Verwaltungsrecht

Statthafte Klageart für die Erteilung einer Betretenserlaubnis

Aktenzeichen  M 17 S 16.33705

Datum:
14.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 42 Abs. 1, § 80 Abs. 5, § 123

 

Leitsatz

Für die Geltendmachung einer kürzeren Befristung der gesetzlichen Sperrwirkung nach § 11 Abs. 2 AufenthG bzw. die vorläufige Erteilung einer Betretenserlaubnis gemäß § 11 Abs. 8 AufenthG ist die Verpflichtungsklage statthaft. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller stammt aus dem Kosovo und ist albanischer Volkszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am … oder … August 2016 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 17. August 2016 Asylantrag.
Bei seiner persönlichen Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) erklärte der Antragsteller zu den Gründen für seinen Asylantrag, er sei wegen seiner Freundin gekommen. Diese habe er vor drei Jahren in … kennengelernt und werde sie heiraten. Die beim Standesamt vorgelegten Papiere müssten noch überprüft werden, was nach dessen Angaben noch ca. vier Monate dauern werde. Er gab Namen und Anschrift seiner Freundin an. Das seien seine einzigen Asylgründe. Der Antragsteller erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme zur Anordnung und/oder Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots.
Mit Bescheid vom 20. September 2016, zugestellt am 13. Oktober 2016, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie den Antrag auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab, lehnte den Antrag auf subsidiären Schutzstatus als offensichtlich unbegründet ab und verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche ab Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Kosovo oder in einen anderen Staat angedroht, in den der Antragsteller einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Zudem wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes angeordnet und auf zehn Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6) sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen offensichtlich nicht vor. Der Antragsteller stamme aus Kosovo, einem sicheren Herkunftsstaat, so dass vermutet werde, dass er nicht verfolgt werde, solange er nicht Tatsachen vortrage, die die Annahme begründen, dass er entgegen dieser Vermutung verfolgt wird. Der Antragsteller habe nichts glaubhaft vorgetragen oder vorgelegt, was zu der Überzeugung gelangen ließe, dass, entgegen der Einschätzung der allgemeinen Lage in seinem Herkunftsstaat, in seinem Fall die Voraussetzungen für die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung erfüllt seien. Der Antragsteller habe keine flüchtlingsrelevante Sachlage vorgetragen. Da es dem Antragsteller nicht gelungen sei, die Regelvermutung des § 29 a AsylG zu widerlegen, sei der vorliegende Asylantrag nicht nur einfach, sondern als offensichtlich unbegründet abzulehnen.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor, insbesondere sei weder von der kosovarischen Regierung noch durch nichtstaatliche Dritte eine unmenschliche Behandlung zu erwarten. Die nationalen und internationalen Sicherheitskräfte gewährleisteten grundsätzlich Schutz und Sicherheit.
Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die Heirat des Antragstellers könne auch im Kosovo vollzogen werden. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein. Dem Antragsteller drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib und Leben.
Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise sei im vorliegenden Fall angemessen, denn der Antragsteller verfüge im Bundesgebiet über keine wesentlichen Bindungen, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen wären. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ab dem Tag der Abschiebung auf 36 Monate sei im vorliegenden Fall angemessen.
Am 25. Oktober 2016 erhob der Antragsteller zur Niederschrift des Urkundsbeamten beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Asylklage und stellte Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO,
hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Weiterhin beantragte er
die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Zur Begründung bezog er sich auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt. Weiterhin erwarte seine Freundin ein Kind von ihm, das voraussichtlich am … Dezember 2016 geboren werde. Er wolle bei seinem Kind sein. Er wolle bei der Geburt anwesend sein, da sonst die Mutter ihn nicht als Vater eintragen lasse und er verliere die Rechte an diesem Kind. Reise er freiwillig aus, habe er eine Einreisesperre und könne bei der Geburt nicht hier sein. Er habe die Anträge nicht rechtzeitig stellen können, da seine Freundin Probleme mit der Schwangerschaft gehabt und ihn gebraucht habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der sonstigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen, insbesondere auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
I.
Der Antrag, die kraft Gesetzes gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anzuordnen, ist unzulässig. Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsandrohung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen, § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG. Diese Frist hat der Antragsteller versäumt. Ausweislich des Empfangsnachweises ist der Bescheid dem Antragsteller am 13. Oktober 2016 ausgehändigt und damit wirksam zugestellt worden. Der Antragsteller hat die Klage und den Antrag am 25. Oktober 2016 zur Niederschrift des Urkundsbeamten beim Verwaltungsgericht München erhoben bzw. eingereicht. Dieser Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung wahrt die Antragsfrist nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG bei weitem nicht.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist abzulehnen, denn es ist weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller ohne Verschulden verhindert war, den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO verbunden mit der Klage rechtzeitig bei Gericht einzureichen und damit die gesetzliche Frist des § 36 Abs. 1 Satz 3 AsylG einzuhalten (§ 60 Abs. 1 VwGO). Der Vortrag, dass seine Freundin Probleme mit der Schwangerschaft gehabt und ihn gebraucht habe, ist zu unsubstantiiert, um glaubwürdig darzutun, dass ihn an der Versäumung der Frist kein Verschulden trifft. Die gesetzliche Frist kann auch nicht vom Gericht verlängert werden. Damit ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO unzulässig.
II.
Ohne dass es darauf noch ankäme, sei angemerkt, dass keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides des Bundesamtes vom 20. September 2016 ersichtlich sind.
1. Soweit die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 7 des Bescheids beantragt wird, ist der Antrag unzulässig.
In dieser Nummer wird lediglich das sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebende Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG zeitlich befristet. Der Antrag ist insoweit mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Denn die schlichte Aufhebung der Nr. 7 des Bescheids aufgrund einer Anfechtungsklage bzw. die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beträfen lediglich die getroffene Befristungsentscheidung als solche, so dass ein erfolgreiches Rechtsmittel zur Folge hätte, dass das – unmittelbar kraft Gesetz geltende – Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG unbefristet gelten würde. Die Rechtsstellung des Antragstellers wäre somit nicht verbessert. Das Ziel einer kürzeren Befristung der gesetzlichen Sperrwirkung nach § 11 Abs. 2 AufenthG müsste, ebenso wie die (vorläufige) Erteilung einer Betretenserlaubnis gemäß § 11 Abs. 8 AufenthG, im Wege der Verpflichtungsklage bzw. im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes über einen Antrag nach § 123 VwGO erstritten werden (vgl. NdsOVG, B. v. 14.12.2015 – 8 PA 199/15 – juris Rn. 5; VG München, B. v. 12.1.2016 – M 21 S 15.31689 – UA S. 8; VG Ansbach, B. v. 20.11.2015 – AN 5 S 15.01667 – juris Rn. 2; B. v. 18.11.2015 – AN 5 S 15.01616 – UA S. 2; VG Aachen, B. v. 30.10.2015 – 6 L 807/15.A – juris Rn. 8; Funke/Kaiser in Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, Stand Dezember 2015, § 11 Rn. 183, 190, 193, 196; a. A. wohl VG München, U. v. 9.12.2015 – M 2 K 15.31158 – UA S. 14).
2. Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass der Antrag, selbst wenn er zulässig wäre, unbegründet ist, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
2.1 Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob dieser weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B. v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen des § 3 AsylG offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S. v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.), was nach ständiger Rechtsprechung aber nicht anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B. v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAuslR 1993, 196).
2.2 An der Rechtmäßigkeit der insoweit vom Bundesamt getroffenen Entscheidungen bestehen hier keine derartigen ernstlichen Zweifel.
Auch ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Flüchtlinge rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag des Antragstellers nicht erkennbar.
Das Heimatland des Antragstellers, Kosovo, ist ein sicherer Herkunftsstaat (vgl. § 29a Abs. 2 AsylG und Anlage II zu § 29a AsylG). Die Gerichte sind an diese Einstufung gebunden, es sei denn, sie sind der Überzeugung, dass sich die Einstufung als verfassungswidrig erweist (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93 – juris Rn. 65). Verfassungs- oder europarechtliche Bedenken gegen die Einstufung von Kosovo als sicherer Herkunftsstaat sind nicht ersichtlich.
Der Antragsteller hat die durch § 29a AsylG normierte Nichtverfolgungsvermutung auch nicht durch den schlüssigen Vortrag von individuellen Verfolgungstatsachen erschüttern können. Vielmehr hat er sich allein auf seine Beziehung zu seiner Freundin und dem erwarteten Kind berufen. Herkunftslandbezogene Gründe hat der Antragsteller nicht genannt und sich nicht auf eine Verfolgung im Sinne von Art. 16a GG oder § 3 AsylG im Kosovo berufen. Das Gericht folgt daher der zutreffenden Begründung der Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid, auf die verwiesen wird (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Das Gericht nimmt auch insoweit auf die Begründung des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Auch die vom Bundesamt nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden.
Schließlich stellt sich das auf § 11 Abs. 7 AufenthG gestützte befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot nach der insoweit im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig dar. Die Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin sind im Rahmen der auf den Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO beschränkten gerichtlichen Überprüfung nicht zu beanstanden, zumal der Antragsteller gegen das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG keine Einwendungen vorgebracht und insbesondere kein fehlerhaftes Ermessen gerügt hat.
Der (gerichtskostenfreie, § 83b AsylG) Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

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