Verwaltungsrecht

“Sport- und Gesundheitstag” der Sozialgerichtsbarkeit in Bayern als dienstliche Veranstaltung

Aktenzeichen  AN 1 K 16.01750

Datum:
7.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG BayBeamtVG Art. 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
ArbSchG ArbSchG § 5, § 20

 

Leitsatz

Die “Sport- und Gesundheitstage” der Sozialgerichtsbarkeit in Bayern unterliegen als dienstliche Veranstaltung (Art. 46 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BayBeamtVG) dem Dienstunfallschutz. Der formelle Dienstbezug ergibt sich daraus, dass diese Veranstaltung vom Dienstvorgesetzten getragen wird, der materielle Dienstbezug daraus, dass die Veranstaltung der Kontaktpflege und dem Austausch zwischen den Gerichten und damit dienstlichen Interesse dient. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 28.07.2015 und des Widerspruchsbescheids vom 01.08.2016 verpflichtet, das Unfallereignis vom 16.07.2015 mit der Unfallfolge „nicht dislozierte Tibiaschaftfraktur rechts“ als Dienstunfall anzuerkennen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid vom 28. Juli 2015 und der Widerspruchsbescheid vom 1. August 2016 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
Der Kläger hat einen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses vom 16. Juli 2015 als Dienstunfall mit der Dienstunfallfolge „nicht dislozierte Tibiaschaftfraktur rechts“. Die Voraussetzungen des Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG liegen vor.
Unzweifelhaft handelt es sich bei dem Unfallereignis vom 16. Juli 2015 um ein auf äußeren Einwirkungen beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis. Dieses ist auch in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten, denn es handelte sich beim Fußballspiel anlässlich des Sport- und Gesundheitstages um eine dienstliche Veranstaltung i.S.d. Art. 46 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BayBeamtVG.
Zwar ist grundsätzlich der Zusammenhang der Veranstaltung mit den eigentlichen Dienstaufgaben der entscheidende Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob eine Veranstaltung in die dienstliche Sphäre einbezogen ist und die damit verbundenen Risiken dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegen. In diesem Zusammenhang ist neben dem formellen auch ein materieller Dienstbezug der jeweiligen Veranstaltung erforderlich (BVerwG, U.v. 13.8.1973, Az. VI C 26.70, Rn. 26, juris).
Das Merkmal der formellen Dienstbezogenheit lag beim Fußballspiel des Klägers im Rahmen des „Sport- und Gesundheitstags der Sozialgerichtsbarkeit“ unzweifelhaft vor. Die Veranstaltung war von der Autorität des Dienstvorgesetzten insoweit getragen, als Schirmherrin der Veranstaltung die Präsidentin des Bayerischen Landessozialgerichts war. Auch war der „Sport- und Gesundheitstag“ insoweit in den Dienstbereich mit einbezogen, als eine Einladung an alle Angehörigen der Bayerischen Sozialgerichtsbarkeit ausgesprochen wurde und diese auch zur Teilnahme ermuntert wurden. Eine Arbeitszeitanrechnung für das nichtrichterliche Personal wurde gewährt und die Organisation erfolgte ausschließlich durch das Sozialgericht … als Teil der Sozialgerichtsbarkeit in Bayern. Dementsprechend gingen auch der Präsident des Sozialgerichts … (Schreiben vom 28. April 2016) und das Landesamt für Finanzen, Dienststelle …, Bezügestelle Dienstunfall selbst im Bescheid vom 28. Juli 2015 vom Vorhandensein der formellen Dienstbezogenheit aus.
Hinsichtlich der erforderlichen materiellen Dienstbezogenheit liegt zwar ein direkter und unmittelbarer Bezug vom Fußballspiel zur dienstlichen Tätigkeit eines Sozialrichters nicht vor. Neben diesem Bezug zu den Dienstaufgaben kommt es bei der Beurteilung jedoch auch wesentlich darauf an, ob die Veranstaltung dienstlichen Interessen dient; die materielle Dienstbezogenheit kann auch in der beabsichtigten Pflege der Verbundenheit der Dienststellenangehörigen gesehen werden (BVerwG, U.v. 23.2.1989, Az. 2 C 38/86, Rn. 20 f., juris, zu einer Betriebsfeier). Eine sportliche Betätigung kann dienstlichen Interessen und Zwecken dienen, wenn die sportliche Veranstaltung ihre entscheidende Prägung durch die dienstliche Sphäre erhält; es müssen besondere Umstände festgestellt werden, die den Schluss rechtfertigen, dass die betreffende Tätigkeit des Beamten dem dienstlichen Bereich zuzurechnen ist (BVerwG, U.v. 14.12.2004, Az. 2 C 66/03, Rn. 25, juris). Im konkreten Fall stellte das Bundesverwaltungsgericht bei der Würdigung auf die Frage ab, ob greifbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Veranstaltung mindestens auch der Verbesserung des Betriebsklimas und der Kontaktpflege mit anderen Behörden diente (a.a.O., Rn. 27, juris; hierauf als maßstäblich zurückgreifend OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 3.2.2012, Az. 10 A 11071/11, Rn. 37, juris).
Hieran gemessen liegt auch die erforderliche materielle Dienstbezogenheit vor. Nach Auffassung der Kammer ist vor allem unter Berücksichtigung der Organisation (abwechselnd durch verschiedene Bayerische Sozialgerichte) und des Teilnehmerkreises (Einladung an alle Angehörigen der Bayerischen Sozialgerichtsbarkeit) keinesfalls davon auszugehen, dass einziger Zweck des „Sport- und Gesundheitstages“ die individuelle Gesundheitsförderung sein soll. Vielmehr erscheint es schon unter Berücksichtigung des geplanten Ablaufs (wie auch in den sonstigen Jahren) offensichtlich, dass mit dieser gemeinsamen Veranstaltung den Angehörigen der Sozialgerichtsbarkeit in Bayern eine Plattform angeboten werden soll, die zum Austausch nicht nur unter den Angehörigen der jeweiligen Sozialgerichte in Bayern, sondern wesentlich auch zum Austausch untereinander beitragen sollen. Derartige Kontaktpflege erscheint auch keinesfalls nur als privat geprägt, sondern dient unzweifelhaft auch dem Interesse des Dienstherrn, da so ein Anlass für einen förderlichen Austausch zwischen den Gerichten gegeben wird. Ein grundsätzlich stattfindender Kontakt zwischen den verschiedenen Gerichten scheint dabei vor allem wegen organisatorisch gleichartiger Herausforderungen besonders bedeutsam und im Interesse des Beklagten als Dienstherrn.
Auch die Schilderung des Ablaufs des „Sport- und Gesundheitstages“ durch den Kläger mit den gemeinsamen Programmelementen, die verschiedentlich zur Möglichkeit des Kennenlernens anderer Kollegen und zur Kontaktaufnahme in größerer Runde gegeben haben (beispielsweise das gemeinsame Abendessen im Anschluss an die Siegerehrung), machten deutlich, dass dieser Zweck auch keinesfalls von untergeordneter Bedeutung war, sondern mindestens ähnlich bedeutsam wie der Zweck der sportlichen Betätigung gewesen ist.
Auch die übrigen Voraussetzungen für die Anerkennung des Dienstunfalls liegen vor. Zweifel an der Kausalität des Unfallereignisses für die geltend gemachte Verletzung („nicht dislozierte Tibiaschaftfraktur rechts“) liegen nicht vor, insbesondere spricht hierfür bereits der Beweis des ersten Anscheins wegen der mechanischen Belastung des Schienbeins beim Aufeinandertreffen mit dem Gegenspieler. Auch liegen keine Anhaltspunkte für ein Selbstverschulden vor. Der Unfall wurde zudem zeitnah und insbesondere innerhalb der Ausschlussfristen ordnungsgemäß angezeigt (Art. 47 Abs. 1 BayBeamtVG).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war nach § 124a Abs. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen, weil es sich bei der Reichweite des Dienstunfallschutzes im Rahmen von dienstlichen Veranstaltungen um eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage handelt, die sich vergleichbar auch bei anderen Dienstherrn oder anderen Dienststellen stellt. Vergleichbare Sport- und Gemeinschaftsveranstaltungen werden auch für andere Richter und Beamte regelmäßig angeboten. Insoweit verweist die Kammer als anschauliches Beispiel auf den für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bayern jährlich ausgerichteten „VGH-Sommerlauf“ unter der Schirmherrschaft des Präsidenten des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs.

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