Aktenzeichen M 23 S 16.4227
PBefG PBefG § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 1-3, § 25 Abs. 1 Nr. 1
VVG VVG § 37 Abs. 1
Leitsatz
1. Getilgte Schulden sind im Rahmen des Widerrufsverfahrens betreffend eine Genehmigung zum Verkehr mit Taxen zu berücksichtigen, da bezüglich der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen ist. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dem Widerruf einer Taxigenehmigung kann durch Übertragung der Genehmigung an eine andere fachlich geeignete Person zuvorgekommen werden. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Schutzbereich des Grundrechts der Berufsfreiheit genügt selbst die hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich ein die Berufsausübungsberechtigung entziehender Verwaltungsakt im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweisen wird, zur Rechtfertigung der sofortigen Vollziehbarkeit einer solchen Maßnahme nicht. Vielmehr erfordert Art. 12 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsgebot die zusätzliche, aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Feststellung, dass der sofort vollziehbare Eingriff in dieses Grundrecht schon vor dem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich ist (wie BVerfG BeckRS 2003, 24810). (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom … September 2016, mit dem die Genehmigungen zum Verkehr mit Taxen (Ordnungsnummer …) widerrufen wurde, wird wiederhergestellt bzw. angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500.- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Widerrufs der ihm erteilten Genehmigung zum Verkehr mit Taxen.
Der Antragsteller betreibt seit 2009 ein Taxiunternehmen und war zusätzlich seit 2015 Geschäftsführer der Taxi … (im Folgenden: GmbH), die ebenfalls ein Taxiunternehmen betreibt.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom … Dezember 2013 mahnte die Antragsgegnerin den Antragsteller förmlich wegen fehlenden Versicherungsschutzes vom 16. August bis 13. Oktober 2013 für ein Fahrzeug im Taxibetrieb ab.
Mit Bescheid vom … Februar 2015 wurde der GmbH die Übernahme des seit 2009 von dem Antragsteller geführten Betriebs von sieben Taxen (Ordnungsnummern …) bis zum 30. November 2018 genehmigt.
Mit Bescheid vom … März 2015 wurde dem Antragsteller die Übernahme eines Taxibetriebs von einem Dritten (Ordnungsnummer …) bis zum 30. September 2016 genehmigt.
Auf Antrag der Taxi … befreite die Antragsgegnerin mit Bescheid vom … Januar 2016 diese von der Beförderungspflicht für das Fahrzeug … vom 12. Januar bis 1. Juni 2016.
Für die verbleibenden sechs Fahrzeuge wechselte die GmbH unter Einschaltung der bereits die Jahre zuvor (zunächst nur) für den Antragsteller tätigen Versicherungsmaklerin, der …-Versicherungsmakler GmbH und Co. KG, zum 1. Januar 2016 die Haftpflichtversicherung zur … Versicherungs-AG.
Mit Rechnungen vom 22. Januar (1.994,97 Euro) und 1. Februar 2016 (1.989,86 Euro) stellte die Versicherungsmaklerin der Antragstellerin die Versicherungsbeiträge von 1. Januar bis 1. März 2016 in Rechnung und zog diese mit Bankeinzug von dem Konto der Antragstellerin ein. Am 26. Februar 2016 wurde der Antragstellerin von der Versicherungsmaklerin ein Betrag in Höhe von 2.355.- Euro gutgeschrieben. Am 23. Februar 2016 erfolgte eine Mahnung der … Versicherungs-AG an die Antragstellerin wegen ausstehender Erstbeiträge; am 12. März 2016 (wohl) eine weitere Mahnung. Am 8. April 2016 überwies die Antragstellerin die ab Januar angefallenen Versicherungsbeträge unmittelbar an den Versicherer.
Am 8. April 2016 teilte die … Versicherungs-AG der Antragsgegnerin mit, dass für sechs Fahrzeuge der GmbH seit 1. Januar 2016 kein Haftpflichtversicherungsschutz mehr bestehe.
Die Antragsgegnerin versuchte eine Klärung über den Bestand des Versicherungsschutzes von Januar bis März 2016 zu erreichen und holte hierzu Erklärung des Versicherers, der GmbH sowie der von der GmbH beauftragten Versicherungsmaklerin, der …-Versicherungsmakler GmbH und Co. KG, ein. Die … Versicherungs-AG erklärte u.a. mit Schreiben vom 27. April 2016 gegenüber der Antragsgegnerin, dass die Haftpflichtversicherung nach § 37 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) wegen Nichtzahlung der Erstprämie erloschen und man am 5. April 2016 vom Vertrag zurückgetreten sei. Eine Mahnung sei am 23. Februar 2016 nach § 37 VVG erfolgt. Die GmbH legte der Antragsgegnerin am 8. Juni 2016 zur Glaubhaftmachung eines bestehenden Versicherungsschutzes seit 1. Januar 2016 u.a. Versicherungsscheine der … Versicherungs-AG vor, erstellt am 6. Juni 2016, die einen Versicherungsbeginn zum 1. Januar 2016, 0:00 Uhr, ausweisen. Die Versicherungsmaklerin teilte der Antragsgegnerin mit E-Mail vom 1. September 2016 mit, dass aufgrund eines Fehlers die Verträge der GmbH vom Versicherer in das Maklerinkasso übernommen und entsprechende Rechnungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 1. März 2016 ausgestellt und diese Beträge auch beim Kunden abgebucht worden seien. Am 25. Februar 2016 habe die … Versicherungs-AG diesen Fehler bereinigt und die Verträge in ihr Zentralinkasso übernommen und der GmbH mit Nachtragsnummer 2 vom 25. Februar 2016 die neuen Versicherungsscheine für alle Fahrzeuge mit entsprechender Beitragsrechnung ab 1. Januar 2016 zugesandt. Um eine doppelte Beitragszahlung zu vermeiden, habe der Makler die entsprechende Gutschrift veranlasst und am 26. Februar 2016 der GmbH auf das Konto überwiesen. Nach Rückfrage beim Versicherer seien für die gesamten Fahrzeuge von Seiten der GmbH die offenen Beträge nicht eingelöst und daraufhin das Mahnverfahren vom Versicherer eingeleitet worden. Die GmbH habe am 12. März 2016 die erste Mahnung und am 6. April 2016 die letzte Mahnung erhalten. Am 31. März und 5. April 2016 sei die GmbH nochmals telefonisch gebeten worden, die Beiträge zu zahlen. Im Folgenden sei die Kündigung der Verträge gegenüber der Zulassungsstelle erfolgt.
Bei einer Betriebsprüfung am 26. Juli 2016 bei der GmbH stellte die Antragsgegnerin fest, dass die sechs Fahrzeuge im maßgeblichen Zeitraum von Januar bis März 2016 im Einsatz waren.
Gemäß Auskunft vom 1. August 2016 lagen im Vollstreckungsportal für den Antragsteller mit dem Grund „Nichtabgabe der Vermögensauskunft (§ 882c Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 284 Abs. 9 Nr. 1 AO)“ vier Einträge, datierend vom 30. Dezember 2014, 19. Mai 2015, 18. Juni 2015 und 7. April 2016 vor.
Mit Schreiben vom 25. August 2016 teilte die Industrie- und Handelskammer der Antragsgegnerin auf Nachfrage mit, dass die GmbH für das Jahr 2016 eine Beitragsschuld in Höhe von 150.- Euro aufweise; der Antragsteller weise ebenfalls eine Beitragsschuld für das Jahr 2016 in Höhe von 84,28 Euro auf.
Laut Mitteilung des Kassen- und Steueramts M … vom 9. August 2016 seien Verbindlichkeiten des Antragstellers in Höhe von 1.500.- Euro offen, welche bereits im Juli 2016 zur Zahlung fällig geworden seien.
Mit Schreiben vom 1. August 2016 wurde der Antragsteller in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH zum beabsichtigten Widerruf sowohl der der GmbH als auch ihm persönlich erteilten Genehmigungen zum Verkehr mit Taxen angehört.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers äußerte sich daraufhin mit Schreiben vom 31. August 2016. Er wies insbesondere darauf hin, dass eine Berechtigung des Versicherers zur Kündigung gemäß § 37 Abs. 1 VVG nicht bestanden habe, da die GmbH die Nichtbezahlung der Erstprämie nicht zu vertreten habe. Der Antragsteller sei Ende Februar von Mahnungen des Versicherers überrascht worden und habe sich umgehend an seine Versicherungsmaklerin gewandt. Diese habe mehrfach im März 2016 versichert, dass sie eine Klärung mit dem Versicherer herbeiführen werde. Nachdem die Bereinigung durch die Versicherungsmaklerin nicht erfolgte, habe die GmbH in Abstimmung mit dem Versicherer alle fälligen Beträge unmittelbar an diesen bezahlt. Das Nichtvertreten sei auch für den Versicherer offensichtlich gewesen, so dass die Kündigungen zurückgenommen worden seien und die Versicherungen unterbrechungsfrei seit 1. Januar 2016 bestehen würden.
Mit Bescheid vom … September 2016 widerrief die Antragsgegnerin die der GmbH erteilte Genehmigung.
Ebenfalls mit Bescheid vom … September 2016 widerrief die Antragsgegnerin die dem Antragsteller am 20. März 2015 erteilte Genehmigung zum Verkehr mit Taxen (Ordnungsnummer …) (Nr. 1 des Bescheids). Des Weiteren wurde dem Antragsteller auferlegt, für die genannte Genehmigung die ausgehändigte Genehmigungsurkunde sowie die verkürzte Ausfertigung dieser Genehmigungsurkunde spätestens innerhalb einer Woche bei der Antragsgegnerin abzugeben (Nr. 2 des Bescheids). Dem Antragsteller wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000.- Euro für die Nichtrückgabe der Genehmigungsurkunde sowie ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000.-Euro für die Nichtrückgabe der verkürzten Ausfertigung aus der Genehmigungsurkunde angedroht (Nr. 3 des Bescheids) sowie die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheids angeordnet (Nr. 4 des Bescheids). Die Kosten des Verfahrens wurden dem Antragsteller auferlegt (Nr. 5 des Bescheids) und eine Gebühr in Höhe von 137,19 Euro (Nr. 6 des Bescheids) festgesetzt.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller weder die persönliche Zuverlässigkeit gem. § 13 Abs. 1 Nr. 2 PBefG in Verbindung mit § 1 PBZugV besitze noch die finanzielle Leistungsfähigkeit gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 PBefG in Verbindung mit § 2 PBZugV. Die persönliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers ergebe sich insbesondere aus dem schweren Verstoß der GmbH gegen § 1 Pflichtversicherungsgesetz (PflVG). Der Antragsteller habe sich die Unzuverlässigkeitstatbestände, welche bei der Taxi … festgestellt worden seien, als verantwortlicher Geschäftsführer zurechnen zu lassen. Die Missstände seien durch den Geschäftsführer und somit den Antragsteller hervorgerufen. Eine Weiterführung und Häufung dieser Pflichtverletzungen auch in anderen Unternehmen, in denen der Antragsteller zukünftig tätig werden könnte, könne nicht ausgeschlossen werden.
Trotz der bestandskräftigen Abmahnung des Antragstellers vom 17. Dezember 2013 lägen wiederum versicherungslose Zeiten für sechs der sieben Fahrzeuge der GmbH, dessen Geschäftsführer der Antragsteller sei, vom 1. Januar 2016 bis 7. April 2016 vor. Die von der GmbH vorgelegten Unterlagen könnten keinen fortlaufenden und somit ununterbrochenen Versicherungsschutz bescheinigen. Dies stelle einen wiederholten Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz durch den Geschäftsführer der GmbH dar. Aufgrund der erteilten Abmahnung hätte dem Antragsteller bewusst sein müssen, was für enorme Konsequenzen ein Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz mit sich bringe, insbesondere aufgrund der Gutschrift von Versicherungsbeträgen hätte der GmbH bewusst sein müssen, dass der Versicherungsschutz mindestens gefährdet, wenn nicht sogar erloschen sei. Eine Kontaktaufnahme mit der Versicherung direkt hätte daher umgehend und nicht erst im Monat April erfolgen dürfen. Allein die Tatsache, dass sich der Antragsteller als Geschäftsführer der GmbH auf die Aussagen des Maklers verlassen und sich die getätigten Aussagen des Maklers in keiner Form bestätigen habe lassen, um Rechtssicherheit zu gewinnen, rechtfertige nicht die Nichthandlung. Der Einwand des Bevollmächtigten, dass der Versicherungsnehmer den Umstand des Rücktritts der Versicherung nicht zu vertreten hätte, da der Makler der … die fälligen Versicherungsbeiträge nicht überwiesen habe, sei hierbei völlig irrelevant. Dennoch sei darauf hinzuweisen, dass ein Schuldner ein Verschulden der Personen, denen er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten bedient, in gleichem Umfang zu vertreten habe, wie eigenes Verschulden. Durch die aufgetretenen, bekannten Komplikationen bei der Leistung der fälligen Versicherungsbeiträge hätten die GmbH und der Antragsteller als Geschäftsführer wissentlich in Kauf genommen, dass ein Versicherungsschutz nicht, zumindest aber nicht mehr vollumfänglich bestehe.
Des Weiteren stelle der Verstoß der GmbH gegen die Betriebspflicht für das Fahrzeug … vom 2. Juni bis zur Betriebsaufnahme am 20. Juni 2016 einen weiteren Unzuverlässigkeitstatbestand dar, welcher für das Gesamtbild berücksichtigt werden müsse.
Schließlich ließen die Einträge im Schuldnerverzeichnis sowie die weiteren Schulden und somit das beharrliche Nichterfüllen von Zahlungsverpflichtungen nicht nur auf wirtschaftliche Schwierigkeiten schließen, sondern auch auf die Neigung der GmbH und des Antragstellers, diesen Schwierigkeiten unter Verletzung der Rechtsordnung Herr zu werden. Das Zahlungsgebaren der GmbH und des Antragstellers offenbare einen mangelnden Leistungswillen, der überdies die Unzuverlässigkeit beider Personen beweise. Die Genehmigungsvoraussetzungen des § 13 Abs. 1 PBefG lägen daher nicht mehr vor. Nach derzeitiger Sachlage und unter Berücksichtigung der letzten Jahre sei es nicht möglich, dass der Antragsteller in absehbarer Zeit seine Unternehmensführung wieder reibungslos ausüben könne. Die Zahlungsunfähigkeit und das bisherige Zahlverhalten des Antragstellers würde bei Fortführung des Gewerbes zur weiteren Vermögensschädigung Dritter führen. Mit einer Wiedergutmachung könne nicht gerechnet werden. Bei Kenntnis der Eintragungen im Vollstreckungsportal wäre der GmbH die Genehmigung zur Übernahme nicht erteilt worden. Der Widerruf der Genehmigung sei das einzig mögliche und damit verhältnismäßige Mittel, die Allgemeinheit zu schützen.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei im besonderen öffentlichen Interesse erforderlich. Durch die Verbindlichkeiten sei nicht gewährleistet, dass der Antragsteller sein Unternehmen noch ordnungsgemäß weiterführen könne. Es sei zu befürchten, dass die Unzuverlässigkeit und die nicht vorhandene finanzielle Leistungsfähigkeit des Antragstellers die Allgemeinheit gefährden werde. Ein weiterer elementarer Punkt, die sofortige Vollziehung anzuordnen, sei die wiederholte Verletzung der Unternehmenspflichten aus § 3 Abs. 1 BOKraft. Durch den wiederholten Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz sei deutlich zu erkennen, dass der Antragsteller in keinerlei Hinsicht sein Fehlverhalten einsehe und keine Besserung erkennen lasse. Die Allgemeinheit sei davor zu schützen, dass sie der sich aus der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit ergebenden Gefährdung bis zum Tage der Unanfechtbarkeit des Bescheids ausgesetzt sei. Die Beseitigung dieser Gefährdung liege im besonderen öffentlichen Interesse.
Ergänzend wird auf den Inhalt des Bescheids Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 15. September 2016 legte der Bevollmächtigte des Antragstellers sowohl gegen den Bescheid gegenüber der GmbH als auch hinsichtlich des streitgegenständlichen Bescheids Widerspruch bei der Antragsgegnerin ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung.
Ebenfalls mit Schriftsatz vom 15. September 2016 beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers beim Verwaltungsgericht München,
festzustellen, dass dem Widerspruch vom … September 2016 gegen den Bescheid vom … September 2016, mit dem die Antragsgegnerin die Genehmigung zum Taxiverkehr mit Ordnungsnummern … widerrufen habe, aufschiebende Wirkung zukomme.
Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass bei Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung des angegriffenen Bescheids dem Antragsteller und seiner Familie die wirtschaftliche Existenzgrundlage entzogen würden. Der finanzielle Schaden wäre für den Antragsteller nicht zu kompensieren. Der Bescheid verletze den Antragsteller in seinen Rechten, er sei ermessensfehlerhaft ergangen. Die im Vollstreckungsportal benannten Einträge seien überwiegend gegenstandslos. Versicherungslose Zeiten hätten weder rechtlich noch tatsächlich bestanden. Eine Berechtigung des Versicherers zum Rücktritt vom Vertrag gemäß § 37 Abs. 1 VVG habe schon deshalb nicht bestanden, als der Versicherungsnehmer hier die Nichtbezahlung der ersten Prämie nicht zu vertreten habe (§ 37 Abs. 1 letzter Halbsatz VVG). Dass der Versicherungsmakler, über den die Verträge zustande gekommen seien, die Prämienzahlungen nicht an die Versicherung weitergeleitet habe, habe die GmbH ersichtlich nicht zu vertreten. Demnach sei auch die Rücktrittserklärung des Versicherers rechtlich wirkungslos und auch wieder zurückgenommen worden. Mithin seien die Versicherungsverträge rechtlich nicht unterbrochen, sie bestünden unterbrechungsfrei ab dem 1. Januar 2016. Die von der Antragsgegnerin erhobenen Vorwürfe könnten den Widerruf der Taxigenehmigung nicht begründen. Es könne weder ein Mangel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bejaht werden, noch sei eine mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit des Antragstellers ersichtlich. Es verblieben keine (Rest-)Vorwürfe, die so schwerwiegend wären, dass diese den Widerruf der Taxigenehmigung begründen könnten.
Mit Schriftsatz vom gleichen Tag beantragte der Bevollmächtigte auch hinsichtlich des Bescheids gegenüber der Taxi … die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (Verfahren M 23 S. 16.4226).
Mit Schreiben vom 16. September 2016 lehnte die Antragsgegnerin gegenüber dem Bevollmächtigten des Antragstellers die Aussetzung der Vollziehung in beiden Verfahren ab.
Mit Schreiben vom 19. September 2016 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.
Sie führte aus, dass der Vortrag des Bevollmächtigten des Antragstellers eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht rechtfertige. Die Antragsgegnerin vertrete weiterhin den Standpunkt, dass ein versicherungsloser Zeitraum bestanden habe und der Sofortvollzug daher weiterhin notwendig sei, um erneute Verstöße zu vermeiden.
Am 23. September 2016 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Verlängerung seiner Genehmigung und am 27. September 2016 die Genehmigung der Übertragung der Genehmigung auf die Schwester des Antragstellers.
Ebenfalls am 27. September 2016 zeigte die GmbH unter Vorlage der notariellen Urkunde gegenüber der Antragsgegnerin an, dass ein Geschäftsführerwechsel stattgefunden habe und neue Geschäftsführerin die Schwester des bisherigen Geschäftsführers sei. Die Genehmigung des Geschäftsführerwechsels wurde beantragt.
Mit Schreiben vom 28. September 2016 äußerte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers ergänzend und legte weitere Unterlagen vor. Die Antragsgegnerin erwiderte hierauf mit Schreiben vom 5. Oktober 2016.
Der Bevollmächtigte nahm im Verfahren M 23 S. 16.4226 nochmals mit Schreiben vom 12. Oktober 2016 insbesondere zu den Einträgen im Schuldnerverzeichnis sowie den Bemühungen der GmbH im März 2016 zur Aufklärung der Zahlungen im Zusammenhang mit der Kfz-Versicherung Stellung. Ergänzend wurde eine Stellungnahme der Steuerberaterin der GmbH hinsichtlich der Unklarheiten der von der Versicherungsmaklerin verbuchten Beträge vorgelegt. Die Antragsgegnerin erwiderte hierauf mit Schreiben vom 17. Oktober 2016.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Verfahren M 23 S. 16.4226 sowie auf die in beiden Verfahren vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hat Erfolg.
Da der Antragsteller vor Ablauf seiner Genehmigung sowohl die Verlängerung als auch die Übertragung der Genehmigung beantragte, worüber – insbesondere wegen des streitgegenständlichen Widerrufs – bisher nicht entschieden wurde, besteht auch weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen sowie im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Widerspruchsbzw. Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der Bescheid bei dieser Prüfung dagegen als rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessensabwägung.
Das Gericht erachtet derzeit die Erfolgsaussichten des Widerspruchs nach summarischer Prüfung im Hauptsacheverfahren als offen.
Nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 PBefG hat die Genehmigungsbehörde die Genehmigung zu widerrufen, wenn nicht mehr alle Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 3 PBefG vorliegen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Sicherheit und die Leistungsfähigkeit des Betriebs nicht gewährleistet ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 PBefG) oder Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des Unternehmers oder der für die Führung der Geschäfte bestellten Personen dartun (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 PBefG).
Unzweifelhaft sind insoweit auch Sachverhalte zu berücksichtigen, die der Antragsteller in seiner Eigenschaft als alleiniger Geschäftsführer der Taxi … zu vertreten hat.
Aus den vorliegenden Unterlagen und dem Vortrag der Parteien ergibt sich eindeutig, dass zumindest Unklarheiten bezüglich des Versicherungsschutzes für sechs Fahrzeuge der GmbH für den Zeitraum vom 1. Januar bis 17. April 2016 bestehen. Allerdings sieht sich das Gericht im Rahmen der ausschließlich kursorischen Prüfung im Eilverfahren nicht in der Lage, abschließend zu klären, ob für den oben genannten Zeitraum tatsächlich kein Versicherungsschutz bestand und ob ggf. ein solcher fehlender Versicherungsschutz dem Antragsteller als vormaligen Geschäftsführer der GmbH schuldhaft vorzuwerfen ist. Zum einen sind insoweit bereits die vorgelegten Unterlagen des Versicherers zum Teil widersprüchlich, insbesondere im Hinblick auf die Versicherungsscheine. Zum anderen bedarf es der Klärung, ob eine Kündigung nach § 37 VVG zulässigerweise erfolgen durfte. Fraglich erscheint sowohl, ob die erste Prämie tatsächlich nicht rechtzeitig bezahlt wurde, als auch, ob die GmbH eine ggf. anzunehmende Nichtzahlung zu vertreten hätte. Hierbei bedarf es der Klärung, inwieweit ein mögliches Verschulden der Versicherungsmaklerin der GmbH und damit auch dem Antragsteller als deren vormaligem Geschäftsführer zuzurechnen ist. Ebenso ist zu klären, ob die Bemühungen des Antragstellers in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer zur Aufklärung des Versicherungsschutzes ausreichend und rechtzeitig waren. Die Klärung dieser Fragen muss dem Widerspruchsverfahren vorbehalten werden, ebenso wie die Entscheidung darüber, ob möglicherweise bereits der Einsatz der Fahrzeuge im März 2016 zumindest in Kenntnis der Unklarheiten über den bestehenden Versicherungsschutz in Zusammenschau mit den weiteren von der Antragsgegnerseite vorgetragenen Sachverhalten einen Widerruf rechtfertigen kann.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens wird des Weiteren zu berücksichtigen sein, dass die Einträge im Vollstreckungsportal zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses bereits überwiegend hinfällig – wenn auch nicht gelöscht – waren und die noch offenen Schulden, ebenso wie die weiteren im Bescheid angeführten Schulden, zwischenzeitlich gemäß dem Vortrag des Antragstellers vollständig bezahlt wurden. Dieser Sachverhalt ist im Rahmen des Widerrufsverfahrens zu berücksichtigen, da bezüglich der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, demnach den Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides, abzustellen ist (BVerwG, B.v. 27.12.1994 – 11 B 152/94; VG Saarland U.v. 13.02.2012 – 10 L 72/12 – jeweils juris).
Im Widerspruchsverfahren wird darüber hinaus zu berücksichtigen sein, dass der Antragsteller die Übertragung seiner Genehmigung auf seine – wohl fachlich geeignete – Schwester beantragt hat. Denn selbst einem zulässigen Widerruf kann ggf. auch durch Übertragung der Genehmigung zuvorgekommen werden (vgl. Heinze/Fehling/Fiedler; PBefG; 2. Auflage 2014, § 25 Rn. 3).
Da die Erfolgsaussichten des Widerspruchs daher nach summarischer Prüfung offen sind, war eine Interessensabwägung vorzunehmen, die vorliegend (noch) zugunsten des Antragstellers zu entscheiden war.
Im Schutzbereich des Grundrechts der Berufsfreiheit genügt selbst die hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich ein die Berufsausübungsberechtigung entziehender Verwaltungsakt im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweisen wird, zur Rechtfertigung der sofortigen Vollziehbarkeit einer solchen Maßnahme nicht. Vielmehr erfordert Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgebot die zusätzliche, aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Feststellung, dass der sofort vollziehbare Eingriff in dieses Grundrecht schon vor dem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich ist (BVerfG, B.v. 24.10.2003 – 1 BvR 1594/03; vgl. ferner BVerfG, B.v. 13.8.2003 – 1 BvR 1594/03 – jeweils juris). Auch im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG ist für sofort vollziehbar erklärte Eingriffe in grundrechtlich gewährleistete Freiheiten eine gesonderte, über die Beurteilung der zugrunde liegenden Verfügung hinausgehende Verhältnismäßigkeitsprüfung zu verlangen (BVerfG, B.v. 24.10.2003, a.a.O.). Diese zum Widerruf einer Approbation ergangenen Entscheidungen sind, da Art. 12 Abs. 1 GG nicht zwischen „freien“ und sonstigen Berufen unterscheidet, auf andere, vom Schutzbereich dieses Grundrechts umfasste Tätigkeiten in gleicher Weise anzuwenden (vgl. VG München, B.v. 21.1.2008 – M 16 S. 07.5509 – juris).
Vorliegend sprechen keine überwiegenden Anhaltspunkte dafür, dass eine Weiterführung des Gewerbes durch den Antragsteller bis zu dem in § 80b Abs. 1 VwGO bezeichneten Zeitpunkt mit konkreten Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter einhergehen würde. Die GmbH hat bereits vor Einleitung behördlicher Maßnahmen einen Versicherungsschutz gesichert wiederhergestellt und auch die vorgetragene finanzielle Situation sowohl der GmbH als auch des Antragstellers vermitteln derzeit nicht den Eindruck, dass eine Überschuldung droht. Vielmehr spricht auch die Tatsache, dass die GmbH zumindest auch in der Lage war, kurzfristig 10.000.- Euro an Kaution an die Versicherungsmaklerin zu überweisen, gegen diese Annahme der Antragsgegnerin. Die von der Antragsgegnerin zur Begründung herangezogenen Gefahren für die Allgemeinheit sowie andere Gewerbetreibende erscheinen dem Gericht daher als derzeit nicht überwiegend zu dem wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers an dem Fortbetrieb des Gewerbes und dem Erhalt des Gewerbevermögens in Form der Konzessionen bis zur verbindlichen inhaltlichen Klärung.
Sollten der Antragsgegnerin hingegen Tatsachen bekannt werden, die weitere Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers rechtfertigen könnten, steht es der Antragsgegnerin frei, umgehend einen Antrag auf Änderung der Entscheidung gemäß § 80 Abs. 7 VwGO zu stellen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nrn. 1.1.1., 1.5 und 47.4 des Streitwertkatalogs 2013.