Aktenzeichen M 4 S 17.31321
Leitsatz
Senegal ist ein sicherer Herkunftsstaat. Die allgemein harten Lebensbedingungen rechtfertigen nicht die Annahme einer extremen Gefahrenlage. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde.
Der Antragsteller, der keinerlei Legitimationspapiere vorlegt und auch sonst seine Identität nicht glaubhaft machen kann, behauptet, ein am … Januar 1995 geborener senegalesischer Staatsangehöriger vom Volk der Wolof zu sein. Am 28. April 2016 stellte er in Deutschland Asylantrag. In seiner Erstbefragung am … April 2016 gab er an, am … Februar 2014 sein Herkunftsland erstmalig verlassen zu haben und über die Sahararoute nach Italien gereist zu sein, wo er sich ein Jahr aufgehalten habe. In Italien seien ihm Fingerabdrücke genommen worden.
Zur Begründung seines Asylantrags gab er in seiner Anhörung am … Mai 2016 im Wesentlichen an, nachdem er sein Geburtsjahr von 1995 auf 1990 korrigiert hatte, Reisepass und Personalausweis seien auf dem Reiseweg über das Meer verloren gegangen. Im Senegal habe er keine Schule besucht, erst in Deutschland. Er habe den Beruf des Schneiders erlernt und seinem Onkel in seinem Atelier geholfen. Sein Onkel habe für seinen Lebensunterhalt gesorgt. Der Grund für seine Ausreise sei, dass er von der Polizei gesucht würde. Er habe für seinen Onkel vor der Haustüre Tee gekocht, als dieser hinzugekommen sei und einen Aktenkoffer vor dem Haus abgestellt habe. Dann sei sein Onkel ins Haus verschwunden. Kurze Zeit später sei die Polizei gekommen und habe eine Razzia durchgeführt und ihn gefragt, wem der Aktenkoffer gehöre. Er selbst habe bestritten, dass das seiner sei und auf seinen Onkel verwiesen. Als dieser herausgekommen sei, habe er auf den Antragsteller gezeigt und behauptet, der Koffer würde ihm gehören. Er habe ihn beschuldigt, undankbar zu sein und Drogen in seinem Haus verkaufen zu wollen. Die Polizei habe ihn verhaften wollen, aber er habe den einen geschubst und sei abgehauen. Nach einer Woche, in der er sich in der Stadt aufgehalten und versteckt habe, sei er nach Mali ausgereist. Drei Polizisten seien an der Razzia beteiligt gewesen. Bei einer Rückkehr in den Senegal fürchte er, verhaftet und wegen Drogenhandels verurteilt zu werden.
Mit Bescheid vom 29. November 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (1. und 2.). Auch der Antrag auf subsidiären Schutz wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt (3.). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz -AufenthG- lägen nicht vor (4.). Der Antragsteller werde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er in den Senegal abgeschoben. Er könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe und der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (5.). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (6.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (7.).
Das Bundesamt begründete den Bescheid im Wesentlichen damit, dass der Antragsteller keine schutzwürdigen Belange angegeben habe. Beim Senegal handle es sich um einen sicheren Herkunftsstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.
Ein erster Zustellversuch unter der angegebenen Anschrift schlug am 1. Dezember 2016 fehl. Der Antragsteller war unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln. Einer Mitteilung des Landratsamtes München vom 6. Dezember 2016 an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu Folge ist der Antragsteller am … November 2016 mit neuer Adresse in den Zuständigkeitsbereich des Landkreises München zugezogen. Mit Schriftsatz vom 30. November 2016, eingegangen beim Bundesamt am 13. Dezember 2016, teilte der Antragsteller seine neue Wohnadresse mit.
Mit Telefax vom 26. Januar 2017 erhob die Bevollmächtigte des Antragstellers Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid, zugestellt am 20. Januar 2017 (Az.: M 4 K 17.31319) und beantragte nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Ein weiterer Zustellnachweis ist in der Bundesamtsakte nicht enthalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung ist zulässig (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylG; § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylG), jedoch unbegründet.
Zu Gunsten des Antragstellers wird davon ausgegangen, dass er unverschuldet erst im Januar 2017 den streitgegenständlichen Bescheid zugestellt bekommen hat. Zwar spricht vieles dafür, dass der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht aus § 10 AsylG nicht mit der erforderlichen Sorgfalt nachgekommen ist; auch lässt sich nicht feststellen, wann der streitgegenständliche Bescheid tatsächlich zugestellt wurde. Die Mitteilung des Antragstellers an das Bundesamt vom 30. November 2016, die allerdings erst zwei Wochen später beim Bundesamt einging, könnte vordatiert sein. Es wird jedoch bei diesem nicht weiter aufklärbaren Sachverhalt zu Gunsten des Antragstellers ausgegangen, dass der Antrag und die Klage noch innerhalb der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG bei Gericht eingegangen sind.
Die Ablehnung des Asylbegehrens sowie der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als jeweils offensichtlich unbegründet und die Ablehnung des subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet unterliegen keinen durchgreifenden Bedenken. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten ist nicht erkennbar, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Ergebnis nicht geboten ist.
1. Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG i.V.m. § 30 Abs. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag und der Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. – juris Rn. 86 ff.). Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Ein-schätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufenthG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, mit einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung. Das Gericht folgt zunächst den Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung von Entscheidungsgründen ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
a) Im Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens des Antragstellers nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte. Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Vom Antragsteller sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag war somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Die gleiche Beurteilung gilt für die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet. Der Vortrag des Antragstellers enthält keinerlei Anknüpfungspunkt für das Vorliegen eines im Sinne der §§ 3 ff. AsylG relevanten Verfolgungsschicksals. Dies gilt auch für das Vorliegen der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes im Sinne der §§ 4 ff. AsylG. Jedenfalls ist der Kläger auf einen Umzug innerhalb des Senegals zu verweisen (vgl. §§ 3e, 4 Abs. 3 AsylG).
b) Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch zum Vorliegen von Abschiebungsverboten hat der Antragsteller bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nichts vorgetragen, was ein Abweichen von der Bewertung im angegriffenen Bescheid rechtfertigt.
Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar ist nach der Auskunftslage (Bericht des Auswärtigen Amtes vom 14.10.2016, dort zu Ziffer IV.1 – S. 15) davon auszugehen, dass die Versorgungslage im Senegal schlecht ist. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen kann der zurückkehrende Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aber nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei seiner Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, d.h. gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 5/01 – BVerwGE 115, 1 m.w.N.; BVerwG, U. v. 29.9.2011 – 10 C 24/10 – NVwZ 2012, 451 Rn. 20). Auch ist in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG zudem mittlerweile ausdrücklich geregelt, dass nicht erforderlich ist, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik gleichwertig sein muss.
Das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage bei Rückkehr kann beim Antragsteller mit Verweis auf die schon getätigten Ausführungen nicht angenommen werden.
c) Damit ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung insgesamt nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
…