Aktenzeichen M 16 S 17.4055
SchfHwG § 8 Abs. 2, § 9, § 10, § 11, § 12 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, § 14a, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, Nr. 5, § 21 Abs. 2 S. 1
VwGO § 67 Abs. 4 S. 4, S. 7, § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5, § 117 Abs. 5, § 154 Abs. 1
Leitsatz
1 Die Nichterreichbarkeit des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers für die Aufsichtsbehörde über einen Zeitraum von mehreren Monaten hinweg stellt eine äußerst grobe und hartnäckige Pflichtverletzung dar. (Rn. 30 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine schwerwiegende Pflichtverletzung liegt auch dann vor, wenn der Bezirksschornsteinfeger den für seinen Kehrbezirk bestellten Vertretern nicht die erforderlichen bzw. nicht alle Kehrbezirksunterlagen zur Verfügung stellt. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die sofort vollziehbare Aufhebung seiner Bestellung zum bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger für den Kehrbezirk München … Der Antragssteller wurde von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 8. Juli 2014 mit Wirkung vom 1. Januar 2015 gemäß §§ 9, 10 Schornsteinfeger-Handwerksgesetz – SchfHwG für die Dauer von sieben Jahren zum bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger für den Kehrbezirk München … bestellt; die erstmalige Bestellung erfolgte 2003.
Am 15. Juli 2015 wurde eine Kehrbezirksüberprüfung bei dem Antragsteller durch die Landeshauptstadt München durchgeführt. Dabei seien von der Landeshauptstadt München gravierende Fehler und Mängel in der Kehrbezirksverwaltung festgestellt worden, die dem Antragsgegner, Regierung von Oberbayern, mit Schreiben vom 19. Dezember 2016 mitgeteilt wurden. Es sei zu Fehlern beim Erlass von Feuerstättenbescheiden gekommen. Es seien teils zu lange Fristen im jeweiligen Feuerstättenbescheid festgesetzt worden. Es fehlten in sieben Bescheiden die sogenannten Aufstellungsräume der Feuerstätten. Eine Zuordnung der Anlagen sei nicht eindeutig möglich. In drei Fällen seien die Feuerstättenbescheide erst einige Monate später erlassen worden, nachdem die Feuerstättenschau durchgeführt worden sei. Zudem seien Mängel in der Kehrbuchführung festgestellt worden. Teilweise könne nicht nachvollzogen werden, ob erforderliche Arbeiten erledigt worden seien oder nicht. In manchen Fällen fehlten sogar Eintragungen im Kehrbuch. Für Einzelheiten zu den von der Landeshauptstadt München bei der Überprüfung an 15. Juli 2015 aufgefunden Mängeln wird auf die vorgelegten Behördenakten Blätter 526 ff. sowie Blätter 110 ff. verwiesen.
Von der Landeshauptstadt München wurden dem Antragsgegner ferner mit Schreiben vom 19. Dezember 2016 diverse Beschwerden von Bürgern mitgeteilt. (Sonder-) Eigentümer verschiedener Immobilien im Kehrbezirk … hätten nach Feststellungen der Landesanstalt München mehrfach und wiederholt versucht, den Antragsteller zu kontaktieren, jedoch ohne Erfolg. Zudem hätten einige (Sonder-)Eigentümer keine Rechnungen für die Durchführung von wiederkehrenden hoheitlichen Arbeiten des Antragstellers erhalten. Auch Feuerstättenbescheide wären in Einzelfällen nicht erlassen worden. Für Einzelheiten wird auf die Behördenakten Blätter 357 ff., insbesondere die Blätter 359, 363, 364, 365, 371, 380 f., 395, 397, 415, 425, 441, 484, 502, 504, 505, 525 sowie Blätter 110 ff. verwiesen. Ebenfalls mit Schreiben vom 19. Dezember 2016 teilte die Landeshauptstadt München dem Antragsgegner mit, dass sie selbst in ihrer Funktion als Aufsichtsbehörde mehrfach versucht habe, den Antragsteller hinsichtlich verschiedener Beschwerden von Bürgern zu einer Stellungnahme zu bewegen. Obwohl diverse Schreiben förmlich mit Postzustellungsurkunde an den Antragsteller versandt worden wären, hätte dieser der Landeshauptstadt München keine Rückmeldung gegeben. Für Einzelheiten wird auf die Behördenakten Blatt 357 ff., insbesondere die Blätter 366, 369, 372, 373, 375, 398, 401, 429, 431, 439, 446, 449, sowie Blätter 95 f., 110 ff. verwiesen.
Mit Bescheid vom 22. September 2016 betraute die Landeshauptstadt München erstmals und befristet einen bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger eines benachbarten Bezirkes mit der vorübergehenden Verwaltung des Kehrbezirks München … Zur Begründung verwies sie darauf, dass die ordnungsgemäße Verwaltung des Kehrbezirks wegen Nichterreichbarkeit des Antragsstellers nicht sichergestellt sei, so dass es einer Vertretung nach § 11 Abs. 2 SchfHwG bedürfe. Dem Antragsgegner wurde der Bescheid mit der Bitte um Übergabe der Kehrbezirksunterlagen an den Vertreter zur Kenntnis gebracht. In der Folgezeit ergingen mehrere gleichgelagerte Verfügungen zur Betrauung eines bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers von benachbarten Kehrbezirken mit der Verwaltung des Kehrbezirks München … Am 8. November 2016 vermerkte die Landeshauptstadt München, der mit der Vertretung des Kehrbezirks … beauftragte Bezirksschornsteinfeger habe mitgeteilt, die Kehrbuchdaten seien nicht auf dem aktuellen Stand, so dass er die Fälligkeit der gebotenen Arbeiten nicht ersehen und sich nur auf solche hoheitlichen Aufgaben konzentrieren könne, die von den Eigentümern initiiert würden oder die er selbst erkenne.
Mit Bescheid der Landeshauptstadt München vom 15. November 2016 wurde der Antragssteller aufgefordert, der Landeshauptstadt München bis spätestens 30. November 2016 die Kehrbücher, Kopien sämtlicher Feuerstättenbescheide sowie Aufzeichnungen der nicht behobenen Mängel und nicht abgeschlossenen Bauabnahmen, Belegungspläne, Dachskizzen sowie sämtliche Unterlagen über messpflichtige Anlagen aus den Jahren 2014, 2015 und 2016 vollständig zu übermitteln. Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der Herausgabeverpflichtung wurde ein Zwangsgeld angedroht. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragssteller habe dem Vertreter die Kehrbezirksunterlagen entgegen seiner Verpflichtung aus § 11 Abs. 3 Satz 2 SchfHwG nicht übergeben, so dass nun die Herausgabe an die Aufsichtsbehörde auf Grundlage des § 21 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG geboten sei.
In einem anlässlich der Verlängerung der Vertretung geführten Gespräch wies der Vertreter des Antragstellers nach einem Vermerk der Landeshauptstadt München vom 25. Januar 2017 darauf hin, dass die Feuerstättenschau in etwa 30% der Anwesen überfällig sei. Zudem seien die elektronischen Daten der Feuerstättenbescheide in dem Kehrbuch, das der Antragsgegner übergeben habe, nicht hinterlegt; diese seien wohl schriftlich abgelegt worden.
Unter dem 30. Januar 2017 forderte die Landeshauptstadt München den Antragssteller unter Hinweis auf die Herausgabeverfügung vom 15. November 2016 auf, sämtliche genannten Unterlagen bis zum 12. Februar 2017 an die Landeshauptstadt München weiterzuleiten, andernfalls werde das angedrohte Zwangsgeld fällig gestellt.
Bereits mit Schreiben vom 13. Januar 2017 wurde der Antragsteller vom Antragsgegner zu der geplanten Aufhebung seiner Bestellung als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger angehört.
Der Antragsteller nahm zu den Vorwürfen mit Schreiben vom 15. März 2017 Stellung. Zu der ihm in der Anhörung vorgeworfenen mangelnden Erreichbarkeit durch die Landeshauptstadt München in ihrer Funktion als Aufsichtsbehörde und durch (Sonder-)Eigentümer von Immobilien in seinem Kehrbezirk, trug der Antragsteller lediglich vor, dass er teilweise Probleme mit der Postzustellung habe. Die Erreichbarkeit und Kontaktbereitschaft sei nach wie vor vorhanden. Die Probleme mit der Postzustellung würden von der Post geklärt werden.
Ausweislich eines Vermerks vom 19. Juni 2017 teilte der damalige mit der Vertretung des Kehrbezirks München … beauftragte Bezirksschonsteinfeger der Landeshauptstadt München mit, er habe nur Zugriff auf das Kehrbuch für 2017 und nicht auf die Feuerstättenbescheide.
Unter dem 11. Juli 2017 wurde der Antragssteller aufgefordert, dem (neuen) Vertreter spätestens bis zum 23. Juli 2017 alle Kehrbezirksunterlagen des Kehrbezirks … zu übergeben. Zugleich wurde das mit Bescheid vom 15. November 2016 angedrohte Zwangsgeld von 2.500 Euro für fällig erklärt.
Mit Schreiben vom 12. Juli 2017 teilte die Landeshauptstadt München dem Antragsgegner unter anderem mit, dass in 40 Fällen kein Feuerstättenbescheid durch den Antragsteller erlassen worden wäre, obwohl Fristeintragungen in das Kehrbuch erfolgt seien.
Mit Bescheid vom 24. Juli 2017 wurde der Antragssteller erneut unter Androhung von Zwangsgeld zur Herausgabe der Kehrbezirksunterlagen bis spätestens 4. August 2017 aufgefordert.
Mit Bescheid vom 25. Juli 2017 hob der Antragsgegner, vertreten durch die Regierung von Oberbayern, die Bestellung des Antragsgegners als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger für den Kehrbezirk München … mit Ablauf des 31. August 2017 auf. Zur Begründung wurde unter Verweis auf § 12 Abs. 1 Nr. 2 SchfHwG ausgeführt, der Antragsgegner besitze nicht die erforderliche Zuverlässigkeit für die Ausübung des Amtes. Der Antragsteller komme seit Monaten den Aufforderungen der Landeshauptstadt München nicht nach. Nachrichten und Bescheide an den Antragsteller würden ebenfalls seit Monaten förmlich per Postzustellungsauftrag zugestellt werden und der Erhalt sei dadurch nachgewiesen. Trotz nachweislichen Zugangs behördlicher Mitteilungen und fehlender Reaktionen auf diese behaupte der Antragsteller, dass seine Erreichbarkeit und Kontaktbereitschaft vorhanden wäre. Darüber hinaus sei der Antragsteller als beliehener Unternehmer mit behördlichen Aufgaben ausgestattet. Im Rahmen der Ausübung seines Amts als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger obliege dem Antragsteller eine Beratungsfunktion für betroffene Eigentümer. Der Umstand, dass der Antragsteller monatelang für Eigentümer in seinem Kehrbezirk nicht erreichbar gewesen sei, stelle eine erhebliche Pflichtverletzung dar. Der Antragsteller habe in 40 Fällen keinen Feuerstättenbescheid erlassen, obwohl Fristeintragungen in das Kehrbuch erfolgt seien. Zudem seien vom Antragsteller erlassene Feuerstättenbescheide oftmals fehlerhaft. Der Antragsteller habe Unterlagen, die zur Führung eines Kehrbezirks vonnöten seien, nicht an Vertreter herausgegeben. Die vom Antragsteller geschilderte elektronische Datenübergabe an den Vertreter sei unvollständig geschehen. Der Antragsteller sei der Anordnung der Landeshauptstadt München, die Daten vollständig an das Referat für Gesundheit und Umwelt zu übergeben, nicht nachgekommen. Er habe lediglich Unterlagen zu zwei Anwesen im Kehrbezirk übersandt. Durch die Einbehaltung der Kehrbuchdaten für den Kehrbezirk München … habe der Antragsteller nicht nur eine erhebliche Pflichtverletzung begangen, sondern er habe darüber hinaus in Kauf genommen, dass die Betriebs- und Brandsicherheit gefährdet sei, weil er Vertreter bei der Erledigung seiner hoheitlichen Aufgaben im Kehrbezirk … behindert habe. Darüber hinaus werde der Bescheid auf eine fehlerhafte Gebührenabrechnung durch den Antragsteller gestützt. Aufgrund dieser zahlreicher Verfehlungen des Antragstellers besitze dieser nicht die erforderliche Zuverlässigkeit für die Ausübung der Tätigkeit als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger. Es werde davon ausgegangen, dass der Antragsteller aufgrund des Gesamteindrucks seines bisherigen Verhaltens nicht die Gewähr dafür biete, zukünftig die Tätigkeit als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger ordnungsgemäß auszuüben.
Der Antragsteller erhob durch seinen Bevollmächtigten am 28. August 2017 Anfechtungsklage (M 16 K 17.4056) und beantragte,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 28. August 2017 gegen den Bescheid der Regierung von Oberbayern anzuordnen.
Eine Begründung des Antrags und der Klage erfolgte nicht.
Der Antragsgegner stellte keinen Antrag und äußerte sich in der Sache nicht weiter.
Am 3. November 2017 beantragte die Landeshauptstadt München beim Verwaltungsgericht München unter anderem, die Durchsuchung der Wohn- und Büroräume des Antragstellers und die Durchsuchung und Beschlagnahme aller aufgefundenen elektronischen Datenträger (Computer, Notebooks, Festplatten, CD`s und USB-Sticks, usw.) zur Sicherstellung darauf gespeicherter Kehrbezirksunterlagen anzuordnen. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2017 gab das Verwaltungsgericht München (M 16 X 17.5223) diesem Antrag statt. Am 10. Januar 2018 wurde dann die Durchsuchung durch die Landeshauptstadt München durchgeführt, es wurden laut Angabe des Antragsgegners 50 Gigabyte digitale Kehrbezirksunterlagen sowie 6 Leitzordner und 466 einzelne Blätter vom Antragsteller an die Landeshauptstadt München ausgehändigt.
Für weitere Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten in diesem sowie in den Verfahren M 16 K 17.4056 und M 16 X 17.5223 verwiesen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der eingereichten Anfechtungsklage ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Der Antragsgegner hat die Aufhebung der Bestellung als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger auf § 12 Abs. 1 Nr. 2 SchfHwG gestützt, so dass nach § 12 Abs. 3 SchfHwG die Klage des Antragstellers keine aufschiebende Wirkung hat, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten bzw. kraft Gesetzes bestehenden Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der angefochtene Bescheid bei dieser Prüfung dagegen als rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
Unter Beachtung dieser Grundsätze ergibt die summarische Prüfung, dass derzeit keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg der Klage im Hauptsacheverfahren angenommen werden kann. Durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 25. Juli 2017 sind nicht ersichtlich. Die Klage wird daher aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben.
Die Aufhebung der Bestellung des Antragstellers zum bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger für den Kehrbezirk München … ist formell und materiell rechtmäßig. Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung. Da der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger auch nach Aufhebung seiner Bestellung die Möglichkeit hat, sich um einen frei werdenden Bezirk zu bewerben, sind die für eine eventuelle Wiedergestattung relevanten Umstände in einem laufenden Anfechtungsprozess nicht zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, U.v. 7.11.2012 – 8 C 28/11 – juris Rn. 13; OVG Saarl, B.v. 11.10.2013 – 1 B 395/13 – juris Rn. 5). Somit ist der rechtlichen Bewertung des vorliegenden Falles das SchfHwG vom 26. November 2008 (BGBl. I S. 2242), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2495) geändert worden ist und im Bundesgesetzblatt vom 21. Juli 2017 verkündet wurde und nach Artikel 3 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2495) am Tage nach der Verkündung in Kraft trat, zugrunde zu legen.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bestellung des Antragstellers zum bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger für den Kehrbezirk München … ist § 12 Abs. 1 Nr. 2 SchfHwG. Danach ist die Bestellung aufzuheben, wenn Tatsachen nachweislich belegen, dass der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger die erforderliche persönliche oder fachliche Zuverlässigkeit für die Ausübung des Amtes nicht besitzt.
Der Antragsgegner ist zu Recht zur Auffassung gelangt, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit für die Ausübung seines Amtes nicht (mehr) besitzt. Die hierfür erforderliche fachliche und persönliche Zuverlässigkeit besitzt der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger nur, wenn er nach dem Gesamtbild seiner Persönlichkeit die Gewähr für eine ordnungsgemäße Erfüllung seiner Berufs- und Amtspflichten bietet. Der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger hat eine Doppelstellung. Er nimmt als beliehener Unternehmer öffentliche Aufgaben wahr und gehört gemäß § 8 Abs. 2 SchfHwG als Gewerbetreibender dem Schornsteinfegerhandwerk an. Der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger hat demnach im Vergleich zu anderen Handwerkern eine Sonderstellung inne. Für ihn gelten nicht nur die Anforderungen des allgemeinen Gewerbe- und Handwerksrechts, er muss darüber hinaus auch die Gewähr dafür bieten, diejenigen spezifischen Amtspflichten zu erfüllen, die sich gerade aus der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben begründen. Seine Zuverlässigkeit beurteilt sich anhand von Tatsachen, welche auf sein künftiges Verhalten in Ausübung seines Amtes schließen lassen. Von der Behörde wird somit eine Wertung von Tatsachen verlangt, verbunden mit einer Prognose auf das künftige Verhalten des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers. Dabei entspricht es den allgemeinen Grundsätzen des Rechts der Gefahrenabwehr, umso strengere Anforderungen an die Zuverlässigkeit zu stellen, je schutzwürdiger die Rechtsgüter sind, die gefährdet werden können, und je höher der mögliche Schaden ist (vgl. BVerwG, U.v. 7.11.2012 – 8 C 28/11 – juris Rn. 19). In Anbetracht der dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger übertragenen öffentlichen Aufgaben im Bereich des präventiven Brand- und Immissionsschutzes sind an dessen Zuverlässigkeit daher hohe Anforderungen zu stellen (vgl. VGH BW, B.v. 6.9.1990 – 14 S 1080/90 – juris Rn. 2; VG Augsburg, U.v. 2.8.2012 – Au 5 K 12.55 – juris Rn. 44).
Zutreffend hat der Antragsgegner angenommen, dass der Antragsteller bei der Ausübung seines Amtes in schwerwiegender Weise gegen grundlegende Berufspflichten eines bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers verstoßen und sich damit als unzuverlässig erwiesen hat. Das Gericht folgt insoweit der Begründung des Verwaltungsakts, § 117 Abs. 5 VwGO.
Ergänzend wird ausgeführt:
Der Antragsteller bzw. dessen (ehemaliger) Bevollmächtigter haben weder im Klageverfahren noch im hier zur Entscheidung stehenden Antragsverfahren trotz erfolgter Akteneinsicht und gewährter Fristverlängerung eine Stellungnahme abgegeben oder sich zu den vom Antragsteller vorgebrachten Gründen für die Aufhebung der Bestellung geäußert.
Aus Sicht des Gerichts stellen vor allem zwei Pflichtverletzungen des Antragstellers Verstöße von einem solchen Gewicht dar, dass allein diese die von dem Antragsgegner verfügte Aufhebung der Bestellung des Antragstellers zum bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger rechtfertigen.
Zunächst entzog sich der Antragsteller über einen Zeitraum von mehreren Monaten hinweg der Aufsicht durch die Aufsichtsbehörde, der Landeshauptstadt München, § 21 Abs. 1 Satz 1 SchfHwG. Wie die Landeshauptstadt München in ihrem Schreiben vom 19. Dezember 2016 an den Antragsgegner nachvollziehbar und überzeugend schildert, war es ihr über Monate nicht hinweg nicht möglich, den Antragsteller zu erreichen. Auch nach erfolgter Akteneinsicht wurden weder vom (ehemaligen) Bevollmächtigten des Antragstellers noch vom Antragsteller selbst in substantiierter Art und Weise dargelegt, wieso der Antragsteller nicht kontaktiert werden konnte. Die vom Antragsteller in seinem Schreiben vom 15. März 2017 gegebene Erläuterung zu seiner Nichterreichbarkeit erschöpft sich in pauschalen Aussagen, die keinesfalls diese Nichterreichbarkeit rechtfertigen können. Zudem war der Antragsteller für die bevollmächtigte Bezirksschornsteinfegerin Frau I., eine seiner Urlaubsvertretungen im Zeitraum der Nichterreichbarkeit, ohne weiteres erreichbar (Behördenakte Bl. 448). Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Antragsteller offensichtlich den Kontakt zur Landeshauptstadt München meiden wollte.
Als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger ist der Antragsteller als Beliehener in einem – wie bereits dargelegt – äußerst sicherheitsrelevantem Bereich tätig, nämlich im Bereich des präventiven Brand- und Immissionsschutzes. Vor diesem Hintergrund stellt es eine äußert grobe und hartnäckige Pflichtverletzung dar, wenn sich der Antragssteller den Kontaktversuchen seiner Aufsichtsbehörde über Monate hinweg entzieht. Besonders schwer wiegt in diesem Zusammenhang, dass die Aufsichtsbehörde ausweislich ihres Schreibens vom 19. Dezember 2016 mit dem Antragsteller vor allem Beschwerden über die Tätigkeit des Antragstellers in seinem Kehrbezirk als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger erörtern wollte.
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Antragsteller sich nicht nur Kontaktversuchen durch die Aufsichtsbehörde entzogen hat, sondern auch für besorgte (Sonder-)Eigentümer von Immobilien in seinem Kehrbezirk nicht erreichbar war. Wie sich aus den Behördenakten, dort Blatt 357 ff., aus zahlreichen Beispielen ergibt, haben Bürger im Kehrbezirk … mehrfach und wiederholt erfolglos versucht, den Antragsteller zu kontaktieren, da sie ein Tätigwerden des Antragstellers in seiner hoheitlichen Funktion als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger wünschten. Ob insoweit tatsächlich ein hoheitliches Tätigwerden des Antragstellers erforderlich gewesen wäre oder nicht (vgl. beispielsweise Bl. 97, 505, 514, 515 der Behördenakte), ist unerheblich. Allein der Umstand, dass Bürger im äußerst sicherheitsrelevanten Bereich des präventiven Brand- und Immissionsschutzes über einen längeren Zeitraum keine Antwort auf drängende sicherheitsrelevante Anfragen von einem für sie zuständigen bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger erhalten können, weil ebendieser für sie nicht erreichbar ist, stellt eine erhebliche Pflichtverletzung dar. Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass der Antragsteller sowohl für die Landeshauptstadt München als auch für (Sonder-)Eigentümer über einen nicht unerheblichen Zeitraum trotz mannigfaltiger Kontaktierungsversuche im Kehrbezirk … nicht erreichbar war bzw. sein wollte.
Noch schwerer wiegt der Umstand, dass der Antragsteller den für seinen Kehrbezirk bestellten Vertretern entgegen der Regelung des § 11 Abs. 5 Satz 1 SchfHwG nicht die erforderlichen bzw. nicht alle Kehrbezirksunterlagen zur Verfügung stellte. Wie bereits ausgeführt, ist ein bevollmächtigter Bezirksschornsteinfegers im Bereich der präventiven Gefahrenabwehr tätig. Ohne (vollständige) Kehrbezirksunterlagen kann ein Vertreter nur schwer erkennen, ob erforderliche Überprüfungen durchgeführt wurden. In das vom bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger zu führende Kehrbuch sind unter anderem das Datum und das Ergebnis der letzten beiden Feuerstättenschauen und Mängel oder selbst festgestellte Mängel und das Datum des Abstellens der Mängel einzutragen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 5 SchfHwG). Sofern dann auch noch zahlreiche Feuerstättenbescheide nach § 14a SchfHwG fehlen oder zumindest nicht an den Vertreter übergeben wurden, wie das vorliegend der Fall ist, ist es für einen Vertreter sehr schwierig, die Brandsicherheit in einem Kehrbezirk zu gewährleisten. Die großen Probleme, die die Vertreter des Antragstellers im Kehrbezirk … hatten, sind nachvollziehbar in einem Vermerk auf Seite 142 f. der Behördenakte geschildert, der zu einem Gespräch am 14. Juni 2017 mit dem Vertreter des Antragstellers angefertigt wurde. Zusammengefasst stellt der damalige Vertreter des Antragstellers, der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger Herr P. fest, dass vor allem aufgrund unvollständiger Kehrbezirksunterlagen, die die Durchführung notwendiger Schornsteinfegerarbeiten erschweren, die Anlagen- und Feuersicherheit im Kehrbezirk gefährdet sei. Der Vertreter Herr P. habe von dem vorherigen Vertreter, dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger Herrn E., lediglich unvollständige Kehrbezirksunterlagen erhalten. Da offensichtlich bereits Herr E. nicht alle Unterlagen vom Antragsteller erhalten hatte, konnte er auch nur die unvollständigen Unterlagen an Herrn P. weiterreichen (vgl. auch Bl. 171 der Behördenakte). Anlass die Angaben der Vertreter des Antragstellers zu bezweifeln, hat das Gericht nicht, zumal der Antragsteller sich insofern auch nicht geäußert hat. Der Antragsteller händigte am 10. Januar 2018 50 Gigabyte digitale Kehrbezirksunterlagen sowie 6 Leitzordner und 466 einzelne Blätter an die Landeshauptstadt München aus, was ebenfalls dafür spricht, dass er nicht alle Kehrbezirksunterlagen an seine Vertreter übergeben hatte. Ferner ergeben sich auch aus Vermerken vom 8. November 2016 und vom 25. Januar 2017 die Schwierigkeiten, die die Vertreter des Antragstellers bei der Betreuung des Kehrbezirks hatten.
Aufgrund der im Bescheid vom 25. Juli 2017 dargelegten schwerwiegenden und nachhaltigen Verletzung seiner Pflichten als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger bot der Antragsteller zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses keine Gewähr für eine künftige uneingeschränkt pflichtgemäße und verlässliche Aufgabenerfüllung. Von einer künftigen grundlegenden Änderung seines Verhaltens ist nicht auszugehen. Bestätigt wird dies durch den Umstand, dass sich der Antragsteller auch nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheids weigerte, an die Landeshauptstadt München Kehrbezirksunterlagen für den Kehrbezirk … vollständig zu übergeben. Erst nachdem das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 14. Dezember 2017 die Durchsuchung der Räumlichkeiten des Antragstellers erlaubte (M 16 X 17.5223), konnte die Landeshauptstadt München am 10. Januar 2018 50 Gigabyte digitale Kehrbezirksunterlagen sowie 6 Leitzordner und 466 einzelne Blätter bei dem Antragsteller abholen. Die vom Antragsgegner getroffene negative Prognose hinsichtlich der Zuverlässigkeit des Antragsstellers erweist sich daher auch nach Erlass des Bescheids vom 25. Juli 2017 als richtig und wird durch das nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheids gezeigte Verhalten des Antragstellers bestätigt.
Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Nr. 2 SchfHwG ist die Bestellung zum bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger – ohne Ermessensspielraum – zwingend aufzuheben.
Stellt sich Aufhebung der Bestellung als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger mit hoher Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig dar, kann auch die vorzunehmende allgemeine Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls dem Antrag des Antragstellers nicht zum Erfolg verhelfen. Diese Interessenabwägung fällt daher zu Lasten des Antragstellers aus.
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Widerrufsverfügung. Der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger genießt in der Öffentlichkeit ein besonderes Vertrauen hinsichtlich seiner Fachkompetenz, da er als beliehener Unternehmer auch öffentliche Aufgaben wahrnimmt. Der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger muss auch die Gewähr dafür bieten, diejenigen spezifischen Amtspflichten zu erfüllen, die sich gerade aus der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben begründen. Diese Gewähr ist auf jeden Fall dann nicht mehr gegeben, wenn ein bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger sowohl den Kontakt zu seiner Aufsichtsbehörde als auch zu (Sonder-)Eigentümern, die erfolglos versuchen, ihn in seiner hoheitlichen Tätigkeit zu erreichen, nachhaltig verweigert. Gleiches gilt für die hartnäckige Weigerung des Antragstellers seinen Vertretern die erforderlichen Kehrbezirksunterlagen zu überlassen, die diese für eine ordnungsgemäße Betreuung des Kehrbezirks … benötigen.
Demgegenüber wiegt das Interesse des Antragstellers geringer. Zwar hat er ein wirtschaftliches Interesse daran, seine Tätigkeit als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger bis zur endgültigen Klärung der Aufhebung seiner Bestellung zunächst fortsetzen zu können. Dieses Interesse muss gegenüber dem vorgenannten öffentlichen Interesse aber zurücktreten, auch weil konkret durch den Antragsteller gar nicht vorgetragen oder gar belegt ist, in welchem Umfang er zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz auf die Tätigkeit als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger angewiesen ist. Darüber hinaus ist der Antragsteller offensichtlich schon seit einer gewissen Zeitdauer nicht mehr hoheitlich als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger tätig, da sein Kehrbezirk … bereits seit längerer Zeit von Vertretern beaufsichtigt wird. Zudem ist es dem Antragsteller nicht verwehrt, gemäß § 8 Abs. 2 SchfHwG als Gewerbetreibender das Schornsteinfegerhandwerk auszuüben und sich auf diese Art und Weise seinen Lebensunterhalt zu sichern.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz – GKG unter Berücksichtigung von Nr. 14.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Im Eilverfahren ist der Streitwert von 15.000,00 Euro um die Hälfte zu reduzieren.