Aktenzeichen M 17 S 16.30336
Leitsatz
1 Die Anerkennung als Asylberechtigter scheidet aus, wenn die Einreise auf dem Landweg – also aus einem sicheren Drittstaat – in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Gegen die Einstufung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungs- noch europarechtliche Bedenken. (redaktioneller Leitsatz)
3 Für Volkszugehörige der Roma besteht in Serbien keine Gruppenverfolgung. (redaktioneller Leitsatz)
4 Ein Abschiebungsverbot wegen einer erheblichen konkreten Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nach § 60 Abs. 7 AufenthG liegt nur vor bei einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde; eine der medizinischen Versorgung in Deutschland gleichwertige Versorgung im Herkunftsland wird nicht vorausgesetzt. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind serbische Staatsangehörige und Zugehörige der Volksgruppe der Roma. Sie reisten nach eigenen Angaben am … März 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 22. September 2015 Asylanträge.
Am … Oktober 2015 bestellte sich die Zustellbevollmächtigte und legte ein Psychologisches Fachgutachten vom … September 2015 des Primärtherapeuten und Traumatherapeuten Psychotherapie und Heilpraktiker … vor, das zum Ergebnis kommt, die Antragstellerin zu 1. leide schwergradig unter PTBS und Depression bezogenen Symptomen. Eine Rückkehr nach Serbien würde für sie bedeuten, wieder in der Umgebung zu sein, wo ihre traumatischen Erlebnisse stattgefunden hätten. Hierdurch würde ein erhebliches Risiko einer Retraumatisierung bzw. der Neutraumatisierung entstehen. Eine Rückkehr würde auch das Suizidrisiko steigern.
Bei der Anhörung vor dem Bundesamt am … Oktober 2015 gaben die Antragsteller zu 1. im Wesentlichen an, ihr Ehemann habe Probleme mit Serben gehabt, weil sie halb Roma und muslimischen Glaubens sei. Er sei serbischer Roma. Sie sei krank und ihr gehe es nicht gut. Zwei Leute hätten sie vergewaltigen wollen. Andere Einwohner hätten sie gerettet und ihr geholfen. Sie hätten Steine auf sie geworfen. Sie seien bedroht worden. Wenn sie ihre Heimat nicht verlassen würden, würden sie gesteinigt, getötet und vergewaltigt. Die Polizei habe sie nicht ernst genommen. Sie sei bei einem Arzt in Serbien gewesen, aber keiner helfe ihnen. Sie habe psychische Probleme, seit sie den Kosovo verlassen habe und nach Serbien umgezogen sei. Ihre Mutter sei im Kosovo getötet und vergewaltigt worden. In der Niederschrift wird vermerkt, dass die Anhörung öfter habe unterbrochen werden müssen und die Antragstellerin zu 1. einen verwirrten Eindruck gemacht habe.
Mit Bescheid vom 11. Januar 2016, zugestellt am 19. Januar 2016, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab, lehnte die Anträge auf subsidiären Schutz ab (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde ihnen die Abschiebung nach Serbien angedroht (Nr. 5). Zudem wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes angeordnet und auf zehn Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6) sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7).
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte offensichtlich nicht vorlägen. Die Antragsteller stammten aus Serbien, einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne des Art. 16 a Abs. 3 Satz 1 GG, § 29 a Abs. 2 AsylG i. V. m. der Anlage II zum AsylG. Die Antragsteller hätten nichts glaubhaft vorgetragen oder vorgelegt, was zu der Überzeugung gelangen ließe, dass, entgegen der Einschätzung der allgemeinen Lage in ihrem Herkunftsstaat, in ihrem Fall die Voraussetzungen für die Annahme einer begründeten Frucht vor Verfolgung vorlägen. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu der Gruppe der Roma oder sonstigen individuellen Gründen hätten die Antragsteller Verfolgungsmaßnahmen bei einer Rückkehr nach Serbien nicht zu befürchten. Anhaltspunkte dafür, dass Diskriminierungen von ihrer Art, Intensität und Kumulation her einen echten Vertreibungsdruck durch Schaffung einer ausweglosen Lage erzeugten und damit asylrechtlich das für eine Schutzgewährung zu fordernde Maß an Schwere erreichten, gebe es hier jedoch nicht. Soweit die Antragstellerin zu 1. vorgetragen habe, sie und ihr Ehemann seien wegen ihrer Roma-Volkszugehörigkeit (potenzielle) Opfer von Bedrohung und Angriffen, könne dieses Vorbringen nicht zu Asyl oder Flüchtlingsschutz führen. Gegen die behauptete Bedrohung am Wohnort stehe, soweit dieser Sachvortrag überhaupt auf tatsächlich Erlebtem beruhe, hinreichender staatlicher Schutz in Serbien zur Verfügung. Im Übrigen könnte einer etwaigen regional bestehenden individuellen Gefährdung durch Wohnsitznahme in einem anderen Landesteil entgangen werden.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus seien nicht gegeben. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die Umstände, die die Antragstellerin zu 1. geltend gemacht habe, gingen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner hinzunehmen hätten, die in vergleichbarer Situation leben. Den Antragstellern drohe auch keine individuelle Gefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch die von der Antragstellerin zu 1. vorgetragene Erkrankung führe nicht zu einer Gewährung eines nationalen Abschiebungsverbots. Psychische Erkrankungen, wie z. B. Depressionen, Traumata, Schizophrenie, posttraumatische Belastungsstörungen seien in Serbien grundsätzlich behandelbar. Die von der Antragstellerin zu 1. und von „…“ vorgetragenen psychischen Störungen seien in Serbien behandelbar. Das Gesundheitssystem sei für die dort registrierten Staatsangehörigen grundsätzlich zugänglich; bei Mittellosigkeit fielen grundsätzlich auch keine Kosten an. Die im Attest von „…“ genannten Ereignisse seien von der Antragstellerin zu 1. bei ihrer Anhörung mit keinem einzigen Wort erwähnt worden Die Exploration decke sich nicht mit den Erkenntnissen, die in den Anhörungen hätten gewonnen werden können, so dass davon auszugehen sei, dass die Antragstellerin zu 1. jeweils unterschiedliche Angaben gemacht habe.
Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise sei im vorliegenden Fall angemessen, denn Anhaltspunkte auf schutzwürdige Belange der Antragsteller seien weder vorgetragen noch lägen sie nach den Erkenntnissen des Bundesamtes vor. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ab dem Tag der Abschiebung auf 36 Monate sei im vorliegenden Fall angemessen.
Die Zustellbevollmächtigte der Antragsteller übersandte dem Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg mit Schreiben vom 26. Januar 2016 deren Asylklage und Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Die Antragsteller beantragten,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung des Bundesamtes vom 11. Januar 2016 anzuordnen.
Die Zustellbevollmächtigte des Antragstellers legte mit Schreiben vom 2. Februar 2016 die Begründung des Antrags vor. Dort wird ausgeführt, die Antragstellerin zu 1. leide an einer sehr schweren Posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10: F 43.1) nach sexuellem Missbrauch (ICD-10: Y07) mit im Einzelnen aufgeführten komorbiden Erkrankungen. Laut Psychiatrischem Attest der Bezirkskliniken … vom … Oktober 2015 zeige sich bei der Antragstellerin zu 1. eine aktuell relevante psychopathologische Auffälligkeit im Kontext posttraumatischen Belastungserlebens, das in einem weiteren Psychiatrischen Attest des Bezirksklinikums … vom … Dezember 2015 erneut diagnostiziert worden sei. Des Weiteren sei die Antragstellerin zu 1. in das EU-Projekt „… …“ zur psychotherapeutischen Behandlung aufgenommen worden. Dabei handele es sich keinesfalls um beliebig austauschbare Hilfsangebote, zudem wäre ein Behandlerwechsel aufgrund der entstandenen Vertrauensbasis der Antragstellerin zu 1 zu ihren Therapeuten ausgesprochen kontraindiziert. Wie aus der Ergänzung vom 29. Januar 2016 zum psychologischen Fachgutachten vom 19. September 2015 deutlich hervorgehe, wäre bei einer Rückführung der Antragstellerin zu 1. in ihr Heimatland mit einer massiven Retraumatisierung und Verstärkung der vorhandenen Symptomatik, insbesondere der Suizidalität zu rechnen.
Die beigefügten Psychiatrischen Atteste der Bezirkskliniken … (Psychiatrische Tagesklinik … vom … Oktober 2015 und vom … Dezember 2015 diagnostizieren jeweils: „F43.1 Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung“ und empfehlen jeweils: „Aktuell relevante psychopathologische Auffälligkeit, durchaus im Kontext posttraumatischen Belastungserlebens zu sehen, Beeinträchtigung des häuslichen Funktionsniveaus. Zweifellos psychiatrisch psychotherapeutischer Hilfsbedarf, wobei neben weiterer diagnostischer Abklärung stabilisierende Interventionen vordergründig wären (…)“. Weiter heißt es im Attest vom … Oktober 2015: „unsererseits, aufgrund der sprachlichen Schwierigkeiten, zunächst Angebot der Teilnahme an „nonverbalen“ therapeutischen Gruppen.“ Zudem wird im Attest vom … Dezember 2015 festgestellt, dass die Antragstellerin zu 1. „an therapeutischen Gruppen teilgenommen und sich in psychischer Hinsicht stabilisiert (hat). Am … Dezember 2015 wurde sie mit ihrer ganzen Familie vorstellig, nachdem sie und ihr Mann eine „Zuweisungsentscheidung“ erhalten hatte. Die psychische Stabilität erschien stark gefährdet.“
Die Antragsgegnerin übersandte mit Schreiben vom 29. Januar 2016, eingegangen am 4. Februar 2016, die Behördenakten und stellte keinen Antrag.
Das Verwaltungsgericht Augsburg erklärte sich mit Beschluss vom 22. Februar 2016 Au 6 K 16.30086/Au 6 K 16.30087 für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit für das Hauptsache- als auch für das Eilverfahren an das Verwaltungsgericht München.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – anzuordnen, ist zulässig. Er ging insbesondere innerhalb der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG beim Verwaltungsgericht Augsburg ein.
Der Antrag ist jedoch unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (vgl. Art. 16 a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
Entsprechend der Gesetzeslage des Art. 16 a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S. v. Art. 16 a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.).
Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (BVerfG B. v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – DVBl 84, 673 ff. – juris Rn. 40). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16 a GG) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B. v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAuslR 1993, 196).
Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen hier keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidungen.
Für das Gericht ist offensichtlich, dass der geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte den Antragstellern nicht zusteht.
Die Anerkennung als Asylberechtigte scheidet bereits deswegen aus, weil die Antragsteller auf dem Landweg und damit aus einem sicheren Drittstaat in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist sind (Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG i. V. m. § 26 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AsylG).
Aber auch ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Asylberechtigte oder als Flüchtling rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag der Antragsteller nicht erkennbar. Das Gericht folgt daher der zutreffenden Begründung der Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid, auf die verwiesen wird (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Die Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet beruht auf § 29 a Abs. 1 AsylG. Nach dieser Vorschrift ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat i. S. d. Art. 16 a Abs. 3 Satz 1 GG (sicherer Herkunftsstaat) als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht. Das Heimatland der Antragsteller, Serbien, ist ein sicherer Herkunftsstaat in diesem Sinne (vgl. § 29 a Abs. 2 AsylG in Anlage II zu § 29 a AsylG). Die Einstufung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat erfolgte aufgrund des Gesetzes zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer vom 31. Oktober 2014, BGBl. I S. 1649 mit Wirkung vom 6. November 2014. Die Gerichte sind an diese Einstufung gebunden, es sei denn, sie sind der Überzeugung, dass sich die Einstufung als verfassungswidrig erweist (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93, Rn. 65).
Gegen die Einstufung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken. Dies entspricht auch der ganz überwiegenden Meinung der deutschen Verwaltungsgerichte, der sich das zu entscheidende Gericht anschließt (vgl. VG Regensburg, B. v. 24.2.2015 – RN 6 S 15.30120 – juris Rn. 18; VG Bayreuth, B. v. 13.2.2015 – B 3 S 15.30041 – juris Rn. 17; VG Berlin U. v. 28.01.2015 – 7 K 546.15 A – juris Rn. 19-32; B. v. 9.12.2014, 7 L 603.14 A – juris; VG Hamburg B. v. 6.3.2015 – 5 AE 270/15 – juris Rn. 4; VG Gelsenkirchen, B. v. 29.1.2015 – 19a L 94/15.A; VG Oldenburg B. v. 9.4.2015 – 7 B 1548/15 – juris Rn. 22; VG Aachen, B. v. 3.2.2015 – 9 L 680/14.A- juris Rn. 9; a. A. VG Münster, Beschl. v. 27.11.2014, 4 L 867/14.A – juris sowie Bader in InfAuslR, 2015, 69 ff.).
Die Antragsteller haben die durch § 29 a AsylG normierte Nichtverfolgungsvermutung auch nicht durch den schlüssigen Vortrag von individuellen Verfolgungstatsachen erschüttern können. Das gilt insbesondere im Hinblick auf den Vortrag der Antragstellerin zu 1., in der Republik Serbien aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Volk der Roma und ihrer Religionszugehörigkeit einem erhöhten Verfolgungsrisiko ausgesetzt zu sein.
Zur Ausräumung der Vermutung ist nur ein Vorbringen zugelassen, das die Furcht vor politischer Verfolgung auf ein individuelles Verfolgungsschicksal der Antragsteller gründet. Dabei kann sie ihre Furcht vor politischer Verfolgung auch dann auf ein persönliches Verfolgungsschicksal stützen, wenn dieses seine Wurzel in allgemeinen Verhältnissen hat. Die Vermutung ist erst ausgeräumt, wenn der Asylbewerber die Umstände seiner politischen Verfolgung schlüssig und substantiiert vorträgt. Dieser Vortrag muss vor dem Hintergrund der Feststellung des Gesetzgebers, dass in dem jeweiligen Staat im Allgemeinen keine politische Verfolgung stattfindet, der Erkenntnisse der Behörden und Gerichte zu den allgemeinen Verhältnissen des Staates und der Glaubwürdigkeit des Antragstellers glaubhaft sein. Zur Substantiierung trägt insoweit bei, wenn der Asylbewerber die Beweismittel vorlegt oder benennt, die nach den Umständen von ihm erwartet werden können. Diesen Voraussetzungen wird ein Antragsteller umso schwerer genügen können, je mehr er seine individuelle Verfolgungsfurcht auf allgemeine Verhältnisse gründet, die schon der gesetzlichen Kennzeichnung des Staates als sicherer Herkunftsstaat oder der Aufrechterhaltung dieser Qualifizierung entgegensteht (BVerfG U. v. 14.05.1996, – 2 BvR 1507/93 und 2 BvR 1508/93 -, BVerfGE 94, 115 ff, juris Rn. 97-99).
Die Antragsteller haben im Fall ihrer Rückkehr nach Serbien keine Gruppenverfolgung als Volkszugehörige der Roma zu erwarten. Voraussetzung einer Gruppenverfolgung – egal ob durch staatliche oder nicht staatliche Akteure – ist stets, dass jedes im Verfolgungsgebiet lebende Gruppenmitglied wegen der Gruppenzugehörigkeit von Verfolgung betroffen ist. Dabei müssen Verfolgungshandlungen gegen die Gruppe vorliegen, die so intensiv und zahlreich sind, dass jedes Mitglied der Gruppe die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit ableiten kann (vgl. BVerwG, B. v. 1.2.2007 – 1 C 24.06 – NVwZ 2007, 590). Eine solche Verfolgungsdichte besteht für Angehörige der Roma in Serbien nicht.
Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Das Gericht nimmt daher auch insoweit auf die Begründung des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist auszuführen: Den Antragstellern ist nicht gemäß § 4 Abs. 1 AsylG subsidiärer Schutz zuzuerkennen. Subsidiär schutzberechtigt ist nach dieser Vorschrift, wer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, ihm drohe in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden. Als ernsthafter Schaden gilt dabei die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Die vorgenannten Gefahren müssen dabei gemäß § 4 Abs. 3 AsylG i. V. m. § 3c AsylG in der Regel von dem in Rede stehenden Staat oder den ihn beherrschenden Parteien oder Organisationen ausgehen. Die Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure kann hingegen nur dann zu subsidiärem Schutz führen, wenn der betreffende Staat selbst nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu gewähren. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass den Antragstellern bei ihrer Rückkehr nach Serbien ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht. Sie haben auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, denn die tatbestandliche Voraussetzung eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes ist in Serbien nicht gegeben.
Ferner bestehen keine Anhaltspunkte für Abschiebungsverbote im Sinne des § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG. Was insbesondere § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anbetrifft, fehlt es an einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit. Eine Verletzung von Menschenrechten oder Grundfreiheiten, die sich aus der Konvention vom 4.11.1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergäbe, ist nicht ersichtlich.
Für die Antragsteller zu 2. bis 4. sind schon für den Fall der Rückkehr nach Serbien keine Gefahren für ihre Gesundheit dargetan. Die geltend gemachte psychische Erkrankung der Antragstellerin zu 1. begründet ebenfalls kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese Regelung erfasst zwar nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann aber gegeben sein, wenn die Gefahr besteht, dass sich eine vorhandene Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d. h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich die Krankheit im Heimatstaat aufgrund unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert oder wenn der betroffene Ausländer die medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen tatsächlich nicht erlangen kann (BVerwG, B. v. 17.8.2011 – 10 B 13/11 u. a. – juris; BayVGH, U. v. 3.7.2012 – 13a B 11.30064 – juris Rn. 34). Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden (OVG NRW, B. v. 30.12.2004 – 13 A 1250/04.A – juris Rn. 56).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist für die Antragstellerin zu 1. zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts keine derart schwere Erkrankung dargetan. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss eine derartige Krankheit substantiiert vorgetragen sein, wozu regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes gehört. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt (BVerwG, U. v. 11.9.2007 – 10 C 8/07 – BVerwGE 129,251 ff.). Die Atteste von „…“ genügen den Anforderungen der Rechtsprechung nicht, denn sie sind nicht von einem Facharzt für Psychiatrie oder einem Psychologischen Psychotherapeuten erstellt worden. Die beiden Atteste des Bezirksklinikums … (Tagesklinik …) vom … Oktober 2015 und vom … Dezember 2015 stammen zwar von einem Facharzt für Psychiatrie, beruhen aber auf einer Konsultation, nicht jedoch auf einer eingehenden und nachvollziehbar dokumentierten Exploration der Antragstellerin zu 1., wie sie für eine Diagnose eines Posttraumatischen Belastungssyndroms erforderlich ist. Außerdem wird lediglich der Verdacht auf ein Posttraumatisches Belastungssyndrom diagnostiziert. Zudem stellen die Atteste zwar die Behandlungsbedürftigkeit der Antragstellerin zu 1. fest, enthalten jedoch keinerlei Prognose für den Fall der Rückkehr nach Serbien, so dass die im Asylverfahren einzig erheblichen konkreten Gefahren aufgrund der Behandlungsmöglichkeiten im Heimatland nicht belegt sind. Die diagnostizierten psychischen Erkrankungen der Antragstellerin zu 1. sind jedoch, wie vom Bundesamt zutreffend festgestellt, in Serbien grundsätzlich behandelbar.
Bei den Umständen eines Behandlerwechsels handelt es sich ebenso wenig um zielstaatsbezogene Umstände, die vom Bundesamt im Asylverfahren zu prüfen sind, wie bei der Aufnahme in das EU-Programm, sondern um Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben, und deshalb allein von der Ausländerbehörde zu prüfen sind.
Vor diesem Hintergrund ist auch die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
Schließlich stellt sich das auf § 11 Abs. 7 AufenthG gestützte befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot nach der insoweit im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig dar. Die Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin sind im Rahmen der auf den Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO beschränkten gerichtlichen Überprüfung nicht zu beanstanden, zumal die Antragsteller gegen das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG keine Einwendungen vorgebracht und insbesondere kein fehlerhaftes Ermessen gerügt haben.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG abzulehnen.
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.