Aktenzeichen M 10 S 16.30314
Leitsatz
Im Senegal ist die medikamentöse Behandlung einer allergisch bedingten Asthmaerkrankung sichergestellt, mithin die Krankheit behandelbar. (redaktioneller Leitsatz)
Von einer abschiebungsschutzrelevanten Verschlechterung des Gesundheitszustandes kann nicht schon dann gesprochen werden, wenn „lediglich“ die Heilung eines Krankheitszustandes im Abschiebungsfall nicht zu erwarten ist. Das Abschiebungsverbot dient nämlich nicht dazu, dem ausreisepflichtigen erkrankten Ausländer die Heilung seiner Erkrankung im Rahmen des sozialen Systems der Bundesrepublik Deutschland zu eröffnen; vielmehr stellt es allein den Schutz vor gravierenden Beeinträchtigungen von Leib und Leben im Zielstaat im Falle einer Abschiebung oder Rückkehr sicher. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist.
Der Antragsteller ist laut vorgelegter Wahlberechtigungskarte (République du Sénégal – Carte d‚Electeur) 1970 geborener Staatsangehöriger der Republik Senegal. Nach eigenen Angaben gehört er dem Volk der Mandinka an und ist muslimischen Glaubens.
Am 17. Oktober 2013 stellte er einen Asylantrag.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 9. November 2015 gab der Antragsteller zu seiner Ausreise an, er habe seine Heimatstadt … im März 2000 verlassen und sei von Libyen mit dem Schiff nach Italien gelangt, wo er bis 2013 in Bari gelebt habe. Anschließend habe er sich etwa zwei Monate in der Schweiz aufgehalten, wo sein Asylgesuch abgelehnt worden sei. Im Oktober 2013 sei er dann in die Bundesrepublik eingereist.
Zu seinen Asylgründen trug der Antragsteller vor, seine Großfamilie lebe in verschiedenen Ländern in Westafrika. Alle zwei Jahre habe man sich in einem großen Wald im Süden Senegals getroffen. Diese Bewegung nenne sich „Bois Sacré“ (heiliges Holz/heiliger Wald), ihr Anführer sei ein Schamane, ein spiritueller Mensch. Bei den regelmäßigen Treffen werde u. a. auch der Nachfolger des Schamanen gewählt, der aus der Großfamilie Kamara stammen müsse. Die Anhänger seien absolut überzeugt von dieser Art Religion, dies habe der Antragsteller als Kind miterlebt. Weil er mit einem sechsten Finger geboren worden und darin ein Zeichen gesehen worden sei, hätte er der Nachfolger des Schamanen werden sollen. Sein Großvater mütterlicherseits, ein Muslim, habe immer versucht, ihn von dem Ganzen fernzuhalten. Als der Antragsteller verstanden habe, dass der Glaube um den Schamanen nichts für ihn sei, hätten dessen Anhänger dennoch gewollt, dass er der Nachfolger werde. Dass er abgelehnt habe, sei für die Leute eine schlimme Beleidigung gewesen, da er aus ihrer Sicht mit dem Ganzen gebrochen habe. Die Religion habe wirklich Macht, es sei wie ein Blutpakt. Nach der Ablehnung der Nachfolge sei der Antragsteller ein Jahr lang schwer krank gewesen, ohne dass die Ärzte dies hätten erklären können. Er nehme an, die Leute um den Schamanen hätten die Krankheit provoziert. Seine Mutter habe sehr darunter gelitten und versucht, sich bei dem Schamanen zu entschuldigen, damit er ihnen verzeihe. Schließlich sei der Antragsteller „freigelassen“ worden, was bedeute, dass er das Land habe verlassen müssen. Er habe keine Wahl gehabt. Die Religion sei eine starke Religion, wenn man ihre Position ablehne, verzichte man auf Macht und Einfluss. Eine Ablehnung bedeute spirituelle aber auch physische Gefahr. Wäre er im Senegal geblieben wäre, wäre er schwer krank oder verrückt oder sogar umgebracht worden. Dies sei jetzt 15 Jahre her, er könne aber nie wieder in den Senegal zurückkehren, weil dies wie eine weitere Beleidigung wäre. Auch die Polizei könne in einem solchen Fall nichts machen. Die Bewegung sei wie ein Insekt, vor dem alle Angst hätten, sie sei wie schwarze Magie, die einen verfluchen könne.
Zudem habe er gesundheitliche Gründe für sein Asylgesuch. Er leide unter chronischem Asthma, das in Italien durch eine Allergie gegen eine bestimmte Art von Bäumen ausgelöst worden sei. Aus diesem Grund sei er dort jedes Jahr ein bis zwei Wochen im Krankenhaus gewesen.
In Italien habe er kein Asyl beantragen wollen, nachdem er die Lebenssituation der anderen Afrikaner dort gesehen habe. Hier in Deutschland habe er innerlich und äußerlich Ruhe gefunden, sein Asthma werde behandelt. Er sei auf dem Weg, seine Integration zu verbessern.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Antragstellers gegenüber dem Bundesamt wird auf die Asylakte (Bl. 40 ff.) verwiesen.
Mit Bescheid vom 29. Januar 2016, dem Antragsteller zugestellt am 16. Februar 2016, lehnte das Bundesamt sowohl den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter (Ziffer 2. des Bescheids) als auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1. des Bescheids) als offensichtlich unbegründet ab, ebenso wurde der Antrag auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus abgelehnt (Ziffer 3. des Bescheids). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG wurde verneint (Ziffer 4. des Bescheids), der Antragsteller wurde zur Ausreise binnen Wochenfrist aufgefordert, die Abschiebung wurde bei nicht fristgerechter Ausreise angeordnet (Ziffer 5. des Bescheids). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG wurde auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Ziffer 6. des Bescheids), das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet ab dem Tag der Abschiebung auf 30 Monate (Ziffer 7. des Bescheids).
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen offensichtlich nicht vor. Der Antragsteller stamme aus einem sicheren Herkunftsland im Sinne von § 29a Abs. 2 AsylG. Er habe nichts vorgetragen, was ein Abweichen von dieser allgemeinen Einschätzung gebieten würde. Er habe auch keine begründete Furch vor Verfolgung glaubhaft gemacht. Sofern er vortrage, er vortrage, er unterliege einer Art Fluch, könne dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Muslime stellten im Senegal mit 90% die Bevölkerungsmehrheit, Christen machten ca. 5% der Bevölkerung aus. Die Religionsfreiheit sei verfassungsrechtlich geschützt, an der Ausübung seiner Religion werde niemand von staatlicher oder nichtstaatlicher Seite gehindert. Wie die ethnischen hätten auch die religiösen Minderheiten ungehinderten Zugang zu Regierungs- und hohen Verwaltungsämtern. Sofern der Antragsteller Übergriffe von Glaubensgemeinschaften fürchte, könne er staatlichen Schutz in Anspruch nehmen und durch Anzeige eines etwaigen Vorfalls Hilfe erlangen. Der senegalesische Staat schütze vor Repressionen Dritter, es könne weder von einer generellen Schutzunwilligkeit noch Schutzunfähigkeit der Behörden gesprochen werden. Selbst bei Wahrunterstellung seines Vortrags hätte der Antragsteller keinen Anspruch auf Zuerkennung eines Schutzes, da er sich jedenfalls auf die vorhandenen staatlichen Schutzmöglichkeiten im Senegal verweisen lassen müsse. Der Antragsteller habe selbst erklärt, sich nicht an die Polizei gewandt zu haben, dies sei von ihm selbst zu verantworten. Davon abgesehen bestehe für den Antragsteller auch die Möglichkeit des internen Schutzes, insbesondere die Option, in größere Städte auszuweichen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Täter landesweit auf den Antragsteller hätten zugreifen können.
Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Senegal führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) vorliege. Es sei davon auszugehen, dass er als volljähriger arbeitsfähiger Mann auch ohne nennenswertes Vermögen, ohne abgeschlossene Berufsausbildung und ohne familiären Rückhalt im Falle einer Rückkehr in den Senegal in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen. So sei er offenbar auch vor der Ausreise in der Lage gewesen, sein Auskommen zu sichern und sein Studium zu finanzieren. Auch könne er bei seiner Rückkehr auf seine Mutter zurückgreifen, wodurch er heimatliche Unterstützung erfahren dürfte und die Gefahr einer Obdachlosigkeit nicht gegeben sei. Sofern der Antragsteller auf seine Asthmaerkrankung und seine Allergie verweise, könne dies nicht zur Feststellung eines Abschiebungsverbots führen. Denn nähere Informationen zur Krankheit und zur Art und Notwendigkeit der Behandlung seien nicht vorgetragen oder gar durch ärztliche Atteste nachgewiesen worden. Auch wenn nicht davon ausgegangen werden könne, dass im Senegal eine optimale ärztliche Versorgung wie in der Bundesrepublik Deutschland geleistet werden könne, sei hier aber nicht zu befürchten, dass der Antragsteller sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen bzw. einem Todesrisiko durch Krankheit ausgesetzt werden würde.
Auf die weiteren Einzelheiten der Begründung des Bescheids wird verwiesen.
Am 15. Februar 2016 ließ der Antragsteller gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 29. Januar 2016 durch seine Verfahrensbevollmächtigte Klage erheben (zunächst Az. M 21 K 16.30313, nunmehr Az. M 10 K 16. 30313).
Mit dieser wird unter Aufhebung des Bescheids die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung des Antragstellers als Asylberechtigten bzw. hilfsweise als Flüchtling begehrt. Weiter hilfsweise wird die Gewährung subsidiären Schutzes bzw. die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG geltend gemacht.
Über die Klage ist noch nicht entschieden.
Gleichzeitig wird im vorliegenden Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen
bzw. wiederherzustellen.
Die Verfahrensbevollmächtigte trägt vor, der Antragsteller sei ein schwer kranker Mann. Er leide an chronischem Asthma und sei bereits mehrmals lebensrettend im Krankenhaus gewesen.
Unter dem 25. Februar 2016 und 10. März 2016 legte die Verfahrensbevollmächtigte dem Gericht die Kopie eines Arztbriefes vom 25. August 2015 der Kliniken im Naturpark … über einen stationären Aufenthalt des Antragstellers vom 23. August 2015 bis 25. August 2015 sowie die Kopie eines Verlaufsberichts der Praktischen Ärzte Dres. med. … und …, vom 25. Februar 2016 betreffend den Antragsteller vor; hieraus ergebe sich, dass der Antragsteller wegen seiner Erkrankung an allergischem Asthma bronchiale auf Dauer behandlungsbedürftig sei und regelmäßige Medikamentation benötige. Die Sicherstellung der lebensrettenden Medikamente sei im Senegal nicht gewährleistet, eine Verschlechterung im Heimatland bis hin zum Tode sei hinreichend wahrscheinlich gemacht. Ferner ergebe sich aus den Attesten, dass eine Abschiebung des Antragstellers nicht möglich sein dürfte.
In dem vorgelegten Arztbrief der Kliniken im Naturpark … vom 25. August 2015 wird beim Antragsteller ein Asthmaanfall bei bekanntem allergischem Asthma bronchiale diagnostiziert. Der Patient sei via Notarzt mit einer akuten Dyspnoe eingeliefert worden, er habe aktuell kein Asthmaspray mehr gehabt (Vormedikation: Foster, Flutiform 250/10 µg 1-0-1, aktuell beide Sprays leer). Zusammenfassend hält der Bericht fest, der Antragsteller sei mit einem akuten Asthmaanfall bei bekanntem allergisch getriggertem Asthma bronchiale aufgenommen worden. Unter Glukokortikoidgabe sowie einer inhalativen antiobstruktiven Therapie hätten sich die Beschwerden deutlich gebessert. Eine ambulante pulmonologische Anbindung sei zur Verlaufskontrolle sowie weiteren Anpassung der Therapie im Verlauf zu empfehlen. Der Antragsteller werde in stabilem Zustand in die ambulante Weiterbetreuung der Hausärzte entlassen (Medikation bei Entlassung: Symbicort 160/4,5 µg 2-0-2, Salbutamol bei Bedarf; selbstverständlich könnten auch wirkstoffgleiche Präparate anderer Hersteller verordnet werden).
In dem weiterhin vorgelegten Verlaufsbericht der Hausärzte des Antragstellers Dres. … vom 25. Februar 2016 wird ausgeführt, der Antragsteller habe sich erstmals am 18. November 2013 wegen Asthma bronchiale in ihrer Praxis vorgestellt. Er habe über Atemnot geklagt, auskultatorisch habe eine Obstruktion der Atemwege bestanden. Salbutamol Spray (Kosten: 15,26 €) sei verordnet worden. In der Lungenfunktion habe sich am 19. November 2013 eine obstruktive Lungenerkrankung gezeigt, am 26. November 2013 habe sich der Antragsteller mit Verschlechterung der Symptomatik wieder vorgestellt. Nach subcutaner Verabreichung von Bricanyl sei deutliche Besserung erfolgt. Eine Dauertherapie mit Flutiform 250/10 (Kosten: 83,94 €) sei eingeleitet worden. Im Juni/Juli 2014 seien zwei Exazerbationen erfolgt, die durch kurzfristige orale Therapie mit Kortisontabletten behandelt worden seien. Ansonsten sei unter regelmäßiger Anwendung von Flutiform ein stabiler Verlauf zu verzeichnen. Bei Absetzen des Medikaments sei eine Verschlechterung der Symptomatik zu erwarten.
Ferner legte die Verfahrensbevollmächtigte eine Bestätigung über die Teilnahme des Antragstellers an einem berufsbezogenen Sprachkurs im Bereich gewerbliche Helfertätigkeit sowie einen Arbeitsvertrag und eine Lohnsteuerbescheinigung 2015 vor.
Die Antragsgegnerin hat unter dem 24. Februar 2016 die Behördenakten vorgelegt, ohne sich im Verfahren zu äußern.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (auch im Verfahren M 10 K 16.30315) und der beigezogenen Behördenakte des Bundesamtes Bezug genommen.
II.
Der – nach Auslegung – zulässig erhobene Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bleibt erfolglos. Die Ablehnung des Asylbegehrens sowie der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als jeweils offensichtlich unbegründet und die Ablehnung des subsidiären Schutzes unterliegen keinen durchgreifenden Bedenken. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten ist nicht erkennbar, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Ergebnis nicht geboten ist.
1. Das Gericht geht gemäß § 122 Abs. 1 i. V. m. § 88 VwGO in sachgerechter Auslegung des Antrags davon aus, dass sich der Eilantrag nicht gegen das auf § 11 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) gestützte Aufenthalts- und Einreiseverbot nach der Abschiebung (Ziffer 7. des Bescheids vom 29.1.2016) richtet. Ein derartiger Antrag wäre mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig (NdsOVG, B.v. 14.12.2015 – 8 PA 199/15 – juris Rn. 5; ausführlich ebenso VG München, B.v. 19.1.2016 – M 21 S 16.30019 – S. 8 f. des Beschlussabdrucks – zur Notwendigkeit einer Verpflichtungsklage für die Befristungsentscheidung m. umfangr. Nachw.).
Der ansonsten auslegungsbedürftige (§ 88 VwGO) Eilantrag ist in der Sache darauf gerichtet, dass das Gericht die kraft Gesetzes nach § 75 Asylgesetz (AsylG; ohne weitere Übergangsregelung in Kraft seit 24.10.2015 aufgrund von Art. 1, 15 Abs. 1 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl I S. 1722) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung (Ziffer 5. Satz 2 u. 3 des Bescheids vom 29.1.2016) und die nach § 84 Abs. 1 Satz 2 AufenthG kraft Gesetzes ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen das auf § 11 Abs. 7 AufenthG gestützte Einreise- und Aufenthaltsverbot (Ziffer 6. des Bescheids) nach § 80 Abs. 5 VwGO anordnen soll.
Dieser Antrag ist zulässig, insbesondere wurde er innerhalb der gesetzlichen Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gestellt.
2. Der Antrag bleibt erfolglos.
a) Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG i. V. m. § 30 Abs. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag und der Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. = juris Rn. 86 ff.).
Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufentG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
b) Nach der Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung.
Das Gericht folgt zunächst den Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid vom 29. Januar 2016 und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
aa) Im Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens des Antragstellers nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte.
Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Vom Antragsteller sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag war somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Die gleiche Beurteilung gilt für die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet.
Soweit der Antragsteller seine Weigerung, die Nachfolge eines Schamanen anzutreten, im Jahre 2000 anführt und vorträgt, er bei einer Rückkehr in den Senegal fürchte die Rache der Anhänger der religiösen Gruppierung, genügt dieses Vorbringen – selbst als wahr unterstellt – schon nicht den Anforderungen an eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure (§ 3c Nr. 3 AsylG). Es ist nach der Auskunftslage davon auszugehen, dass der senegalesische Staat willens und in der Lage ist, von Dritten verfolgte Staatsangehörige zu schützen. Jedenfalls steht ihnen bei einer Rückkehr in Anwendung von § 3d, § 3e AsylG ausreichender interner Schutz zur Verfügung; insbesondere innerhalb der Großstädte des Landes bestehen ausreichende Ausweichmöglichkeiten (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die Einstufung der Republik Senegal als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG vom 21.11.2015 – Stand August 2015 – Gz. 508-516.80/3 SEN, nachfolgend: Lagebericht 2015 – S. 12 f.).
Eine Ablehnung des Schutzantrages als offensichtlich unbegründet ist damit nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG gerechtfertigt.
bb) Die Ablehnung der Zuerkennung subsidiären Schutzes ist ebenfalls nicht zu beanstanden; denn wie ausgeführt kann der Antragsteller jedenfalls ausreichenden internen Schutz im Senegal vorfinden (§ 4 Abs. 3 i. V. m. § 3d, § 3e AsylG).
cc) Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) sind solche hier nicht ersichtlich bzw. nicht ausreichend dargetan.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine solche (individuelle) Gefahr kann auch bestehen, wenn der Ausländer an einer Erkrankung leidet, die sich aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat voraussichtlich verschlimmern wird. Erforderlich aber auch ausreichend ist insoweit, dass sich die vorhandene Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise zu verschlimmern droht, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d. h. eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers zu erwarten ist (vgl. BVerwG, U.v. 9.9.1997 – 9 C 48.96 – BVerwGE 105, 383; U.v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 – BVerwGE 127, 33; B.v. 17.8.2011 – 10 B 13.11 u. a. – juris).
Dies kann vor allem dann der Fall sein, wenn in dem Abschiebezielstaat dringend erforderliche Behandlungsmöglichkeiten fehlen oder wenn solche Behandlungsmöglichkeiten zwar vorhanden, für den betreffenden Ausländer aber aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht erreichbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2002 – 1 C 1.02 – DVBl 2003, 463).
Von einer abschiebungsschutzrelevanten Verschlechterung des Gesundheitszustandes kann allerdings nicht schon dann gesprochen werden, wenn „lediglich“ die Heilung eines Krankheitszustandes im Abschiebungsfall nicht zu erwarten ist. Das Abschiebungsverbot dient nämlich nicht dazu, dem ausreisepflichtigen erkrankten Ausländer die Heilung seiner Erkrankung im Rahmen des sozialen Systems der Bundesrepublik Deutschland zu eröffnen; vielmehr stellt es allein den Schutz vor gravierenden Beeinträchtigungen von Leib und Leben im Zielstaat einer Abschiebung oder Rückkehr sicher. Auch dient der Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht dazu, eine bestehende Krankheit optimal zu behandeln, insbesondere gewährt die Vorschrift keinen allgemeinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und Standard der medizinischen Versorgung in Deutschland.
Eine Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ist daher auch nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustands, sondern nur dann anzunehmen, wenn außergewöhnlich schwere körperliche oder psychische Schäden bei einer Rückkehr in den Zielstaat drohen (BVerwG, B.v. 24.5.2006 – 1 B 118.05 – juris).
Hinreichend konkret ist die Gefahr schließlich nur dann, wenn eine nach den vorstehend beschriebenen Anforderungen relevante Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr des Betroffenen in sein Heimatland, also innerhalb eines überschaubaren Zeitraums einzutreten droht (vgl. OVG NRW, U.v. 27.1.2015 – 13 A 1201/12.A – juris).
Um ein entsprechendes Abschiebungshindernis feststellen zu können, ist eine hinreichend konkrete Darlegung der gesundheitlichen Situation erforderlich, die in der Regel durch ein ärztliches Attest zu untermauern ist (VG München, U.v. 24.2.2012 – M 22 K 10.30780 – juris).
Ein diesen Anforderungen entsprechendes Vorbringen des Antragstellers ist nicht gegeben. Insbesondere lässt sich aus den vorgelegten ärztlichen Attesten nicht entnehmen, dass die diagnostizierte Asthmaerkrankung sich alsbald nach seiner Rückkehr in den Senegal in lebensbedrohlicher Weise verschlimmern würde.
Der Verlaufsbericht der Dres. med. … vom 25. Februar 2016 bescheinigt, dass sich der Antragsteller im November 2013 in ihrer Praxis mit Asthma bronchiale und einer Obstruktion der Atemwege vorgestellt hat. In Folge dessen wurde eine Dauertherapie mit dem Asthmaspray Flutiform 250/10 (Kosten: 83,94 €) eingeleitet. Zwei Exazerbationen im Juni/Juli 2014 wurden durch kurzfristige orale Therapie mit Kortisontabletten behandelt.
Insgesamt stellt der Bericht fest, dass unter regelmäßiger Anwendung von Flutiform ein stabiler Verlauf der Krankheit zu verzeichnen sei; bei Absetzen des Medikaments sei jedoch eine Verschlechterung der Symptomatik zu erwarten.
Letzteres bestätigt auch der Arztbrief der Kliniken … vom 25. August 2015, der berichtet, dass der Antragsteller am 23. August 2015 wegen akuter Dyspnoe notärztlich eingeliefert wurde. In der Anamnese wird der Asthmaanfall darauf zurückgeführt, dass der Antragsteller kein Asthmaspray mehr hatte, beide Inhalatoren waren aktuell leer.
Nach der Auskunftslage ist eine allergisch bedingte Asthmaerkrankung, wie sie beim Antragsteller vorliegt, im Senegal behandelbar. Dies umfasst auch die notwendige medikamentösen Versorgung.
Grundsätzlich ist das Angebot an meist aus Frankreich importierten Medikamenten umfassend. Auch die Ärzteschaft ist gut ausgebildet. Dies gilt insbesondere für die Kliniken in Dakar (vgl. Lagebericht 2015 S. 15).
Es ist auch nicht ersichtlich, dass die notwendige Behandlung einschließlich Medikation für den Antragsteller aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht erreichbar wären.
Nach der Auskunftslage ist das staatliche Gesundheitssystem zwar insoweit unzureichend, als Patienten ihre Medikamente, Operationen und Krankenhausaufenthalte selbst finanzieren müssen. Obwohl Medikamente wesentlich preiswerter als in Europa sind, sind sie für weite Bevölkerungsteile kaum erschwinglich bzw. nicht über einen längeren Zeitraum finanzierbar. Dies verursacht vor allem Probleme bei chronischen Erkrankungen, häufig muss in solchen Fällen die gesamte Familie für die Behandlungskosten aufkommen. Es ist davon auszugehen, dass auf den Märkten eine Vielzahl gefälschter Medikamente zirkuliert (zum Ganzen vgl. Lagebericht 2015 a. a. O.).
Grundsätzlich ist der Antragsteller als arbeitsfähiger Mann in der Lage, seinen Lebensunterhalt im Senegal – wie jeder andere dort Lebende in der vergleichbaren Situation – durch eigene Tätigkeit sicherzustellen. Er hat nach eigenen Angaben bereits vor seiner Ausreise neben seinem Studium gearbeitet. Vor diesem Hintergrund ist es dem Antragsteller möglich und tatsächlich zumutbar, seinen Lebensunterhalt durch eigene Tätigkeit sicherzustellen.
In Bezug auf die Finanzierung der dauerhaft benötigten Asthmamedikamente ist davon auszugehen, dass ihn seine im Heimatland lebenden Angehörigen ggf. hierbei unterstützen können.
Zudem sind Bestrebungen zur staatlichen Subventionierung der Asthmabehandlung im Senegal erkennbar. Laut einem Artikel der Zeitung „Le soleil online“ vom 24. Mai 2013 habe der Präsident der senegalesischen Vereinigung für Pneumologie, Prof. Abdul Almamy Hann, die Behörden aufgefordert, Medikamente für die Behandlung von Asthma in der gleichen Art wie zuvor die Medikamente für AIDS und Diabetes zu subventionieren (vgl. ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Senegal: Informationen zu medizinischer Behandlung (Asthma) [a-8569], 3.12.2013 – verfügbar auf ecoi.net ).
Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt ist.
dd) Damit ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).