Verwaltungsrecht

Senegal als sicherer Herkunftsstaat – Asylantrag offensichtlich unbegründet

Aktenzeichen  M 11 S 16.30591

Datum:
30.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4, § 29a, § 30, § 36 Abs. 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
GG GG Art. 16a Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

Müssen nach dem Tatbestand, auf den das Bundesamt seine negative Entscheidung über den Asylantrag und daran anknüpfend die Abschiebungsandrohung stützt, bestimmte Voraussetzungen „offensichtlich“ vorliegen (vgl. etwa § 30 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG), hat das angerufene Verwaltungsgericht (ausschließlich) darüber zu befinden, ob gerade das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes ernstlichen Rechtmäßigkeitszweifeln unterliegt (vgl. nur BVerfG BeckRS 9998, 170716). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben lediger und kinderloser Staatsangehöriger der Republik Senegal vom Volk der Wolof.
Er stellte unter dem 14. Oktober 2013 einen Asylantrag.
In der Anhörung am 14. Dezember 2015 beim Bundesamt … (im Folgenden: Bundesamt) gab der Antragsteller an, er habe im Senegal nicht genug Geld verdient. Er habe keine Probleme mit staatlichen Stellen gehabt. Er habe eine Operation am Knie gehabt. Er habe noch Schmerzen. Das bleibe jetzt so.
Mit Bescheid vom 8. März 2016 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.) und auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) als offensichtlich unbegründet ab, lehnte den Antrag auf subsidiären Schutz ab (Ziffer 3.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4.) und drohte dem Antragsteller mit einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung in den Senegal an (Ziffer 5.). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf zehn Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Ziffer 6.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 7.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen offensichtlich nicht vor. Der Antragsteller stamme aus dem Senegal, einem sicheren Herkunftsstaat. Aus seinem Vorbringen sei weder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung, noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal ersichtlich. Da es dem Antragsteller nicht gelungen sei, die Regelvermutung des § 29a AsylG zu widerlegen und aufgrund der Feststellung, dass er ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen aus dem Senegal ausgereist sei, sei der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Aus den vorliegenden Erkenntnissen und unter Hinweis auf die Ausführungen zum Flüchtlingsschutz seien keine Anhaltspunkte erkennbar, welche die Annahme rechtfertigten, dem Antragsteller drohe bei Rückkehr nach Senegal ein ernsthafter Schaden. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Senegal führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Es bestünden somit keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller nicht im Stande sein werde, sich bei einer Rückkehr nach Senegal eine zumindest existenzsichernde Grundlage zu schaffen. Es drohe dem Antragsteller auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde.
Zwar sei der Antragsteller am Knie operiert worden, es läge aber kein beachtliches Rückkehrrisiko vor.
Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf zehn Monate ab dem Tag der Ausreise befristet. Anhaltspunkte für schutzwürdige Belange, insbesondere für eine kürzere Fristsetzung, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Diese Befristung sei angemessen, schutzwürdige Belange seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Laut Akte wurde der Bescheid am 14. März 2016 an den Antragsteller versandt.
Am 24. März 2016 ließ der Antragsteller Klage erheben und beantragen,
unter Aufhebung des Bescheides festzustellen, dass der Antragsteller asylberechtigt ist, die Flüchtlingseigenschaft bei ihm vorliegt, der subsidiäre Schutzstatut bei ihm vorliegt, Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bei ihm vorliegen.
Zugleich ließ der Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Eine Begründung werde nachgereicht.
Am 29. März 2016 legte die Beklagte die Akten vor, ohne einen Antrag zu stellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zu Eil- und Klageverfahren und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Eilantrag ist unbegründet.
Gemäß Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs.1 GG wird die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen insbesondere in Fällen, die offensichtlich unbegründet sind, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen. Im Anschluss an Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG bestimmt § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG, dass die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG, § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99).
Müssen nach dem Tatbestand, auf den das Bundesamt seine negative Entscheidung über den Asylantrag und daran anknüpfend die Abschiebungsandrohung stützt, bestimmte Voraussetzungen „offensichtlich“ vorliegen (vgl. etwa § 30 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG), hat das angerufene Verwaltungsgericht (ausschließlich) darüber zu befinden, ob gerade das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes ernstlichen Rechtmäßigkeitszweifeln unterliegt (vgl. nur BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 93f.). Verlangt der Anknüpfungspunkt für die Abschiebungsandrohung hingegen keine Offensichtlichkeit, müssen die Voraussetzungen des Tatbestandes selbst ernstlich zweifelhaft sein, damit dem vorläufigen Rechtsschutzbegehren des Asylbewerbers entsprochen werden kann (vgl. nur Pietzsch in Beck´scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 9. Edition, Stand 1.11.2015, § 36 AsylG Rn. 40 m.w.N). Da dem Bundesamt bei seiner Entscheidung über die Offensichtlichkeit kein Einschätzungsspielraum und kein Ermessen zusteht, darf das Gericht die Begründung für die offensichtliche Unbegründetheit auswechseln (vgl. VG München, B. v. 29.8.2013 – M 24 S 13.30753 – juris Rn. 27).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass dem Antragsteller kein subsidiärer Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen ist und dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht bestehen, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung in §§ 30, 36 AsylG nicht unmittelbar zu entnehmen, dafür sprechen jedoch § 34 Abs. 1 AsylG und Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, B.v. 17.7.1996 – 2 BvR 1291/96 – juris Rn. 3).
Gemessen an diesen Maßstäben bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung.
Die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und die Verneinung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG begegnen keinen ernstlichen Rechtmäßigkeitszweifeln. Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe ab, weil es insoweit der Begründung des angefochtenen Bundesamtsbescheides folgt (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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