Verwaltungsrecht

Sofortvollzug der Entlassung eines Probezeitbeamten wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen

Aktenzeichen  3 CS 17.1778

Datum:
6.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 2215
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 10 S. 1, § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 1, Abs. 5
LlbG Art. 12 Abs. 5

 

Leitsatz

1. Die prognostische Einschätzung, ob ein Beamter den Anforderungen, die mit der Wahrnehmung der Ämter seiner Laufbahn verbunden sind, voraussichtlich gerecht wird, ist gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Begriff der mangelnden Bewährung und die gesetzlichen Grenzen des dem Dienstherrn zukommenden Beurteilungsspielraums verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde liegt und ob allgemeine Wertmaßstäbe beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wertet das Verwaltungsgericht den Sachverhalt in Bezug auf die in einem Strafbefehl aufgeführten Fälle der Verletzung von Dienstgeheimnissen als hinreichend feststehend, weil gegen den Strafbefehl kein Einspruch eingelegt wurde, so ist dies nicht zu beanstanden. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 2 S 17.1053 2017-08-23 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.319,58 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 11. April 2017 entließ der Antragsgegner die Antragstellerin aus dem Beamtenverhältnis auf Probe beim Polizeipräsidium Schwaben Süd/West zum 30. Juni 2017. Die Antragstellerin hat am 29. Mai 2017 gegen diesen Bescheid Klage erhoben. Den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen, lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 23. August 2017 ab. Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Der Antragsgegner ist der Beschwerde entgegen getreten.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Die mit der Beschwerde innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führen zu keiner anderen Beurteilung.
1. Die Anordnung des Sofortvollzugs ist im Bescheid vom 11. August 2016 formal hinreichend begründet (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO). Erforderlich ist eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses dafür, dass der Verwaltungsakt schon jetzt und nicht erst nach Eintritt der Bestands- oder Rechtskraft verwirklicht, umgesetzt oder vollzogen wird (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 35). An den Inhalt der Begründung sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es müssen jedoch die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen (Schmidt in Eyermann, a.a.O. § 80 Rn. 43).
Die Antragstellerin hält die gegebene Begründung – es sei sowohl der Allgemeinheit als auch dem Dienstherrn nicht zuzumuten, dass eine für ihre Laufbahn ungeeignete Beamtin bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Entlassungsverfügung weiterhin im Beamtenverhältnis auf Probe verbleibe, und es stelle einen nicht hinnehmbaren Eingriff in die Personalhoheit des Dienstherrn dar, wenn dieser die Planstelle nicht an einen anderen Bewerber vergeben könne – für bloße „Förmelei“ und ungenügend. Eine wirkliche Interessenabwägung sei nicht vorgenommen worden, es seien auch keine Angaben erfolgt, mit welchem konkreten anderen Bewerber beispielsweise die Planstelle der Antragstellerin besetzt werden könne.
Dass die Interessen des Antragsgegners am Sofortvollzug der Entlassung eines Probezeitbeamten oftmals gleichgelagert sind, führt nach der vom Verwaltungsgericht zutreffend in Bezug genommenen Rechtsprechung des Senats nicht dazu, dass eine formelhaft anmutende Begründung des Sofortvollzugs schon aus diesem Grund zurückzuweisen wäre. Keinesfalls sind an dieser Stelle Angaben zur für die Nachfolge auf der Planstelle in Aussicht genommene Person erforderlich.
2. Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG können Beamte und Beamtinnen auf Probe entlassen werden, wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben. Der Entlassungstatbestand steht im Zusammenhang mit § 10 Satz 1 BeamtStG, wonach in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nur berufen werden darf, wer sich in der Probezeit hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bewährt hat. Steht die fehlende Bewährung fest, ist der Beamte zu entlassen (Art. 12 Abs. 5 LlbG). Die Beurteilung, ob sich der Beamte auf Probe bewährt hat, besteht in der prognostischen Einschätzung, ob er den Anforderungen, die mit der Wahrnehmung der Ämter seiner Laufbahn verbunden sind, voraussichtlich gerecht wird. Mangelnde Bewährung liegt bereits dann vor, wenn begründete Zweifel bestehen, dass der Beamte diese Anforderungen erfüllen kann. Die Prognoseentscheidung ist gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Begriff der mangelnden Bewährung und die gesetzlichen Grenzen des dem Dienstherrn zukommenden Beurteilungsspielraums verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde liegt und ob allgemeine Wertmaßstäbe beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind. Die Zweifel müssen jedoch auf tatsächlichen Feststellungen und Erkenntnissen basieren und dürfen sich nicht im Bereich bloßer Mutmaßungen bewegen (stRspr., vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 11.8.2017 – 3 CS 17.512 – juris Rn. 2; B.v. 16.12.2015 – 3 CS 15.2220 – juris Rn. 31 m.w.N.). Diesen Maßstab hat das Verwaltungsgericht zutreffend zugrunde gelegt.
Die Antragstellerin wendet sich zum einen gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, der Antragsgegner sei in der Entlassungsverfügung nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Das Verwaltungsgericht hatte die Indizwirkung eines Strafbefehls für ein Disziplinarverfahren geschildert und den Sachverhalt in Bezug auf die im Strafbefehl des Amtsgerichts Memmingen vom 10. Januar 2017 aufgeführten elf Fälle der Verletzung von Dienstgeheimnissen als hinreichend feststehend gewertet, weil die Antragstellerin gegen den Strafbefehl keinen Einspruch eingelegt habe, sechs Einzelfälle bei ihrer Anhörung im Entlassungsverfahren zugestanden habe und mit Anwaltsschriftsatz vom 15. Dezember 2016 ein schwerwiegendes, nicht gerechtfertigtes Fehlverhalten innerhalb des Dienstes eingeräumt worden sei.
Der Einwand der Antragstellerin, dass es für einen Beschuldigten im Strafverfahren mannigfaltige Gründe geben könne, gegen einen Strafbefehl keinen Einspruch einzulegen, führt ebenso wenig auf eine Unrichtigkeit des der Entlassungsverfügung für die Eignungsbeurteilung zugrunde gelegten Sachverhalts wie die Rüge, sie selbst habe im Anhörungstermin gar nichts eingeräumt, sondern nur der von ihr beigezogene Personalrat. Auch dass der genannte Anwaltsschriftsatz im Strafverfahren keine dienstrechtliche Bewertung vornehmen wollte, kann unterstellt werden. Es verbleibt stets bei der verwaltungsgerichtlichen Feststellung, dass die Antragstellerin zu keiner Zeit die sachliche Richtigkeit der Vorwürfe substantiiert bestritten hat, was in Anbetracht der vorliegenden sächlichen Beweismittel nicht überrascht.
Des Weiteren rügt die Antragstellerin, der Sachverhalt sei unzureichend und einseitig zu ihren Lasten ermittelt worden. Weder die Staatsanwaltschaft noch der Antragsgegner hätten die Hinweise der Strafverteidigung, das Beziehungsgefüge der Antragstellerin zu ihrem damaligen Freund sei durch diesen in höchstem Maße manipulativ und durch exzessive Kontrolle gekennzeichnet gewesen, aufgegriffen.
Dieser Einwand trifft indes ausweislich der streitgegenständlichen Entlassungsverfügung nicht zu. Diese setzt sich ausdrücklich mit diesem Sachvortrag auseinander, schildert, dass der von S. ausgeübte Druck von der Antragstellerin nur behauptet, aber nicht bewiesen sei und Ermittlungen durch das Bayerische Landeskriminalamt diesbezüglich keine Anhaltspunkte ergeben hätten. Das Verwaltungsgericht hat insoweit ebenfalls keinen Anhalt in den dokumentierten Chat-Verläufen finden können und die Bescheinigung der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie vom 21. November 2016 zu Recht für nicht aussagekräftig gehalten. Vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin selbst vorträgt, sie habe nicht ohne Grund aus eigenem Antrieb die Trennung von ihrem damaligen Freund vollzogen und auch ohne extensive psychotherapeutische Hilfe das Beziehungsmuster erkannt, erschließt sich nicht, dass dieser Umstand die dem Beurteilungsspielraum des Dienstherrn unterliegende Eignungsbeurteilung hätte prägen müssen.
Da mangelnde Bewährung bereits dann vorliegt, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass die Beamtin die an sie gestellten Anforderungen erfüllen kann, macht auch die positive Bewertung der Antragstellerin durch ihre Kollegen die Entlassungsverfügung nicht fehlerhaft. Dass die Antragstellerin sich durch die gegen sie geführten Verfahren geläutert sieht und der Prozessbevollmächtigte die Gefahr einer Wiederholung eines solchen Fehlverhaltens meint ausschließen zu können, ändert daran nichts. Auf die weiter aufgeworfene Frage, ob die Aufhebung der Probezeitbeurteilung rechtmäßig war, kommt es im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gegen die Entlassungsverfügung nicht an.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG (wie Vorinstanz).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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