Aktenzeichen 9 CS 16.539
Leitsatz
1. Amtlichen Tierärzten wird bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, vom Gesetz eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt (wie VGH BeckRS 2016, 43651 und BeckRS 2015, 48465). (redaktioneller Leitsatz)
2. Einem Bären werden ohne vernünftigen Grund iSv § 1 Nr. 2 TierSchG länger andauernde erhebliche Leiden iSd Tierschutzrechts zugefügt, wenn er durch die Einschränkung der artgemäßen Bewegungsmöglichkeiten und des Erkundungsverhaltens, den Entzug der artgemäßen Umgebung und durch soziale Isolation seine angeborenen Verhaltensweisen nicht ausleben kann und er nicht erhält, was er zum Gelingen von Selbstaufbau und Selbsterhaltung benötigt. (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Rechtmäßigkeit der anderweitigen Unterbringung eines Tieres kommt es nicht darauf an, ob bei Rückkehr des Tieres diesem unmittelbar eine erneute erhebliche Vernachlässigung droht, denn das Gesetz stellt auf solche Umstände nur für die Fortnahme eines Tieres ab, während es die Rückgabe von der Sicherstellung einer mangelfreien Tierhaltung abhängig macht, um auch abstrakten Gefährdungen zu begegnen (wie VGH München, Urt.v. 30.1.2008 – 9 B 05.3146 und BeckRS 2008, 36318). (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RN 4 S 16.414 2016-03-17 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der vom Landratsamt Deggendorf angeordneten „Fortnahme des Braunbären Ben“ und der Heranziehung des sog. „Bärenwagens“ zum Transport des Bären.
Der Antragsteller betreibt ein Zirkusunternehmen und ist Eigentümer und Halter des 1994 geborenen, ca. 350 kg schweren europäischen Braunbären Ben, für den er nach der Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates und Verordnung (EG) Nr. 865/2006 der Kommission über den Schutz von Exemplaren wild lebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels zur Befreiung vom Verbot kommerzieller Tätigkeiten gem. Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 die Bescheinigung erhalten hat, dass der Bär „in Gefangenschaft geboren und gezüchtet oder künstlich vermehrt wurde“. Die tierschutzrechtliche Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TierSchG, gewerbsmäßig Tiere zur Schau zu stellen, ist ihm zuletzt mit Bescheid des Landkreises Alzey-Worms vom 12. Oktober 2015 erteilt worden. Mit Bescheid vom 15. März 2016 wurde diese Erlaubnis bezüglich des Braunbären Ben wegen „anderweitiger Unterbringung“ widerrufen; hiergegen wurde vom Antragsteller Widerspruch erhoben. Die Erlaubnis vom 12. Oktober 2015 enthält u. a. folgende Nebenbestimmungen: Nummer 6 „Haltung der Tiere: Tierart Braunbär -Haltungseinrichtung: Bärenwagen, Maße 8,34 m x 2,30 m x 2,48 m (LxBxH), ein Außengehege von mindestens 75 m2 und ein Badebecken mit einer Mindestfläche von 2 m x 2 m (Mindesttiefe 80 cm)“. In der folgenden Nummer ist geregelt, dass „nur Gastspielorte anzufahren sind, bei denen sichergestellt ist, dass die geforderten Außengehege aufgebaut werden können“. Weiterhin besitzt der Antragsteller eine sicherheitsrechtliche Erlaubnis der Stadt Treuchtlingen vom 10. März 2016 zur Haltung des Braunbären Ben nach Art. 37 Abs. 1 LStVG. Diese Erlaubnis wurde u. a. mit der Nebenbestimmung versehen, dass der Käfig des Bären so „abzusperren“ ist, dass unbefugte Personen nicht näher als 1 m an den Käfig herantreten können.
Am 14. März 2016 ordnete das Landratsamt Deggendorf gegenüber dem Antragsteller mündlich die Fortnahme des Bären Ben und des Bärenwagens an. Auf Antrag des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 16. März 2016 den Sofortvollzug der mündlichen Anordnung aus formellen Gründen aufgehoben und die Herausgabe des Bären Ben und des Bärenwagens an den Antragsteller angeordnet.
Mit Bescheid vom 17. März 2016 bestätigte das Landratsamt Deggendorf die am 14. März 2016 mündlich angeordnete „Fortnahme des Braunbären Ben“ und Heranziehung des sog. Bärenwagens zum Transport des Bären und ordnete die sofortige Vollziehung an. Der Bär sei wiederholt erheblich vernachlässigt worden, was zu länger anhaltenden Leiden geführt habe. Die tierschutzrechtlichen Vorgaben könnten am Standort Plattling nicht erfüllt werden. Deshalb sei die Wegnahme des Bären anzuordnen gewesen. Zum Transport des Bären habe der sog. Bärenwagen herangezogen werden müssen.
Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 17. März 2016 abgelehnt.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Zur Begründung trägt er insbesondere vor, die Bärenhaltung sei bislang von den Amtstierärzten nicht beanstandet worden. Die Größe des Bärenwagens entspreche den Vorgaben im Bescheid des Landkreises Alzey-Worms vom 12. Oktober 2015. Es sei falsch, dass Ben in einer extra abgetrennten und abschließbaren Box in Dunkelheit im Transportwagen gehalten worden sei; es existiere ein vergittertes Fenster. Ben sei am 13. März 2016 nach der Ankunft am Festplatz in Plattling, gegen 15:00 Uhr, vom Antragsteller versorgt worden. Ben habe aber geschlafen; er habe nicht trinken wollen. Der Antragsteller habe dann gewartet, bis sein Sohn gegen 18:00 Uhr Wagen und Schlafwagen auf dem Festplatz aufgestellt habe. Am 14. März 2016 sei Ben von 08:00 Uhr bis 10:00 Uhr alleine im Wagen gewesen und habe dort geschlafen; er sei im Augenblick in seiner Winterschlafphase. Der Antragsteller habe immer Futter und Wasser dabei und tränke Ben, wenn er mit 20 km/h auf dem Transport unterwegs sei. Das Außengehege habe noch gar nicht aufgebaut werden können, weil der Transport und Umzug des Zirkus noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Der Bescheid sei unverhältnismäßig, weil der Antragsteller seit 1994 mit dem Bären im Zirkus auftrete und damit seinen Lebensunterhalt verdiene. Im Übrigen würden die im Raum stehenden Beanstandungen der Amtstierärztin durch das am 19. März 2016 im Bärenpark erstellte Gutachten des Tierarztes w. entscheidend widerlegt. In diesem Gutachten sei nämlich die Feststellung getroffen worden, dass Ben ein klinisch unauffälliges, gesundes und dem Alter entsprechend entwickeltes Tier sei, das bei der Untersuchung keinerlei Auffälligkeiten psychischer und physischer Art gezeigt habe.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen sowie die Beschlagnahme des Bärenwagens aufzuheben und die sofortige Rückführung des Bären Ben und die Rückgabe des Bärenwagens einschließlich des darin enthaltenen Zirkusmaterials an den Antragsteller anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Bescheid sei formell und materiell rechtmäßig. Bei der Bärenhaltung sei es – durch amtstierärztliche Begutachtungen belegt – mehrfach zu schwerwiegenden Verstößen gegen die zugrunde liegende Unterbringungsanordnung sowie gegen tierschutzrechtliche Erfordernisse gekommen. Dadurch sei Ben erheblich vernachlässigt worden; es seien ihm länger andauernde Leiden zugefügt worden. Es gebe zudem erhebliche Anhaltspunkte, die auf schwerwiegende strukturelle Defizite bei der Tierhaltung durch den Antragsteller hindeuten würden und Anlass zur Besorgnis gäben, dass auch künftig mit erheblichen tierschutzrechtlichen Verstößen zu rechnen ist.
Der Bärenwagen des Antragstellers genüge nicht den tierschutzrechtlichen und sicherheitsrechtlichen Erfordernissen. Der Bärenwagen sei nämlich geringfügig kleiner als mit Bescheid des Landkreises Alzey-Worms vorgeschrieben und halte die in der Zirkusleitlinie vorgegebene Mindestgröße von 24 m2 eines Käfigwagens für einen Bären mit einer Größe von über 2 Metern nicht annähernd ein. Eine Vermessung mit einem kalibrierten Lasermessgerät habe folgende Größen ergeben: Separierungsbox: 3,26 m x 2,32 m = 7,56 rrP; Außenbox: 4,95 m x 2,32 m = 11, 49 rrP. Abgesehen davon würden dessen Türen nach außen aufschlagen, obwohl nach analoger Anwendung der Vorgaben der gesetzlichen Unfallversicherung nur ein Aufschlagen entgegen der Fluchtrichtung sicher wäre. Hinzu komme, dass weiterhin damit zu rechnen sei, dass der Bär auch künftig in der abgedunkelten Box von lediglich 7,56 m2 gehalten werde, etwa wenn der Außenkäfig im Bärenwagen für andere Transportzwecke benötigt werde.
Es seien zudem strukturelle Defizite in Bezug auf die Bärenhaltung in den Fällen zu beobachten, in denen der Bär nicht an den nächsten Gastspielort gebracht werden dürfe oder in denen das Außengehege – das nach der Zirkusleitlinie mindestens 500 m2 groß sein müsse, weil Ben nur noch selten im Zirkus auftrete und auch ansonsten nicht erkennbar sei, dass er täglich verhaltensgerecht beschäftigt werde – aus Gründen der öffentlichen Sicherheit nicht errichtet werden dürfe. Es bestehe Anlass zu der Annahme, dass der Bär auch künftig in derartigen Fällen ohne das vorgeschriebene Außengehege auf einer Fläche von 7,56 m2 in abgedunkelter Umgebung im Zirkuswagen, der an einem anderen Ort als dem Gastspielort abgestellt werde, über lange Zeiträume gehalten werde.
Abgesehen davon genüge das Außengehege nicht den notwendigen Sicherheitsstandards, da die eingesetzten handelsüblichen Bauzaunmatten, die mittels eins handelsüblichen Weidezaunstromerzeugers unter Strom gesetzt würden, vom Bären zumindest in Ausnahmesituationen umgerannt werden könnten. Es sei daher zu erwarten, dass künftig dem Antragsteller die Aufstellung des Außengeheges aus sicherheitsrechtlichen Gründen vermehrt untersagt werde.
Angesichts des bisherigen Verhaltens des Antragstellers und seiner Uneinsichtigkeit biete dieser keine Gewähr dafür, dass die notwendigen tierschutzrechtlichen Auflagen künftig eingehalten würden, zumal der Antragsteller über keine geeigneten anderen Unterbringungsmöglichkeiten zu verfügen scheine. Vielmehr erscheine es angesichts des Versuchs, den Zirkuswagen mit dem Bären den Behördenmitarbeitern zu entziehen, sogar nicht ausgeschlossen, dass der Bär bei einer Rückgabe an den Antragsteller dauerhaft dem Zugriff deutscher Behörden entzogen werde. Die Maßnahme sei auch nicht unverhältnismäßig, da frühere – mildere – Maßnahmen keinen durchgreifenden Erfolg gezeigt hätten.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts vom 17. März 2016 zu Recht abgelehnt. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.
1. Der angefochtene Bescheid ist nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung bei Gesamtbetrachtung der vorgelegten Unterlagen hinsichtlich der Anordnung der Fortnahme des Bären auf der Grundlage des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG und hinsichtlich der Heranziehung des Bärenwagens gem. § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG voraussichtlich rechtmäßig. Damit überwiegt im Rahmen der gerichtlichen Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der behördlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers, von einem Vollzug vorläufig verschont zu bleiben, so dass eine sofortige Rückführung des Bären sowie Rückgabe des Bärenwagens gegenwärtig ausscheidet. Soweit der Antragsteller darüber hinaus die Rückgabe des im Bärenwagen aufbewahrten Zirkusmaterials begehrt, fehlt seinem Antrag bereits das Rechtsschutzbedürfnis, weil sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen lässt und auch sonst nicht ersichtlich ist, dass Zirkusmaterial überhaupt beschlagnahmt oder seine Herausgabe vom Landratsamt gefordert und verweigert worden ist.
a) Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es bei der Bärenhaltung durch den Antragsteller zu Verstößen gegen tierschutzrechtliche Erfordernisse (§ 2 Nrn. 1 und 2 TierSchG) gekommen sein dürfte, wodurch der Bär erheblich vernachlässigt wurde und ihm länger andauernde, vermeidbare Leiden zugefügt wurden, so dass die Fortnahme des Bären gerechtfertigt erscheint (§ 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG).
In Plattling war der Bär – wie der Antragsteller eingeräumt hat – vom 13. März 2016 15:00 Uhr bis zur Wegnahme am 14. März 2016 11:00 Uhr innerhalb des frei zugänglichen Bärenwagens in einem nach den Angaben im vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren selbst vorgelegten Gutachten des Tierarztes w. vom 19. März 2016 höchstens 3,52 m x 2,41 m großen abgetrennten Bereich bei geschlossener Seitenklappe untergebracht; in dem laut o.g. Gutachten maximal 5 m x 2,41m großen vergitterten Außenbereich des Bärenwagens waren Bauzaunelemente und weitere Utensilien eingelagert, so dass er für den Bären nicht zugänglich war. Entgegen der Behauptung des Antragstellers im Beschwerdevorbringen hat der abgetrennte Bereich des Bärenwagens kein „vergittertes Fenster“ und ist ohne Lichteinfall, wie dem o.g. Gutachten des Tierarztes w. und den in den Gerichtsakten befindlichen Lichtbildern zu entnehmen ist. Hinzu kommt, dass dem Bären keine Beschäftigungsmöglichkeit zur Verfügung stand und auch 20 Stunden nach Ankunft am Festplatz in Plattling noch immer kein Außengehege aufgebaut war.
Weiterhin hat der Antragsteller nach den Feststellungen des Landratsamts, denen im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert entgegengetreten wird, (wiederholt) Gastspielorte angefahren, bei denen nicht sichergestellt war, dass das geforderte Außengehege aufgebaut werden konnte. Vor der Anreise nach Plattling hat der Antragsteller in Fürstenfeldbruck gastiert, obwohl er seinen Bären aufgrund eines Wildtierverbots dorthin nicht mitnehmen durfte und kein anderweitiger geeigneter Unterbringungsort zur Verfügung stand. Darüber hinaus unterließ er es, vor der Anreise nach Weißenburg-Gunzenhausen und Plattling zu klären, ob er dort ein Außengehege für einen Bären aufstellen darf.
Nach der fachlichen Einschätzung der Amtstierärztin, der nach ständiger Rechtsprechung des Senats eine vorrangige Beurteilungskompetenz zukommt (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 9 C 16.96 – juris Rn. 7 und B.v. 12.6.2015 – 9 ZB 11.1711 – juris Rn. 10 m. w. N.) wurde Ben durch die oben geschilderte reizarme, isolierte Haltung in völliger Dunkelheit in einem nicht ausgestalteten, zu kleinen abgetrennten Bereich des Bärenwagens ohne Beschäftigung und ohne Zugang zu einem Außengehege mit Badebecken sowie durch die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit erheblich vernachlässigt. Ohne vernünftigen Grund i. S.v. § 1 Nr. 2 TierSchG wurden ihm länger andauernde erhebliche Leiden i. S. d. Tierschutzrechts zugefügt, weil er durch die Einschränkung der artgemäßen Bewegungsmöglichkeit und des Erkundungsverhaltens, den Entzug der artgemäßen Umgebung und der sozialen Isolation seine angeborenen Verhaltensweisen nicht ausleben konnte und nicht erhielt, was er zum Gelingen von Selbstaufbau und Selbsterhaltung benötigt. Sein Wohlbefinden wurde über schlichtes Unbehagen, schlichte Unlustgefühle oder einen bloßen vorübergehenden Zustand der Belastung hinaus für eine nicht ganz unwesentliche Zeitspanne beeinträchtigt (vgl. VGH BW, B.v. 3.11.2004 – 1 S 2279/04 – RdL 2005, 55; VGH BW, B.v. 15.12.1992 -10 S 3230/91 – juris Rn. 23 m. w. N.; Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, § 1 Rn. 17ff;).
Anhaltspunkte dafür, dass diese fachliche Einschätzung der Amtstierärztin unzutreffend wäre, wurden im Beschwerdeverfahren nicht dargelegt. Insbesondere steht die Einlassung des Antragstellers, der Bär sei nach Beurteilung des Tierarztes w. vom 19. März 2016 klinisch unauffällig, gesund und dem Alter entsprechend entwickelt und habe keinerlei Auffälligkeiten psychischer und physischer Art erkennen lassen, dazu nicht in Widerspruch. Denn damit werden keine Aussagen zur Haltung durch den Antragsteller gemacht. Leiden setzen nicht voraus, dass Tiere krank oder verletzt sind (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, a. a. O., § 1 Rn. 23).
Auch die – im Widerspruch zu dem mit Schriftsatz vom 17. März 2016 behaupteten geplanten Auftritt des Bären bei der Premiere am selben Tag stehende – Einlassung, der Bär sei in der Winterschlafphase, schlafe deshalb sehr viel und benötige daher nicht mehr Platz, kann daran nichts ändern, weil sie unzutreffend sein dürfte. Dies ist bereits der Stellungnahme der Amtstierärztin zu entnehmen. In dieser Stellungnahme ist ausgeführt, dass der Bär keinesfalls die für das Ende der Winterruhe typische starke Gewichtsabnahme, struppiges Fell und verklebte Augen zeigt, sondern sich in außerordentlich guter Futterkondition befindet und nach Öffnung des Käfigs aktiv wurde und Interesse an seiner Umwelt zeigte. Abgesehen davon wäre ein Winterschlaf im Zirkus schon deshalb schwer vorstellbar, weil ein Verfallen in Winterruhe durch die fortwährenden Reiseaktivitäten und die damit verbundenen ständigen Störungen kaum möglich erscheint. Die Stellungnahmen des vom Antragsteller beauftragten Tierarztes w. können die Einschätzung der Amtstierärztin schon deswegen nicht in Frage stellen, weil sie widersprüchlich sind. Einerseits wurde nämlich am 19. März 2016 ein sehr guter Ernährungszustand und ein kräftiger gut bemuskelter Körperbau des Bären festgestellt – andererseits wurde in der Stellungnahme vom 18. April 2016 ausgeführt, dass „ein Problem in der Beurteilung des Bemuskelungszustands“ gesehen werde.
Ebenso wenig kann der Umstand, dass das Außengelände nach dem Vorbringen des Antragstellers noch „gar nicht aufgebaut“ habe werden können, „weil der Transport und Umzug des Zirkus noch nicht abgeschlossen war“, zu einer anderen Beurteilung führen. Der zeitgerechte Aufbau liegt vielmehr in der Organisationssphäre des Zirkus. Unabhängig davon dürfte ein verstrichener Zeitraum von 20 Stunden nach Ankunft des Bären in Plattling ohnehin nicht mehr den tierschutzrechtlichen Anforderungen an die Zurverfügungstellung eines Außengeheges genügen.
Schließlich steht auch der bestandskräftige Bescheid des Landkreises AlzeyWorms vom 12. Oktober 2015, mit dem dem Antragsteller die tierschutzrechtliche Erlaubnis erteilt wurde, Tiere gewerbsmäßig zur Schau zu stellen, dem Erlass der angefochtenen Anordnung nicht entgegen. Zwar entfaltet ein Verwaltungsakt, solange er nicht aufgehoben ist, mit der in ihm verbindlich mit Wirkung nach außen getroffenen Regelung Bindungswirkung auch gegenüber anderen Behörden (vgl. BVerwG, B.v. 11.2.2016 – 4 B 1.16 -juris Rn. 4). Diese sog. Tatbestandswirkung gilt auch gegenüber einem Gericht, soweit der Bescheid nicht selbst Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung ist (vgl. BVerwG, B.v. 30.1.2003 – 4 CN 14.01 – BVerwGE 117, 351/354, 355). Trotz seines Widerrufs u. a. bezüglich des Braunbären Ben mit Bescheid des Landkreises Alzey-Worms vom 15. März 2016 ist der Bescheid vom 12. Oktober 2015 noch wirksam, weil der Antragsteller nach seinem Beschwerdevorbringen Widerspruch gegen den Widerrufsbescheid eingelegt hat. Jedoch unterschreitet die Größe des abgetrennten Bereichs des Bärenwagens, in dem Ben nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts in Plattling gehalten wurde, auch die im Bescheid vom 12. Oktober 2015 vorgegebenen Mindestmaße für den Bärenwagen erheblich. Zudem sind nach dem Bescheid als weitere Haltungseinrichtungen das Vorhandensein eines Außengeheges von mindestens 75 m2 und eines Badebeckens mit einer Mindestfläche von 2 m x 2 m und einer Wassertiefe von mindestens 80 cm erforderlich.
b) Auch die anderweitige Unterbringung des Bären dürfte rechtmäßig sein, weil sich dem Beschwerdevorbringen des Antragstellers nicht entnehmen lässt, dass er eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung des Tieres sicherstellen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob bei Rückkehr des Bären diesem unmittelbar eine erneute erhebliche Vernachlässigung droht, denn das Gesetz stellt auf solche Umstände nur für die Fortnahme eines Tieres ab, während es die Rückgabe von der Sicherstellung einer mangelfreien Tierhaltung abhängig macht, um auch abstrakten Gefährdungen zu begegnen (vgl. BayVGH, U.v. 30.1.2008 – 9 B 05.3146 und 9 B 06.2992 – juris Rn. 25).
Gegenwärtig erscheint der Antragsteller nicht in der Lage zu sein, die oben genannten Missstände kurzfristig zu beheben. Zum einen muss mangels anderweitiger Anhaltspunkte und Darlegungen des Antragstellers damit gerechnet werden, dass der Bär auch in Zukunft in dem abgedunkelten, abgetrennten Bereich des Bärenwagens gehalten wird, wenn der Außenkäfig im Bärenwagen für andere Transportzwecke benötigt wird. Zum anderen bestehen nach den Feststellungen des Landratsamts, denen der Antragsteller nicht substantiiert entgegentritt, beim Betrieb des Antragstellers strukturelle Defizite in Bezug auf die Bärenhaltung in Fällen, in denen der Bär nicht an den nächsten Gastspielort gebracht werden darf oder in denen das Außengehege aus Gründen der öffentlichen Sicherheit nicht errichtet werden darf. Es ist nicht ersichtlich, wie die Unterbringung in Zukunft in diesen Fällen erfolgen soll, weil der Antragsteller keine belastbaren Angaben über das etwaige Vorhandensein eines festen Quartiers gemacht hat und über keine geeigneten Unterbringungsmöglichkeiten zu verfügen scheint, die während dieser Zeit eine artgerechte Unterbringung gewährleisten könnten.
Es kommt hinzu, dass es darüber hinaus nicht hinreichend gesichert erscheint, dass der Antragsteller überhaupt über ein Freigehege verfügt, das geeignet ist, an den jeweiligen Orten, an denen sich der Bär befindet, aufgebaut zu werden und das eine hinreichende Ausbruchsicherheit gewährleistet. Denn ausweislich der Feststellung des Landratsamts Deggendorf vom 14. März 2016 besteht das gegenwärtig mitgeführte Außengehege lediglich aus handelsüblichen Bauzaunmatten, die nicht im Erdboden verankert werden, sondern auf kleine Isolierplatten gestellt und mittels eines handelsüblichen Weidezaunstromerzeugers unter Strom gesetzt werden. Es liegt auf der Hand, dass diese Gitter nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Haltung eines gefährlichen Tieres wildlebender Art entsprechen.
2. Auch eine von den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens unabhängige Interessenabwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 17. März 2016 das Aufschubinteresse des Antragstellers überwiegt.
Nach dem Zweck des Tierschutzgesetzes liegt es im öffentlichen Interesse, Leben und Wohlbefinden der Tiere aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf zu schützen (§ 1 Satz 1 TierSchG). Wer ein Tier hält, muss es seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen (§ 2 Nr. 1 TierSchG). Weiterhin darf er die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden (§ 2 Nr. 2 TierSchG). Diese Schutzzwecke stehen angesichts des hohen Stellenwerts, den der Gesetzgeber dem Tierschutz beimisst und der auch von breiten Bevölkerungsschichten getragen wird, grundsätzlich nicht zur Disposition (vgl. BayVGH, B.v. 16.2.2004 – 25 CS 04.20 – juris Rn. 9). Wie sich obigen Ausführungen entnehmen lässt, bestehen erhebliche Zweifel daran, dass bei einer Rückgabe des Bären eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung durch den Antragsteller auf Dauer sichergestellt ist.
Für das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheids sprechen zusätzlich auch sicherheitsrechtliche Aspekte. Wie bereits oben ausgeführt wurde, verwendet der Antragsteller zur Erstellung des notwendigen Außengeheges lediglich einen einfachen, handelsüblichen Bauzaun, der auf kleine verschiebbare Isolierplatten gestellt werden muss und mit Hilfe eines handelsüblichen Weidezaunstromerzeugers unter Strom gesetzt wird. Bei dieser Konstruktion ist es zumindest bei unvorhersehbaren Situationen, die im Zusammenhang mit der Haltung wilder Tiere und gerade in Zusammenhang mit der Zurschaustellung des Tieres und dem Zugang eines größeren Personenkreises zur Betrachtung auch naheliegen, nicht ausgeschlossen, dass der Bär sich auch durch Strom nicht vom Umrennen des Geheges abhalten lässt. Bei Verwendung dieses Außengitters besteht somit eine nicht unerhebliche Gefahr für Leib und Leben von Zirkusangehörigen, Zuschauern und unbeteiligten Personen. Gleiches gilt hinsichtlich des Bärentransportwagens, weil die vergitterten Türen – wie vom Antragsgegner unwidersprochen vorgetragen und näher ausgeführt wurde – nicht nach innen, sondern nach außen und somit in Fluchtrichtung aufschlagen, so dass ein Schließen der Tür gegen den Druck des Bären nicht möglich ist. Es kommt hinzu, dass durch einen kleinen Spalt am hinteren Teil des Anhängers zum Bärenwagen zum Bären hineingefasst werden kann. Dadurch könnten sich insbesondere Kinder schwerste Verletzungen zuziehen, zumal der Antragsteller – wie nach Aktenlage zuletzt in Plattling – die sicherheitsrechtliche Auflage im Bescheid der Stadt Treuchtlingen vom 10. März 2016, den Käfig so abzusperren, dass unbefugte Personen nicht näher als 1 m an den Käfig herantreten können, jedenfalls nicht durchgehend beachtet.
Demgegenüber stehen auf Seiten des Antragstellers nur ideelle und wirtschaftliche Interessen im Raum. Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass bei einer Nichtrückgabe des Bären die wirtschaftliche Existenz seines Zirkusbetriebs gefährdet ist. Dies wäre bei dem tierschutzrechtlich genehmigten Umfang seines Tierbestands auch nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Zudem hat der Bär nach den Angaben eines Zirkusmitglieds vom 17. März 2016 gegenüber einem Polizeibeamten der Polizeiinspektion Plattling ohnehin fast keine Auftritte mehr im Zirkus und wird nur noch gelegentlich ins Zirkuszelt geführt. Bei dieser Sachlage hat das Interesse des Tierhalters, vorläufig im Besitz seines Bären bleiben zu können, zurückzutreten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).