechtsmittels der Vorwurf leichter Fahrlässigkeit trifft (Staudinger/Wöstmann, Stand: 2013, § 839 BGB Rn. 345).
Hinsichtlich des klägerischen Vortrags, er sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen, sich mit seiner beruflichen Situation zu beschäftigten, weist das Erstgericht zu Recht darauf hin, dass dies wegen der Möglichkeit einer anwaltlichen Vertretung nicht zu einer schuldlosen Unterlassung des Primärrechtsschutzes führt. Es ist nachvollziehbar, wenn der Kläger aufgrund seiner Erkrankung an Lyme-Borreliose körperlich und psychisch stark belastet war. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass er deshalb nicht in der Lage gewesen wäre, rechtzeitig und über mehrere Jahre hinweg seine Beförderung bzw. Aufnahme in die Auswahlliste zu beantragen oder diese von Dritter Seite beantragen zu lassen.
Der Senat hat auch die weiteren Argumente des Klägers, die dieser in der Zulassungsbegründung vom 22. März 2018, in der Replik vom 22. Oktober 2018 und dem weiteren Schriftsatz vom 24. Oktober 2018 vorgebracht hat, erwogen. Er hat sie jedoch ebenfalls nicht für geeignet gehalten, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung aufzuzeigen, ohne dass es insoweit im vorliegenden Beschluss einer ausdrücklichen Auseinandersetzung bedurft hätte.
2. Zu dem vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) geht die Darlegung letztlich nicht über das hinaus, was zur Begründung der Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ausgeführt ist. Besondere Schwierigkeiten im Sinne offener Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 27) haben sich dabei nicht ergeben.
3. Soweit der Kläger meint, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hinsichtlich der Frage zu, welche Anforderungen an das Zeit- und das Umstandsmoment bei der Verwirkung eines beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs wegen verspäteter oder unterbliebener Beförderung zu stellen sind, dringt er damit nicht durch. Die Frage führt mangels Entscheidungserheblichkeit / Klärungsbedürftigkeit nicht zur Berufungszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung. Ist die erstinstanzliche Entscheidung selbständig tragend auf zwei Gründe gestützt, ist eine Zulassung der Berufung nur gerechtfertigt, wenn im Hinblick auf jeden der beiden Begründungsstränge ein Zulassungsgrund dargelegt wird und gegeben ist (Happ in Eyermann, VwGO, a.a.O., § 124a Rn. 61). Liegt hinsichtlich des ersten Begründungsstrangs (unterlassener Primärrechtsschutz, § 839 Abs. 3 BGB) kein Zulassungsgrund vor (s.o.), können die Einwände des Klägers gegen den zweiten Begründungsstrang (Verwirkung) von vornherein die Zulassung der Berufung nicht rechtfertigen.
4. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz ist nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Hierzu wäre auszuführen gewesen, welcher Rechts- oder Tatsachensatz in dem Urteil des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift in dem angefochtenen Urteil aufgestellte Rechts- oder Tatsachensatz dazu in Widerspruch steht. Die divergierenden Sätze müssten einander so gegenübergestellt werden, dass die Abweichung erkennbar wird. Die Zulassungsbegründung legt nicht dar, mit welchem abstrakten Rechtssatz sich das Erstgericht in Widerspruch zu der Rechtsauffassung gesetzt haben soll, die das Bundesverwaltungsgericht in den von ihr zitierten Entscheidungen vertreten hat.
Den zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen (BVerwG, U.v. 1.4.2004 – 2 C 26.03; U.v. 4.11.2010 – 2 C 16.09 – jeweils juris), auf die das Erstgericht in seinem Urteil (UA S. 17) teilweise ausdrücklich rekurriert, ist kein Rechtssatz zu der Frage zu entnehmen, wie der Begriff des „Bewerbers“ zu verstehen sein könnte. In diesem Zusammenhang weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass sich die seitens des Klägers vorgeschlagene Definition „Bewerber ist jeder, der bei rechtmäßigem Handeln im Rahmen der Auswahlentscheidung berücksichtigt werden muss“ in den benannten höchstrichterlichen Entscheidungen nicht finden lässt. Abgesehen davon ist die vom Kläger zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung offenkundig nicht auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar (zu BVerwG, U.v. 1.4.2004 – 2 C 26.03 – juris; s.o. Rn. 9). Der Kläger bedurfte gerade keiner Negativmitteilung über den Ausgang des Stellenbesetzungsverfahrens zur Gewährleistung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten, beginnend mit der Stellung eines Antrags auf Beförderung bzw. Aufnahme in die Auswahlliste.
5. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 6 GKG i.V.m. Ziffer 10.2 des Streitwertkatalogs und folgt derjenigen des Erstgerichts.
6. Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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