Verwaltungsrecht

Staatlicher Schutz vor Blutrache in Albanien

Aktenzeichen  B 4 K 165.31426

Datum:
19.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 16a Abs. 3 S. 1
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 7, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
AsylG AsylG § 29a Abs. 1, § 34 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Die Vermutung der Sicherheit vor Verfolgung im sicheren Herkunftsstaat Albanien (§ 29a Abs. 1 AsylG) wird nicht durch die Verwicklung in eine Blutrachefehde erschüttert, weil der albanische Staat willens und in der Lage ist, vor solchen Übergriffen durch nichtstaatliche Akteure zu schützen. (Rn. 15 und 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet, weil der Bescheid des Bundesamtes vom 18.07.2016 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes noch auf Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Demzufolge ist auch die Abschiebungsandrohung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG rechtmäßig.
Das Gericht folgt zunächst der ausführlichen und umfassenden Begründung des Bescheides vom 18.07.2016 und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
Gemäß § 29a Abs. 1 AsylG ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG (sicherer Herkunftsstaat) als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG droht.
Zwar erscheint es dem Gericht nach dem überzeugenden Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung durchaus glaubhaft, dass er als mögliches Opfer in eine Blutrachefehde verwickelt ist und außerdem von Drogendealern gesucht wird. In beiden Fällen geht die Bedrohung aber von nichtstaatlichen Akteuren aus und ist deshalb gemäß § 3c Nr. 3, § 3d AsylG bzw. § 4 Abs. 3 in Verbindung mit § 3c Nr. 3, § 3d AsylG asylrechtlich nur relevant, wenn der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens ist, wirksam und nicht nur vorübergehend Schutz vor Verfolgung bzw. einem ernsthaften Schaden zu bieten. Ein solcher Schutz ist generell gewährleistet, wenn der Staat geeignete Schritte einleitet, um die Verfolgung bzw. Gefahr eines ernsthaften Schadens zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung bzw. Gefahr eines ernsthaften Schadens darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat (§ 3d Abs. 2 Satz 2 AsylG).
Mit Wirkung vom 24.10.2015 wurde Albanien in Kenntnis der Tatsache, dass das Phänomen der Blutrache dort noch präsent ist, als sicherer Herkunftsstaat eingestuft (§ 29a Abs. 2 in Verbindung mit Anlage II AsylG), weil der albanische Staat die Blutrache ablehnt und bekämpft und geeignete Schritte eingeleitet hat, um Blutrachehandlungen zu verhindern. Dass der albanische Staat sowohl willens als auch in der Lage ist, wirksam vor Blutrachehandlungen zu schützen, zeigen die Gewährung von Polizeischutz anlässlich der Beerdigung des Vaters des Klägers und die Festnahme eines Angreifers aus der Opferfamilie. Wenn die Familie des Klägers die Regeln des Kanun dem staatlichen Schutz vorzieht, indem sie die Freilassung des Angreifers veranlasst, um dadurch die Erfolgsaussichten von Vermittlungsbemühungen zu erhöhen, hat sie sich dies selbst zuzuschreiben und kann sich nicht auf eine mangelnde staatliche Bereitschaft oder Fähigkeit, Schutz zu bieten, berufen.
Das gleiche gilt im Ergebnis für die Bedrohung des Klägers durch zwei Drogendealer. Wenn der Kläger in seinem Herkunftsland Drohbriefe erhält, muss er sich auch damit an die dortigen Sicherheitsbehörden wenden. Einen lückenlosen Schutz vor kriminellen Übergriffen aus diesem Milieu könnte auch der deutsche Staat nicht gewährleisten.
Die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes, befristet auf 3 Jahre, gemäß § 11 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1, Sätze 4 bis 6 AufenthG und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes des § 11 Abs. 1 AufenthG auf 10 Jahre gemäß § 11 Abs. 2 und Abs. 3 AufenthG erscheinen im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) aufgrund der Verurteilung des Klägers zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 8 Monaten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge noch rechtmäßig. Der Kläger hat aber die Möglichkeit, nach erfolgreichem Abschluss der Drogenentzugstherapie und guter Führung im Strafvollzug die Verkürzung der Fristen bzw. die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 4 Satz 1 bzw. § 11 Abs. 7 Satz 3 in Verbindung mit § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu beantragen.
2. Nach alledem wird die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt, abgewiesen. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.

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